ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Test: Boss SY-1000, Multieffektpedal, Gitarrensynthesizer

Der ultimative Gitarren-Synthesizer - oder ein Fass ohne Boden?

25. Februar 2020

Im letzten Jahr hat Boss aus allen Röhren geschossen: das Boss OD-200, das Boss DD-200, das Boss SY-1 – allesamt gute, bisweilen großartige Pedale für moderates Geld, ganz zu schweigen von der Katana-Reihe. Sympathisch ist das auch vor allem deshalb, weil Boss zu den Produkten immer eine selbstbewusste Prise Understatement beimischt – die Firma weiß um ihr Erbe, geht damit aber nicht auf penetrante Art und Weise hausieren. Superlative Aussagen sucht man bei Boss vergeblich – meistens zumindest.

ANZEIGE

Als im Vorfeld jedoch der Boss SY-1000 als der fortschrittlichste Gitarren-Synthesizer überhaupt vorgestellt wurde, hat natürlich die halbe Musikwelt aufgehorcht. Und die Fakten sprechen für sich: Geballte DSP-Power, Step-Sequencer, ungemein dynamische Effekt-Einheiten, die parallel und in Serie geschaltet werden können und klanglich auf dem neuesten Stand sind. Boss hat mit dem SY-1 erneut bewiesen, dass man sich darauf versteht, kompakte Boxen mit reichlich Features zu versehen. Der Boss SY-1000 ist der Gegenentwurf dazu – ein Schlachtschiff mit drei separaten Synth-Modulen, überarbeitetem Tracking von GK-Tonabnehmern, ToneApp und reichlich Anschlüssen. Boss haben sich an solchen Synthie-Monstern bereits versucht – das Boss GR-55 oder das Boss GP 10 waren jedoch, könnte man meinen, nur Vorboten des SY-1000, der für viele die alten Boss-Stationen in den wohlverdienten Ruhestand schicken dürfte.

Boss SY-1000, Gitarren-Synthesizer – Facts and Features

Massiv, schwer – das Metallgehäuse des Boss SY-1000 ist mit einem metallischen Blau versehen, das insgesamt einen verdammt stabilen Eindruck macht. Nun sollte man sich klarmachen, dass das hier sowohl Bastel- als auch Performance-Station ist. Drei Klassen von Bedienelementen gibt es bei dem Boss SY-1000: acht Fußschalter, sieben Regler und acht Kunststoffknöpfe, die vor allem für die Navigation und das Editieren zum Einsatz kommen. Was da im Detail damit gemacht werden kann – dazu kommen wir noch. Das Portal zur unendlichen Vielfalt ist das Display: hoch aufgelöst und übersichtlich, ohne zuviel Farbe-Firlefranz und vor allem in der dunklen Bühnensituation gut lesbar.

Grundsätzlich gibt es als Gitarrist eine Frage, die man sich vor der Benutzung des Boss SY-1000 stellen sollte: Verwendet man die regulären Pickups seiner Gitarre oder kommen die Roland GK-Pickups zum Einsatz? Letztere sind eine separate Anschaffung, die man hier ernsthaft in Betracht ziehen sollte. Die Technologie dahinter hatte recht holprige Anfangszeiten, erlaubt aber ein inzwischen sehr sauberes und dynamisches Tracking der Synthie-Kapazitäten vieler Roland-Produkte. Im Vorfeld hielt sich etwas hartnäckig das Gerücht, dass der Boss SY-1000 ohne die GK-Pickups gar nicht erst benutzt werden kann – das stimmt natürlich nicht. Das Multieffekt-Pedal besitzt einen separaten Gitarreneingang für die regulär ausgestatteten Klampfen dieser Welt. Fakt ist aber, dass dann nicht alle Synthie-Sounds des Boss SY-1000 genutzt werden können. Die Roland GK-Mechanik erlaubt nämlich – und das ist unter anderem die Krux bei so anspruchsvoller Synthie-Anwendung – die umfassende Tonanalyse jeder einzelnen Saite. Für Einheiten wie das Roland GI-20 sind die Pickups beispielsweise unverzichtbar. Wenn man hier darauf verzichtet, muss man in erster Linie mit dem Dynamic Synth des Boss SY-1000 Vorlieb nehmen. Das beläuft sich preislich ganz schön happig, denn die RK-Pickups kosten dann auch noch mal über 100,- Euro. Dass gutes Tracking auch so funktionieren kann, haben Meris mit dem Enzo bewiesen.

