Röhriger Transistorverstärker
Der Klang und das Spielgefühl von Röhrenverstärkern sind nicht nur durch die Vorstufe, sondern auch im entscheidenden Maße von der Endstufe abhängig. Röhrenverstärker gibt es in vielen Variationen. Ein Endstufenpärchen von EL84 beispielsweise kann eine Leistung von 15-18 Watt erreichen. Dies ist auch von der Justage der negativen Vorspannung (Bias) abhängig. Ein Paar 6V6 im Gegentaktbetrieb leisten generell um die 12 Watt. Höhere Endstufenleistungen um die 40-50 Watt werden durch ein Paar 6L6 oder auch EL34 möglich. Da im Verstärker (mit gelegentlichen Ausnahmen) normalerweise nur eine Endstufenvariante bereitsteht, ist man natürlich klanglich auf den jeweilig verbauten Typ festgelegt. Hier setzt der BOSS Nextone an, da man hier die Möglichkeit hat, die analoge Class-AB-Endstufe unter vier klassischen Designs auszuwählen. Amerikanische Sounds werden mit 6V6- und 6L6-Endstufenröhren erzeugt, während britische Sounds mit EL84 und EL34-Röhren dargestellt werden.
Im Gegensatz zu Verstärkern mit dem sogenannten Modeling-Prinzip ändert die Auswahl eines Endstufentyps auf dem Nextone die gesamte Endstufenschaltung sowie die Art und Weise, wie der Preamp und der Lautsprecher damit interagieren. Durch die verwendete BOSS Tube Logic Technologie soll der Verstärker laut Hersteller somit authentisch „röhrig“ klingen. Dieses Versprechen können die Mehrzahl aller Gitarrenverstärker auf Transistorbasis meist nicht zufriedenstellend umsetzten. Wir dürfen also gespannt sein, wie nahe dieser Verstärker an den tatsächlichen Röhrensound herankommt.
Der Nextone Artist hat auch noch einen kleineren Bruder. Dieser hört auf den Namen Nextone Stage, besitz im Wesentlichen die gleichen Features, ist günstiger und besitzt eine Endstufenleistung von 40 Watt.
BOSS Nextone Artist – Facts & Features
Der BOSS Nextone Artist ist mit seinen Abmessungen von (B x T x H): 572 x 248 x 475 mm gerade noch als kompakt einzustufen. Auch sein Gewicht von 16,2 kg ermöglicht einen angenehmen Transport. Der Verstärker bietet zwei Kanäle und eine Endstufenleistung von maximal 80 Watt. Diese kann bei Bedarf gedrosselt werden. Im Combo verbaut ist ein 1x 12″ Lautsprecher. Der BOSS Nextone Artist arbeitet voll analog, verwendet also zur Klangerzeugung kein Modeling.
Der Amp besitzt zur Drosselung der Endstufenleistung einen 4-Wege-Drehschalter auf der Oberseite für die Ausgangsleistung von 0 Watt (stumm) über 0,5 Watt, Half (40 Watt) und Max (80 Watt). Dieses Feature ist mittlerweile bei vielen Verstärkern anzutreffen und gehört heute quasi fast schon zum Standard.
Der Verstärker verfügt über zwei Kanäle (clean und verzerrt) mit Boost- und Tone-Schaltern. Der 12“ Lautsprecher wurde speziell für die Nextone Amps entwickelt und ist besonders leicht. Die kostenlose Software Nextone Editor (für Mac & Windows) erlaubt das umfangreiche Editieren und Speichern der erstellten Klänge.
Der BOSS Nextone Artist kann vier Sounds speichern (2 Sets von klar und verzerrt), wobei das Abrufen aller Sounds und Funktionen vollständig nur über den GA-FC Footcontroller zu erledigen ist.
BOSS Nextone Artist – die Regler
Die Potis drehen sich mit dem gewünschten leichten Widerstand und wurden mit weißen Plastikknöpfen im Vintage-Stil bestückt. Die Anordnung der Bedienungselemente ist logisch und sinnvoll aufgebaut. Beide Kanäle teilen sich eine gemeinsame Dreibandklangregelung. Für die Beeinflussung der Präsenzen steht in der Mastersektion auch ein Presence-Regler bereit. Dort befindet sich auch der Mastervolume-Regler, der die Ausgangslautstärke bestimmt.
Vier analoge Class-AB Endstufenschaltungen sind über das Frontpanel wählbar: 6V6, 6L6, EL84 und EL34. Diese klingen und verhalten sich auch dynamikmäßig leicht unterschiedlich, so wie man dies in der Praxis auch feststellbar ist. Wie sich die Wahl der Endstufe klanglich auswirkt, können wir später in den Hörbeispielen feststellen.
Die Leistung der Endstufe ist mittels eines vierstufigen Drehschalters auf die halbe Leistung und sogar bis auf 0,5 Watt drosselbar, somit steht auch dem Wohnzimmerbetrieb nichts im Wege. Das kennen wir schon so von anderen Amps von BOSS. Der Drehschalter versetzt den Verstärker bei Bedarf auch in Stand-by. Dies Funktion ist normalerweise nur Röhrenverstärkern vorbehalten, da hiermit die Anodenspannung unterbrochen wird und somit die Röhren geschont werden. Die Stand-by-Stellung ist hier sinnvoll, wenn man lautlos über den REC OUT oder mittels USB aufnehmen möchte.
Links außen am von oben zugängigen Panel befindet sich wie gewohnt die 6,3 mm Klinkenbuchse. Darüber befinden sich zwei kleine Schalter (Boost und Tone). Sollte also einmal etwas mehr Crunch und „Sparkle“ erforderlich sein, können diese aktiviert werden.
