Modular-Synthesis in einer Box!
„We live in a golden age of synth“, verkündete NIN-Mastermind Trent Reznor zuletzt in einem Instagram-Post. Kann ich das beurteilen? Freilich nicht. Was ich aber weiß: Es ist definitiv das goldene Zeitalter der Synthesizer-Pedale. Was sich in der Hinsicht in den letzten Jahren auf dem Markt getan hat, ist beachtlich. Tracking-Probleme sind gelöst und toll klingende Oszillatoren in Pedalformat auf dem Markt gebracht worden. Das Enzo ist ein gutes Beispiel, das Synth-1 von Keeley ebenfalls. Und bald wird das Boss SY-1 bei uns einschlagen, das einen besonders gespannt zurücklässt. Es ist eine ganz besondere Sparte unter den Gitarren-Pedalen, deren Potential mehr und mehr Gitarristen bewusst zu werden scheint. Nach bald 100 Jahren Rock ’n‘ Roll helfen diese kleinen Wunderboxen, neue, kreative Pfade einzuschlagen.
Das Source Audio C4 ließ mich nach seiner Vorstellung auf der Summer NAMM 2019 ebenfalls sehr gespannt zurück. Der Grund ist die enorme Vielfältigkeit des Pedals und die Tatsache, dass Source Audio – mich zumindest – in der Vergangenheit nie enttäuscht haben. Das Nemesis-Delay ist eine Klasse für sich und ähnliches gilt für das Ventris Reverb. Der Krux beim Source Audio C4 ist der digitale Baukasten, die Editor-Software „Neuro Editor“, die eine ganz neue Arbeitsweise in Aussicht stellt. Strenggenommen handelt es sich beim Source Audio C4 also eigentlich um den ersten Modular-Synthesizer in Pedalform – weshalb genau, erarbeiten wir jetzt.
Source Audio C4, Synthesizer Pedal – Facts and Features
Also, bevor man sich versucht klar zu machen, was das C4 denn eigentlich ist, kann es helfen, sich das Pedal als eine machtvolle Workstation vorzustellen. Wer das Pedal lediglich darauf beschränkt, es an den Anfang der Signalkette seines Pedalboards zu platzieren, schöpft das Potential des Source Audio C4 nicht im Geringsten aus. Die Regler des Panels und die Hardware sind nur die Spitze des Eisberges, sie ermöglichen unmittelbaren Zugriff auf die Sounds, die man mithilfe des Neuro Editors zusammenbastelt – ein bestechend einfaches Prinzip. Unmittelbar angewählt werden können am Pedal drei bis sechs Synthesizer-Effekte. Doch die digitale Werkzeugkiste von Source Audio macht die Wertigkeit dieses Geräts maßgeblich aus.
Also – ein Modular Synthesizer in einer Box also. Bleibt man der modularen Nomenklatur treu, kommt der Source Audio C4 mit insgesamt 4 Voices aus und drei Schwingungsformen für die Oszillatoren daher. Darüber hinaus stehen mindestens 10 Envelope-Follower zur Verfügung und reichlich Spielraum für Modulation, seien es Tremolo oder Filter-Effekte sowie ein programmierbarer Sequencer. Dies sind alles Begriffe, die den gängigen Rahmen der Gitarren-Pedale sprengen und eine neue Herangehensweise erfordern, was prinzipiell natürlich nicht schlecht ist. Klar sollte nur sein – wer das Source Audio C4 einfach nur aufs Board packen und dort die drei anwählbaren Synthesizer-Sounds ansteuern will – mehr nicht, dem steht es frei, das Source Audio so zu nutzen. Alle anderen dürften nun etwas von der enormen Vielfalt ahnen, die sich durch vier parallel schaltbare Voices, Sequencer, Modulation und Envelope-Follower auftut.