Send und Return bilden die Eckpunkte des FX-Loops, der es euch erlaubt, eure unverzichtbaren Pedale in eine beliebige Position innerhalb der Signalkette des Boss SY-1000 zu positionieren. Wer seine Presets über externe Fußschalter ansteuern oder Expression-Pedale nutzen möchte, kann dies über die EXP1- und EXP2-Anschlüsse tun. L- und R-Ausgangsbuchsen gibt es für einen regulären Main-Output sowie für einen Sub-Output. Stereo ist also parallel sowohl für Interface als auch für Monitor machbar. Was natürlich auch nicht fehlt: der USB-Anschluss, der vor allem die Arbeit mit dem Tone Editor ermöglicht sowie die Anschlüsse für MIDI Out/Through und MIDI In. Kein Groundlift-Schalter, kein XLR-Out – da muss man sich anderweitig aushelfen.

Panel, Sounds und Funktionen

Die subtraktive Synthese, die beim Boss SY-1000 zum Einsatz kommt, tut dies über drei „Grundinstrumente“, die als Fundament fungieren und in Subsystemen das Einstellen von Filtern, Oszillatoren und vielem mehr erlauben. Das bedeutet mitunter, dass man beispielsweise drei Oszillatoren gleichzeitig laufen lassen kann – konnte von den aktuellen Multieffektgeräten zuletzt der Mooer GE300. Dabei wird das Signal durch den Custom-DSP in Echtzeit und in 32 Bit verarbeitet und liefert dabei eine ordentliche Klangvielfalt. Die Auswahl der Schwingungsformen für die Oszillatoren ist für ein Floorboard groß: Aus zehn Stück können unter anderem einer von drei Sägezahn-Formen, Sine, Triangle uvm. angewählt werden. Im Anschluss kann der Sound weiterführend durch sechs Filter, zwei LFOs oder zwei Step-Sequencer geformt werden. Die Tiefe des Geräts zeigt sich bei den Sequencer: Da kann pro Step einer von elf Envelopes zum Einsatz kommen. Das heißt im Extremfall: Pro Sound können drei Oszillatoren und sechs Step-Sequencer gleichzeitig zum Einsatz kommen.

Dass hier mehrere Klassiker-Engines zusammengelegt wurden und die Basis für die drei separaten Synth-Engines bilden, muss natürlich auch erwähnt werden: Der Vintage-Charakter des GR-300 ist integriert, darüber hinaus bilden der OSC Synth, VIO Guitar und Poly FX zusammen einen umfassenden Soundpool, aus dem jeder erdenkliche Sound zusammengesetzt werden kann. Ich persönlich bin kein großer Fan von Gitarren-Modeling, aber das ist bei dem Boss SY-1000 zu verschmerzen, denn er besitzt darüber hinaus so ziemlich jeden erdenklichen Sound in seinem Repertoire. Die VIO Guitar Engine erzeugt so ziemlich alle erdenklichen Pad-Sounds, das Poly-FX jedwede Modulation, die einem in den Sinn kommt – im Grunde steckt also die gesamte Synthie-Geschichte von Boss in dem SY-1000. Doch nutzbar sind diese nur mithilfe der GK-Pickups.

ANZEIGE

Roland GK-3 Tonabnehmer

Wer mit den GK-Pickups arbeitet, kann beispielsweise die einzelnen Saiten mit separaten Pitch-Befehlen versehen und dabei unglaublich eigensinnige Sounds erzeugen. Das dürfte den großen Wermutstropfen des Boss SY-1000 darstellen: Mit herkömmlicher Gitarre sind einem nur die Synthie-Sounds der Dynamic Synth-Engine zugänglich – diese können zwar auch dreifach „gestacked“ werden, aber wer mit GK-Abnehmern bzw. MIDI-Pickups arbeitet, dem eröffnet sich ein regelrechtes Rabbit Hole – die mögliche Nutzung des Vintage GR-300 und des OSC Synth sind wohl für viele das eigentliche Argument, das den Kaufpreis rechtfertigt.

