Mikrofontechnik aus dem hohen Norden
Anfang des 20. Jahrhunderts waren es erfindungsfreudige Dänen, die die Welt um den ersten Lautsprecher und die magnetische Tonaufzeichnung bereicherten. Seit vielen Jahrzehnten sind unsere dänischen Nachbarn auch bekannt für hochkarätiges Audio-Equipment. Bang & Olufsen ist eine innovative High-End-Marke, die in den 60ern und 70ern Bändchenmikrofone wie das BM4 und BM 5 herstellte, die heute sehr gesucht sind. Brüel & Kjær ist dem Tontechniker durch den absolut linearen Klangcharakter ihrer Messmikrofone ein Begriff.
Klein, aber oho – DPA Microphones aus Dänemark
In den letzten Jahren hat sich mit DPA Microphones ein neuer Hersteller in kürzester Zeit ganz nach oben katapultiert, der sogar zu einem der Marktführer bei Live- und Event-Mikrofonierung aufgestiegen ist. Auch im Studio erobert der Mikrofonfuhrpark von DPA Microphones durch seinen präzisen Klang und die hohe Flexibilität die Herzen der Toningenieure. DPA, was sich ursprünglich von Danish Pro Audio ableitet, hat unseren Autoren Raphael Tschernuth eingeladen, das Werk in Asnæs zu besuchen.
Asnæs liegt etwa 90 km nördlich von Kopenhagen. Im Grünen, man könnte fast sagen „tief in der Pampa“. Dort auf dem Land werden alle Mikrofone von DPA in Handarbeit hergestellt. Ich bin gespannt, was mich erwartet, denn bisher hatte ich ehrlich gesagt noch in keinem Studio mit Mikrofonen von DPA zu tun. In Deutschland sind Schoeps und Neumann naturgemäß die Platzhirsche, wenn es um hochwertige Mikrofonierung geht. Da ist es wahrlich nicht einfach, sich hier in der Studiowelt einen Namen zu machen, zumal viele Toningenieure zu Recht auf Altbewährtem vertrauen, weil man eben weiß, wie ein Neumann KM184 oder ein Schoeps mit MK4 Kapsel klingt und wie man damit schnell zu einem guten Ergebnis kommt.
DPA wurde 1992 von zwei ehemaligen Brüel & Kjær Mitarbeitern ins Leben gerufen. Brüel & Kjær hatten zehn Jahre zuvor mit dem legendären 4006 ihr erstes Studiomikrofon auf den Markt gebracht, Anfang der Neunziger wollte man die Produktion der Studiomikrofone allerdings komplett einstellen, um sich nur noch auf Messtechnik zu konzentrieren. DPA hat die Mikrofonmodelle der Studiosparte übernommen, im Laufe der Zeit überarbeitet und verbessert. Interessanterweise werden aber auch heute noch die Kapseln für die DPA Mikrofone der Serie 4006, 4007 und 4041 von Brüel & Kjær geliefert.
Ein richtungsweisender Schritt für die Zukunft von DPA Microphones war die Fusion mit Muphon, einem dänischen Hersteller von Hörgeräten im Jahr 2005. Die Kooperation zwischen beiden Firmen begann bereits 1995 und ein Jahr später kam das erste Omni Lavalier-Mikrofon 4060 auf den Markt.
Ziel war es, den klaren, linearen Klang der DPA Mikrofone auf kleinstem Raum zu realisieren. Das Wissen und die Erfahrung von Brüel & Kjær, was den Mikrofonbau betrifft und das Know-how der Firma Muphon im Bereich Miniaturisierung verhalfen DPA in kürzester Zeit dazu, sich auf dem Markt für Miniaturmikrofone zu etablieren. Heute hat DPA 170 Mitarbeiter und ist in fast allen Ländern der Welt vertreten.
State of the art
In den letzten Jahren hat sich die Produktpalette von DPA enorm verbreitert. Es gesellten sich weitere hochklassige Studiomikrofone dazu und die Miniaturmikrofone wurden für die Abnahme fast jeden erdenklichen Instruments bzw. jeder Stimme optimiert. Wir von AMAZONA.de haben bereits folgende DPA Mikros für euch getestet:
- DPA d:facto-2
- DPA d:dicate-4011a
- DPA d:dicate-4011c, d:dicate-2011c, d:vote-4099d-schlagzeug-mikrofone
- DPA d:dicate-4017b
- DPA Necklace
Eines der Hauptmerkmale der Miniaturmikros von DPA liegt darin, dass sie durch ein reichhaltiges Arsenal aus über 200 Adaptern, Windschützen, Interferenzrohren, Befestigungen und Verdrahtungen an jede Situation angepasst werden können. Egal ob Gitarre, Geige, Klavier, Schlagzeug, Bläser, Verstärker, Harfe oder Guzheng – für jedes Instrument gibt es eine passende Lösung.
