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Interview Classics: Jennifer Batten 1992

Großartige Solistin & Sidewoman von Michael Jackson und Jeff Beck

1. Juli 2023
Interview Classics: Jennifer Batten 1992

© Lothar Trampert

Jennifer Batten wurde ab 1987 als Live-Gitarristin der Michael Jackson Band berühmt, mit ihrem instrumentalen Solo-Debüt ,Above Below And Beyond’ erspielte sie sich 1992 einen festen Platz in der Musikerszene und geadelt wurde die Amerikanerin dann 1998 durch Aufnahme in die Band ihres Idols Jeff Beck. Eine virtuose und sehr individuelle Ausnahmemusikerin!

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Die Gitarrenmeisterin: Jennifer Batten

Sie ist nach wie vor die E-Gitarristin, die mich mit ihrem ersten Album wie keine andere regelrecht umgehauen hat: Jennifer Batten! 1992 erschien ihr Solo-Debüt, ,Above Below And Beyond’ – ein überwiegend instrumentales Meister- wie Feuerwerk mit ausgeprägtem Unterhaltungscharakter – das auch für Nicht-Gitarristen. Denn, seien wir doch mal ehrlich: Jedes Album der Marke „Gitarristen spielen für Gitarristen“, ja fast sogar jedes Solisten-Album, sei es nun vom unvergessenen Hendrix der katholischen Landjugend, dem Strat-Minimalisten Ricky King oder von Vai oder Satriani oder Johnson, beinhaltet in der einen oder anderen Komposition für Normalverbraucher ermüdende Faktoren: „Warum singt denn da keiner?“ Diese Art der inhaltlichen Tristesse wird dann im günstigsten Fall nur, vorausgesetzt man ist vom Fach, von der technisch-virtuosen Interpretation in den Hintergrund gedrängt.
Jennifer Battens erstes Album ist dagegen eine sehr vielseitige Angelegenheit, die Rock, Jazz, Klassik, Ethno, Ironie, Intelligenz und Hypervirtuosität gekonnt miteinander kombiniert – und das mit durchgehend sehr gutem Sound, trotz Garagen-Produktion. Denn die ganz großen Plattenfirmen stehen nicht gerade Schlange, wenn Künstler dieser Kategorie aktiv werden wollen; kein Wunder, wenn man weiß, dass die Album-Verkaufszahlen auch großer Jazz-Virtuosen (für Deutschland) meist deutlichst unter der 5000er Marke stagnieren … (was heute, 2023, absolute Traumzahlen wären).

Leben und Karriere

Jennifer Batten wurde 1957 in New York geboren, zog im Alter von neun Jahren mit ihrer Familie nach San Diego, an die Westküste der USA. Als es dann ernst wurde mit dem Musikmachen, übersiedelte sie ins naheliegende Los Angeles, wo bekanntlich musikalisch noch einiges mehr passiert als auf dem flachen Land. Jennifer lacht: „Das war zu dieser Zeit genau der richtige Schritt, nach L.A. zu gehen, denn in San Diego hätte Michael Jackson mich bestimmt nicht gefunden.“

E-Gitarre spielte sie seit ihrem achten Lebensjahr, und mit 22 begann sie ein Studium am 1977 vom legendären Jazz-Gitarristen Howard Roberts gegründeten Guitar Institute of Technology (G.I.T.) in Hollywood, Kalifornien, wo sie später auch unterrichtete – als erste weibliche Dozentin überhaupt.

Zum Zeitpunkt unseres ersten Interviews, am 10. Juli 1992 im Kölner Hyatt Regency, war Jennifer Batten also mit dem damaligen Megastar Michael Jackson (*1958 +2009) auf Tour. 1987 war sie in einem Casting aus 100 Gitarristen und Gitarristinnen ausgewählt worden und bis zu Jacksons 1997er HIStory Tour gehörte sie zu seiner Live-Band und war mit teils extravaganten Outfits Teil der Bühnen-Show. Dadurch war sie auch bei Nichtmusikern und ganz jungen Fans des King of Pop extrem bekannt. Alleine bei der ersten gemeinsamen Tour 1987 spielte sie vor insgesamt 4,5 Millionen Konzertbesuchern. Eine große Chance für Jennifer Batten, die ihr geniales erstes Solo-Album sicher auch mit ihren Jackson-Honoraren verwirklichen konnte.