Noch kurz zur Bedienung: Über den Effects-Schalter kann die Signalkette der drei Basis-Sounds angezeigt werden. Die Bedienung ist an dem Boss GT-1000 angelehnt und dürfte entsprechend bei Boss-Veteranen für eine gewisse Vertrautheit sorgen. Die Regler übernehmen jede erdenkliche Funktion – von Veränderung einzelner Parameter bis hin zum Einstellen des Signal-Routings. Mit den oberen Fußschaltern ist ein Durchschalten der Banks möglich sowie das Ansteuern der CTL-Anschlüsse, mit den unteren vier können Presets aufgerufen werden. Das Potential, das der Boss SY-1000 mit sich bringt, ist mehr oder minder unerschöpflich. Wir wagen trotzdem mal die Praxis und versuchen, uns von den Klangmöglichkeiten der Dynamic Synth-Engine ein konkretes Bild zu machen.

In der Praxis

Die Dynamic Synth-Engine ist eine der am besten klingenden, die ich bislang aus einem Mutlieffektboard gehört habe. Ob das an dem 48 kHz/32 Bit-Processing liegt, sei dahingestellt – das Mooer GE 300 beispielsweise arbeitet mit 24 Bit. Die Fülle der Sounds ist beachtlich und das Prinzip lädt zum ewigen Rumprobieren ein. Ob man beispielsweise einzelne Pads mit ordentlich Reverb belegt, einen zweiten einem LFO und das Ganze dann mit einem Pitch-Sequencer garnieren möchte – es steht einem frei. Möglich ist es auch, die Signature Super Saw von Boss mit zwei weiteren Sägezahn-Oszillatoren zu kombinieren und dadurch einen durchschlagenden Polysynth zu erschaffen. Und auch wenn ich mir oft den Mund fusselig rede – das Enzo von Meris hätte das beste Tracking, das ich jemals in einem Synthesizer-Pedal erlebt hätte – der Boss SY-1000 hält da locker mit. Genaugenommen übertrifft er das Tracking des Enzo, schafft er es doch, die Reaktivität von drei Oszillatoren gleichzeitig hervorragend auf das Spielgefühl zu übertragen.

Spannend wird es vor allem nun durch die Nutzung des Tone Editors, das Boss Tone Studio, das wir uns hier laden. Treiber wird ergänzt, per USB wird das Boss SY-1000 erkannt. Das eröffnet ein ganz klares Procedere: Bevor es auf die Bühne geht, lassen sich mit dem Editor jeder noch so erdenkliche Schritt in Sachen Sound aufs Genauste planen, per MIDI natürlich mit dem Rest der Band und weiteren Synthesizer synchronisieren. Das lässt sich am ehesten anhand eines Beispiels im Boss Tone Studio erläutern. Wir öffnen ein Preset der Dynamic Synth Engine – in diesem Fall den NOR: Tri-Rhythm. Die Oszillatoren aller drei Instrumente sind hier aktiv sowie mit Modulationen, LFOs und Sequencer bestückt.

Wie man es von Boss kennt, ist allein die Übersicht schon ungemein intuitiv: In diesem Falle sind alle drei Instrumente mit dem Dynamic Synth belegt, die Signalkette einfach nachvollziehbar. Schön vor allem, dass an bestimmten Punkten der Signalkette das Mischverhältnis der drei Instrumente beliebig angesetzt werden kann – Instrument 1 und Instrument 2 werden erstmal unbearbeitet in ein 50/50 Mischverhältnis gebracht, ehe beide moduliert und dann mit dem modulierten Instrument 3 balanciert werden.

Jetzt kann schon die Veränderung eines Instruments das Klangbild völlig verändern. Entfernt man Filter von Instrument 2, randomisiert man den LFO 1 und setzt den zweiten LFO auf Sägezahn sowie den Oszillator auf Square, kommt schon was ganz anderes bei raus. Zu guter Letzt setzen wir ein paar der Steps des aktivierten Sequencer herab und andere herauf und bekommen eine bissige, Monosynth-typische Sequenz heraus, die mit dem unangetasteten Pad von Instrument 3 belegt ist.