Die Maße sind übersichtlich: Länge/Breite/Höhe 114 x 70 x 51 mm – erfreulich wenig Platz, das der Source Audio C4 da einnimmt, wenn man bedenkt, dass vom Ansatz her das Pedal viel größer und komplexer im Panel hätte ausfallen können. Das gebürstete Aluminium des Gehäuses macht ordentlich was her und zwei 6,3 mm Monoklinken für In- und Outputs eröffnen Stereo- und Routing-Möglichkeiten. Eine 3,5 mm TRRS-Buchse, der Control-Input auf der Stirnseite des Pedals ermöglicht Kontrolle per Expression. Direkt daneben liegt der USB-Port, mithilfe dessen man das Pedal an den Laptop oder an das Smartphone schließen kann. Der ALT-Button neben dem Control Input ermöglicht das Ansteuern einer sekundären Bedienfläche und drei weiteren Presets. Im Lieferumfang enthalten ist ein Netzteil sowie ein Kabel für die TRRS-Buchse.
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Source Audio C4, Synthesizer-Pedal: der Neuro Editor
Hier liegt die Stärke des Source Audio C4 – der Neuro Editor, eine zutiefst intuitive und übersichtliche Software, mit der man die vollen Kapazitäten des Source Audio C4 ausschöpfen kann. Es handelt sich im Kern um ein riesiges Control-Panel, nicht unähnlich einigen Modular-Plugins, mit individueller Kontrolle über die einzelnen Voices. Das heißt konkret: Der LFO jeder einzelnen Voice kann genau so eingestellt werden wie ihre Modulation oder ihr Tremolo. Auch Klangbildung mithilfe der FM-Synthese ist möglich. Kombiniert mit der Möglichkeit, Schwingungsform und die Steps eines Sequencers einzustellen, dürfte deutlich werden, dass bislang kein Synthesizer-Pedal dieses Ausmaß an Möglichkeiten geboten hat. Beat-Subdivisions und Harmonie der Sequenz sind ebenfalls einstellbar. Auch mit den Filtern lässt sich auf unzählige Weisen arbeiten. Moduliert man ihn mit einem LFO oder einem Envelope-Filter? Welche Distortion darf es sein – Gated Fuzz oder breitflächiger Gain? Monophonic oder polyphonic Pitch-Shifting?
Der Signalpfad der Klangarchitektur des Source Audio C4 ist hier abgebildet. Drei große Blöcke sind also vorhanden: Voice, Distortion und Filter. Auf Ebene der Voice lassen sich aus den einzelnen Blöcken der Synth-Engine unzählige Sounds zusammenbasteln, auf der Filter-Ebene lässt sich die Sensitivität und Frequenz für Envelope-Follower sowie die Tiefe der Modulation einstellen. Zugegeben, für die meisten Gitarristen dürfte das Neuland darstellen. Und ich persönlich tendiere dazu, im unmittelbaren Umgang mit einem Pedal das Panel und die intuitive Handhabe des Geräts als Kaufgründe heranzuziehen – but you can teach an old dog new tricks. Dafür ist das Potential hier zu groß.
In der Praxis läuft das konkret so ab: Ihr könnt den USB-Port nutzen oder das mitgelieferte Kabel, um das Pedal über den Input 2 direkt mit dem PC oder dem Smartphone zu verbinden. Darüber hinaus dann einfach eure persönlichen Experimente oder eins der unzähligen Presets mit einem Klick auf das Source Audio C4 laden und loslegen. Die Software soll intuitiv genug sein und die Orientierung leicht machen. Source Audio rühmen sich seit jeher damit, mit ihrer Community in einem regen Austausch zu stehen und tatsächlich hat die Community dafür gesorgt, dass sich die einzelnen Bibliotheken von Source Audio für das Nemesis Delay und das Ventris Reverb stetig erweitert haben. Wer also gar nicht so sehr tüfteln und sich im Kaninchenbau verlaufen möchte, der kann auf eins der unzähligen Presets zurückgreifen, die ihr in der Browse/Community-Sektion der Software abrufen könnt.