Dass dieser spektakuläre Live-Job, den manche dogmatischen Engstirnler schon damals als „Kommerzkacke“ bezeichneten, so gut wie gar nichts über die immensen musikalischen Qualitäten dieser Künstlerin aussagte, geschweige denn ein Forum dafür sein konnte, dürfte jedem klar sein, der mal ein Jacko-Konzert erlebt hat. Jennifer B. hat natürlich mehr zu bieten als zwei oder drei 20 Sekunden dauernde Lead-Spots in einer zweistündigen Show und eine zeitweise unhörbare Rhythmusgitarre. Und wer denkt, ihre fulminante Tapping-Technik wäre das Beste, was sie zu bieten hat, irrt: Jennifer Batten ist eine vielseitige Musikerin mit überragenden Qualitäten.

Interview Classics: Jennifer Batten 1992

© Lothar Trampert

Jennifer Batten im Interview

Lothar Trampert:

Wie bist du überhaupt zur Musik gekommen?

Jennifer Batten:

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Als ich acht Jahre alt war, hatte meine Schwester eine Gitarre und ich nicht. Und weil ich neidisch auf sie war, machte ich meinen Eltern klar, dass ich auch ein Instrument haben wollte. An meinem nächsten Geburtstag oder zu Weihnachten, das weiß ich nicht mehr so genau, war es dann so weit. Ich nahm auch Unterricht, aber da wir oft umzogen, hatte ich viele verschiedene Lehrer: Einer von ihnen brachte mir das Notenlesen bei, ein anderer war Folk-Gitarrist, beim nächsten lernte ich etwas über Blues, dann kam ein Rocker, und so ging das weiter. Danach war ich dann auf dem College, wo ich Musiktheorie lernte. Und als ich dann später am G.I.T. war (der bekannten Gitarristenschule in L.A.), interessierte ich mich ungefähr drei Jahre lang nur für Jazz.

Lothar:

Waren deine Eltern musikalisch aktiv?

Jennifer:

Mein Vater spielte etwas Gitarre, auch mit Freunden zusammen, und meine Mutter war Pianistin – aber sie waren beide keine Profis. Es war allerdings bei uns zu Hause immer Musik zu hören. Mein Vater besass rund 3000 Jazz-Platten und er machte mich auch auf Django Reinhardt und Charlie Christian aufmerksam. Das waren natürlich großartige Startbedingungen.
Es gab aber auch noch andere Einflüsse. Duane Allman und die Allman Brothers waren schon früh sehr wichtig für mich. Ich besass ihre ersten Alben ,Allman Joys’ und ,Hourglass’ (von 1968); Hourglass war damals ihr Band-Name. Und es gibt noch ein Doppelalbum mit verschiedenen Recording-Sessions von Duane Allman, das ich mir oft anhörte… Aber wichtig war vor allem Jeff Beck: Er ist nach 10 oder 15 Jahren immer noch mein absoluter Lieblingsgitarrist. Ich kenne jedes Solo von ,Blow By Blow’ (1975) und ,Wired’ (1976) auswendig. Er ist einfach fantastisch. Jeff Becks ,Guitar Shop’ (1989) höre ich immer noch oft; und Peter Gabriels Solo-Alben, Chaka Khans ,I Feel For You’, Jane Child… – das sind alles großartige Leute.

Lothar:

Und du bist, wie ich gelesen habe, auch ein großer Fan des Gitarristen Joe Diorio.

Jennifer:

Absolut. Was meine Jazz-Einflüsse angeht, ist Joe der King. Ich lernte ihn damals am G.I.T. kennen. Heute studieren dort 1500 oder mehr Studenten pro Semester, damals waren es nur 60. Es gab drei Lehrer damals, und ich war auch die einzige Frau in meiner Klasse; Joe war einer dieser Lehrer und er hat mir die Augen geöffnet, was den Jazz angeht. Durch ihn habe ich gelernt kreativ zu sein und einen eigenen Stil zu finden. Er ist der Typ eines Gitarristen, den man nach vier Takten heraushört, er hat einfach eine unverwechselbare Art zu spielen.

Lothar:

Wichtig für deine Tapping-Technik war auch deine Bekanntschaft zu Steve Lynch.

