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Interview: AMAZONA.de-Leser Christoph Oliver Zenz bei Allen&Heath

(ID: 65066)

AMAZONA.de:
Hast Du abseits von der Musik einen Beruf erlernt?

Oliver:
Natürlich habe ich zuerst etwas Anständiges gelernt, Masseur/medizinischer Bademeister, dieser Beruf hat sich bald für mich als nicht lebbar rausgestellt.
Ich hatte mir währenddessen selbst Gitarre beigebracht und habe mir etwas Geld mit Straßenmusik verdient, habe mir aber nie großartig Gedanken gemacht, aus dem Hobby einen Beruf zu machen, obwohl ich zu dieser Zeit als Straßenmusikant mehr verdient habe, als als Praktikant im Krankenhaus.
Irgendwann kam ein großer Umbruch für mich, ich habe Beruf und alles aufgegeben und habe mich mit der alternativen Bewegung der Startbahn-West zurück gezogen.

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AMAZONA.de:
Trotzdem gelang es dir schon recht früh, professionell zu arbeiten. Wie kam es denn dazu?

Oliver:
Das kam dadurch zustande, dass meine Mama, die Schauspielerin ist, erwähnte, ein ihr bekannter Regisseur würde gerade an einem Film arbeiten, er hätte aber noch niemand für die Musik. Da sagte ich, sag ihm Bescheid, ich mach das. Das hat sie gemacht, er rief bei mir an und meinte: Oliver, ich kenn dich ja schon als Kind, musikalisch warst du schon immer, aber traust du dir das zu?
Das bejahte ich und so stellte er mir eine Übungsaufgabe. Ich sollte eine Musik komponieren, die nach barocker Musik klingt und von jemandem gespielt werden kann, der noch nie eine Gitarre in der Hand hatte.
Ich hatte dann zwei Tage Zeit, wo ich viel Schweiß und Blut verlor, weil ich einfach zu laut „Hier“ gerufen hatte und habe dann aber  was relativ Einfaches gefunden, das auch leicht zu spielen ist und habe es ihm vorgespielt – und ich habe den Auftrag erhalten.

AMAZONA.de:
Konntest Du von da ab vom Komponieren leben?

Oliver:
Das war meine erste Filmmusik, da war ich 24, der Film hieß „Tarot“. Damals musste ich das ganze Geld noch in Instrumente und Equipment investieren und der Auftrag hat mir nur das Handwerkzeug an die Hand gebracht.
Der Film war recht erfolgreich, er war z.B. der erste deutsche Film nach dem 2.Weltkrieg, der in Moskau auf dem Filmfestival gespielt worden ist. Durch diesen Erfolg konnte ich einige Nachfolgeprojekte gewinnen.

AMAZONA.de:
Trotz deiner Erfolge hast du dich etwas von der Musik entfernt und beruflich umorientiert. Welche Richtung hast du dabei eingeschlagen?

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Oliver:
Mit der Verschlechterung meiner Sehfähigkeit habe ich versucht, meine Arbeit aufrecht zu erhalten und etwas zu finden,  wie ich das Display meines Keyboards für mich lesbar machen kann. Ich hatte mir gedacht, wenn MIDI-Messages gesendet werden, müsste man die doch in Sprache verwandeln können. Das hat nicht funktioniert und trotzdem habe ich mich mit der Technologie auseinander gesetzt, habe Programmieren gelernt und habe dann in einem Hobbyprojekt angefangen, das war noch zu DOS-Zeiten, etwas zu programmieren, das meine Computer in den Stand versetzt, man schreibt dem Computer was und der spricht es. Ich will mal sagen, das große Vorbild war Raumschiff Enterprise. Das Ganze nannte sich KI, künstliche Intelligenz, war natürlich alles andere als das, aber man konnte Befehle eingeben und der Computer hat korrekt reagiert.
Das Programm hat durchaus Aufsehen erregt und irgendwann hat mir jemand geraten, das kommerziell zu verwerten. Also habe 1994 eine Firma gegründet und tatsächlich schon im ersten Jahr von dem Programm leben können.
So bin ich immer tiefer in diese Materie eingetaucht und bin dann gefragt worden, ob ich nicht unter Zuhilfenahme meiner Ideen ein Lesegerät konstruieren könnte. Die gab es damals zwar schon, waren aber unbeschreiblich teuer. Ich habe das dann gemacht und bin so in einen Markt eingestiegen, der einerseits sehr umkämpft, andererseits aber auch sehr gut bezahlt war.
So habe ich günstige Lesemaschinen gebaut. Man hatte also einen PC mit angeschlossenen Scanner, der Texte eingescannt, erkannt und über Sprachausgabe zurückgegeben hat. Das hat natürlich für viele Menschen das Leben verändert.

