Volles Programm als Eurorack Sequencer
Der Zuwachs von Mehrspur-Sequencern für das Eurorack als Hauptzentrale eines Racks reißt nicht ab. Mit dem Endorphin.es Ground Control Mehrspur-Sequencer Modul steht nun ein weiterer Bolide ins Haus. Speziell für die Live-Performance ausgelegt und mit allen Möglichkeiten der Programmierung versehen, verspricht das eine Steuerzentrale für komplette Tracks zu sein. Ob das so ist und wie sich das Modul behauptet, wird nun hier beleuchtet.
Spoiler
Die Basisausstattung spiegelt schon mal das Konzept des Arturia Beatstep Pro wider. Wie ich darauf komme? Ganz einfach: Juliar Bondar von Endorphin hat den Beatstep Pro für die Ansteuerung für ihr Eurorack genutzt. Um das nun zu integrieren, wurde dieses Modul entwickelt und das gesamte Live-Programm 1:1 übertragen. Natürlich gibt es auch spezifische Eurorack Funktionen. Also, da haben wir doch schon mal eine Ausgangslage für unseren Hinterkopf.
Übersicht zum Endorphin.es Ground Control
Ground Control ist ein komplexer 11-Spur–Sequencer mit einem integrierten 2-Oktaven-Keyboard. Von diesen 11 Spuren sind 8 für das Triggern von Drum-Modulen vorgesehen, womit sich ein kompletter Beat steuern lässt. Die anderen drei Tracks sind für melodieorientierte Spuren mit (Key)-CV/Gate. Außerdem werden die Spuren über MIDI ausgegeben. In einem von möglichen 24 Projekten/Songs kann man pro Instrument/Spur 24 verschiedene Patterns ablegen. Die maximale Step-Länge beträgt 64 Schritte. Das alles, garniert mit verschiedenen Sequencer-Modi und einer Anbindung per USB und MIDI an die Außenwelt, schafft vielfältige Möglichkeiten.
Das Äußere und Anschlussmöglichkeiten
42 Moduleinheiten breit und nur 25 mm tief ist das hochwertig gefertigte Modul. Schwer und massiv liegt es in der Hand, denn ein halbes Kilo ist es schon (ich hab’s gewogen). Im Karton selbst liegen noch ein MIDI-Adapter mit Miniklinke der hochwertigen Sorte, ein Aufkleber und natürlich das bunte Endorphin.es typische Anschlusskabel und die Schrauben.
Auf den ersten Blick fällt mir auf, dass gänzlich auf einen Drehregler, für was auch immer, verzichtet wurde. Es gibt also nur Taster! Die Taster des „Keyboards“ sind sehr dick und ragen gut aus dem Panel heraus. Diese sind stark gummiert, die Finger rutschen also nicht ab. Alle anderen gummiartigen Taster für die Bedienung sind aus einem anderen Material und eher aus transparentem Kunststoff. Es gilt: Alle Taster können leuchten, je nach Funktion.
Das kleine Digit-Display ist vielstellig und kann nur Zahlen und Buchstaben darstellen. Schön ist, dass alle Anschlüsse entweder ganz oben in Reihe oder eben rechts als Block angeordnet sind. Es wird also kein Kabel die Bedienung beeinträchtigen, insofern man das Modul in erster Reihe im Rack platziert. Für eine Steuerzentrale im Rack wohl obligatorisch!
Ganz oben sind die Instrumentenausgänge und jeweils der dazugehörige Mute-Taster untergebracht. Was mir sofort in den Sinn gekommen ist, ist die Ähnlichkeit zur Roland MC-303 und deren größere Verwandte. Ist ja nicht verkehrt und ist leicht verständlich.
Links neben dem Display befinden sich im Prinzip die „Navigations-Buttons“ für links, rechts und plus und minus. Unter dem Display wählt man die Drum- oder die 3 Melodiespuren zur Editierung an. In der Mitte des Moduls sind Start/Stop und diverse Spielhilfen-Taster und die Projekt- und Tempo-Taster. Alle Taster besitzen noch eine zweite oder dritte Funktion, die mit Hilfe des goldenen Aufdrucks auf dem Panel beschrieben ist – und das auch noch mit verständlichen Worten. Auch bei den „Keyboard“-Tastern sind Nummerierungen und auch Zweitfunktionen dargestellt. Details dazu gibt es später.