Jennifer:

Steve war 1979 in meiner Klasse am G.I.T. Er sah Emmett Chapman (den Erfinder des Stick) und wollte dessen Ideen auf die Gitarre übertragen. Ich verbrachte damals viel Zeit mit Steve und was er machte, beeindruckte mich sehr. Intensiver konnte ich mich mit dem zweihändigen Spiel aber erst nach meinem Abschluss beschäftigen. Steve schickte mir ab und zu Demo-Tapes und ich übte dann die Soli, wobei ich mir meinen Tapping-Zeigefinger fast ruinierte. Als dann sein Lehrbuch „The Right Touch“ herauskam, wurde ich etwas vertrauter mit der Materie und habe die ganze Sache in meine eigene Richtung gelenkt. Jetzt kann ich mit acht Fingern spielen, wilde Chord-Voicings und auch verschiedene percussive Effekte einsetzen.

Lothar:

Stanley Jordan macht ja ähnliches im Pop-Jazz-Bereich. Was hältst du von ihm?

Jennifer:

Er hat einen ganz anderen Ansatz, weil er als Pianist begonnen hat. Deshalb sind in seinem Kopf von Anfang an Melodien und Akkorde getrennt worden, bzw. der rechten und der linken Hand zugeteilt. Dieses Konzept hat er dann auf die Gitarre übertragen. Und das ist nicht mein Ding: Ich möchte mit beiden Händen zusammen eine Idee verwirklichen, einen Sound.

Lothar:

Glaubst du, dass es einfach ist, gerade in puncto Tapping, ein hohes spieltechnisches Niveau immer auch mit einem hohen musikalischen Niveau zu verbinden?

Jennifer:

Das funktioniert. Für mich ist die Persönlichkeit des Künstlers dabei von grundlegender Bedeutung. Die Bedenken höre ich oft. Aber ob man sein Leben lang nur Tonleitern übt und spielt, oder ob man wirklich Musik machen will, das ist nur eine Frage der Persönlichkeit.
Im Video zu ,Flight Of The Bumble Bee’ von deinem ersten Album, bist du mit einer sehr merkwürdigen E-Gitarre zu sehen und zu hören.

Lothar:

Was ist das für ein Instrument?

Jennifer:

Das ist eine Gitarre von Stewart Bugs, einem Australier. Er verwendet eine Menge Bauteile von Steinberger für seine eigenen Instrumente. Diese Gitarre hat praktisch zwei mal sechs Saiten, die auch ganz normal gestimmt sind. Man hat also durch das doppelt so breite Griffbrett auch die Möglichkeiten von zwei Instrumenten: Auf den unteren sechs Saiten spiele ich ganz normal Gitarre, auf den oberen sechs Saiten kann ich dazu tappen. Dieses Instrument ist für Gitarristen viel komfortabler als der Stick; man hat hier außerdem auch die Stimmung, an die man gewöhnt ist. Und das Ding hat nur einen Hals, auf dem man sich jetzt wirklich, wie bei zwei Gitarren, wenn auch auf eine neue Art, selbst begleiten kann. Das geht dann schon etwas in diese Stanley-Jordan-Richtung.

Lothar:

Interessierst du dich sehr für klassische Musik oder war Rimsky Korsakovs ,Flight Of The Bumble Bee’, der berühmte ,Hummelflug’, nur ein kleiner exotischer Abstecher?

Jennifer:

In erster Linie interessiert mich aus dem klassischen Bereich Musik für Violine. Ich habe ein halbes Dutzend Stücke, die ich auf diese Tapping-Art oder als Single-Note-Linie spielen kann: ein Paganini-Capriccio, Bachs ,Chromatische Phantasie’ – das ist allerdings ein Piano-Stück – etwas von Bartok und noch ein paar andere Sachen.

Lothar:

Spielst du auch akustische Gitarre?

Jennifer:

Nein, mache ich nicht. Vielleicht ganz selten mal. Auf meinem Album habe ich bei einer Nummer mal versucht, den Rhythmus mit einer Acoustic etwas fetter zu machen. Als Kind habe ich akustische Gitarre gespielt, aber als ich die elektrische entdeckt hatte, gab es kein Zurück.

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Lothar:

Deine Equipment-Grundausrüstung besteht zur Zeit aus Washburn-Maverick-E-Gitarren, DigiTech 2101/2112 Prozessoren/Preamps, Peavey-5150-Verstärker und Peavey-Endstufen & -Boxen …

Jennifer:

