Korg erste Groovebox
Nachdem wir in der Black Box bereits ausgiebig die beiden Beatboxen Korg Electribe ER-1 und ES-1 besprochen haben, wenden wir uns nun dem Dritten im Bunde zu: dem zweifach monophonen Analog Modeling Synthesizer EA-1. Der EA-1 kam Ende 1999 zeitgleich mit dem ER-1 auf den Markt und sollte dessen Rhythmusfundament um Bass und Melodie ergänzen – eine Kombination, die nicht von ungefähr an das Duo Roland TB-303 / TR-606 siebzehn Jahre zuvor erinnert. Korg reagierte mit den beiden Maschinen recht spät auf den damaligen Groovebox-Hype, den Roland 1996 mit der MC-303 losgetreten hatte.
Inhaltsverzeichnis
Positioniert und vor allem wahrgenommen wurde der EA-1 naheliegenderweise als moderne Alternative zur TB-303. Doch obwohl es gewisse Parallelen gibt, kann der kleine Korg die gute alte 303 nicht wirklich simulieren, geschweige denn ersetzen. Dafür hat er ganz eigene Stärken und einen unverwechselbaren Charakter, den seinerseits kein anderes Gerät und keine Software nachahmen kann.
Äußeres der Electribe EA-1
Der EA-1 steckt in dem gleichen Gehäuse wie ER-1 und ES-1 und unterscheidet sich von den Kollegen nur durch die Farbe des zentralen Bedienfeldes und die Anordnung der Regler und Taster. Auf der Rückseite findet sich auch hier ein Audioeingang, der allerdings nur Monosignale verarbeitet.
Bemerkenswert ist die Beschaltung der Audioausgänge. Der EA-1 beherbergt zwei identische, unabhängige Synthesizer-Parts, und die werden nicht im Stereopanorama verteilt, sondern über zwei Einzelausgänge auf die Reise geschickt. Diese Lösung hat durchaus etwas für sich: So hat man am Mischpult beide Synthesizerparts auf verschiedenen Kanälen anliegen und kann sie individuell mit EQ und Inserteffekten anpassen, stummschalten oder auf die Schnelle ihre Lautstärke regeln, ohne vorher sichergehen zu müssen, dass man am Gerät auch gerade den richtigen Part aktiviert hat. Alternativ kann man beide Stimmen am linken Ausgang aber auch als Mono-Summe abgreifen.
Das bisschen Klangerzeugung
Die Klangerzeugung des EA-1 basiert auf Korgs MOSS-Technologie, die unter anderem im Z1 und im MS2000 für Analogfeeling sorgte und hier auf das Allernötigste reduziert wurde. Wer nach dem ersten Überfliegen des Bedienfeldes hoffte, dass sich in irgendwelchen Menüs doch noch eine manipulierbare Verstärker-Hüllkurve versteckt, muss leider enttäuscht werden: Der EA-1 kommt ohne aus. Auch die Filterhüllkurve beeindruckt nicht gerade durch einen undurchdringlichen Parameterdschungel, einstellbar sind lediglich Intensität und Decay. LFOs wurden komplett aus dem Lastenheft des Groove-Synths gestrichen. Stattdessen gibt es die Electribe-typische Motion Sequence, mit der Parameter-Bewegungen über die Länge eines Patterns aufgezeichnet werden können. Leider ist die Anzahl an Motion Sequences pro Part auf eins limitiert, gleichzeitig Osc2-Pitch und Filter-Cutoff zu automatisieren ist also nicht drin.
Im Gegensatz zur TB-303 ist der Analog Modeling Synthesizer EA-1 mit zwei Oszillatoren ausgestattet. Diese bieten nicht mehr als die Standardschwingungsformen Sägezahn, Rechteck und Dreieck, statt des ersten Oszillators kann aber auch ein externes Signal eingebunden werden. Einstellen kann man lediglich Portamento, Osc Balance sowie die relative Tonhöhe von Osc 2. Dafür lassen sich die beiden Klangquellen per Osc-Mod-Schalter ringmodulieren oder mit dem Decimate-Effekt durch den Wolf drehen (in der Mk-II-Version wurde Decimate durch Crossmodulation ersetzt, was daran liegen könnte, dass dieser Effekt in den meisten Einstellungen nicht besonders spannend klingt). Die Osc-Mod-Option Sync ist interessanterweise unabhängig von Osc 1 und wird auch durch externe Signale nicht beeinflusst.
