Modular-King im 19" Gewand
Modular-Freunden wird das Herz auzfgehen
Für kurze Zeit ist der Cwejman-Klassiker S1 MKII wieder lieferbar. Hieber Lindberg in München hat ganze 8 Stück von der Neuauflage dieser Rarität ergattern können. Der aktuelle Preis liegt bei 3.770,- Euro inklusive Porto und MwSt. (Meldung vom April 2019)
Für all jene, die gerne mehr über den Cwejman S1 wissen möchten, hier nun unser Test vom September 2007:
Modulart-Analog-Synthesizer Cwejman S1 MKII
Aus dem hohen Norden, abseits von den Ballungszentren der Synthesizerhersteller, erreichen uns seit einigen Jahren immer wieder Nachrichten über wundersame Synthesizer und Module, die mittlerweile auch den Weg in viele Studios und Homerecordingbereiche gefunden haben. Als Mitte der 90er Jahre Dieter Doepfer der Öffentlichkeit erste Module seines A 100-Systems präsentierte, hat wohl nur ein kleiner Kreis von Musikern und Geschäftsleuten ahnen können, dass der analoge Stein mal wieder so richtig ins Rollen kommen würde. Und doch haben sich mittlerweile einige Hersteller auf diesen Sektor konzentriert, sowohl um große Modularsysteme als auch kleine analoge Kompaktgeräte anzubieten.
Zu Lebzeiten eine Legende
Wowa Cwejman bietet neben diversen Modulen auch den S1 Mk II an, ein Gerät, das mit seiner olivgrünen Oberfläche und den Schaltern und Buchsen schon ein recht auffälliges, aber auch übersichtliches und nach meinem Empfinden angenehmes Äußeres bietet. Alternativ gibt es ihn auch mit weisser Frontplatte.
Aber letztendlich soll dieses Gerät keinen Schönheitspreis gewinnen, sondern im Hinblick auf Klangpotential und Bedienung konkurrenzfähig sein. Also schraube ich das gute Stück in ein Rack, stelle die notwendigen Verbindungen her und fange mal an, diesen Synthesizer einer Generaluntersuchung zu unterziehen.
Tage später steht das gute Stück immer noch an seinem Platz und ich bin (hoffentlich) etwas schlauer geworden, zumindest so erfahren, um dem Leser dieses Reviews vernunftgesteuerte Gedanken und Beurteilungen übermitteln zu können.
Cwejman S1 MKII – Semimodular
Da es sich beim S1 um ein semimodulares System handelt, waren die ersten Klänge schon ohne jegliche Verkabelung zu realisieren. Da keine Presets vorhanden sind, ist der Anwender von Beginn an auf seine eigenes Wissen und seine Experimentierfreude angewiesen, um diesem Instrument Hörbares zu entlocken. Das mag für einige Leute ein Nachteil sein, ich mache daraus einen Vorteil. Sie werden durch nichts abgelenkt, Sie müssen diese Maschine verstehen und es gibt keinen Grund, warum Sie das nicht tun sollten….außer wenn Sie in erster Linie der Nur-Keyboarder sind und das Erstellen von Klängen nicht sonderlich aufregend für Sie ist. Für alle anderen gehe ich diese Maschine jetzt von links nach rechts durch, also in der Butter-Und-Brot-Aufstellung VCO, VCF, VCA und weiteren „gewöhnlichen“ Komponenten.
Die Oszillatoren
Neben der Möglichkeit, externes Audiomaterial zur Weiterverarbeitung einzuspeisen, dienen drei Oszillatoren als Klangquellen. Die Oszillatoren sind grundsätzlich identisch aufgebaut und bieten jeweils sieben unterschiedliche Wellenformen an. Ein Oktavwahlschalter und ein Tune-Regler mit einem Umfang von bis zu 6 Halbtönen in beide Richtungen sorgen für die richtige Stimmung. Der erste Oszillator lässt sich auch zum LFO umschalten, die Oszillatoren 2 und 3 sind jeweils zu ihrem Vorgänger in der Reihenfolge hart synchronisierbar.
Frequenzmodulierbar sind alle Oszillatoren über den FM Level-Regler, die Vorverbindung bezieht sich intern auf unterschiedliche Modulationsquellen je Oszillator. Sowohl für die Pulsweitenmodulation, die auch manuell regelbar ist, wie für die Frequenzmodulation können mittels CV Input-Buchsen andere Modulationsquellen herangezogen werden. Die Wellenformen klingen sehr musikalisch, die Modulationen wirken sich in einem breiten Spektrum von subtil bis harsch auf die Frequenzen aus, bieten aber immer einen vollen analogen Klang ohne die gefürchteten Artefakte, wie wir sie (leider) immer noch oft bei der digitalen oder virtuell-analogen Konkurrenz hören.