Jetzt ist natürlich die Frage nach der eigentlichen Klangqualität ungeklärt. Hat man es hier mit fettem Synthesizer-Sound zu tun oder brutzelt das Source Audio C4 undifferenziert vor sich her? Source Audio wissen seit jeher, was sie tun – man darf als guter Dinge sein, dass das alles entsprechend klingt.
Source Audio C4, Synthesizer-Pedal in der Praxis
Also ran ans Handy, die Neuro App runterladen, Account erstellen, dann ggf. Desktop-Manager noch zusätzlich für den Rechner runterladen – und gut ist? Tatsächlich läuft die Treibersuche und Synchronisation des Neuro Editors mit dem Source Audio C4 reibungslos. Auf dem digitalen Panel ist es nun möglich, nach Herzenslust mit den Voices, LFOs, Envelope-Follower und Modulationen zu arbeiten. Wie erwähnt umfasst die Bibliothek des Neuro Editors auch Presets für das Ventris Reverb, das Nemesis Delay und noch andere Pedale der Firma. Und im Gegensatz zu manch anderen digitalen Communitys ist die von Source Audio tatsächlich rege mit dem Erstellen und Hochladen von Presets beschäftigt. Bevor man also selbst an den Reglern verloren geht, rentiert es sich allemal, die Bibliothek für das C4 durchzugehen.
Sofort wird deutlich: Die Klangqualität stimmt. Der Sound ist alles andere als dünn oder blechern, sondern kommt mit geballter Kraft daher, hat ordentlich Low-End und Frequenz-Transparenz sowie einen analogen, warmen Charakter – wenn man das denn will. Sägende Bass-Voices, plätschernde Arpeggiator, Tremolo-Vibe, ätherische Pads. Je mehr man sich ausprobiert, desto schneller realisiert man, dass hier die Formel „Pedal plus Software“ wirklich formidabel aufgeht. Nicht nur ist der Neuro Editor intuitiv, übersichtlich und schnieke, erfreulich ist auch, dass das Laden der Sounds und Presets auf das Pedal kinderleicht ist und völlig reibungslos verläuft.
Und dann dämmert es mir: Dass dieses Prinzip das Zeug dazu hat, der inzwischen grassierenden Menge an Floorboards mit integrierten Cabs und Effekten Konkurrenz zu machen – oder es zumindest fundamental zu ergänzen. Die Vorstellung, nur mit Gitarre, Laptop, Modeling-Amp und dem C4 zu reisen und Auftritte zu absolvieren, lässt das Herz definitiv höher schlagen. Denn die Möglichkeiten sind wirklich nahezu grenzenlos. Wie gesagt, das Source Audio C4 ist ein Modular-Synthesizer in einer Box und naturgemäß unerschöpflich, aber es ist vor allem der enorm zuverlässigen Software und ihrem Potential geschuldet, dass die Vorstellung, einen Laptop mit auf die Bühne zu nehmen, attraktiver denn je erscheint. Die Klangqualität ist ohne Abzüge tauglich für die Bühne und über die Möglichkeiten, daheim in aller Ruhe ganze Alben nur mit der Neuro Editor Software aufzunehmen, braucht man gar nicht erst zu reden. Die folgenden Klangbeispiele stellen nur einen kleinen Ausschnitt dessen dar, was mit dem Source Audio C4 alles möglich ist.
Was in dem Sweetwater Video und in den Soundbeispielen rüberkommt ist, abseits von Feature-Huberei, eine weitere quäkige Fußhupe. So jedenfalls mein erster Eindruck, der natürlich täuschen mag, wenn das Ding im weiteren mal gründlich exploriert wird. Vielleicht macht David Torn ja mal einen Test ;-)
Ein YT-Kommentator schreibt: „Sounds like an army of robots are farting in my ears“
Ich kann nur betonen – eine gründliche Erforschung des C4 lohnt alle Male.