Der Regelbereich von Osc 2 Pitch Offset beträgt links von der Mittelstellung eine Oktave abwärts, mit einer Rechtsdrehung verstimmt man Osc 2 bis zu vier Oktaven nach oben. Dadurch ist schnell eine Suboktave zu Osc 1 gezaubert, auch andere Intervalle abwärts sind leidlich gut einstellbar. Den zweiten Oszillator um ein definiertes Intervall nach oben zu verstimmen, scheitert dafür meist an der geringen Auflösung der Electribe-Regler. Der Sinn des unpräzisen, aber extrem weiten oberen Oktavbereichs von Osc 2 erschließt sich spätestens, sobald Osc Mod ins Spiel kommt, denn damit entstehen viele ungewöhnliche – sägende, vokalartige, inharmonische, geräuschhafte – Spektren. Wirklich interessant wird das natürlich, wenn man die Tonhöhe von Osc 2 per Motion Sequence automatisiert.
Das Filter ist auf den Einsatz in einem Groovesynth mit 303-Attitüde getrimmt, was besonders bei mittlerer bis hoher Resonanz auffällt. Die Flankensteilheit wird von Korg nicht näher beziffert, es klingt aber nach 24 dB/Oktave. Bei maximalen Resonanzwerten fiept und schreit der EA-1 schon ordentlich und offenbart seine Tendenz zur Krawallmaschine. Wie erwähnt kann man die Filterhüllkurve nur im Decay verändern, dafür erlaubt der Intensitätsregler sowohl positive als auch negative Modulation.
Die Amp-Sektion hält lediglich einen Lautstärkeregler und einen Distortion-Taster vor. Die Distortion klingt in Ordnung und ermöglicht auch das typische Acid-Geschrei, ersetzt aber auf keinen Fall eine „richtige“ Verzerrung, sei es über ein Pedal, ein gutes übersteuertes Mischpult oder eine hochwertige digitale Simulation. Die Tatsache, dass sie in der Intensität nicht regelbar ist, schränkt den Einsatzbereich ein, zumal es unter Umständen bei der Aktivierung zu Pegelsprüngen kommen kann.
Die Klangerzeugung wird pro Part mit einem stets temposynchronen Delay und einem Chorus/Flanger-Effekt erweitert, die beide gleichzeitig verfügbar sind. Als subtiler Weich- und Breitmacher taugt der Chorus weniger, was allerdings auch daran liegt, dass er nur ein Mono-Signal ausgibt. Der Effekt empfiehlt sich eher für extreme, digital klingende Modulationen, die vom leichten Blubbern bis hin zu atonalem Geschwurbel reichen und damit ein wenig den fehlenden LFO aufwiegen können. Sehr nachteilig ist, dass das Signal bei moderatem Einsatz des Chorus stark an Lautheit und Durchsetzungskraft verliert, was man am Mischpult dann wieder aufholen muss.
Der volle Klang des Electribe EA-1
Trotz der wenigen verfügbaren Parameter lässt sich durchaus eine gewisse Klangvielfalt aus der blau-silbernen Kiste herausholen, gleichzeitig ist dank eben dieser Übersichtlichkeit fast jeder Sound in Sekundenschnelle eingestellt. Neben den üblichen Acid-Bässen und schneidenden Leads gehören auch unaufdringlichere Sounds zum Repertoire. Dank Chorus und Osc Mod gelingen sogar experimentellere Klänge. Wirklich Perkussives ist allerdings kaum möglich. Die Werkssounds spiegeln wunderbar die Zielgruppe und den Zeitgeist Ende der Neunziger wider:
Besonders die Bässe fügen sich sehr gut in den Mix ein. Sync-Sounds klingen satt und farbig und sind ein echtes Highlight des EA-1. Einen großen Anteil an seiner Klangästhetik hat außerdem der Sequencer, der durch die besonders enge Integration das Sounddesign zwangsläufig beeinflusst, indem man die Klänge auf die laufende Sequenz abstimmt und umgekehrt.
Trotz einer gewissen Härte und Kühle hat der Grundklang des EA-1 zweifellos Charakter. Die Tiefe und Präsenz eines modernen VA oder gar eines echten analogen Synthesizers kann er aber nicht erreichen, im Vergleich klingt er immer ein wenig bedeckt. Dafür ist es gerade das in den Grenzbereichen und bei den grob gerasterten Reglerfahrten deutlich durchscheinende Digitale, das den EA-1 interessant macht. Bei einem Osc2-Regelbereich von vier Oktaven aufwärts bleibt außerdem Aliasing nicht aus, was ebenfalls zum Electribe-Charme beiträgt.
