Der Kältespezialist
Der SonuScore Nordic Spheres Software-Synthesizer ist genau das Richtige, wenn es draußen mal wieder 40 Grad sind und man im heimischen Studio sich gerne etwas akustische Abkühlung verschaffen möchte. Angetrieben wird das Kontakt-Player-Instrument von zwei granularen Engines und zwei regulären Sample-Playern. Kontakt? Richtig, SonuScore Nordic Spheres benötigt den frei erhältlichen Kontakt-Player, mindestens in der Version 6.7.1.
Installation von SonuScore Nordic Spheres
Das führt uns auch gleich zur Installation und zur Lauffähigkeit, speziell für Mac-Rechner. Im Prinzip benötigt SonuScore Nordic Spheres lediglich die Kontakt-Player-Version 6.7.1, ist also ab macOS 10.14 nutzbar. Das Problem ist die Native Access App, die nach dem neuesten Update mindestens macOS 11 benötigt. Allerdings gelang es mir über die alte Version Native Access 3.1.0 und den Einsatz einer Firewall, SonuScore Nordic Spheres dennoch zu installieren. Windows-User benötigen allerdings ebenfalls mindestens Windows 10, da die letzte Version von Kontakt, die Windows 7/8 unterstützt die Version 6.6.1 ist.
In der Native Access App wird einfach der Lizenzschlüssel angegeben, der beim Kauf erhalten wurde. Danach kann das 3,6 GB große Instrument heruntergeladen werden. Es wird zwar die Warnmeldung angezeigt, dass Kontakt-Player 7 notwendig ist, um SonuScore Nordic Spheres zu nutzen, das ist aber definitiv nicht der Fall und fällt eher unter die Rubrik NI-Marketing.
Preset-Verwaltung SonuScore Nordic Spheres
Die Presets des Software-Synthesizers werden dabei als Snapshots mitgeliefert (*.nksn-Dateien) und nicht, wie in der Kontakt Standard-Library als Instruments (*.nki-Dateien). Aufgerufen werden dann die Presets entweder über das Snapshot-Drop-Down-Menü von Kontakt oder dem Browser innerhalb des Instruments. Dieser ermöglicht zumindest das Suchen nach Categories, Sound Type und Character; auch ein Favoriten-Stern darf vergeben werden. Eigene Kreationen können natürlich als Instrumente abgespeichert werden. Als Snapshot hinterlegt, erscheinen diese jedoch erst im internen Browser, nachdem ein manueller Reload stattgefunden hat.
Ein kleines Problem dabei ist, dass Snapshot-Presets, die über den internen Browser von SonuScore Nordic Spheres aufgerufen werden, nicht in der Kontakt-Leiste angezeigt werden – dort steht lediglich das letzte Preset, das über den Kontakt-Browser aktiviert wurde. Das könnte leicht zu Verwirrungen führen und ist kein Problem, legt man sich auf eines der Systeme fest.
Aufbau von SonuScore Nordic Spheres Plug-ins
SonuScore Nordic Spheres ist ein Kontakt-Instrument und damit basiert es auch auf Samples. Das Instrument enthält jedoch zwei Granular-Engines, das diese Einschränkung vergessen lässt. Klar, auch Granularsynthese basiert auf Samples, aber die Kontrolle über die kleinen Audioschnipsel ist das Entscheidende für die Mächtigkeit der Synthese. Zu diesen zwei Engines gesellen sich noch zwei „gewöhnliche“, die lediglich Samples abspielen können oder über ein Arpeggio oder eine Lautstärkehüllkurve animiert werden können.
Alles fließt im Mixer zusammen, der neben den Lautstärken-, Panorama- und Mute/Solo-Einstellungen eben auch drei Master-Effekte enthält. Das sind ein Kompressor zum Andicken der kalten Klanggebilde, 21 verschiedene Delay-Typen und verschiedene Room-, Plate- und Hall-Reverbs. Dazu gesellt sich auch ein IR-Reverb mit 12 Impulsantworten von verzerrt bis clean.
Jede der vier Engines des Software-Synthesizers hat einen eigenen Reverb- und Delay-Send und selbstverständlich kann das Audiosignal verschiedenen Ausgängen zugewiesen werden. 5.1 Surround als Ausgabeformat ist ebenfalls möglich.
