Jungspund gegen Klassiker
Heute treten im Test zwei Bändchenmikrofone gegeneinander an. Eines davon ist ein Klassiker und eines davon ganz frisch auf dem Markt. Beim Klassiker handelt es sich um das britische Coles 4038, beim Neuling um das Nohype Audio LRM-V, das in Belgien zusammengebaut wird. Wie ihr den Bildern entnehmen könnt, haben wir es mit dem LRM-V nicht mit einem Klon des Coles zu tun. Der Hersteller Nohype Audio hat uns auch extra noch mal darauf hingewiesen, dass man es nicht darauf angelegt hat, ein bestimmtes Mikrofonmodell zu kopieren. Vielmehr ging es wohl darum, den klassischen Vintage-Klang amerikanischer Modelle von RCA als Vorbild zu nehmen und in dieser Tradition ein neues, preiswertes Bändchenmikrofon zu schaffen.
Die lange Geschichte des Coles 4038
Das Coles 4038 wurde Mitte der 50er Jahre von der BBC entwickelt und von der Firma STC (“Standard Telephones and Cables”) hergestellt. Die BBC wollte ein kleineres, handlicheres Modell als das bis dahin geläufige, schwere und teuer herzustellende Mikrofon “Type A”. Ein interessantes PDF, das die Entwicklung erläutert, findet ihr hier. STC ließ das 4038A seit Mitte der 70er Jahre von der Firma Coles fertigen und dank der unaufhörlichen Nachfragen nach diesem Mikrofon gibt es die Firma Coles noch heute. In den letzten Jahren haben sich auch einige Neuentwicklungen zur Produktpalette gesellt, wie zum Beispiel das Modell 4040, das 4050 und das erschwinglichere 4030L. Das Coles 4038 wird seit all den Jahren fast unverändert so gebaut wie früher.
Die kurze Geschichte des Nohype Audio LRM-V
Nohype Audio ist die relativ junge Firma des Belgiers Jean Pol Gerard und spezialisiert sich hauptsächlich auf den europaweiten Vertrieb ausgesuchter, edler Audio-Marken wie Line Audio, MBHO, Triton Audio, Soundelux uvm. Jean Pol Gerard hat allerdings schon in der Vergangenheit Kondensatormikrofone für ADK entwickelt und bietet seit einigen Jahren auch Bändchenmikrofone aus eigener Herstellung an.
Dabei entwickelt er die Mikrofone in Eigenregie, verlagert einen Teil der Herstellung nach Fernost, um dann in seiner Werkstatt jedes einzelne Mikrofon zusammenzubauen und zu testen. Diese Qualitätskontrolle ist genau das, was vielen günstigen China-Bändchen fehlt, die zu Abertausenden ungeprüft auf den Markt schwemmen. Viele von ihnen leiden zum Beispiel an dem berühmten “Ribbon sag”, einem durchhängenden Bändchen, das dann zu einem völlig veränderten Frequenzverlauf bzw. Dynamikverhalten führen kann.
Das LRM-V ist das Nachfolgemodell des LRM-1, das sich in den letzten Jahren eine große Fangemeinde aufbauen konnte. Mit dem LRM-2, einem neutraler klingenden Mikrofon mit ausgeglichenerem Frequenzverlauf, wagte man bereits den Schritt zu einem neuen, unkonventionellen Design eines Bändchenmikrofons (auch dieses Mikrofon wurde überarbeitet und mit dem LRM-2b liegt nun ein Nachfolger vor).
Das Coles 4038 im Detail
Ganz klar, das äußere Erscheinungsbild des Coles 4038 kann man lieben oder hassen. Ich finde das Design wunderschön, während es zum Beispiel meine Frau für außerordentlich hässlich hält. Von vielen wird das Coles 4038 liebevoll als Waffeleisen bezeichnet und eine gewisse Ähnlichkeit zu diesem Küchenutensil lässt sich nicht abstreiten. Geliefert wird das Coles in einem kleinen Plastik-Köfferchen samt Stoffbeutel, XLR-Adapter und Bedienungsanleitung.
Die Bedienungsanleitung ist übrigens das, was man im Englischen “ugly” nennt und verdient eine besondere Erwähnung, denn sie sieht in der Realität noch mal bedeutend gruseliger aus. Den XLR-Adapter benötigt man, da das Coles 4038 noch immer den eigenwilligen Anschluss 4069 besitzt, der das Leben des Toningenieurs im neuen Jahrtausend erheblich erschweren kann, da es einfach kein Equipment mit diesem Anschlusstyp mehr gibt. Klar, Tradition wird in Großbritannien groß geschrieben, aber ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn endlich ein XLR-Stecker am Mikrofon verbaut würde.
