Microphonic Soundbox – Effekt Spielwiese
In diesem Erfahrungsbericht möchte ich die Microphonic Soundbox von Leaf Audio kurz vorstellen (https://www.exploding-shed.com/microphonic-soundbox/). Ein Klangerzeuger, aber kein Synthesizer. Kurz gesagt handelt es sich um eine kleine Holzkiste mit 2 Kontaktmikrofonen drin und jeder Menge „Spielzeug“ daran befestigt, dass dann zum Schwingen gebracht werden kann: 2 Messingstäbe, 3 Metallfedern, eine Kalimba mit 4 Carbonstreifen. Aber auch Berührungen auf der gesamten Oberfläche der Box und auf einem fest verklebten Sandpapier werden von den beiden Kontaktmikrofonen aufgefangen und über den batteriebetriebenen Verstärker an eine Monoklinke ausgegeben. (Ich beschreibe hier übrigens meine ältere mkI Version, die neue mkII Version ist bereits erweitert mit z.B. 5 Kalimbastreifen und 2 Outputs, wie man auf der Herstellerseite lesen kann.)
Von da aus geht es dann bei mir direkt in die Soundkarte (Focusrite Scarlett 18i20) und in Ableton durch eine Effektkette: 3 Band EQ, Vocoder, Resonator, Delay, Reverb, Kompressor, Limiter. Das ist deshalb wichtig, da die Soundbox trocken – also ohne jeglichen Effekte – ziemlich „dokumentarisch“ klingt. Das Gekratze und Gezupfe würde ohne Effekte wahrscheinlich schnell langweilig werden – und das obwohl wirklich jede Ecke an dem Ding anders klingt und der Klangcharakter auch sehr variiert, je nach dem, mit was ich die Box bespiele: mit den Fingern, den Fingernägeln, einer Holzscheibe (ausgedienter Mottenring), etwas Styropor, einem Kugelschreiber… Als Besonderheit gibt es dann noch einen Bogen dazu. Damit kann man die Messingstäbe und Metallfedern gut schwingen lassen. Eine gewisse Diversität im Grundsound ist also durchaus gegeben, auch ohne Effekte.
Mit Effekten aber geht die Sonne gleich ganz anders auf! Ein dickes Reverb und ein schönes PingPong Delay machen aus dem Sound schon epische Landschaften. Klar – das können diese beiden Standardeffekte ja allgemein gut, auch bei anderem Ausgangsmaterial. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass man hier den Effekt nicht auf fest stehende Samples drauf packt, sondern die Klangerzeugung in direkter Interaktion mit dem Effekt stattfindet. Deswegen ist es auch wichtig, dass man live an den Effekten dreht, während man mit der Soundbox den Klangraum erforscht. So ergibt sich ein ganz anderes Gefühl für den späteren Gesamtklang und für elektronischen Musiker viel an ungewohnter Direktheit im Spiel. Was irre Spaß macht… ich hänge hier mal 2 Demosongs an, die komplett live nur mit der Microphonic Soundbox, den hier beschriebenen Effekten und 3 Loopern aufgezeichnet wurden. Waren spontane Jams, also nicht zu hoch hängen, zeigt aber, was für ein Potential in der Kiste steckt…
Wie Ihr in den Demosongs gut hört, habe ich neben den Standardeffekten auch mit „harmonischen“ Effekten ein wenig gespielt. Das Ausgangsmaterial ist ja meist atonal – zumindest bei Kratzen und Schaben an der Oberfläche. Die Kalimba lässt sich hingegen mit etwas Geschick auf bestimmte Tonhöhen einstellen und die Metallstäbe und Federn haben durch die feste Länge eine feste Tonhöhe (wobei der je nach Spielart schwankt…). Aber auch ein atonales Gekratze kann durch einen Resonator mit Obertönen angereichert werden und so einen Ton oder eine Harmonie spielen. Dies dann durch Delay und Reverb geschickt kann ein guter Ausgangspunkt für eine Fläche sein. Harmoniewechsel laufen über Änderungen der Pitchwerte im Resonator. Ich mache das an einem speziellen Lemurtemplate das ich dafür mal geschrieben habe auf einem iPad. Geht aber auch mit der Maus, oder indem man die Pitches auf Drehregler legt. Hier ist aber ein Lemur-Touch-Interface tatsächlich mal einem Hardwareregler überlegen, da ich den Pitch auch angezeigt bekomme und detailliertere Kontrolle habe. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich die Presets umschalten und sogar mit einem Glide von einer Pitchkombination in die andere übergehen kann (siehe Demosong A). Auch das geht natürlich alles mit der Maus, ist dann aber aufwendig. Für den Anfang reicht es aber auch, den main pitch und dry/wet auf 2 Drehregler zu legen, damit kann man ja schon viel Spaß haben.