Stimmt. Ich denke, gutes Equipment ist sehr wichtig für mich. OK, mit schlechtem Zeug hört man sich ja auch bestimmt nicht besser an. Und wenn ich nicht den Sound höre, den ich gewohnt bin, dann ist es ein richtiger Kampf. Wenn die Verzerrung nicht stimmt, dann kommen das Sustain und die Obertöne nicht wie gewohnt, das Feeling stimmt dann einfach nicht … Dieses Solo von ,Beat it’ ist ja immer mein Spotlight in der Michael-Jackson-Show und dabei muss dann alles stimmen. Für dieses Solo spiele ich z. B. den Peavey 5150, den Van-Halen-Amp. Ich arbeite bei dieser Show mit einer Menge verschiedener Sounds, teilweise sind es ganz subtile Sachen, mit genau abgestimmtem Delay, Auto-Wah, Reverbs, Chorus, Leslie-Simulator – alles ist genau an den jeweiligen Song angepasst … Im Studio verwende ich mehr oder weniger die gleiche Anlage, die Effekte kommen dann aber erst beim Mix dazu. Ich bevorzuge meistens die einfache Art.

Lothar:

Du hast nach deinem Studium auch selbst am G.I.T. unterrichtet: Worin bestanden da deine Aufgaben?

Jennifer:

Mit dieser Sache habe ich 1985 angefangen. Ich war zwischendurch noch mal einige Zeit in San Diego, wo ich in verschiedenen Bands und BigBands spielte. Als ich mich dann entschlossen hatte zurück zu gehen, bekam ich den G.I.T.-Job und hatte anfangs die Aufgabe, die mir zugewiesenen Studenten wöchentlich zu testen, also zu überprüfen, ob sie mit dem Lehrstoff zurechtkamen. Was mir mehr Spaß machte, waren die Open Councils, wo ich dann mit ungefähr 15 Leuten zusammensaß, denen ich verschiedene Licks zeigte, On-The-Road-Storys erzählte und alle möglichen Sachen vermittelte, die ich mit der Zeit gelernt hatte. Es war eher so eine Art von lockerem Informationsaustausch; das machte ich ein oder zwei mal wöchentlich vier Stunden am Tag. Und das war wirklich ein hartes Training für mich, in das ich eine Menge an Energie steckte. Nach dem Unterricht war ich jedes Mal fix und fertig.

Interview Classics: Jennifer Batten 1992

Ich habe auch zwei Lehrbücher geschrieben, wovon das erste sehr schwer aufzutreiben ist, weil ich es vor Jahren noch selbst veröffentlicht habe. Da spielte der geschäftliche Aspekt keine Rolle. Ich habe damals zwanzig Soli des Jazzgitarristen Peter Sprague transkribiert. Das nächste Buch hieß dann „Two Hand Rock“ (REH-Publications). Da geht es um Tapping-Riffs, die ich auch auf einer Kassette in verschiedenen Tempi eingespielt habe. Mir persönlich war wichtig, dass man die Sachen sofort spielen kann, anstatt sich erst mal zehn Jahre lang mit fünfzig verschiedenen Skalen und viel Theorie beschäftigen zu müssen.

Lothar:

Ein guter Dozenten-Job ist doch sicherlich lukrativer als z. B. Gigs mit einer Top-40-Band?

Jennifer:

Das kommt ganz drauf an, wo du spielen kannst. Wenn man in eine bestimmte Szene reinkommt, kann man damit doch einiges verdienen. Allerdings war meine Tagesgage am G.I.T. schon etwas besser. In San Diego habe ich in einer Fusion-Band gespielt, und da verdienten wir 33 Dollar pro Nacht und Nase. Darüber haben wir uns auch immer aufgeregt, andererseits waren wir froh, überhaupt vor Publikum spielen zu können. Bei den Top-40-Bands, mit denen ich arbeitete, sah es mit der Bezahlung doch etwas erfreulicher aus. Und wenn man in Kanada mit einer solchen Band auf Tour geht, kann man sogar wirklich Geld verdienen. Aber das war nicht die Sache, die ich machen wollte.

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Lothar:

Wann und wie hat deine Zusammenarbeit mit Michael Jackson begonnen?

Jennifer:

Im Juli 1987 suchte er einen Gitarristen und ich spielte bei der Audition vor. Drei Tage später kam ein Anruf und man sagte mir, dass ich den Job hätte. Im September spielten wir dann in Japan und waren von da an anderthalb Jahre unterwegs: Japan, Australien, USA, Europa, USA und dann wieder Japan – das war eine großartige Zeit.

Lothar:

Wieviel Raum bleibt dir überhaupt in Michaels Musik für eigene Beiträge, oder für Spontaneität?