Um das Coles 4038 auf einem Mikrofonstativ zu befestigen, kommt man nicht umhin, einen Adapter zu kaufen. Diesen gibt es mit bzw. ohne Trittschallfilter (Coles 4071B bzw. Coles 4072 und kostet 79,- bzw. 139,- Euro. Bei einem Stereopärchen muss man also mit Mehrkosten von satten 158,- Euro bis 278,- Euro rechnen, nur um die Mikrofone ganz gewöhnlich an einem Stativ befestigen zu können. Das ist ein ganz schöner Batzen Geld. Die robuste 4069 Steckverbindung ermöglicht es dann, das Mikrofon in verschiedenen Winkeln zu positionieren, ein kurzes XLR-Kabel ist fest mit dem jeweiligen Adapter verbunden.
Die Verarbeitung des Coles 4038 ist beeindruckend und über jeden Tadel erhaben. Auch haptisch wird schnell klar, dass man es hier mit einem Mikrofon der Spitzenklasse zu tun hat. Rund 1 kg bringt es auf die Waage und ist damit viel schwerer, als man ihm auf den ersten Blick zutraut. Daran ist vor allem der schwere, hufeisenförmige Magnet im Inneren schuld. Ein robuster Mikrofonständer für das Coles 4038 ist daher Pflicht (alternativ dazu lässt es sich auch Aufhängen, mit Hilfe der Löcher oberhalb des Steckers). Die Metallbearbeitung des Gehäuses ist präzise und absolut sauber. Durch ein ausgeklügeltes System lässt sich der Mikrofonkorb um 180 Grad nach hinten drehen, was bei der Positionierung viele Möglichkeiten eröffnet.
Wie fast alle Bändchenmikrofone bietet das Coles 4038 als Richtcharakteristik eine Acht (Figure of Eight). Das heißt, dass das Mikrofon von vorne und hinten besprochen werden kann. Auf Schall der seitlich eintrifft, reagiert das Mikrofon kaum und damit lassen sich bei gewissenhafter Positionierung wunderbar einzelne Quellen ausschließen, wenn man mit mehreren Instrumenten aufnimmt.
Laut Frequenzverlauf des Coles 4038 ist die Abbildung selbst im höheren Bereich recht linear, was für ein Bändchenmikrofon recht erstaunlich ist. Dieser erweiterte Frequenzverlauf des Coles 4038 war vor allem für die Ära, als das Mikrofon auf den Markt kam, eine Sensation. Erst nach 10 kHz beginnt die Kurve abzufallen. Die Impedanz beträgt 300 Ohm, den maximalen Schallpegel gibt Coles mit 125 dB SPL an. Das Bändchen selbst ist mit nur 0,6 Mikrometer extrem dünn, nur 2,54 cm lang (also eher kurz) und 5,8 mm breit. Zum Vergleich: andere Hersteller benutzen bei der Stärke der Aluminiumfolie gern eine Dicke zwischen 1,8 und 2,5 Mikron! Daher ist beim Umgang mit dem Coles besondere Vorsicht geboten – kein Wind, kein Pusten und bitte keine +48 Volt Phantomspannung, denn die mögen Bändchenmikrofone überhaupt nicht.
Das Nohype Audio LRM-V im Detail
Geliefert wird das Nohype Audio LRM-V in einem weißen Karton, in dem das Mikrofon in einer gefütterten Kunststofftasche aufbewahrt wird, die wiederum in Schaumstoff gebettet ist. Also alles sicher für den Transport.
Das Gehäusedesign entspricht in weiten Teilen dem Vorgänger LRM-1 und dem, was auch andere Hersteller wie Golden Age Project oder Cascade anbieten. Ein wichtiges Detail fällt aber sofort ins Auge: Der Übergang vom Bügel zum Schraubgewinde ist nicht verschweißt, sondern stattdessen wurde eine Schockhalterung entwickelt, die das Mikrofon weich lagert und vom Ständer entkoppelt. Ein ausgeklügeltes System, das mir so noch nicht untergekommen ist und das Mikrofon mit einer Gummischicht vor ungewollten tieffrequenten Störgeräuschen bewahrt. Das Funktionsprinzip ist dabei ähnlich dem des Coles 4072, nur hat man hier keinen Aufpreis von fast 140,- Euro zu zahlen, sondern erhält den Filter kostenlos mit dazu! Während meiner gesamten Testperiode hat das einwandfrei funktioniert, selbst bei horizontaler Aufstellung hält die Vorrichtung das Gewicht des Mikrofons absolut sicher. Das Gewicht liegt übrigens mit knapp 900 Gramm etwas unter dem des Coles 4038.
