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Blue Box: Oberheim DSX Analogsequencer (1981)

Hardware-Sequencer aus dem Hause Oberheim

16. Mai 2020

Der Oberheim DSX ist ein Hardware-Sequencer für analoge CV/Gate Signale, der vor allem für die damalige Oberheim-Keyboard-Serie entwickelt wurde (Oberheim OB-X, OB-Xa, OB-SX und OB-8).

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Über ein Multipin-Interface auf der Rückseite, bei Oberheim „Synthesizer-Interface“ genannt, kommuniziert der Sequencer mit den oben genannten Analogsynthesizern.

Über dieses Interface konnte der DSX nicht nur Noten aufzeichnen, sondern auch Soundprogrammwechsel der Oberheim Synthesizer sowie auch den Wechsel zwischen Split- oder Dualsounds bewerkstelligen.

Über die acht CV/Gate Pärchen auf der Rückseite konnten die im DSX aufgezeichneten Sequenzen auch weitere analoge Synthesizer ansteuern.

Rückseite mit den Anschlüssen des DSX

In der Pre-Midi-Ära galt dieses System daher als enorm fortschrittlich, weil damit auch polyphone Sequenzen aufgezeichnet und wiedergegeben werden konnte. Und auch die Synchronisation der hauseigenen Drumcomputer DX und DMX funktionierte im Verbund einwandfrei.

Das damalige Oberheim Performance System, bestehend aus polyphonem Synthesizer, Sequencer und Drumcomputer, stellte somit ein komplettes Oberheim-Studio zur elektronischen Musikproduktion dar.

Trotz allem standen die Zeichen der Zeit damals sehr ungünstig für Oberheim. Nur zwei Jahre blieben Oberheim, um ihre Insellösung zu etablieren, mit der man den User gezielt an die eigene Marke binden wollte, dann erschien Midi und veränderte den gesamten Markt.

1983 stellten Roland und Sequential erstmals auf der NAMM-Show zwei Synthesizer vor, die sich, trotz unterschiedlicher Hersteller, gegenseitig ansteuern konnten.

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Werbeprospekt zum Oberheim System

Firmware und Sequencer

Während ihrer Lebenszeit wurden die Geräte in fünf verschiedenen Revisionen produziert. Unser Testgerät befand sich auf Version 3.04. Über die Tastenkombination 3, 5, und 7 im eingeschalteten Zustand kann man übrigens die aktuelle Revision feststellen, ohne das Gehäuse zu öffnen.

Und die gute Nachricht: Es ist relativ einfach möglich, neuere Versionen der Firmware durch ein Retrofit in das eigene Gerät zu bekommen. Hierzu müssen lediglich die richtigen EEPROMs ausgetauscht werden. Die Hardware blieb über die recht kurze Lebenszeit des DSX bis auf das leicht veränderte Backpanel unverändert. Und Angebot für die 3.04 E-Proms findet man auf ebay für ca. 35,-€.

WICHTIG: Erst ab Revision 3.01 ist es übrigens möglich, den Oberheim DSX auch als Stand-Alone zu verwenden, also OHNE angeschlossenen Oberheim Synthesizer.  In allen Versionen zuvor meckert der DSX nämlich und wartet stur darauf, an einen Oberheim-Synthesizer angeschlossen zu werden.

Der Speicher und die Struktur des DSX

In der Frühzeit der digitalen Geräte funktionierte die Speicherzuweisung etwas anders, als das heute der Fall ist. Aus diesem Grund wird die Kapazität des DSX in der Anzahl einzelner Noten-Events angegeben, die das Gerät speichern kann. Das mag heutzutage verrückt klingen, war damals aber so üblich. Es ist möglich, bis zu 6000 solcher Noten-Events zu speichern.

Die 6.000 Events lassen sich in 10 polyphonen Spuren aufzeichnen. Diese wiederum werden in bis zu 10 Pattern und, übergeordnet, in 10 Songs organisiert.