Effekte
Der BOSS Nextone Artist wurde auch mit Effekten ausgestattet, einem digitalen Hall, einem Delay mit Tap-Funktion, Tremolo und Kompressor. Mithilfe der Software lassen sich die entsprechenden Parameter leicht editieren, nach Belieben verändern und speichern.
BOSS Nextone Artist – Rückpanel
Die Rückwand ist halb offen. Zur Ausstattung dort gehört Einschleifweg (SEND und RETURN), ein LINE OUT, welches das Signal nach der Vorstufe abgreift. Dieses Signal ist nicht frequenzkorrigiert. Möchte man mit dem Verstärker aufnehmen, kann dies auch über REC OUT Buchse erfolgen, da hier ein Speakersimulator am Werk ist. Soll die Aufnahme lautlos erfolgen, kann man zu diesem Zweck die Endstufe mittels des vierstufigen Drehschalters auf Stand-by schalten. Auch ein Kopfhörer z. B. für Übungszwecke lässt sich in die REC OUT Buchse einklinken. Eine USB-Schnittstelle gestattet die Kommunikation mit dem Computer. Über die Software kann der Verstärker mit all seinen Parametern nach Belieben justiert werden.
Natürlich kann man auch weitere externe Lautsprecherboxen anzuschließen. An der Unterseite des Chassis existiert die entsprechende Anschlussmöglichkeit in Form einer 6,3-mm-Klinkenbuchse.
Die Funktionen BOOST, DELAY an/aus und die Kanalumschaltung lassen sich mit den üblichen BOSS-kompatiblen Fußschaltern fernsteuern. Um alle Funktionen, also auch das Tappen des Delay-Tempos und das Anwählen aller vier Kanäle (inklusive beider Custom-Einstellungen) vollständig nutzen zu können, ist die Anschaffung des BOSS GA-FC Footcontroller erforderlich, dieser kostet knapp 100,- Euro.
Software
Möchte man seine eigenen Sounds „customisen“, empfiehlt sich der Einsatz der kostenlosen korrespondierenden Software. Mithilfe der USB-Schnittstelle ist dies problemlos anzustellen.
Hiermit lässt sich eine Vielzahl von Parametern bis ins Detail kontrollieren. Dazu gehören auch der schaltbare Mitten-Moost, der schaltbare Gainboost, aber auch EQ- und Effekteinsteinstellungen wie Tremolo, Delay, Hall und Kompressor.
BOSS Nextone Artist – Sound
Interessant ist vor allem, ob der Nextone klanglich an die Qualitäten eines guten Röhrenverstärkers heranreicht. Hören wir uns den Amp einmal in seinen Möglichkeiten an.
Wir hören zunächst den klaren Sound und zwar mit seinen vier Endstufenvarianten. Diese sind laut Hersteller physisch tatsächlich an Bord und wirken sich klanglich recht unterschiedlich aus, wie dies auch im richtigen Leben der Fall ist. Die EL34 und 6LG Variante hat wie im Original etwas mehr Headroom. Bei den leistungsschwächeren Röhrentypen EL84 und 6V6 kann man tatsächlich etwas mehr Kompression im Ton feststellen. Der dreibandige EQ und der Präsenzregler stehen auf 12 h, die Leistung steht auf Maximum. Wir hören zunächst einen klaren Klang mit einem „Pärchen EL84“ in der Endstufe.
Nun schalten wir auf die Position EL34:
Nun hören wir die beiden amerikanischen Varianten, zunächst 6L6:
Gefolgt von einem Pärchen 6V6 Röhren, wie sie z. B. gerne in kleineren Röhrenverstärkern wie dem Fender Princeton zum Einsatz kommen:
Jetzt hören wir die Verzerrung des Amps, zunächst moderat mit dem Gain-Regler auf 12 h, das Endstufenmodell ist hier EL84:
Und schließlich mit maximalem Gain und der EL34 Endstufenvariante:
Die erzeugte Verzerrung reicht locker für rockige Ansprüche aus, geht aber nicht ganz in den Metal-Bereich. Wer den Verstärker einmal etwas länger in Aktion hören möchte, darf hier gerne mal reinschauen, denn der Gitarrist Tom Quayle (sofern man ihn noch nicht kennt), ist eine Offenbarung und für mich eine Ausnahmeerscheinung, da er unter anderem auch das sogenannte Hybridpicking in höchster Perfektion beherrscht.
https://www.youtube.com/watch?v=i_9YLSwtnEc
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Stratocaster SSH – BOSS Nextone Artist – Shure SM57 – Apogee Duett – Mac mit Logic.
Hallo Johannes, ich glaube im ersten Absatz hat sich im Satz „Ein Paar 6V6 im Gegentaktbetrieb leisten generell um die 12 Watt.“ ein Fehler eingeschlichen. Müsste EL84 statt 6V6 sein, oder?
Auf alle Fälle, danke für den Test.
@zuchero Hallo zuchero,
meine Angaben sind korrekt. Wenn Du einmal die Produktseiten diverser Röhrenverstärker googelst, wirst Du dies bestätigen können. Die meisten Gitarrenröhrenverstärker mit zwei EL84 in der Endstufe sind mit 15 bzw. 18 Watt Leistung angegeben. Ein Fender Princeton oder vergleichbare Amps mit 6V6 erzeugen tatsächlich um die 12 Watt.
Toller Bericht… vielen Dank dafür….