Für Bewegung in der Vertikalen gibt es eine eigene Seite mit der Pan-Engine, nun eigentlich sind es zwei. Hier kann über einen Step-Sequencer das Panorama der vier Engines animiert werden. Es können verschiedene Step-Längen angegeben werden und vor allem eine frei wählbare Step-Anzahl von 3 bis 64 Steps. So können komplexe Panorama-Bewegungen erreicht werden.
Die Granular-Engines von SonuScore Nordic Spheres
Eins muss klar sein: Die Granular-Engines des Plug-ins können nur mit Samples gefüttert werden, die in der Nordic Spheres Installation enthalten sind – eigene Samples können eben nicht importiert werden. Die Grundlagen-Samples für die granulare Bearbeitung sind in vier Kategorien unterteilt:
- Tonal (38 Samples),
- Tonal Effects (27 Samples),
- Non-Tonal Effect (25 Samples),
- Percussive (20 Samples).
Ziemlich selbsterklärend und in jeder Kategorie befinden sich wieder mehrere Variationen, z. B. Harmonium Pad 1/2 oder Bowed Guitar 1/2. Insgesamt eine recht beträchtliche Auswahl, denn die Granular-Engine kann aus einem und demselben Sample sehr verschiedene Klänge herausholen. Es gibt hier sechs Basisparameter, wobei Density die Anzahl der Grains bestimmt und Rand-Pos ein zufälliges Zittern hinzufügt, so dass keine Grain-Startposition der anderen gleicht. Density kann auch auf das Hosttempo synchronisiert werden und bietet so eine einfache Möglichkeit, rhythmische Grain-Wolken zu erzeugen.
Wie die Gesamtheit der Grains eingehüllt wird, bestimmt dann die ADSR-Hüllkurve, die sich gleich neben der Waveform-Darstellung befindet. Attack und Decay einzelner Grains können auch bestimmt werden, dazu später mehr unter der FX-Sektion von SonuScore Nordic Spheres.
Das Granular-Fenster ist der Dreh- und Angelpunkt und in Kombination mit dem Positions-Sequencer pocht hier das granulare Herz. Der rote und der blaue Marker repräsentieren den Start- und den Endpunkt des Samples.
Mit dem Step-Sequencer des Software-Synthesizers kann dann die Abspielposition bestimmt werden. Zeichnet man eine Linie von unten links nach oben rechts, so wird das Sample auch vom Start- zum Endpunkt durchgefahren. Leider finde ich hier keine Möglichkeit, einmal erstelle Verläufe abzuspeichern – hier könnte nachgebessert werden. Zumindest verfügt der Sequencer über ein Linien-Werkzeug, um gerade Linien zeichnen zu können (Rechtsklick und ziehen). Und es gibt eine Copy/Paste-Funktion um Sequencer-Verläufe auf eine der anderen drei Engines zu übertragen.
Dieser Step-Sequencer besitzt zwei Varianten: den Envelope- und den Stutter-Sequencer. Ersterer besitzt immer 100 Steps und kann auf bis zu 8 Takte Laufzeit ausgedehnt werden. In der Praxis also eine 8-fache Verlangsamung des abgespielten Samples. Durch die Granular-Engine bleibt natürlich die Tonhöhe erhalten und über die oben genannten Granulen-Einstellungen kann das mal mehr, mal weniger oder gar nicht nach old-school Timestretch klingen. Es gelingt also auch eine schöne „verschmierte“ Wiedergabe.
Der Stutter-Sequencer bietet dann taktgerechtes mit bis zu 32 Steps und Step-Längen von 1/4 bis zu 1/64 Noten, inklusive Triolen; punktierte Noten fehlen leider.
Das ganze Konzept des Envelope-Sequencers kann aber erst verstanden werden, wenn die Motion- und Dynamics-Controller ins Spiel kommen. Diese Controller können jeweils den drei MIDI-CC 1, 2 und 11 zugewiesen werden. Dabei ist es auch möglich, beide Modulatoren von einem CC steuern zu lassen. Diese haben verschiedene Effekte, Dynamics aber einen besonderen auf die Granular-Engine, respektive deren 100-Step-Sequencer.
Mit dem Dynamics-Controller eröffnet sich die Möglichkeit, zwischen zwei Sequenzen A und B morphen zu können und damit auch die Abspielposition innerhalb des Samples. Als Beispiel geht A von rot (Anfang) nach blau (Ende) und B umgekehrt. Mit dem Dynamics-CC können nun beide Sequenzen nahtlos überblendet werden. Im Beispiel „Dynamics Sweep“ bleibt dann auch die Abspielposition bei halber Einstellung stehen. Ein dünner schwarzer Balken gibt Auskunft über den interpolierten Verlauf.