Neue Sequenzen kann man ausschließlich über das Oberheim Synthesizer-Interface aufnehmen. Eigentlich schade, denn mit der Menge an CV/Gate Anschlüssen wäre der DSX auch heute noch ein interessanter Geselle für das Eurorack oder andere CV/Gate-Synthesizer und Drum-Machines.

Abhilfe schafft eine wunderbaren Software mit dem Namen DSX-Hack, die es erlaubt, Sequenzen von einer DAW in den DSX zu übertragen (siehe letztes Kapitel). 

Länge, Geschwindigkeit und Quantisierung bestimmt man vor der Aufnahme; danach kann man Tracks löschen, kombinieren und loopen. Zusätzlich gibt es verschiedene Performance-Features wie Track-Muting und Transponierung, um die Pattern live abwechslungsreicher zu gestalten.

Anschlüsse des Oberheim DSX

Die Verbindung in das Oberheim-Universum wird über einen 37-Pin Sub-D Anschluss hergestellt. Zur Anwendung kommt ein proprietärer, vom Hersteller als Oberheim Parallel Buss bezeichneter Datenbus. Dieser ermöglichte es, verschiedene Oberheim Geräte zu verbinden. Kompatibel sind die Synthesizer OB-8, OB-X, OB-Xa, OB-SX und die Drum-Machine DMX. Die Kommunikation zwischen den Geräten ist digital, was für die damalige Zeit noch sehr unüblich war. 

Interessanterweise kann es bei Verwendung mit einem OB-Xa dazu kommen, dass dieser gefühlt etwas langsamer reagiert. Dies hängt höchstwahrscheinlich mit der Auslastung des Urzeit-Prozessors zusammen, die entsteht, wenn das Gerät die zusätzlichen Daten verarbeiten muss.

Die CV-Ausgänge des Gerätes funken auf dem Volt/Oktave-Format, das auch von Moog und Buchla verwendet wurde. Das Gerät spricht also ohne Probleme auch mit modernen Eurorack-Systemen von heute. Tom Oberheim spendierte dem DSX acht CV/Gate-Pärchen, die über 1/4“ Mono-Stecker verbunden werden. Die eingehenden Signale sind fest an die ersten acht Sequenzen gekoppelt. Die neunte Sequenz ist für die Verwendung mit einem Oberheim Synthesizer und die Übertragung über den hauseigenen Buss gedacht.

Es ist möglich, einen externen Lautsprecher an den Klick-Port anzuschließen und so das Metronom-Signal auszugeben. Für Backups im Oldschool-Style (auf Audiobasis) steht ein Cassetten-Interface zur Verfügung. Neben I/O für Analog-Clock-Signale gibt es auch Ports für Tape-Sync.

Es existieren verschiedene Versionen des DSX. Sie unterscheiden sich durch unterschiedliche Backpanels. In neueren Versionen des Gerätes wurde eine zusätzliche Aussparung mit einer Platte und der Beschriftung External-Keyboard hinzugefügt. In unserem Testgerät war der Slot leider nicht besetzt und wurde von einer Metallplatte verdeckt.

Benutzeroberfläche des DSX

Gehäuse und Seitenteile des DSX sind passend zum Style der anderen Oberheim-Geräte dieser Ära gestaltet. Er sieht wirklich super aus neben einem OB-Xa.

Inside Oberheim DSX

Um einen Blick in das Gerät zu erhaschen, müssen lediglich zwei Schrauben entfernt werden. So lässt sich der Deckel mit dem Frontpanel des Gerätes öffnen, und man hat auch schon Zugriff auf das Innenleben.

Wie Muttis Wäscheschrank – das Innenleben des DSX ist ordentlich aufgeräumt

Eine Besonderheit ist die Verwendung einer wiederaufladbaren internen Batterie. Um nach längerer Benutzungspause sicher zu speichern, ist es nötig, das Gerät mindestens 14 Stunden laufen zu lassen. So kann sich die Batterie ausreichend wieder aufladen. Wahrscheinlich verlieren die Batterien in vielen der noch existierenden Geräten sehr schnell ihre Ladung. Nach jahrelangem Gebrauch wird oftmals nur noch sehr wenig Kapazität vorhanden sein. Beim Gebrauchtkauf ist deswegen Vorsicht geboten. Die Batterie befindet sich am unteren Rand des PCBs, direkt neben dem riesigen Kondensator.