Unterwegs mit der Electribe EA-1
Auch wenn sich der EA-1 vom Klang her nicht fair mit dem Über-Vorbild vergleichen lässt: Mit dem Sequenzer der TB-303 muss er sich messen.
Was dabei leider auf Anhieb aufstößt ist das Fehlen einer Accent-Funktion. Es gibt zwar die Motion Sequence, aber eine Accent-Spur wäre schneller programmiert und würde im Idealfall auch in Form von MIDI-Velocity-Werten ausgegeben. So ist der EA-1 aber, trotz guter Anlagen, leider nicht die ideale Wahl als günstiger Standalone-Sequencer für andere Synthesizer. Ähnlich gravierend ist, dass es zwar Legato (die Filterhüllkurve wird bei gebundenen Noten nicht neu getriggert) gibt, aber kein pro Step aktivierbares Glide – viele typische 303-Patterns sind mit dem bei jedem Notenwechsel wirkenden Portamento schlicht nicht realisierbar. Hier ist Korg mit der Reduktion aufs Wesentliche leider weit über das Ziel hinaus geschossen.
Die Notendauer jedes Steps der bis zu viertaktigen Pattern lässt sich in Schritten von 64tel-Noten definieren. Natürlich wird auch eine Swingfunktion geboten, für deren Einstellung man die Wiedergabe aber wie bei allen kleinen Electribes stoppen muss. Live können Pattern mit einer einfachen Tastenkombination schnell transponiert werden. Sounds werden immer zusammen mit einem Pattern gespeichert, 4 x 64 davon passen in den Speicher. Eine Song-Funktion erlaubt das Aneinanderreihen von verschiedenen Pattern zu größeren Strukturen.
Die Programmierung des Sequencers ist insgesamt zwar gut durchdacht und logisch, in der Praxis fummelt man dann aber doch meist recht lange herum, bis die Notenfolgen und -längen wirklich sitzen. Im Live-Betrieb stört, dass der Sequencer für Funktionen wie Swing, Clear Part oder Speichern gestoppt werden muss. Unterm Strich dürfte der Sequencer alleine also kein Grund sein, nach einem gebrauchten EA-1 Ausschau zu halten.
Zwölf Jahre später
Seine Existenzberechtigung zieht der Korg EA-1 in Zeiten von günstigen analogen Synthesizern wie dem Doepfer Dark Energy und leistungsfähiger Bühnen-Software wie Ableton Live sicher nicht allein aus seinen Features oder seinem Sound. Vielmehr ist es die Summe seiner Teile (und nicht zuletzt die Abwesenheit anderer Teile), die auch zwölf Jahre nach dem Debüt noch ganz unschuldig Spaß macht – hier gibt es keine versteckten Menüfunktionen, jeder wichtige Parameter lässt sich direkt anfassen, und der Lauflicht-Sequencer blinkt publikumswirksam dazu.
Naheliegende Alternativen zum EA-1 sind andere gebrauchte Grooveboxen aus dieser Zeit wie Yamaha AN-200 und DX-200 oder die Roland MC-303. Wer echten analogen Sound braucht, kann heutzutage aus einer Reihe analoger TB-303-Clones mit integriertem Sequencer wählen, wie z.B. Modemachines XOXBOX. Aber hierzu ist der EA-1 keine wirkliche Konkurrenz, sondern spielt eher in seiner eigenen Liga. Schade ist, dass sein Sequencer keine MIDI-Velocity kennt, denn mit seinen zwei unabhängigen Parts ist er prinzipiell ein guter Hardware-Partner für MIDI-fähige Synthesizer.
Im Gegensatz zu bald dreißig Jahre alten analogen Schätzchen wie der originalen TB-303 ist ein Electribe natürlich wesentlich weniger anfällig für technische Probleme. Trotzdem kann es passieren, dass die Potis und das Datenrad nach einigen Jahren anfangen zu zicken und gelegentlich am gewünschten Wert vorbeispringen. Es kommt auch schon mal vor, dass ein Poti auf geisterhafte Weise den Schaltzustand eines Tasters mit verändert. Aber das gibt sich schnell wieder von selbst und trägt außerdem zum leicht unberechenbaren – und damit fast wieder „analogen“! – Electribe-Charme bei.
Korg Electribe EA-1 on YouTube
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Wow ist die Ableton-Amp-Distortion schlecht ^^
Mein erster Synth. Klingt irgendwie „eletrischer“ als der EMX. Leider sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt.