Eine Strat für alle Fälle
Heute erwartet uns im Test eine Powerstrat, wie sie typischer nicht sein könnte. Ausgestattet mit drei Pickups, einem Vibratosystem und einem flachen Ahornhals für moderne Spieltechniken scheint die Chapman Guitars ML-1 CAP10 America wie geschaffen für alle Arten des Rock ’n‘ Roll und ist zudem auch preislich eine echte Versuchung wert. Dabei ist sie sogar limitiert in ihrer Auflage – ein Grund, um zuzuschlagen? Machen wir den Test!
Facts & Features
Schon vor dem Auspacken kommt Freude auf, denn die ML-1 CAP10 America wird doch tatsächlich in einem Koffer ausgeliefert! Das ist bemerkenswert für ein Instrument, das im Handel nur für rund 900,- Euro angeboten wird und von daher schon mal einen dicken Pluspunkt zum Einstieg wert.
Die Form des aus zwei Teilen Mahagoni gefertigten Korpus entspricht weitestgehend der einer Fender Strat, insgesamt wirkt der Body aber etwas schlanker als der von Fenders „Evergreen“. Auch die Shapings auf der Decke und der Rückseite sind sehr ähnlich, zusätzlich besitzt die ML-1 CAP10 America aber noch einen sehr ergonomisch gestalteten Hals-Korpus-Übergang, was zusammen mit dem großzügig gefrästen Cutaway eine gute Erreichbarkeit der oberen Lagen des Griffbretts ermöglicht.
Die 3-Ton-Burst-Lackierung wurde sehr sauber aufgetragen und entspricht dem hohen Standard, den auch koreanische Instrumente mittlerweile besitzen. Auch unsere Chapman Guitars ML-1 CAP10 America stammt von der koreanischen Halbinsel, was ja in der Szene kein Geheimnis ist.
Der Hals der Chapman Guitars ML-1 CAP10 America – Loop to Infinity
Aus einem einteiligen Stück Ahorn wurde der Hals gefertigt und mit einer Vierpunkt-Verschraubung fest im Korpus verankert. Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt, als sei das Griffbrett ebenfalls mit aus dem vollen Material gefräst, entpuppt es sich bei näherem Betrachten doch als separat aufgeleimt. Diese Arbeit ist sehr gut gelungen, genauso gut wie auch die Verarbeitung der Bünde auf der vollen Länge des Halses. Der Radius des Griffbretts beträgt flache 13,8″, beste Voraussetzungen also für moderne Spieltechniken. Dem passt sich auch das flache C-Profil der Halsrückseite an, die zudem durch ihre nur satinierte Oberfläche der linken Hand ein angenehm griffiges Spielgefühl vermittelt. Auf Positionspunkte („Dots“) wurde beim Griffbrett gänzlich verzichtet, lediglich in der Oktavlage befindet sich ein Infinity-Symbol, auf das man auch hätte verzichten können.
Die Kopfplatte – Reversed Headstock an der ML-1 CAP10 America
Spätestens beim Betrachten der Kopfplatte wird klar, dass sich die Chapman Guitars ML-1 CAP10 America wohl eher beim Headbangen als auf einer Hochzeitsveranstaltung zu Hause fühlt. Originell ist der Look des Reversed Headstock allemal, auch wenn die geänderte bzw. spiegelbildliche Saitenführung auf Kosten der Stimmstabilität geht, wie wir später im Praxisteil noch leidvoll erfahren werden. Die sechs verchromten Mechaniken sind ein No-Name-Produkt, entsprechend störrisch zeigen sie sich in der Bedienung.
Ob es nun an ihnen liegt, dass die ML-1 CAP10 America selbst nach sanfter Benutzung des Vibratos faktisch neu gestimmt werden muss, lässt sich nicht einwandfrei beurteilen. Einen Teil tragen sie sicher zum Stimmproblem bei, der Rest dürfte von den Sattelkerben und den zwei „String Trees“ stammen. Die sind aufgrund der Saitenführung allerdings unverzichtbar, sonst würden vermutlich bei jedem härter gepickten Riff die Basssaiten ihre angestammten Positionen in der Sattelkerbe verlassen.
Hardware und Elektronik der Chapman Guitars ML-1 CAP10 America
Zwei Markenhersteller treffen wir bei der Hardware an. Da wären zum einen die drei Pickups, die Seymour Duncan für die Chapman beisteuert und die in einem weißen Perlmutt-Pickguard ihren Platz gefunden haben. In der Halsposition sitzt ein ‚59 er Humbucker, am Steg wartet ein Custom Humbucker und dazwischen steht ein Vintage Hot Stack für weitere Klangexperimente bereit. Volles Programm also bei den Tonabnehmern, die mit einem Fünfwegeschalter in Stratmanier angewählt werden. Der Schalter wirkt nicht sehr überzeugend, dagegen sitzen die Potis fest auf ihren Achsen und sind butterweich zu bedienen.