Beim Nohype Audio LRM-V haben wir es (wie beim Coles 4038) mit einer reinen Acht zu tun, das heißt, die Vorder- und Rückseite klingen identisch. Der maximale Schallpegel wird mit 132 dB SPL (1 % THD) angegeben. Zum Bändchen selbst macht der Hersteller keine Angaben. Auf meine Nachfrage wurde ich darauf hingewiesen, dass es in der Vergangenheit bereits dazugekommen sei, dass andere Hersteller von den eigenen Entwicklungen abgekupfert haben. Die Entwicklungsphase des LRM-V hat mehrere Jahre gedauert und für einen kleinen Hersteller ist der Schutz von eigenen Ideen natürlich sehr wichtig. Das ist nachvollziehbar. Begnügen wir uns also damit, dass der Motor und das Bändchen selbst um einiges länger sind als beim Coles 4038.
Die Verarbeitung ist generell nicht ganz so kompromisslos wie beim Coles, aber trotzdem gibt es nichts daran auszusetzen. Die Gewinde sind sauber verarbeitet, auch die Lackierung ist makellos und es gibt keinerlei scharfe Kanten.
Ein kleines Übersetzungsgewinde für den Mikrofonständer gibt es gratis mit dazu. Im Gegensatz zum neutraler klingenden Nohype Audio LRM-2 beschreibt JP Gerard den Klang des Coles LRM-V als “smooth, dark but warm in the low-mids”.
Damit dürfte er natürlich eher in Richtung RCA gehen anstatt dem klanglich frischem Coles 4038. Der Praxistest wird es zeigen.
Toller Vergleich, sehr spannend! Das NoHype klingt zwar etwas wackelig was die Dynamik angeht, aber der Frequenzgang gefällt mir am Amp sogar besser als beim Coles. Das bei dem Preis, unglaublich! Da ist ein Stereopaar eigentlich schon Pflicht.
Ich hätte mir mehr EQ Beispiele gewünscht, bei der EQ-barkeit trennt sich die Spreu vom Weizen. Aber als Orientiereung hilft der Bericht schon super weiter. Im Endeffekt muss man das dann eh selber ausprobieren.
Das Nohype ist auf jeden Fall ein grossartiger Tipp!
Freut mich, wenn dir der Test gefällt. Ich war bisher sehr zufrieden mit der EQ-barkeit des LRM-V.
Bei vielen Quellen gefällt mir der Klang ohne EQ schon sehr gut, bei Stimme je nach Gusto einfach etwas Höhen rein und Bässe raus.
Viel Spass beim selbst ausprobieren ;)
@Raphael Tschernuth Jau, danke, werde ich definitiv tun!
Super Testbericht! Das bestätigt mich einmal mehr in meiner Meinung, dass nicht immer ein großer Markenname auf den Mikrofonen stehen muss. Ich glaube jedenfalls, dass man neuen und günstigen Produkten eine Chance geben sollte, gerade dann, wenn man schon ein gutes Mikrofon besitzt und auf der Suche nach weiteren Klangfarben ist.
@Markus Galla Hi Markus, vielen Dank! Ja, besonders in den letzten Jahren gibt es tatsächlich immer wieder ein paar kleinere Mikrofonschmieden die ganz Tolles leisten und die gleichzeitig preislich enorm attraktiv sind.
Das LRM-V ist auf jeden Fall ein guter Einstieg in die „Bändchen-Welt.“
Was ich wirklich nicht brauche, ist ein Broadcasting-Mkrofon. Normalerweise mache ich einen großen Bogen um alles, was damit zu tun hat aber diesen Vergleichstest habe ich verschlungen. Lob dem Autor.
Vielen Dank Ted! Freut mich, wenn es dich interessiert hat.
Hey, hier ist ein Video mit dem NoHype LRM-V an Sax und Klarinette … ich mag es wirklich sehr
https://www.youtube.com/watch?v=g4pjzfzD-EE
Danke für den Link. Das neue Stereo Bändchenmikro SRM-1 von Nohype ist übrigens auch super! Über den Drumset eine Wonne und es ist so einfach zu installieren :)
Das Coles hat wunderbar beruhigte/tiefenentspannte Mitten/Höhen. Das Nohype ist für den Preis sehr gut, klingt aber dynamisch viel nervöser.