Jennifer:

Inzwischen habe ich mehr Freiheiten. Beim letzten Mal konnte ich nur bei ,Dirty Diana’ ein etwas ausgedehnteres Solo spielen; aber jetzt sagte Michael, er wolle mehr Rock & Roll in die Show bringen und dadurch kann ich auch mehr improvisieren. Überhaupt gibt es nur ein Solo, das ich genau nach der Platte spiele und das ist ,Beat it’. Dieses Solo (im Original von Eddie Van Halen) ist einfach großartig, daran möchte ich nicht rumbasteln. Deshalb spiele ich es einfach straight durch.

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Lothar:

Du wirst in Interviews sicherlich in erster Linie nach deiner Arbeit mit Michael Jackson gefragt?

Jennifer:

Auf der ersten Tour war das auch in Ordnung, aber jetzt habe ich eine eigene Produktion dabei, über die ich natürlich lieber sprechen möchte. Nach dieser Tour verbrachte ich den größten Teil meiner Zeit damit, an meinem eigenen Album zu arbeiten. Ich habe mich oft von der Welt zurückgezogen, war nur in meinem Studio. Ich habe mich fast schon versteckt …

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Jennifer Batten Solo: Above Below And Beyond

Das mit beachtlichem Resultat: Die vierzehn Stücke des Albums ,Above Below And Beyond‘ zeigen die Gitarristin Jennifer Batten als eine wirklich vielseitige Musikerin, die in den entferntesten Stilen zu Hause ist, ohne dabei auf eine Art von eigener Handschrift zu verzichten. Sie selbst sieht auch eine wirkliche Notwendigkeit darin, sich in dieser Art einer „bunten Mischung“ zu präsentieren und nennt das Album „eine Ansammlung all meiner Träume, seit ich mit acht Jahren begann, Gitarre zu spielen“. Diese Träume konnte sie verständlicherweise in der Jackson-Band nicht konsequent verwirklichen; allerdings hat dieser sehr Image-fördernde Job, neben der Tatsache, dass sie zur populären Sidewoman wurde, in Bezug auf ihren künstlerischen Anspruch eine Art von kanalisierender Wirkung gehabt.

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Bevor Jennifer aus über hundert Gitarristen für die Band von Michael Jackson ausgewählt wurde, war sie schon eine vielbeschäftigte Musikerin: Zeitweise spielte sie in sechs Formationen gleichzeitig, die stilistisch zwischen Rock, Metal, Fusion, Funk und Jazz angesiedelt waren. Und neben der Tatsache, dass ihre derzeitige Verpflichtung ihr inzwischen wohl auch täglich einen warmen Teller Suppe einbringt, hat sie die Arbeit mit Jackson auch dazu getrieben, sich sehr viel intensiver mit ihren eigenen musikalischen Projekten zu beschäftigen. ,Above Below And Beyond’ ist das erste, beachtliche Ergebnis dieses Energieschubs, coproduziert wurde das Album von Gitarrenkollege Michael Sembello, der auch einen Titel beisteuerte. Ansonsten stammt der überwiegende Teil der Kompositionen von Jennifer Batten.
Es handelt sich, bis auf eine sehr gelungene Ausnahme, nämlich die Cover-Version von Otis Reddings Klassiker ,Respect’, um instrumentale Musik, bei der zwar immer wieder teils elektronisch verfremdete, menschliche Stimmen auftauchen, die aber dann in der Regel eher als Klangeffekte eingesetzt sind.
Neben der angesprochenen Heavy-Version von ,Respect’ und der sehr virtuosen Tapping-Interpretation des ,Hummelflug’ (die mit dem Sylmarian Philharmonic Orchestra eingespielt wurde), beeindruckt vor allem Jennifer Battens Eigenkomposition ,Cruzin’ The Nile’. Hier schafft sie, mit clean gespielter, rhythmusbetonter Gitarre, eine überzeugende exotische Atmosphäre, die ohne die bekannten „authentischen“ Zutaten aus dem Ethno-Baukasten auskommt. Und auch der nächste Titel, ,Tar-Zenz Day Off’, überzeugt durch ein einprägsames Thema sowie die hervorragend groovende Rhythmusgruppe. Jennifer Battens treibenden Lead-Licks, die ihre reichlich vorhandene Spieltechnik, gerade bei diesem Stück hervorragend in gute Musik verpacken, zeigen, dass sie für manches Rock- oder Pop-Album als Gastmusikerin eine wirkliche Bereicherung sein könnte.
Und nicht nur in dieser Hinsicht kann sie überzeugen: Neben einigen Fusion-orientierten Kompositionen ist ihre Interpretation, oder besser gesagt ihre Bearbeitung, des John Coltrane-Klassikers ,Giant Steps’ das beste und kreativste, was seit Langem an Jazz-Standard-Interpretationen, nicht nur von Rock-Musikern, zu hören war. Die Gitarristin macht aus diesem Titel eine Art von Science-Fiction-Hörspiel: Wir laserdrucken das Jahr 2010 – Atlantis wurde gerade wiederentdeckt, die Berliner Mauer zum zweiten Mal eingerissen – und es existiert in einem Fantasieland, sagen wir mal den USA, nur noch ein Sender, der Jazz-Musik spielt. Dann ist Jennifers Gitarre (natürlich mit typisch fettem Jazz-Sound!) mit dem Coltrane-Solo von ,Giant Steps’ zu hören, bei dem sie u. a. von dem eher als Keyboarder bekannten Greg Phillinganes am Kontrabass begleitet wird. Doch da schaltet sich schon die Jazz-Polizei ins Programm ein: Da der Sender es wagt, „nicht-Rock & Roll-beeinflußte-Musik“ zu spielen, wird er sofort abgeschaltet. Und daraufhin folgt dann die geballte Antwort der Musiker, die eine knallharte Heavy-Fassung der Coltrane-Komposition liefern, bei der ironischerweise das Thema von der verzerrten Gitarre im halben Tempo gespielt wird. Fazit: ,Above Below And Beyond’ ist auch heute noch ein fantastisches Gitarren-Album und ein Debüt, das auf mehr neugierig macht.

