Golden Sixties
Für viele ist ja die Fender Strat das Trauminstrument schlechthin, leider reicht das Budget aber oft nicht für ein Originalmodell aus amerikanischer Produktion. Aber für diese Fälle gibt es ja Squier – jene Firma, die Fender noch kurz vor der Übernahme durch den CBS-Konzern im Frühjahr 1965 selbst erwarb. Wieso also eine Stratkopie von irgendeiner Firma kaufen, wenn der Hersteller selbst günstige Kopien seiner Originale anbietet?
Die bei uns zum Test eingetroffene Fender SQ 60th Anni Classic Vibe Strat ist auf den ersten Blick faktisch nicht von einer normalen US-Strat zu unterscheiden, vielmehr überrascht das hochglänzende Äußere dieser in China hergestellten Stratocaster. Alles Gold, was glänzt? Machen wir den Test!
Facts & Features Fender SQ 60th
Nun gut, für einen Ladenpreis von knapp über 400,- Euro kann man nicht zwangsläufig eine Tasche oder gar einen Gigbag erwarten, auch die Fender SQ 60th Anni Classic Vibe Strat wird ohne ein Behältnis ausgeliefert. Unser Testmodell besitzt ein goldenes Hochglanz-Finish, das satt und ohne irgendwelche Unsauberkeiten auf einen Erle-Korpus aufgetragen wurde. Auch die komplette Hardware erstrahlt in Gold, Aztec Gold, um genau zu sein. Und das betrifft wirklich fast alles, was an Metallteilen angeschraubt wurde, selbst die Schrauben zur Sicherung des Elektronikfachs auf der Rückseite blieben davon nicht ausgenommen – Gold, soweit das Auge blickt!
Wie bei einer Stratocaster üblich, besitzt auch unsere Classic Vibe Strat die drei Singlecoil Pickups und ein klassisches, einfaches Vintage-Vibrato, von dessen Benutzung man aber erfahrungsgemäß eher nur abraten kann. Wie es sich im konkreten Fall mit der Stimmstabilität und dem Umgang mit dem „Jammerhaken“ verhält, werden wir später im Praxisteil noch erfahren.
Die drei auf dem dreischichtigen Pickguard montierten Tonabnehmer beschreibt der Hersteller schlicht mit „Custom Vintage-Style Single-Coils“, es handelt sich hierbei wohl um Pickups aus fernöstlicher Quelle. Geregelt und geschaltet wird wie eh und je bei der Strat mit den zwei Tone-Potis und einem Mastervolume-Poti, das nach wie vor viel zu nah am Steg-Singlecoil sitzt. Die Potis laufen weich auf ihren Achsen und auch der Fünfwegeschalter rastet sauber und knackig in seinen Positionen ein.
Der Vibratohebel, selbstverständlich auch in Gold getaucht, wird wie üblich in den Vibratoblock eingeschraubt und verbleibt dort entweder wackelnd in seinem Sitz (wenn man ihn nicht genug einschraubt) oder aber im Weg, wenn er zu fest eingeschraubt wird. Kleiner Tipp an dieser Stelle: Eine kräftige Feder, etwa eine aus dem Automobilzubehör, kann hier für Abhilfe sorgen. Selbst Fender legt(e) einigen Modellen solch eine Feder bei, die in das Gewindeloch eingesetzt wird. Der Effekt: Durch den Gegendruck der Feder sitzt der Hebel nicht nur spielfrei, sondern verschwindet zudem nach Gebrauch auch automatisch aus dem Aktionsradius der rechten Hand.