Nicht selbstverständlich ist ein zusätzlicher Netzteilanschluss, wenn man das Gerät als externen Sequencer ohne ein Eurorack betreiben will sowie zwei USB-Anschlüsse. Einer, um ein Gerät zur Ansteuerung anzuschließen, und einer für den Host, also z. B. einen Rechner.
Umfangreich bestückt ist das Modul mit Clock-Ein- und Ausgängen, einem globalen Reset-Ein- und Ausgang und einem MIDI-Ein- und Ausgang. Alle Spuren sind ebenso noch mal mit einem Reset–Eingang versehen. Ebenso ist pro Track ein CV–Eingang vorhanden. Man vermisst hier keine Anbindungsmöglichkeit und das Modul kann vielseitig aus allen Richtungen betrieben werden.
Nur auf der Rückseite ist der Micro–SD–Kartenslot angeordnet, der als Speicher dient und wohl in den seltensten Fällen gewechselt werden muss. Eine 8-GB–Karte steckt schon im Gerät.
Alles ist super und exakt angeordnet. Die Haptik, die verbaute Qualität und die Aufteilung lassen keine Missverständnisse aufkommen.
Die Sequencer-Möglichkeiten des Endorphin.es Ground Control
Kommen wir nun zum Sequencer. Wie im Spoiler eingangs erwähnt: Alles, was mit einem Beatstep Pro geht, geht auch mit dem Ground Control. Auf diese Basis kann man sich schon mal einigen. 4 verschiedene Sequencer-Modi sind implementiert:
- Step-Recording, die klassische Variante
- Live-Recording, indem man die 24 Piano-Keys oder eine externe MIDI-Tastatur verwendet
- Editor, für das gezielte Editieren von Noten/Anschlagstärken und CC-Modulationen
- XOX Style Editor, die klassische TR-Trigger-Eingabe
Bei all diesen Varianten verhält sich die Ground Control wie sie es soll. Hier bleibt kein Auge trocken. Hier werden sämtliche Features geboten, die das Verschieben und Akzentuieren ermöglichen oder das Ändern der Laufrichtung bewerkstelligen, Zufallswiedergaben und Tempoänderungen pro Track sind ebenfalls vorhanden. Das funktioniert auch alles im laufenden Betrieb.
Überhaupt ist die Clock und MIDI-Implementierung hervorragend umgesetzt und nahezu komplett, etwas anderes wäre auch eine Verfehlung des Themas. Wer allerdings auf exotische CV-Spannungen wie für Buchla- oder das alte Moog-Systeme schielt, wird das nicht vorfinden. Hier wird gänzlich das moderne CV-Umfeld angesteuert.
Die Sequencer-Modi sind jetzt keine Überraschung. Sie sind von der Logik und vom Aufbau her altbekannt, jedoch komplett und eben speziell für das Eurorack mit all seinen Anforderungen konsequent umgesetzt. Aber auch die Ansteuerung per MIDI und USB wurde nicht außer Acht gelassen.
Selbstverständlich sind auch Arpeggiator, Shuffle, Ratchening, Probability-Funktionen,Gate-Längen und Slide enthalten. Nur der Ordnung halber. Ein kurzer Blick in die englischsprachige Anleitung schafft Klarheit über die eine oder andere tiefergehende Funktion. Überhaupt ist das Manual sehr übersichtlich aufgebaut und will auch studiert werden. Klar, bei einem Sequencer mit solch einem Umfang und mit nur einem 4-stelligen Display muss das auch sein. Das sollte jedem klar sein.
Skalen, Gate-Längen, Slide-Time, Shuffle, Metronome, MIDI und viele weitere Funktionen sind nur einen Kombidruck mit der TEMPO- und einer Keyboard-Taste entfernt.
Ein Manko möchte ich hier schon mal erwähnen. Die vier CV-Eingänge für Modulationen und deren Zuweisung sind noch ohne Funktion. Dies wird auch so von Endorphin.es kommuniziert und das wird in einem zukünftigen Update nachgeliefert. Ein etwas komischer Beigeschmack bleibt erstmal bei mir, da gerade dieser Eingriff in die Tracks Experimente jenseits der üblichen Sequencer-Schubserei bietet und einen Mehrwert für das modulare Konzept ist.