AMAZONA.de:
Inzwischen hast du dich wieder mehr der Musik zugewendet. Wie kam es dazu und wo liegen im Moment deine Schwerpunkte?

Oliver:
Ich habe irgendwann meinen Sehrest verloren und habe mich in Zuge dessen wieder mehr auf alte Sachen zurück besonnen und auch wieder mehr auf die Musik kapriziert. Ich habe dann begonnen, in einer Kantorei mitzusingen, später kamen andere Ensembles dazu.
Mittlerweile bin ich recht vielfältig beschäftigt. Ich mache Konzertaufzeichnungen von Orchestern, Kinderchören, Musicals usw. Inzwischen habe ich auch an mehreren Schulen Aufzeichnungs-, Beschallungs- und Beratungsjobs. Des weiteren bin ich als Referent unterwegs, hauptsächlich für die VBS, die Lehrer für die Unterrichtung behinderter Kinder weiterbildet. Hier lehre ich den Umgang mit der Freeware-Audio-Software „Audacity“.
Ich bin da immer noch in der Aufbauphase und freue mich immer über neue Aufträge, deshalb sei mir hier erlaubt, Interessenten meine E-Mail Verbindung zu nennen: o-zenz“at“arcor.de.
Es ist ein schönes Leben, weil man mit Musik und Musikinteressierten zu tun hat und jedes Mal, wenn etwas zustande kommt, fühlt sich das auch als Erfolg an – das ist eine schöne Sache.

AMAZONA.de:
Das ist doch ein gelungenes Schlusswort.
Oliver, wir danken dir herzlich für das Gespräch und die Einblicke in dein Leben. Ich bin überzeugt davon, dass es für dich auch weiterhin so positiv weiter läuft.

An dieser Stelle möchte ich mich, auch im Namen von Oliver, nochmals vielmals bei den Mitarbeitern von Audio-Technica, insbesondere natürlich bei Jochen Kling und Alexandra Bischof, für die Zeit und die herzliche Aufnahme bedanken.

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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sehr spannender Einblick in das Leben eines Blineden und auch ein überaus interessanter Lebenswandel. Ich könnte mir allerdings nur schwer vorstellen, meine Geräte tatsächlich blind zu bedienen – selbst bei Synthies mit einem Knopf pro Funktion.

    • Profilbild
      Tai AHU

      @Marius Es ist schwer vorzustellen als Sehbehinderter Synthies zu bedienen. Aber wenn du die gespielt hast, bevor du erblindest wärst, würdest du vielleicht auch nicht aufhören und mit den verbleibenden Möglichkeiten das Maximale rausholen.
      @Armin: Interessanter Bericht mit einer sehr guten Einsicht. Was einem Blinden bei der Bedienung hilft, kann allen anderen auch nur nützlich sein. Lässt sich vermutlich auch auf andere Handicaps übertragen.

    • Profilbild
      synton

      Der Bericht ist zwar schon etwas älter, aber es geht ja um die Frage, wie gut können Blinde einen Synth oder sonstige Musikelektronik bedienen.
      Nachdem die „modernere“ Hardware ja auch mit immer größeren Displays ausgestattet ist, und dabei auch Hauptfunktionen nur noch über den Bildschirm erreichbar sind, ist das sicher schwierig. Ich könnte mir vorstellen, dass die aktuelle Retro-Analog-Welle mit 1 Knopf = 1 Funktion Blinden und Sehbehinderten gut zu pass kommt. Wenn es für Sehbehinderte gut ist, können Sehende damit auch intuitiver arbeiten. Und wie man weiß, steht zu große Komplexität der Spielfreude eines Musikers ohnehin entgegen.

      Stevie Wonder ist sicher ein großer Virtuose und hat schon früh auf Synthesizer gesetzt. Dass die alten Moogs, Jupiter 8 und Prophet 5 blind zu bedienen sind, das versteht sich. Dass diese Instrumente aber auch heute große Spielfreude verbreiten, liegt vielleicht genau daran.
      Übrigens mein Lieblingspolysynth, bei dem jeder Knopf quasi eine „Spielhilfe“ ist und selbst während einer Performance immer klanglich sinnvoll verschraubt werden will, und dem ich „blind“ vertraue und „blind“ spiele, ist der ELKA Synthex. Hat nicht übrigens Stevie Wonder sich gerade diesen Synth nochmal fertigen lassen, während er von der DX7-Zunft schon mächtig verlacht und verschmäht wurde?

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