Effekte, Effekte …
Natürlich lassen sich die Aufnahmen auch mit Effekten bearbeiten. Dazu verfügt der Boss RC-202 über vier Input-Effekte und vier Track-Effekte. Die Input-FX wirken sich nur auf das einkommende Signal aus und werden mit aufgezeichnet. Es können maximal vier Effekte gleichzeitig benutzt werden. Track FX wiederum wirken sich nur auf die Klänge aus, die von einer Spur des Boss RC-202 abgespielt werden. Über jeweils vier Tasten werden die Track-FX und die Input-FX aktiviert. Auf den Tasten sind die zugehörigen Effekte aufgedruckt.
Drückt man den jeweiligen Knopf, wird der entsprechende Effekt aktiviert. Dabei muss es aber nicht bleiben, denn die vier Taster repräsentieren eigentlich Effekt-Slots, die frei mit Effekten belegt werden können. Nur vier der 36 Effekte, die zur Auswahl stehen, sind rein den Track-FX vorbehalten. Unter den Effekten tummelt sich angefangen bei Modulationseffekten wie Chorus und Flanger, über Dynamikeffekte wie Kompressor und Limiter bis hin zu eher eigentümlichen Effekten wie Ring Modulator und Slicer so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Die Effekte lassen sich zwar editieren, doch wirklich Spaß bereitet das nicht. Hier offenbart sich nämlich ein großer Schwachpunkt in der Bedienung des RC-202, nämlich das Display.
Das Display ist doch tatsächlich in der Lage, ganze drei(!) Zeichen darzustellen. Das erinnert mich unweigerlich an die ersten digitalen Synthesizer, die vor mehr als 30 Jahren aufkamen. So etwas muss heutzutage doch nicht mehr sein. Vor allem Anfänger und Benutzerhandbuch-Allergiker werden beim tieferen Editieren des RC-202 wohl schnell frustriert sein. Ohne den Parameter-Guide, den man sich als PDF herunterladen kann, kommt man beim Editieren nicht sehr weit.
Auch Dinge, wie das Aktivieren der 48V Phantomspeisung sind ohne Handbuch fast unmöglich. Immerhin wird ein Handbuch in gedruckter Form mitgeliefert, was heutzutage leider die Ausnahme ist. Dafür hat Boss ein Lob verdient, doch wenn ich wählen könnte, dann würde ich statt einem Handbuch lieber ein größeres Display nehmen.
Repräsentativ für die Effektsektion habe ich drei Effekte auf einer Gitarrenspur als Audiobeispiele aufgenommen. Das erste Beispiel ist die Gitarre unbearbeitet, in den folgenden Beispielen liegt nacheinander das Granular-Delay, der Lo-Fi-Effekt (Bitcrusher) und ein Low-Pass-Filter auf der Gitarre. Mit dem Effektregler wurden die Effekte bei der Aufnahme variiert.
Der Boss RC-202 besitzt auch eine Rhythmus-Spur, die nach Aktivierung standardmäßig eine Viertel-HiHat-Begleitung abspielt. Es können aber auch komplette Schlagzeug-Begleitungen ausgewählt werden. Das zugrunde liegende Tempo kann entweder per Tap Tempo oder über den Werte-Regler rechts oben eingestellt werden.
MIDI macht den Unterschied
Warum brauche ich eigentlich eine MIDI-Schnittstelle, könnte man sich an dieser Stelle fragen. Doch die Antwort gebe ich prompt: Um andere Geräte mit dem Boss RC-202 zu synchronisieren!
Ich selbst besitze einen Novation Circuit, eine kleine Groovebox mit zwei integrierten Synthesizern und vier Schlagzeug-Spuren inklusive Sequencer und Effekten. Damit Songideen zu entwerfen, macht wirklich Spaß, zumal ich das Gerät dank optionalem Batteriebetrieb überall nutzen kann.
Nun habe ich es mir nicht nehmen lassen und den MIDI-Ausgang des RC-202 mit dem MIDI-Eingang des Circuit verbunden. Und siehe da, der Circuit läuft nun Tempo-synchron zum Boss RC-202 und startet und stoppt gleichzeitig. Der Verbund aus Loop-Station und Groovebox ist ein geniales Live-Setup. Vom Circuit kommen die Beats und die Synthesizer-Klänge und vom RC-202 kommt der Gesang und die Gitarren, alles synchron und editierbar.
So lassen sich live wirklich komplexe Arrangements mit hoher musikalischer Bandbreite bewerkstelligen. Doch dort muss es ja nicht enden. Man könnte auch weitere Klangerzeuger einbinden, Analog-Synthesizer, Drum-Machines, was auch immer. Der Boss RC-202 kann dabei sowohl als Sync-Master oder als Slave agieren. Die Sync-Quelle kann wahlweise der MIDI-Eingang oder der USB-Port sein. Die MIDI-Synchronisation im Verbund mit dem Mikrofoneingang ist momentan das Alleinstellungsmerkmal unter den Loop-Stations und birgt großes musikalisches Potenzial.
Im Folgenden hört Ihr ein Audiobeispiel, das ich mit dem Boss RC-202 und dem Novation Circuit im Verbund aufgenommen habe. Der Circuit ging direkt in den Aux-In des RC-202. Aufgenommen wurde in Real-Mono über den Mono-Ausgang des RC-202 ohne weitere Bearbeitung in der DAW mit Ausnahme von leichtem Limiting und dem Fade-Out am Ende.
Klang
Der Klang des Boss RC-202 geht grundsätzlich in Ordnung. Der verbaute Preamp ist nicht unbedingt der Stärkste und neigt zu rauschen bei erhöhtem Gain-Wert. Es empfiehlt sich somit, eher pegelstarke Mikrofone und Instrumente zu nutzen. Der Instrumenteneingang klingt mir persönlich etwas zu dumpf, obwohl die Eingangsimpedanz eigentlich hoch genug gewählt wurde. Hier empfiehlt sich eventuell ein separater Preamp oder ein aktiver Tonabnehmer. Die Effekte sind vor allem zahlreich, die Qualität ist eher gute Hausmannskost als High-End. Da gibt es von Boss durchaus hochwertigere Effekte als Einzel-Pedal. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der RC-202 in Maximalauslastung ganze acht Effekte gleichzeitig berechnen muss. Da bleibt für jeden einzelnen Effekt nicht so viel Rechenpower übrig.
Mich interessiert, ob Boss der Algorithmus zur Berechnung von time stretching gegenüber der RC-505 verbessert hat. Dort brechen die Spuren nämlich schon ab ca. 5bpm komplett auseinander.