Die Mixer
Ja, DIE Mixer, denn wir finden gleich drei davon. Der erste Mixer ist schnell abgehandelt, denn es ist ein Mixer für Steuerspannungen mit zwei regelbaren Eingängen und zwei Ausgängen, die die Summe und die invertierte Summe beider eingehenden Signale ausgeben.
Mixer zwei und drei, die Audiomixer, sind nahezu identisch, werden sie doch mit den Signalen der drei Oszillatoren und dem Ringmodulator (grundsätzlich versorgt mit den Sinuswellenformen der Oszillatoren 2 und 3) versorgt. Beim ersten Mixer, dessen Weg in das Low Pass Filter führt, finden wir noch das Ausgangssignal des Multimode Filters, beim zweiten das Ausgangssignal des Rauschgenerators.
Die Filter
Bei dem hier verwendeten Tiefpassfilter handelt es sich um ein 36 dB Filter, das sich in ein 24 dB oder ein Bandpassfilter umschalten lässt.
Selbstoszillation ist möglich und der Regelweg lässt sich klanglich sehr sauber durchfahren. Moduliert werden kann es (auch hier gilt „vorverkabelt“) durch die beiden Hüllkurvengeneratoren, positiv oder negativ, und durch den Oszillator 1 (wir erinnern uns, das ist der, der sich auch zum LFO umschalten lässt) oder den eigentlichen LFO, den ich bisher noch nicht erwähnt hatte. Die Modulationsmöglichkeiten sind bei beiden Filtern identisch.
Das Multimodefilter lässt sich 12, 24 oder 36 dB betreiben, möglich sind die Betriebsarten Tiefpass-, Bandpass- und Hochpassfilter.
Bei beiden Filtern fällt mir im Betrieb sofort der volle, warme und transparente Klang auf, der dieses Gerät in allen Einstellungen begleitet.
Die Eckfrequenz ist sauber mit 1 V/Okt steuerbar, so dass zur Not der berühmte Whistler-Effekt tonal mit einem selbstoszillierenden Filter realisierbar ist. Auch tonal brauchbare Ergebnisse mit Noise als Klangquelle sind hierdurch erreichbar.
Zusätzliche Modulationseingänge können bei beiden Filtern noch die Eckfrequenz, die Eingangslautstärke des zu filternden Signals und die Resonanz beeinflussen.
Die Hüllkurven
Geboten werden hier zwei DADSR-Hüllkurven mit sehr weiten Regelbereichen.
Alle Parameter sind spannungssteuerbar, sogar die abzugebende Stärke der Hüllkurven.Die Signale beider Hüllkurven können auch invertiert abgegriffen werden. Interessant ist hierbei sicherlich auch die Möglichkeit der Verzögerung einer Hüllkurve.
Die Schnelligkeit der Hüllkurven ist unter Analog-Kennern geradezu legendär. Der Cwejman S1 gehört hier zur Oberliga und schafft Attacks die extrem knackig sind!!!!
Der Ausgangsbereich
Über einen Filtermix und eine Overdrive-Komponente, die für zusätzlichen Klangausdruck sorgen kann, wird das Signal dem Ausgangsstärkeregler zugeführt.
Die Amplitudenmodulation kann sowohl über ein Mischungsverhältnis der Hüllkurven von 0:100 bis 100:0 geregelt werden. Zusätzlich kann auch die Anschlagsstärke über eine von außen kommende Steuerspannung zum Lautstärkegrad beitragen.
Noch nicht erwähnte Möglichkeiten
Master CV bietet diverse Steuerspannungen und Regelmöglichkeiten an.
Transpose, Glide, Fine Tune und Modulation Level und diverse Schalter, welche Komponenten auf dieses Signale reagieren sollen, tun ihr Übriges, um die Modulationsvielfalt und die individuellen Einstellmöglichkeiten um einige weitere Möglichkeiten zu bereichern. Auch bieten weitere Eingangsbuchsen oder auch Ausgangsbuchsen dem Anwender reichlich Möglichkeit, Klangexperimente zu gestalten, indem Steuerspannungen von extern oder einer an dieser Stelle nicht vorhandenen internen Quelle zugeführt werden.