Die wiederaufladbare Batterie findet ihr am unteren Ende des PCBs

Ein weiterer potentieller Schwachpunkt ist das einzeilige Display. Nach Jahren der Benutzung verliert dieses an Helligkeit und muss gegebenenfalls ausgetauscht werden. In unserem Modell war das Display aber noch so hell wie am ersten Tag nach der Fertigstellung.

Über einen integrierten Piezzolautsprecher ist es möglich, ein Metronomsignal auszugeben. Auch die Geräusche des Cassetten-Interfaces werden hier wiedergegeben. Das Ganze ist, obwohl etwas querky, doch recht praktisch.
Der einzige wirkliche Grund zum Öffnen des Gerätes in Benutzung ist der Zugriff auf den Gate-DIP-Switch-Array. Mit diesem ist es möglich, die Polarität der Gate-Ausgänge einzeln zu invertieren.

Dan Nigrin – DSX Hack

Die Benutzeroberfläche von DSX Hack

Von Zeit zu Zeit passiert es, dass alte Vintage-Synthesizer von Liebhabern lange nach deren Release mit zusätzlichen Funktionen oder Software ausgestattet werden. So wurde schon manchem längst Totgeglaubten wieder neues Leben eingehaucht.

Dan Nigrin hat mit seiner Software DSX-Hack ein geniales Tool geschaffen, welches wir allen DSX-Usern unbedingt empfehlen wollen.

Das Tor ins System ist beim Oberheim DSX das Cassette-Interface. Mittels eines einfachen Audiosignals, das von jedem gewöhnlichen Ausgang oder Audiointerface wiedergegeben werden kann, wird die Verbindung zum Computer hergestellt – genial.

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Mehr Informationen

Mit der Software, die natürlich mit OSX und Windows kompatibel ist, ist es möglich, auf alle zehn Spuren des DSX direkt zuzugreifen. Auch auf den Songmode besteht Zugriff. Natürlich können so auch Backups vom internen Speicher erstellt werden.
Leider ist die Software nicht als VST-Plugin ausgeführt, weswegen MIDI-Files manuell aus der DAW exportiert und in die Software importiert werden müssen. Trotzdem ist Dans Tool eine großartige Erweiterung zum DSX. Bei 40,- $ Verkaufspreis muss man, um in den Genuss des Programms zu kommen, noch nicht mal die Oma anpumpen. 

Der Oberheim DSX in der Praxis

Die Benutzeroberfläche ist wenig selbsterklärend und ohne Zuhilfenahme des Benutzerhandbuchs nur schwer zu durchschauen. Das ist für Vintage-Sequencer nicht unüblich und macht vielleicht auch irgendwo den speziellen Charme dieser Geräte aus. Auf der anderen Seite gibt es nicht so viele Funktionen, als dass einem die Bedienung nicht im Handumdrehen in Fleisch und Blut übergeht.

Alle Funktionen werden über Kipp-Taster aus Plastik mit einer integrierten LED gesteuert. Diese versprühen Vintage-Feeling und lösen sauber aus, dank eines spürbaren Druckpunktes.  Auch das einzeilige Display ist gut ablesbar, nur manchmal eben etwas kryptisch.

Und trotzdem macht die Arbeit mit dem Oberheim-Sequencer Spaß, wenn man gewillt ist sich ein wenig damit zu beschäftigen und jede Menge CV/Gate-Tools im Gerätepark hat.

Dank der DSX-Hack-Software steigt der Marktwert des DSX wieder, lässt er sich nun doch auch problemlos mit Sequenzen füttern. Mal abwarten, vielleicht bietet ja eines Tages auch jemand einen Hack an, um den DSX mit Midi-Befehlen antriggern zu können.