Der Experimentierfreudigkeit sind keine Grenzen gesetzt und dank des übersichtlichen Editors kommt man zumeist recht schnell auf einen grünen Zweig. Diesmal ändere ich die Oszillatoren sämtlicher Instrumente, setze die ersten zwei auf eine Sinusform und den dritten auf die Noise-Option, versehe sie mit Bandpass- und Lowpass-Filter und schalte die LFOs um. Zuguter Letzt setze ich beim Reverb die Effektstärke hoch und suche die Ambience-Engine heraus – raus kommt ein düsterer, entrückter Sound, der mit unserem Ausgangs-Preset nichts mehr zu tun hat. Da dämmert’s einem: Es ist – zumindest in Sachen Synthesizer-Board für Gitarre – bisher ungesehen, was beim SY-1000 Sound-Tüftlern an Flexibilität ermöglicht wird. Man mag sich kaum lösen vom Editor und sich die Nächte mit Basteleien um die Ohren schlagen.

ANZEIGE
Fazit

Trotz zwei Mankos muss hier ein Best Buy vergeben werden: Die eingeschränkte Nutzung der Synthesizer-Engines beim Nicht-Vorhandensein von GK-Tonabnehmern ist bei einem Preis von fast 1000,- Euro ein nicht zu verachtender Nachteil. Daran knüpft sich das zweite Manko: Der Preis, denn wer das Boss SY-1000 in seiner Fülle erleben will, sollte noch mal 150,- Euro für die GK-Tonabnehmer draufrechnen. Doch darüber hinaus wird sich die Konkurrenz wohl oder übel geschlagen geben müssen: Es geht nicht besser. Die Soundqualität, Flexibilität und der Boss Tone Editor ergeben zusammen das ultimative Synthesizer-Board, das mich vor allem mit seinem sagenhaften Tracking überrascht hat. Sanfte Bendings und Hammer-ons werden genauso getrackt wie Anschlagsdynamik. Rechnet man die grenzenlosen Optionen hinzu, die einem die drei Oszillatoren und die daran geknüpfte Signalketten bieten, kommt man um ein Best Buy schlichtweg nicht rum.

Plus

  • große Vielfalt
  • fantastisches Tracking
  • hohe Klangqualität
  • übersichtlicher Editor
  • viele Kontroll- und Einstellmöglichkeiten

Minus

  • Verwendung und Zulegung des GK-Pickups

Preis

  • 975,- Euro
ANZEIGE
Forum
  1. Profilbild
    Jörg Hoffmann RED

    Danke Dir für den tollen Test. Eigentlich halten mich nur die fast 1000€ von diesem Teil ab. Mir hat die Beschreibung des Herstellers BOSS gut gefallen: immer ein wenig Understatement, aber praktisch immer tolle Produktqualität!

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Hello,

    is there any difference in sound quality when input of standard pickups goes through GK-3 system + 13 pin “MIDI” cable (Roland GKC) to “GK in” input of Boss SY-1000 and when input of standard pickups goes direct to “Guitar input” of Boss SY-1000?

    Thank you very much.

  3. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    EDIT:

    Hello,

    is there any difference in „AMP modeling“ sound quality when output of standard pickups goes through GK-3 system + 13 pin “MIDI” cable (Roland GKC) to “GK in” input of Boss SY-1000 and when output of standard pickups goes direct to “Guitar input” of Boss SY-1000?

    Thank you very much.

Kommentar erstellen

Die AMAZONA.de-Kommentarfunktion ist Ihr Forum, um sich persönlich zu den Inhalten der Artikel auszutauschen. Sich daraus ergebende Diskussionen sollten höflich und sachlich geführt werden. Politische Inhalte und Statements werden durch die Redaktion gelöscht.

Haben Sie eigene Erfahrungen mit einem Produkt gemacht, stellen Sie diese bitte über die Funktion Leser-Story erstellen ein. Für persönliche Nachrichten verwenden Sie bitte die Nachrichtenfunktion im Profil.

X
ANZEIGE X