Der Cwejman S1 MKII on YouTube
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Zusammenfassung Cwejman S1
Der Cwejman S1 ist ein ganz besonderer Synthesizer, so viel steht fest. Er ist weniger für Leute geeignet, die sich zu den unwiderstehlichen Virtuosen der schwarzen und weißen Tasten zählen, aber wenig bis gar nichts von Klangprogrammierung verstehen oder verstehen wollen oder denen vor allen genannten Aspekten die Zeit dazu fehlt. Glücklicherweise gibt es aber nach Abzug dieser Klientel immer noch ein hohes Potential an Kunden, für die dieses Gerät sehr viel bereithält.
Und diese Gruppe sollte sich den Cwejman S1 Mk.II ganz oben auf die Liste der Instrumente schreiben, die unbedingt einmal ausprobiert sein wollen. Ich begründe das erst einmal mit offensichtlichen Merkmalen, die hinsichtlich der äußeren Erscheinung recht objektiv getroffen werden können. Die Anordnung der Komponenten ist wie bei vielen Konkurrenzgeräten als klassisch zu bezeichnen, Regler oben, Buchsen unten. Die Knöpfe und Schalter sind gut zur Regelung und Steuerung zu verwenden und machen einen qualitativ äußerst hochwertigen Eindruck, was wohl für alles an diesem Synthesizer zutrifft. Aus- und Eingangsbuchsen sind leicht an ihrer Farbgebung zu erkennen, vorgefertigte Verbindungen sind anhand von Beschriftungen schnell ermittelbar.
Der Cwejman S1 on YouTube
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Das Fazit unterschreibe ich. Da ich selbst den S1 Mk2 zuhause hab, weiß ich worüber ich rede. Der S1 ist mit Abstand der beste Monophone diskret analog aufgebaute Synth. Durch sein semidolurares Prinzip sind Dinge möglich wie sonst nur noch mit einem grösseren Modularsystem. Der Klang jedoch ist einzigartig, und mit nichts und niemand zu toppen. Ein echtes Meisterwerk, dass nicht durch Optik protzt (Mac Beth) oder zum xten mal den Minimoog D nachäfft (Pfui, Voyager..igitt ;-))
@pit…Das liegt wohl eher daran, das du kein Macbeth besitzt :-)Der Vergleich zeugt schon von Unkenntnis…
Schöner Bericht.
Wer sich auch nur ein klein wenig mit analogen Maschinen auskennt, kann damit eine ganze Menge anfangen. Das Patchfeld kann man sich als High-Res-JPEG auf der hier angeführten HerstellerSite ansehen. Somit ist man im Bilde und kann die Möglichkeiten dieser Kiste erahnen.
Die im vorigen Kommentar bemängelten, fehlenden Klangeindrücke spiegeln sowieso nur den Vorzug des jeweiligen Testers wieder und sind somit relativ.
Super und seriös gearbeitet. Vielen Dank.
Sin
Man braucht nur das Foto des Synthesizers sehen und bekommt Lust zu schrauben. Schade, dass Qualität immer kostet.
Zum Preis vom S1…ich find den im Vergleich zu Buchla und Serge sehr günstig. Der S1 bietet in etwa soviel wie ein 2 Panel System der beiden genannten Hersteller für ein Viertel des Preises und trotzdem bestechender Qualität. Ein vergleichbares Doepfer System ist im übrigen nicht günstiger.
Guter Test, aber ich hätte noch gerne ein paar Audiobeispiele gehabt, so 100 bis 200 wären ok gewesen. ;-)
Der ist schon ein Träumchen von einem Synth.
…den Link zu schneidersbuero würde ich durch schneidersladen ersetzen…auch wenn schneidersbüro durchaus auch lesenswert ist ;-)
@daniel müller Danke für den Tipp, erledigt. Allerdings gibt es das Teil derzeit gar nicht bei Schneider. Wahrscheinlich schon wieder vergriffen. Aber der HL hat noch welche :-)
Absoluter Traumsynth, allerdings preislich auch ein Schwergewicht!
Unabhängig davon möchte ich für Hieber-Lindberg absolut eine Lanze brechen. Martin, Stefan und Sven sind für mich die erste Anlaufstelle hier in München, ungebrochen in Kompetenz und Kundenservice! UND wer den Geldbeutel nicht ganz so dicke hat, sollte dort nach einem GRP A2 Auschau halten.
Laut Aussage von Hieber-Lindberg gegenüber mir wurden ca. 30 Stück bestellt. Stand 07.05.2019 gab es 9 Reservierungen.
@Endixt Nichts ist für ewig… R.I.P.
Das war’s jetzt mit evtl. noch einen Neuen für 3.8K bekommen. Ab sofort nur noch gebraucht ab 6000€ aufwärts…