Eine Sonderstellung nehmen die Samples unter der Kategorie Percussive ein; über die nur hier wählbare Option „Clip to Perc“ wird die Abspielposition grob an die Transienten des Loops angepasst, so dass diese nicht ungewollt verschleifen.
Die Engine-FX Sektion von SonuScore Nordic Spheres
Diese beherbergt für die beiden granularen Engines
- Grain Size
- EQ
- Sat(uration)
- Chorus
- Trem(olo)
Und beinahe jedem FX-Parameter kann der schon erwähnte Motion-CC zugewiesen werden. Ob Chorus-Speed oder Grain-Attack – alles das kann gleichzeitig von dem Motion-CC gesteuert werden und so für eine tüchtige Klangveränderung sorgen. Es kann bestimmt werden, dass der CC in positiver oder negativer Richtung wirkt und es gibt die Möglichkeit einen Maximal- und Minimalwert zu bestimmen. Eine nichtlineare Skalierung ist nicht möglich.
Ich finde, der Chorus könnte ein wenig stärker zupacken. Das Tremolo ist für langsame Modulation ausgelegt, geht aber immerhin bis 48 Hz. Unter „Sat“ findet sich nicht nur Saturation, die recht zahm zu Werke geht, sondern auch Distortion, Crunch und Bitcrush, DStortion [sic] und mein Favorit, Cat. Dieser Effekt kann richtig schnurren, aber auch fauchen und brüllen – Cat eben.
SonuScore Nordic Spheres in der Praxis
Erstmal sind die mitgelieferten Presets des Software-Synthesizers zahlreich (173) und ergiebig; zudem haben sie noch spaßige Namen, bei denen das Gefühl aufkommt, eine böse Macht hätte die Benamung von Ikea-Möbeln gekapert. Hulduefni, Vatnsdropar oder Gammageislun sind nur einige Leckerbissen des präsentierten Preset-Portfolios. Die meisten sind aber dennoch in Englisch und deuten auf den Klang des Presets hin. Die Factory-Presets hätten aber gerne das eine oder andere Mal auf den Shimmer-Verb verzichten dürfen. Aber der kann ja immer schnell deaktiviert werden.
Wichtig ist die Benutzung der Dynamics- und Motion-Engine, um expressive Klänge selber zu erzeugen. Das Beispiel „1 Granular und 1 Regular Soundscape + Motion“ ist ein von mir erstelltes Preset, das mit lediglich einer Grain und einer unterstützenden Engine (und mal ohne Shimmer-Reverb) auskommt. Die Verläufe habe ich in Echtzeit mit zwei MIDI-Controllern eingespielt. Das kann ich mir sehr gut für Soundeffekte oder Filmszenen vorstellen, bei denen der CC-Verlauf live zum Bild kreiert wird.
Das Wichtigste ist, den Envelope-Sequencxer der Granular-Engine einzusetzen, um steuerbare Grain-Verläufe zu erzeugen. Dass der Envelope-Sequencer der unterstützenden Engines genauso heißt und aussieht, aber was völlig anderes macht, nämlich die Lautstärke beeinflussen, ist schnell verdaut.
Was sind denn das für rhythmische Verzerrungen, manchmal Mono, manchmal in Stereo, als wenn sie vor der Effektsektion entstehen, die da in fast jedem Klangbeispiel und immer in derselben Charakteristik, vor sich hin brutzeln? Übersteuerungen beim Rendern oder sind die Startpunkte der Grains unsauber gesetzt, was ich mir aber heutzutage auch nicht vorstellen kann?
Irgendwie nervig. 🤔
@MichBeck Hallo MichBeck,
da scheint tatsächlich beim Rendern etwas schief gelaufen zu sein. Dieses Knacksen kommt zwar vor, aber nur in einem Soundbeispiel (und ist dort Teil des Presets). Genau dieses scheint irgendwie immer mitgelaufen zu sein, zusammen mit dem Shimmer-Verb.
Danke für den Hinweis!
@t.goldschmitz Morbus Mac M1/2/3? 😁
@t.goldschmitz Das erklärt vielleicht, warum die Klangbeispiele im Sound eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen. Da schwebt immer irgendwie das selbe Pad mit.