Interview Classics: Jennifer Batten 1992

© Lothar Trampert

Als wir nach dem Interview in der Nähe des Hotels ein paar Fotos machten, registrierte uns zuerst niemand – obwohl überall Jackson-Fans die Zufahrt belagerten – die laufende „History World Tour“ sollte insgesamt ca. zwei Jahre dauern und Jennifer vertrat ihren scheuen Arbeitgeber gelegentlich bei Pressekonferenzen. Als ich mich gerade verabschiedet hatte – Frau Batten hatte die Hoteltür schon fast durchschritten – kam von irgendwo ein spitzer Schrei: „Dschääännnifffffeeer!!!“ Ein kleiner Junge stürzt auf sie zu, 40 andere Kids hinterher. Da hieß es dann erst mal Autogramme schreiben, für die Gitarristin von Michael Jackson. Eine Ausnahmemusikerin wird zum Popstar-Ersatz.

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Zugabe! Jennifer Batten Interview II 1997

Neben ihren Tour-Aktivitäten für Jackson gab es in den 90ern noch einige weitere Episoden in Jennifers Karriere, u. a. das Rock-Projekt „The Immigrants“, eine Gast-Nummer auf Carmine Appices Konzept-Album ,Guitar Zeus’ (u. a. mit Steve Morse, Paul Gilbert und Brian May) , sechs Songs auf ,Einstein Was A Bullfighter’, dem ersten Werk von „Doc Tahri“ (der Band von Ex-P.I.L.-Bassist Bret Helm) und dann war es auch mal wieder Zeit für ein eigenes Ding: „Jennifer Batten’s Tribal Rage“ heißt ihre neue Formation, zu der Bassist Ricky Wolking (er spielte mit Gary Hoey, Tony MacAlpine, Darren Housholder) und Drummer Glen Sobel (MacAlpine, Saga, Impelliterri) gehören – beide spielten vorher auch schon mit The Immigrants.

1997, kurz nach Ende ihres Michael-Jackson-Jobs, erschien dann ,Momentum’: Das Album verbindet in interessanterweise exotische Sounds aus verschiedenen Kulturen (afrikanische Perkussion, schottische Dudelsäcke, australisches Didjeridoo etc.) mit einem modernen Gitarren-Trio, das keine bindenden stilistischen Einschränkungen kennt. „It sounds like a rich and moody journey around the planet“, ist im Info zum Album zu lesen. OK, aber Gitarren-Fans mit Ethno-Allergien müssen jetzt nicht zurück auf die Isolierstation, denn hier wurde sehr dezent mit den genannten Zutaten umgegangen. Wenn man das Programm vorher nicht kennt, quittiert man das eine oder andere Sample oder die Trommel-Überleitungen zwischen den einzelnen Stücken eher mit „Gute Idee!“, als mit der Assoziation von entsprechenden Weltmusik-Konzepten. Hier Auszüge aus meinem zweiten Interview mit Jennifer am 2. Juni 1997 in Köln.