Eine weitere Möglichkeit die Soundbox auch „harmonisch zu spielen“ stellt ein Vocoder dar: Ein String sound (Carrier) wird durch die Soundbox (Modulator) so angespielt, dass er nur dann „durchkommt“, wenn der Lautstärkelevel der Soundbox in dem Frequenzbereich hoch genug ist. Sprich: Nur wenn ich mit dem Bogen über die Metallstäbe streiche ertönt genau dann der Streichersound mit dem Akkord bzw. den Noten die ich parallel auf einem Keyboard halte. Eigentlich wie beim Standardeinsatz des Vocoders für Stimme, nur dass statt der durch Streicher modulierten Stimme nun die Soundbox kommt. Das ist streng genommen jetzt zwar nicht die Klangerzeugung der Soundbox, sondern die des Synths der die Streicher liefert, aber als Interaktion und um „Bewegung“ in Flächen zu bringen, sehr interessant. Das mit dem Bogen über die Metallstange Streichen macht die Fläche lebendiger, bringt organische Struktur rein. Selbst wenn man das dann nur im Hintergrund zu der Originalfläche einbringt…
Insgesamt hat mich Soundbox überrascht, ich hätte gedacht, dass sie mich schneller langweilt. Trotzdem muss man halt immer wissen, ob man solche Effektsounds braucht und auch Freude daran haben, so etwas live einzuspielen. Das Gerät kostet fertig zusammengebaut 230,- Euro und als DIY Bausatz 170,- Euro (es gibt aber auch runtergesetzte B-ware). Außerdem braucht man für den vollen Genuss noch einen Bogen für 30,- Euro. Das ist jetzt kein No-brainer mehr, denn für den Betrag bekommt man z.B. schon fast 2 Volcas. Aber ich kann für mich nur sagen, dass ich schon mehr Geld für andere Klangerzeuger ausgegeben habe, die mich weniger inspiriert haben. Kommt halt immer darauf an, was man (machen) will.
Hier zum Abschluss noch 2 „normale“ Songs, bei denen ich die Microphonic Soundbox im Hintergrund mit eingesetzt habe. Nur um zu zeigen, dass sich das Ganze auch im musikalisch/tonalen Kontext gut einbringen lässt:
https://soundcloud.com/tonvibration/walden02
https://soundcloud.com/tonvibration/microleaf-on-juno-brute
Wer das hier Beschriebene und Gehörte von den Effekten ziemlich interessant findet, aber nicht gleich eine Soundbox kaufen will, kann natürlich die beschriebene Effektkette auch für Samples nutzen: Eine Regenatmo, Strandszene oder Aufnahmen vom Straßenverkehr eignen sich auch sehr gut, um sie durch einen Resonator zu schicken. Noch ein wenig Delay und Reverb hinzu geben und schon hat man eine harmonisch, dynamische Hintergrundfläche. Was beim Einsatz von Samples dann halt fehlt, ist die direkte Interaktion und somit auch ne Menge Spaß…
Ich hoffe, ich konnte einen guten Eindruck von der Microphonic Soundbox und den klanglichen Möglichkeiten wiedergeben und wünsche Euch allen weiterhin viel Freude am kreativen Arbeiten. Matthias (aka tonvibration)
Super Leser-Story. Hatte da richtig drauf gewartet und meine Erwartung ist nicht enttäuscht worden. Denke, das Dingen kann sich als gekauft betrachten.
Übrigens sind die Tracks wirklich gut.