Wie gestaltet sich die Bedienung von Ground Control?
Das muss ich mir leider zuerst von der Seele schreiben. Jeder, der dieses Gerät zuerst benutzt, wird wohl als Einstieg die Drum-Sektion mit ein paar Modulen verbinden und gleich mal einen Beat programmieren wollen. Erste Lektion: Wer aber das Produktfoto studiert und mitzählt, wird feststellen, dass die untere Reihe des „Keyboards“ nur 14 Taster in Reihe besitzt. Keine 16, wie es sich für eine TR-Programmierung gehört! Und nun? Habe die Anleitung studiert und des Rätsels Lösung gefunden. Step 2 ist die erste Taste links oberhalb und Step 15 ist die letzte obere Taste rechts. Wer schon bei der Behringer RD-8 das Tasten-Layout mit der Bedruckung des Gehäuses verwirrend findet und ständig daneben greift, wird hier noch eine härtere Nuss knacken müssen. Das ist extrem gewöhnungsbedürftig und das brachte mich während des ganzen Tests immer wieder durcheinander.
Natürlich darf man nicht vergessen, dass jeder Hersteller sein Möglichstes tut, um ein nicht zu großes Modul zu designen. Das Modul wäre sonst 6 HP breiter geworden. Erschwerend hinzu kommt noch, dass die anderen übrig gebliebenen acht oberen Tasten jeweils zum Anwählen der jeweiligen Drumspur dienen und dann auch entsprechend permanent leuchten, alle zusammen signalisieren bei laufender Sequenz die Noten-Trigger durch Blinken. Es ist also einiges los, wenn die Ground Control läuft. Wer nicht nur gespeicherte Sequenzen abfeuert, sondern auch live etwas Abwechslung bieten will, muss sich arg konzentrieren.
Die Taster, ganz besonders die „Klaviatur“-Taster benötigen einen festen Druck, sonst tut sich gar nichts, wobei es hier keine Anschlagsdynamik gibt, diese ist aber in den Tiefen der Programmierung möglich, allerdings nur auf MIDI-Seite.
Also, ist die Bedienung und Handhabung des Sequencers nun gelungen oder nicht? Ich sage zu 80% ja und zu 20 % nein. Grundsätzlich ist von allem reichlich vorhanden und die Aufteilung ist logisch, aber je mehr man in die Tiefe geht, wird eine Übersicht umso schwieriger.
Hier ist mal ein Beispiel zum Verwenden des Projektknopfs:
Das ist doch ganz einfach und schnell verinnerlicht, oder? Das größte Manko für mich ist das fehlende Display mit Informationen. Dieses hätte nicht viel größer sein müssen als das bestehende Nummern-Display. Diese von mir negativen Punkte sollten jedoch in Relation zur der Komplexität eines Haupt-Sequencers für das Eurorack betrachtet werden, denn bei allen möglichen Kandidaten dieser Art leidet die Übersicht. Die Bedienkonzepte sind verschieden. Bei dem Ground Control kann man sich nach und nach einarbeiten, da die Oberfläche für den Anfang sehr an bekannte Konzepte angelehnt ist und immerhin die Funktionalität eines Arturia Beatsteps beinhaltet.
Update: Kurz vor Fertigstellung dieses Artikels erreichte mich noch die Nachricht, dass ein Update verfügbar ist. Dieses beseitigt viele Bugs und bietet eine Tonne mehr Features, insbesondere für das Pattern-Chain, die Projektverwaltung, den Arpeggiator und den Pattern-Live-Mode. Das ist ein positives Signal, da Endorphin.es seine Module weiterentwickelt. Hier gehts per Klick zur Endophin.es Seite und zur Verbesserungsliste.
wieder so ein Endorphin-Teil mit ewig vielen Bugs. Wie kann man nur auf den markt kommen mit einem unfertigen Produkt? Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass ich ein Endmorphin-Produkt mit zahlreichen bugs gekauft hab. Das wars dann für mich.