Interview Classics: Jennifer Batten 1992

Lothar:

Auch beim neuen Jennifer-Batten-Album steht deine Gitarre weiterhin im Mittelpunkt des Geschehens. Und trotzdem ist ,Momentum‘ keine typische Gitarristen-Musik, die man da hören kann. Auch deine erste Platte ,Above Below And Beyond‘ habe ich nie als „Gitarren-Instrumental-Album“ aufgefasst.

Jennifer:

Oh, das nehme ich jetzt mal als großes Kompliment. Diese Platte ist nicht unbedingt einfach zu hören.

Lothar:

Die wesentlichen Aspekte des neuen Albums waren doch eigentlich schon damals auf dem Debüt zu hören: Songs wie ,Cruzin’ The Nile’ oder ,Tar-Zenz Day Off’ haben eindeutig diesen dezenten Ethno-Sample-Aspekt und ein ähnliches Konzept.

Jennifer:

Genau …!

Lothar:

Was hat sich also verändert?

Jennifer:

Das erste Album hatte eine große stilistische Bandbreite: Klassik, Jazz, Voodoo und auch die Anfänge dieser Ethno-inspirierten Sache – das war eine ganze Menge. Die neue Platte ist da doch geschlossener.

Lothar:

Und du hast einen sehr charakteristischen Lead-Sound – das hat mehr Wiedererkennungswert als die breite Klangpalette des ersten Albums.

Jennifer:

Soll ich das jetzt gut oder schlecht finden, wenn du nur einen dominanten Sound hörst?

Lothar:

Einen charakteristischen Sound, an dem man dich schnell wiedererkennt …

Jennifer:

OK, das verstehe ich. Cool!

Lothar:

Welche Musik hast du im vergangenen Jahr gehört?

Jennifer:

Viele World-Beat-Sachen. Ich höre mir eigentlich eine große Bandbreite an, alles von Peter Gabriel bis Madonna, auch neue Techno-Sachen wie The Chemical Brothers oder Professor Trance & The Energizer – eine großartige, sehr hypnotische Platte mit absolut coolen Percussion-Sounds. (Jennifer lacht) Vieles aus der Techno-Ecke ist gewaltiger Müll, finde ich – andererseits kommen aber auch einige sehr wichtige Impulse von dort. Eigentlich gibt es bei jeder musikalischen Strömung so einen Anteil von vielleicht 10 %, die wirklich interessant sind – der Rest sind Nachahmer.

Lothar:

Absolut beeindruckend fand ich, was du damals mit der John-Coltrane-Nummer ,Giant Steps’ gemacht hast. Hast du vor, noch andere Jazz-Klassiker zu bearbeiten?

Jennifer:

,Round Midnight’ würde ich mal gerne aufnehmen. Aber ich sehe nicht, dass mir das in nächster Zukunft gelingen wird. Ich habe die nächsten zehn Jahre schon verplant, glaube ich.

Lothar:

Was ist aus deinen Plänen geworden, mit einer Sängerin zu arbeiten?

Jennifer:

Es gab da dieses Projekt „The Immigrants“, das mir vollkommen reichte, um zu erkennen, dass ich nie wieder mit einer Sängerin arbeiten werde, hahaha!!! Sängerinnen sind Psycho-Lunatics – das war so verrückt! Nach dieser Erfahrung wollte ich unbedingt, unbedingt wieder instrumentale Gitarrenmusik spielen.

Lothar:

Hast du nie daran gedacht, mal selbst zu singen?

Jennifer:

Ich habe gesungen, bis ich 18 war. Dann habe ich ein Konzert gespielt, für meine Freunde. Als ich am nächsten Tag das Tape mit den Aufnahmen hörte, wußte ich sofort, dass ich es nie wieder tun würde. Hahaha! Nein, ich habe im Moment kein Bedürfnis danach. Die Gitarre ist schon eine wichtige Herausforderung in meinem Leben.

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Jennifers Discografie

Neben ihren drei Solo-Alben unter eigenem Namen hat Jennifer Batten in den vergangenen drei Dekaden auch eine Handvoll Studio-Jobs und Kooperationen eingespielt – alles in allem sehr überschaubar. Mit Michael Jackson war sie offensichtlich nicht im Studio. Ein Jahr nach Ende ihres Engagements als Live-Begleiterin wurde sie dann 1998 von Jeff Beck engagiert und in seine Band aufgenommen.