Der Hals besteht aus einem Stück Ahorn und wurde komplett lackiert. Dem Wort „komplett“ kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, denn die Lackierung umfasst nicht nur die Halsrückseite, auch das Griffbrett wurde mit dem Polyester-Finish überzogen. Das war „trendy“ in den 60ern – und ist bis heute eher ein Hindernis für den Spielfluss, denn schweißnasse Fingerkuppen können sich hier bei Bendings schon mal „verziehen“. Na ja, zumindest ist es mit mehr Kraftaufwand verbunden, als mit der linken Hand über ein speckiges Ebenholzgriffbrett oder einem ähnlichen, offenporigen Holz zu huschen. Mal schauen, wie sich das bei der Classic Vibe Strat verhält.
Das war es dann aber auch schon mit der zurückhaltenden Kritik an diesem sicher wichtigsten Bauteil der Gitarre, denn der Rest kann sich wirklich sehen lassen! Zum einen ist da die wirklich hübsche Maserung des Halses, dessen Griffbrett aus dem Vollen gefräst (also nicht zusätzlich aufgeleimt) wurde und zum anderen die überraschend gute Verarbeitung der 21 eingesetzten Bundstäbchen und des 42 mm breiten Sattels, deren Kanten nämlich faktisch nicht spürbar sind. Aber auch sonst wirkt die Gitarre wie aus einem Guss und zeugt von dem hohen Qualitätsstandard, den Fender mittlerweile auch im Low-Budget-Segment unter dem Namen Squier bieten kann. Seien es nun die Instrumente aus Mexiko oder eben die aus Asien, wie unser Testmodell. Und damit ab in die Praxis!
Sound & Praxis; Fender SQ 60th Anni Classic Vibe Strat
Zunächst überrascht das ungewöhnlich niedrige Gewicht der Gitarre, was einem guten Handling ja nur entgegenkommt. Der akustische Grundsound ist recht ausgeglichen, allerdings nicht ganz so druckvoll wie bei einer Standard US-Strat, von der ich rein zufällig gerade eine hier stehen habe – und deshalb recht gut einen A/B-Vergleich vollziehen kann. Ebenso verhält es sich mit dem Sustain, auch hier ist die Ausschwingphase auf der US-Strat deutlich länger wahrzunehmen.
Dafür überzeugt die Fender SQ 60th Anni Classic Vibe Strat schon ab Werk mit einer ordentlichen Bespielbarkeit. Die anfängliche Befürchtung, das lackierte Griffbrett könnte bei Bendings und Vibratos der linken Hand die Arbeit erschweren, bestätigt sich nicht. Hier hat Fender also eine schöne Optik mit absoluter Praxistauglichkeit vereint. Zusammen mit dem sehr moderaten Shaping der Halsrückseite fühlt man sich bereits nach wenigen angeschlagenen Tönen und Akkorden pudelwohl auf der gesamten Länge des Ahornhalses.
Am Verstärker bietet sich das gewohnt knackige und durchsetzungsfreudige Klangbild einer typischen Strat, allerdings nur in Grenzen. Die Pickups liefern zwar den typischen „Twäng“ in allen Schaltungsvarianten, sie können jedoch den etwas drucklosen, akustischen Grundsound der Gitarre nicht einfach so in einen „High-End-Vintage-Sound“ verwandeln. Es reicht aber für saubere, klare Linien und einen bedingt brauchbaren Overdrive-Sound, dem man ja mit Singlecoil-Pickups ohnehin mit Vorsicht begegnen sollte. Auch unser Testmodell geizt natürlich nicht mit den typischen, konstruktionsbedingten Nebengeräuschen einer Singlecoil-Schaltung, vor allem bei höheren Gain-Settings. Eine Strat im Originalzustand war halt noch nie etwas für Hardrock und/oder Metal – das kannte man in den 60ern ja noch gar nicht!
Tja, bliebe eigentlich nur noch zu sagen, dass sich das Vibratosystem wie befürchtet zickig zeigt und jede etwas kräftigere Bewegung mit dem Hebel die erwarteten Verstimmungen hinterlässt. Hier ist also, wie üblich bei einer Strat, Feingefühl im Umgang mit dem Jammerhaken erforderlich.