Beim Gang durch die Produktionsstätten denkt man des Öfteren, man befände sich im Labor von Q, der für James Bond gerade die neueste Spionage-Gadgets entwickelt. Tatsächlich ist das gar nicht so abwegig, denn auch am Filmset von „James Bond 007: Ein Quantum Trost“ wurde mit DPA Mikros gearbeitet.
Mikrofone für Sprache machen einen großen Teil der DPA Mikrofonfamilie aus. Headsets gibt es für jeden Einsatz und jede Kopfform. Im Filmbereich vertrauen viele Tonleute den kleinen Mikros, die durch ihre Kapselgröße von wenigen Millimetern sogar in Kleidung eingenäht oder im Kopfhaar versteckt werden können. Durch die Miniaturisierung lässt sich heute beim Film mehr Original-Ton verwenden als früher und die Studios sparen sich den Gang ins Synchronstudio.
DPA findet man zum Beispiel am Set von Game of Thrones, Shameless, X-Men und vielen weiteren Produktionen. Ein interessantes Interview mit Tonmeister Simon Hayes, der u.a. mit Danny Boyle und Ridley Scott gearbeitet hat, könnt ihr hier nachlesen. Auch die Oscar-Verleihung, der Eurovision Song Contest und Opernhäuser von Wien bis Los Angeles vertrauen heute auf Mikrofone von DPA. Das sind ja mal keine schlechten Referenzen …
Die DNA von DPA
Als Basis für all diese verschiedenen Mikros in all ihren Variationen dienen zwei Kapselgrößen, die DPA in verschiedenen Richtcharakteristiken anfertigt. Die 5 mm Variante für die Miniaturmikrofone (siehe oben) und die 19 mm Variante für die Kleinmembranmikrofone.
Der Prozess der Kapselherstellung ist sehr eindrucksvoll. Durch die geringen Abmessungen sind außerordentlich sorgfältige und präzise Arbeiten unter dem Mikroskop nötig.
In dieser Abteilung arbeiten ausschließlich Frauen, die die nötige Geduld und Feinfühligkeit mitbringen, diese Arbeiten zu erledigen. Die groben Wikinger-Hände der Männer sind dafür wohl zu schroff.
Mylar, eine hauchdünne Plastikfolie, die sich wie dünne Frischhaltefolie anfühlt, wird gleichmäßig auf einen runden Metallrahmen gespannt. Die Spannung muss exakten Werten entsprechen und ist dies der Fall, wird die Folie mit Gold bedampft. Aus einer Matritze entstehen so bis zu 50 winzige goldene Membranen.
Bis zur funktionsfähigen Kapsel durchwandert ein Miniaturmikrofon bei DPA rund 200 (!) Arbeitsschritte. Zwischendurch muss es immer wieder Funktionstests und Kalibrierungen über sich ergehen lassen, um sicherzustellen, dass die engen Toleranzen, die sich DPA selbst auferlegt hat, eingehalten werden. Nur etwa jede zweite Kapsel erfüllt diese Messwerte. Der Rest wird gnadenlos ausgemustert und dem Recycling zugeführt.
Ein interessanter Vergleich: Rechnet man die Abmessungen der Miniaturmikrofonkapseln auf die Größe eines Fußballfeldes hoch, würde sich die Membran durch den Schalldruck eines startenden Flugzeugs nur um ganze 4 mm bewegen. Die tatsächlichen Bewegungen der Membran in den Miniaturmikros sind kaum messbar.
Einzelne Arbeitsschritte benötigen fast einen kompletten Tag, zum Beispiel wenn Material aushärten oder trocknen muss, um es weiterzuverarbeiten. Ganze 30 Tage dauert es in etwa, bis ein Mikrofon samt Zubehör in der Verpackung liegt und verschickt werden kann.
Kabelverbindungen sind teilweise dünner als ein Haar und doch ist das Mikrofon robust genug, um dem harten Alltag auf der Bühne oder am Filmset standzuhalten.
Ich selbst mache Musik für Theaterstücke und weiß aus erster Hand, dass Schauspieler nicht gerade zimperlich mit Mikrofonen umgehen. Ein Mikro muss es aushalten, wenn mal schnell hinter der Bühne das Kostüm gewechselt werden muss, an allen Kabeln gerissen und gezogen wird, während die Kapsel selbst schön im Schweiß badet.
Die Kabelsteckerverbindungen aus Kevlar sind äußerst filigran und doch extrem widerstandsfähig.
Auf der YouTube-Seite von DPA Microphones finden sich einige Videos, in denen diese Widerstandsfähigkeit der Mikros veranschaulicht wird.
Es wirkt wie ein Kampf zwischen David und Goliath – das Miniaturmikrofon gegen Bohrmaschine, Auto, Hammer und Säge.