Danke Wellenstrom, wir hatten in Kommentaren zum Waterophon ja mal drüber gesprochen. Letzte Woche hatte ich Urlaub und endlich Zeit mal ein paar spezifische Audiobeispiele zu erstellen und alles zusammenzuschreiben…braucht halt immer Zeit. Die Microphonic Soundbox ist cool, und wenn Du Spass am Effekte drehen hast, ist sie wirklich ein Freudenbringer. Freut mich auch sehr, dass Dir die Tracks gefallen :))
Ich finde die Tracks auch klasse und fühle mich etwas an gute Game-Atmos wie in Far Cry erinnert. Langweilig wird das Ding bestimmt auch nie weil das Modding an dem Kasten nie ein Ende nehmen wird. Ich würde das Ding erstmal auf die Gitarre stellen und laut anschreien oder den Kater mal Kratzen lassen oder…….. Das ist der Analog-Sampler des Jahres 2018! :)
Lustig, habe mir letzte Woche (zum Urlaub) auch ne PS4 gekauft und spiele darauf gerade Far Cry Primal (Steinzeit-Shooter) – kann sein, dass da einiges von der Stimmung in die Soundbeispiele eingeflossen ist, lol ;) Und wow – schön dass auch Dir die Tracks gefallen :))
Das Ganze Ding schreit tatsächlich nach Modding. Die mkII Version hat ja sogar extra eine Vorrichtung dafür. ALLES klingt anders. Cool war auch mit ner elektrische Zahnbürste über die Oberfläche zu gehen. Experimentierfreude inbegriffen. Lautes Gerede kommt tatsächlich auch durch die Kontaktmikros durch. Deshalb nochmal der Hinweis: Mit Kopfhörern arbeiten! Sonst sind Rückkopplungen vorprogrammiert.
Abgefahren, habe mit deinem Review das erste Mal von diesem Kasten gehört. Das liest und hört sich auf jeden Fall interessant an..
Spontan ein engerer Kandidat aus der Kategorie „das schenk ich mir selbst zu Weihnachten“ :D
Danke für deinen Bericht!
@Paul van Felz Gerne :) Genau dafür sind so Erfahrungsberichte ja gut und es freut mich, wenn ich anderen die Kiste näher bringen kann. Unbedingt auch nochmal youtube nach „Microphonic Soundbox“ durchsuchen – nicht nur der Hersteller (Manuel aka Leaf Audio), sondern auch noch ein paar andere Nutzer haben auch interessante Videos gemacht. Und falls es unterm Weihnachtsbaum liegen soll, eine gewisse Lieferzeit einplanen (Kleinserienhersteller, eventuell muss Dein Teil erst gebaut werden). Viel Spaß!
Geniales Teil. Mittlerweile gibts die MK II- Version, die noch etwas erweitert wurde. Noch nie war das Aufnehmen von Geräuschen so einfach. Die verbauten Preamps sind sehr gut; da rauscht selbst bei hoher Verstärkung nichts.
Sodele, gerade bestellt! Gretsch und Danelectro müssen noch ein bissken warten.
Ansonsten sehe ich das richtig? 6,3 mm Klinke?
Yup, große Klinke. Mono. Bei der mkII 2x Monoklinke bei Bedarf (jedes Kontaktmikro einzeln, oder beide durch einen Ausgang, wenn nur einer angeschlossen ist). Viel Spaß damit :) Hab am Wochenende schon wieder n neuen Song damit angefangen… die Kiste ist momentan echt meine Muse ;)
Tip noch (nicht im Lieferumfang, daher zu Hause haben)
– Batterie (Block, 9V)
– Sandpapier (um das Wachs (beim Bogen dabei) für den Bogen aufzurauen – ohne Wachs klingt nämlich nichts…)
@tonvibration Jau, Thx.
Bogen und Kolophonium (wohl eher Harz) kommen vom Big T. Haben sie derzeit nicht vorrätig.
Wunderbar. Im besten Zustand angekommen, und wird schon Teil eines Songs. Eine Tüte Ahoi Brause war auch dabei.
Und das erste Ziel schomma erreicht… den Kasten in einem recht stinknormalen Song verwurstet.
Hallo Wellenstrom, freut mich :) Wenn Du magst (und falls Du den Song veröffentlichst) lass mal n Link dazu da – würde mich echt interessieren… Grüße Mat
@tonvibration Ja, klar…
ist der aktuelle Song auf Soundcloud.
https://bit.ly/2R5ZmV7
kein großer Effektrausch, wollte aber zuerst mal gucken, wie ich das Dingen überhaupt mal in einen „normalen“ Song integrieren kann. Und letztendlich hat mich das Dingen zum Refrain – also auch tonal – inspiriert.