Ich denke, damit muss man heutzutage ein Stückweit leben. Jeder grosse Stepsequenzer wird mit Bugs oder für später versprochenen Features ausgeliefert, ausnahmslos. Das erste Jahr ist realistisch als Betatestphase anzusehen. Was soll so eine Minifirma auch anderes machen? Als Konsument hat man mehrere Möglichkeiten: 1. gar nicht kaufen 2. das Produkt ein Jahr lang beobachten und gucken, wie der Hersteller seine Zusagen einhält. 3. analoge Sequenzer kaufen, weniger Features, keine Bugs :-)
Ich sehe das ein wenig anders:
1. kann der Hersteller offen mit seinen Bugs umgehen und die beim Release sauber kommunizieren.
2. wer immer mit finalen programmierten Produkten am Start ist (von Feature-Updates abgesehen), wird langfristig ein besseres Image haben (positiv ist hier zB. Doepfer zu nennen)
3. wer sagt einem denn, dass so eine kleine Firma nicht pleite geht, bevor die Bugs beseitigt sind.
4. es gibt auch andere Sequenzer-Module die ausgestaltet sind, warum eins kaufen mit Bugs?
5. alle versprechen immer die Beseitigung von Bugs, aber wenn das Ding keine Stückzahlen macht, lohnt es sich nicht weiter darauf einzuzahlen und Kosten zu erzeugen. Schau dir da zB. Isla Instruments an, der Cordbot ist nie zu Ende programmiert worden.
Und die eigentliche Frage an den Autor: WARUM hat das Ding mit dem ganzen Minuskasten bitte ZWEI STERNE erhalten???
@Rob.D.N. Weil es einfach ein gutes Produkt zum sequenzing ist. Im letzten Absatz „Update“, wurde ja schon erwähnt das es immer besser wird. Daher ist das Grundkonzept fast perfekt! Ich sehe das genauso kritisch mit den Update Konzept, aber bisher scheint das super bei Endorphin zu funktionieren, denn es arbeiten mehrere Programmierer an Updates. Auch beim Golden Master Test hier bei Amazona wurden z.B. meine Verbesserungsvorschläge schon in die Tat umgesetzt.
@Rob.D.N. Leute fühlen sich heutzutage als Betatester „missbraucht“, wenn sich das Traummodul als nicht ganz ausgereift herausstellt. Ich kann Deine Punkte verstehen, aber gerade im Eurorack-Sektor sind die Hersteller und Zielgruppe so klein, dass es oftmals gar nicht anders geht, als das Produkt erstmal in Umlauf zu bringen und später zu finalisieren. Man kann das auch pragmatisch als Community-Projekt sehen, aktiv mitgestalten und sich umso mehr freuen, wenn Vorschläge umgesetzt werden.
Ich habe z.B. beim Rossum Assimil8or mal so lange genervt, bis das im Forum an Fahrt aufgenommen hat und ein Feature es last-minute ins 2.0 Update geschafft hat.
@swellkoerper Hey swellkoerper, da bist du ja wieder! Ja, sehe ich genauso. Gerade im Eurorack Bereich sollte man sich nicht scheuen auch mal seine Erfahrung und Wünsche den Herstellern mitzuteilen. Das wird immer dankend entgegen genommen. Das sind ja alles nette Leute.
RE: Aufteilung des Drumgrids
Die Tastatur besitzt ja den Umfang von 2 Oktaven.
Evtl. wäre da eine Zuordnung der „1“ und „3“ jedes Takts auf der unteren Reihe sowie der „2“ und „4“ entsprechend auf der oberen Reihe eine intuitivere Anordnung.
Also für Takt 1 1.1 auf F, 1.2 auf F#, 1.3 auf G und 1.4 auf G#
Takt 2 dann mit 2.1 auf C, 2.2 auf C#, 2.3 auf D und 2.4 auf D#
Dito für die Takte 3 und 4.
So beginnt jeder Takt auf F oder C; und die Halbtonschritte der C-Dur Tonleiter H-C und E-F wären eine gute Merk- und „Orientierungs“-Hilfe und dienen quasi als Taktstriche.
Damit ließen sich sowohl 4/4 Takte wie auch 3/4 Takte darstellen. Nicht „verwendbare“ Tasten müßten jeweils entsprechend deaktiviert werden.