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Fazit

Zu seinem Release bot der DSX im Vergleich zu seinen Konkurrenten eine wahrlich überlegene Sequencing-Power. Im Kontext von modernen digitalen, MIDI-basierenden Studios ist die Nutzbarkeit des Sequencers leider nur über den Umweg der DSX-Hack -Software möglich oder eben klassisch im Verbund mit Oberheims Vintage-Synthesizern der OB-Serie.

Vintage-Freunde haben trotzdem ihren Spaß mit der kleinen Kiste, der dank zahlreicher CV/Gate-Ausgänge durchaus zum Zentrum eines netten Analog-Setups werden kann.

Klar muss man dafür ein besonderes Faible für Vintage-Units haben, aber Sie würden diese Zeilen nicht lesen, würden Sie nicht zu dieser Zielgruppe gehören, oder?

Plus

  • ein Stück Oberheim Geschichte
  • viele CV-Ausgänge und Spuren
  • cooler 3rd Party Editor für MAC und PC

Minus

  • nur über Oberheim Buss live programmierbar
  • kein MIDI

Preis

  • Gebrauchtpreise zwischen 500,- und 800,- Euro in Abhängigkeit vom Zustand
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Forum
  1. Profilbild
    iggy_pop AHU

    Steve Roach war ebenfalls Anwender des Oberheim-Systems aus OB-8, DMX und DSX, gelegentlich erweitert um ein bis zwei Xpander.

  2. Profilbild
    nativeVS AHU

    Trevor Horn hatte ein system (DMX, OBXa und DSX) um die zeit von Duck Rock/Lexicon of Love.
    Steve Porcaro hat auch mal schoen ein einem video demonstriert wie man den DSX als teil eines groesseren midi set up verwenden kann.

    • Profilbild
      TobyB RED

      @Kraut Control Faszinierend. Metro und Honeywell Barcodescanner hab ich schon entdecken können. Ich meine aber das war ein modifizierter DMX Drumcomputer in Star Trek VI „Das unentdeckte Land“.

  3. Profilbild
    emulator2hd

    The Terminator von Brad Fiedel , hat er mit DSX , DMX , OB-XA ,Emulator I und einem Prophet 10 gemacht .
    Für mich einer der besten 80er Soundtracks …

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Der DSX wurde Anfang der 80ger auch von der Polizei eingesetzt.
    …auf dem Album „Ghost in the Machine“.
    Ich finde die frühen Digital-Hardwaresequencer haben durch ihre minimalistischen Features, speziellen Timing-Eigenschaften und eigenständigen Programmierinterfaces durchaus noch ihre Berechtigung. Insbesondere wenn sie mit Synthesizern des selben Herstellers ein Systemkonzept bilden. Arbeitet man sich auf solch einem System ein, kommt man tendenziell zu anderen Ergebnissen als mit einer DAW. Danke für den spannenden Bericht!

  5. Profilbild
    citric acid

    Lustig. Dieses feine Gerät ist schon in meinen Händen gewesen. ich habe , leider nicht ganz so elegant, die Batterie so eingelötet . Das Gerät habt ihr erst kürzlich erworben. Wie klein die Welt ist :)

  6. Profilbild
    c.hatvani RED

    Der DSX wurde von Marcus Ryle entwickelt, der damals 19 Jahre alt war und gerade bei Oberheim einstieg. Er entwickelte später u. a. auch den MMT-8 Sequencer für Alesis. Er sagt, der MMT-8 sei eine verfeinerte Version des DSX. Und tatsächlich findet man hier die gleichen Grundfunktionen (und noch mehr): Man gibt Sequenzen ein, kann sie quantisieren, loopen, transponieren und zu Songs verbinden. Diese Art des Sequencings (Pattern-orientierter Sequencer) fand schließlich höchste Vollendung in C-LAB’s Creator/Notator auf dem Atari ST. Meiner Meinung nach bis heute der beste MIDI Sequencer. Der MMT-8 ist so etwas wie eine Mini-Version davon.

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