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Drei Jahre dauerte die Zusammenarbeit, während der auch die Beck-Studio-Alben ,Who Else!‘ und ,You had it Coming‘ unter ihrer Mitwirkung entstanden. Im Januar 2016 wurde Jennifer Batten mit dem „She Rocks Icon Award“ ausgezeichnet und in die „Gallery of the Greats“ des US-Fachmagazins Guitar Player aufgenommen. Im selben Jahr ging sie mit ihren Gitarrristenkollegen Uli Jon Roth und Andy Timmons auf The Ultimate Guitar Tour. Eine großartige Musikerin! Entdecken!

+ Jennifer Batten Solo
Jennifer Batten: Above, Below & Beyond (1992)
Jennifer Batten’s Tribal Rage: Momentum (1997)
Jennifer Batten: Whatever (2007)

+ Jennifer Batten And …
Carl Anderson: Heavy Weather Sunlight Again (1994)
Carmine Appices: Guitar Zeus (1995)
The Bluesaholics: Foggy Morning (1995)
Michael Sembello: Heavy Weather (1995)
The Immigrants: One Planet Under One Groove (1995)
Sarah Hickman: Shortstop (1996)
Doc Tahari: Einstein was a Bullfighter (1996)
Jeff Beck: Who Else! (1999)
Jeff Beck: You Had It Coming (2001)
Michael Sembello, Brian O’Doherty, Jeff Paris, Jennifer Batten: The Lost Years (2003)
V.A.: Tribute to Frank Marino. Second Hand Smoke (2005)
Jeff Beck: In Japan (2008)
Marc Scherer & Jennifer Batten: Battle Zone (2017)
Janina Jade Feat. Jennifer Batten: Heart Of Rock N‘ Roll (2021)

+ Website: www.jenniferbatten.com

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Forum
  1. Profilbild
    FaderMode

    Vielen dank für den ausführlichen Artikel und das tolle Interview, das es galt wieder aus der Versenkung zu holen.

    • Profilbild
      LOTHAR TRAMPERT AHU

      @FaderMode Danke dir, FaderModeXL!
      Ich hoffe, ein paar Menschen werden dadurch Jennifer Battens Debüt entdecken. Das lohnt sich auch nach dreißig Jahren noch.
      Grüße
      Lothar T

  2. Profilbild
    dAS hEIKO AHU

    Im Studio Eddie (van Halen), Steve (Stevens) oder Slash – bei MJJ ging es nie darunter. Klar, wenn man als „Studioband“ einfach mal Toto bucht… Aber live hat(te) Jennifer Batton das Plektrum über Jahre in der Hand. Ich denke außerhalb der Guitarcommunity deutlich unterbewertet.

    Ganz tolle Musikerin.

  3. Profilbild
    Loubacca

    Lesenswert! Ich kenne sie aus den Videos, aber wusste nicht, dass sie auch Solo veröffentlicht hat.

  4. Profilbild
    mistereddie

    Ich denke das Frauen Gitarren/Instrumente/Klang eh anders anfühlen und auch etwas anders schreiben. Habs in einigen Bands auch pers. erlebt.
    Man gibt was vor und die Frau macht dann doch Ihr Ding. Und es klingt super :-)

    Siehe Clara Schumann im Vergleich zu ihrem Gaten. OKOK…das ist jetzt zuviel verlangt ;-D

    Jaja Jenni……absolute Ausnahmekönnerin. Ich war nicht nur von der Solierqualität von Anfang an (80er Jahre) begeistert. Es ist auch Ihre akkurate Verrücktheit (gibts das?) wie Sie Noten gnadenlos dehnt.
    Einfach genial. Musikalischer gehts nicht. Bleibt zu hoffen das Sie vernünftiger/gesünder lebt als viele zu früh dahingeschiedene Männerkollegen :-/

    • Profilbild
      LOTHAR TRAMPERT AHU

      @mistereddie Gute Gedanken, Mistereddie! 🌻🌻🌻🌻🌻
      Ich finde es auch gut, dass es nach und nach immer mehr Frauen gibt, die ihr Ding durchziehen, ganz egal ob im Rock (wie Jennifer Batten, Hope Sandoval von Mazzy Star oder jetzt die österreichische Band Culk). im Jazz (wie die Gitarristin Christina Zurhausen) oder Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta in der  Klassik. Das sind die Namen, die mir zuletzt (mal wieder) begegnet sind.

      „Akkurate Verrücktheit“ gefällt mir – das hat so was von Abheben und Bodenhaftung zugleich!

      Schönen Abend!
      Lothar T

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