Der Kasten ist in den Übergängen, im Refrain und im Endteil zuhören. Geklöppel, rhythmisches Gerausche und Gekloppe unter der Snare hörbar.
Obergeil. Schöner Song!
Die Soundbox würde man in dem Song zunächst gar nicht vermuten, sind halt Kleinigkeiten… das rhythmische Schaben im Mittenbereich am Ende des Refrains oder auch andere Elemente…,sehr cool.
Viel Spaß noch mit dem Teil!
@tonvibration Na, das Kompliment geht gleich doppelt zurück. Aus 2 Gründen:
1. deinen aktuellen Track gehört, der ist sehr schön gewoben. Sehr relaxt und schön aufgelöst. Klar, transparent, erhaben.
2. Ohne deinen Post damals wäre ich nie auf die Kiste aufmerksam geworden. Hast damit quasi „Entwicklungshilfe“ geleistet. ;-)
Sauber gemachter Einblick in ein Instrument. Deine Kenntnisse in der Soundbearbeitung sehr geil. Genau richtig um seine Effekte kennenzulernen was aber für einen guten Klang auf jedenfall Voraussetzung ist. Unbearbeitet sehr viele Nebengeräusche. Keine Ahnung ob da ein anderes Mikro besser wäre?
Vielen Dank :) Freut mich wenn der Artikel Dir gefallen hat. Und die Effekt-Ideen sind ja allgemein einsetzbar.
Was die Mikros und die Verstärker der Soundbox angeht, ich denke, die sind schon ganz ok. Aber es stimmt: Ein gewisses Grundrauschen ist vorhanden. Geht aber im Mix unter und stört nicht weiter.
Ich glaube das kommt durch die Empfindlichkeit, da z.B. auch ein Fernseher der im Hintergrund läuft durch die Kontaktmikros (die ja eigentlich nur die Vibrationen der Box aufzeichnen sollen) durchgeht und so im Zweifesfall zu hören ist. Huster oder Nieser des Ausführenden sowieso. Vielleicht hat auch das ständige Overdubben im Looper zu einer Verstärkung des Rauschens geführt…? Aufgefallen ist es mir auf jeden Fall auch, aber ich finde es in der Anwendung nicht so schlimm. Glaube schon, dass Manuel bei den Mikros durch seine Erfahrung die richtige Wahl getroffen hat. Auf der Seite heißt es aber auch, dass die Verstärker nochmal verbessert wurden für die mkII. Wie gesagt…sollte man sich nicht von abschrecken lassen.
Hey, kleiner Nachtrag:
Ich hab den weiter oben in den Kommentaren erwähnten angefangenen Song in den freien Tagen jetzt auch mal fertig gemacht (war allein schon aufgrund des Titels fällig;) : https://soundcloud.com/tonvibration/advent
Ist ein erweiterter Demosong mit viel von der Soundbox drin. Nur gegen Ende kommen ein paar Streicher und ein Synth (beide aus der Arturia Analog Factory). Beim Layern der Effekte habe ich bereits bei der Aufnahme hart mit dem EQ eingegriffen uns so manchmal nur die Höhen oder nur die Bässe aufgenommen. Das gibt bei vielen Layern (hier teilweise 7) mehr Freiraum für die einzelnen Sounds wenn diese schön verteilt sind.
Und eins noch: Es geht auch ohne Kopfhörer. Ich habe mit einem Freund 2 Abende mit dem Ding gejammt – wir hatten sehr viel Spaß! Und bei gemäßigter Lautstärke hatten wir auch kein Rückkopplungsproblem. Geht also. Empfehlen würde ich den Kopfhörerbetrieb trotzdem u.a. auch, um so nur die wirklich aufgezeichneten Geräusche zu hören und nicht auch das physikalische Beiprodukt der händischen Berührung (der Sound der zusätzlich von der Oberfläche direkt ans Ohr kommt). Klingt jetzt vielleicht etwas Korinthenkackermäßig, verändert aber den Charakter des Klangs deutlich…
Viele Grüße und viel Spaß! Mat