Die originale Fender Stratocaster hat ja nun wahrlich nicht viele Schwächen, aber einige ganz bekannte. Darunter fällt u.a. die Position des Volumepotis, das seit Beginn der „Fenderschen Zeitrechnung“ stets viel zu nahe am Steg positioniert ist und daher oft von der rechten Hand während des Spielens mehr oder minder zugeregelt wird. Es dauert zuweilen eine Zeit, bis man sich als neuer Spieler einer Strat daran gewöhnt hat. Leider hat Rob Chapman diesen Umstand auch bei der ML-1 CAP10 America übernommen, viel Platz gibt es hier nicht zwischen Volumepoti und den beiden Komponenten Pickup/Steg. Hinzu kommen die hohen Metallpotis, die der rechten Hand manchmal im Wege stehen könnten.
Wilkinson heißt der andere Markenhersteller, der sich für das Vibratosystem auf der Decke der Chapman Guitars ML-1 CAP10 America verantwortlich zeigt. Es handelt sich um ein einfaches Vintage-Vibrato mit Stahlblock, das mit sechs Schrauben in der Decke verankert wurde. Optisch auffällig sind die Saitenreiter, denn die bestehen aus Messing, so etwas sieht man in dieser Preisklasse nicht sehr oft. Doch der ordentliche Eindruck trügt, denn das Vibratosystem ist insgesamt betrachtet nahezu unbrauchbar, quittiert es doch bereits kleinste Bewegungen mit dem Hebel durch deutlich hörbare Verstimmungen.
Eigentlich kaum zu glauben, dass der Hersteller das Instrument mit einem derartigen System ausliefert. Da hätte man der Gitarre besser ein System mit Top Lock Sattel oder gleich eine feste Brücke spendieren sollen. Als Lösung bietet sich somit nur das Stilllegen des Vibratoblocks mit den gängigen Methoden an oder man beißt in den sauren Apfel und ersetzt die sechs No-Name-Mechaniken an der Kopfplatte durch Modelle mit Arretierung und kümmert sich um ein einwandfreies Gleiten der Saiten durch die Sattelkerben. Dann könnte das hinhauen.
Das ist wirklich schade, denn bis hier hinterlässt die Chapman Guitars ML-1 CAP10 America einen bärenstarken Eindruck. Mal hören und fühlen, wie sich die Powerstrat so in der Praxis schlägt.
Sound & Praxis mit der Chapman Guitars ML-1 CAP10 America
Die Bespielbarkeit, der Klang und das Handling mit der Gitarre machen das Malheur mit dem Vibrato schnell vergessen. Die Chapman Guitars ML-1 CAP10 America klingt bereits trocken angespielt sehr laut, druckvoll und reich an Obertönen. Mit dem Mahagonibody und dem eingeschraubten Ahornhals scheint sich hier ein perfektes Paar für eine gesunde klangliche Basis gefunden zu haben!
Die Bespielbarkeit des Ahornhalses ist sehr angenehm, sein flaches Profil und die satinierte Rückseite erlauben ein müheloses Gleiten der Greifhand bis hinauf zum letzten Bund: Hier dürfte sich selbst der verwöhnteste Metalgitarrist auf Anhieb wohlfühlen. Grund zur Klage gibt lediglich das Werkssetting, für moderne Spieltechniken wie Legato, Tapping oder Sweeping war die Saitenlage unseres Testinstruments eher ungeeignet. Doch alles Nötige zur Korrektur und zum Einstellen der Gitarre insgesamt befindet sich im Koffer, wo es auch hingehört.
Auf die Basis dieses soliden Grundsounds setzen die drei Seymour Duncans auf und transportieren ein sehr vielseitiges Klangbild an den Verstärker, das von Cleansounds irgendwo zwischen den eher „Hi-Fi-artigen“ Ibanez RG-Sounds und den glockigen Tönen eines Strat-Singlecoils, über differenzierte und dynamisch spielbare Crunchsounds bis hin zum High-Gain-Massaker reicht.
Die Tonabnehmer besitzen zudem einen enorm hohen Ausgangspegel, der manch müden und zerrunwilligen Amp aus der Lethargie reißen dürfte. Das trifft insbesondere auf den SD Custom in Stegposition zu, der nach Zuschalten dem Signal eine mehr als deutliche Lautstärkezunahme verpasst. Das muss nicht immer nützlich sein. Weiterhin halten sich die Pickups, abgesehen vom Vintage Hot Stack Singlecoil im Einzelbetrieb, erfreulich bedeckt mit Nebengeräuschen und auch das Höhenbild und die Dynamik des Signals brechen nicht gleich zusammen, wenn das Volumepoti zurückgeregelt wird. Das alles zusammen macht die Chapman Guitars ML-1 CAP10 America extrem flexibel im Klang und somit nutzbar in vielen Stilistiken, auch wenn tief in ihr drin doch ein Herz aus Metall schlägt.
mir stösst auf, das das vibratosystem nicht zu gebrauchen ist und du die Gitarre trotzdem so gut bewertest. ich meine, wer sich eine Gitarre damit holt, will das ja auch benutzen. (schwingt ja eh mit) normalerweise fängt man nach dem kauf doch nicht an, teile auszutauschen, sondern will dann, in dem fall vibratomässig, spielen. wenn man das dann nicht kann, taugt die ganze Gitarre,wie gut sie auch sonst sein mag, in meinen augen, nichts. verstimmte Gitarre bringts halt nicht.`das wollt ich nur mal los werden.
schönen gruss
Micky