Die Rocker-Tele
Inhaltsverzeichnis
Es ist schon erstaunlich, wie oft die Tele in ihrer Geschichte bereits ihre Kleider wechselte. Jede Dekade ihrer Produktion spiegelt auch immer wieder den damaligen Zeitgeist wider, sei es nun in optischer oder in technischer Hinsicht. Verglichen mit der ursprünglichen Telecaster, wie sie von Fender zu Beginn der 50er-Jahre vorgestellt wurde, hat die Fender AV II 75 Tele Deluxe nicht viel am Hut. Die Gene mögen zwar die Gleichen sein, ihre Ausstattung aber führt doch eher vom überwiegend clean gespielten Country der biederen 50s hinüber zum schmutzigen Classic-Rock der 70er-Jahre, das machen die beiden Humbucker auf dem schwarzen Pickguard uns schon auf den ersten Blick unmissverständlich klar. Innerhalb der American Vintage II Serie von Fender erlebt die rockige Tele, die mit vielen zeittypischen Spezifikationen gefertigt wurde, eine erneute Wiedergeburt. Wollen wir doch mal schauen, wie die gelungen ist.
Aufbau & Konstruktion
Hergestellt wurde der Korpus aus einem Stück Erle. Die Versiegelung der Oberfläche übernimmt ein zeitgemäßes 3-Color-Polyurethan-Finish, das sich allerdings mit einem übermächtig großen Pickguard den Platz auf der Decke teilen muss. Darin eingesetzt befindet sich die komplette Elektronik, angefangen von den beiden für die American Vintage II Serie entwickelten Authentic CuNiFe Wide-Range Humbuckern, über den 3-Wegeschalter am oberen Cutaway bis hin zu den vier Reglern für Lautstärke und Klang jedes einzelnen Pickups am unteren Ende des Pickguards.
Frei hingegen sitzt die Brücke auf der Decke, der „Pure Vintage 6-Saddle Hardtail Steg“ besitzt eine Saitenführung durch den Korpus sowie Edelstahl-Block-Saitenreiter für einen kräftigeren Klang und ein verbessertes Sustain. Auf die traditionelle Tele „Aschenbecher-Brücke“ wurde verzichtet – hätte dem Design auch damals wie heute sicher nicht gutgetan.
Abgesehen von der beliebten Bierbauchfräsung im oberen Teil und sechs Hülsen zum Einfädeln der Saiten gibt es auf der Rückseite des Korpus nichts weiter zu entdecken. Außer vielleicht, dass das Finish dort genau so hochwertig erscheint wie auf der Vorderseite. Die Fender AV II 75 Tele Deluxe strahlt von vorne bis hinten und von oben bis unten einfach wie frisch aus dem Ei gepellt. Das darf man auch erwarten, schließlich sind für das Instrument mehr als 2.000,- Euro fällig.
Lackierter Maple-Neck
Das Hochglanz-Finish tut also das Beste, um die Gitarre wirkungsvoll in Szene zu setzen, jedoch hat man sich beim Lackieren nicht nur auf den Korpus beschränkt. Auch der Hals erhielt einen ordentlichen Stoß Lack ab und das betrifft nicht nur seine Rückseite, sondern auch das Ahorngriffbrett mit seinen 21 Medium-Jumbo-Bünden und dem kräftigen Radius von 9,25″. Das wirkt sich auf die Bespielbarkeit aus, denn in der Praxis klebt es nicht nur auf der Rückseite, sondern auch bei Slides, Bendings oder Vibratos an den Fingerkuppen unangenehm. Spieler mit satinierten bzw. unbehandelten Hälsen werden sich hier garantiert nicht wohlfühlen, wer diese Voraussetzungen jedoch kennt bzw. gewohnt ist, der dürfte sich daran vermutlich nicht weiter stören, zumal das 1975 C-Halsprofil eine ansonsten überwiegend komfortable Bespielbarkeit bietet.


Die sicher hätte noch besser ausfallen können, denn unser Testinstrument erschien mit einer unnötig hohen Saitenlage, was zusammen mit dem lackierten Hals und dem kräftigen Radius des Griffbretts für manchen Spieler eine echte Herausforderung darstellen dürfte. Optionen zum Einstellen einer bequemen Saitenlage existieren bei der Fender AV II 75 Tele Deluxe jedoch nicht nur in Form von der Saitenreiter oder über die Anpassung des Halswinkels. Bei genauer Betrachtung zeigt sich in der Metallplatte zur Halsverschraubung eine kleine Bohrung, mit der der Hals zusätzlich in seiner Höhe eingestellt werden kann. Beste Voraussetzungen also, um die idealen Maße für die persönlichen Vorlieben zu finden.
Hinsichtlich der Verarbeitung des Halses gibt es jedoch ebenso wenig zu meckern wie beim Korpus. Die Bünde sowie der Sattel wurden sehr sauber eingesetzt und unspürbar an ihren Kanten abgerichtet, einfache schwarze Dots an den bekannten Stellen weisen den Weg durch die Lagen. Die lassen sich allesamt gut erreichen, dafür sorgt das traditionell weit ausgesägte Cutaway der Telecaster auch an dieser Stelle erneut.
Strat-Kopfplatte wie eh und je
Damals beim Original wie heute bei unserem Reissue-Modell auffällig: Die Kopfplatte im typischen Fender 70er-Design, die eigentlich zur berühmten Schwester, der Stratocaster, gehört. Dort montiert sitzen sechs geschlossene und verchromte „Pure Vintage Tele Deluxe Mechaniken“ aus eigenem Hause, die ihren Job zufriedenstellend verrichten. Zwei String-Trees lenken die vier oberen Saiten in die richtige Position und führen sie gleichmäßig zu den Mechaniken. Und was darf bei einem richtigen Geschoss nicht fehlen? Klar, ein herausragender Halseinstellstab in Form einer Patronenhülse, von Fender unter der Bezeichnung „Bullet Style“ geführt. Damit lässt sich der Halswinkel ohne großes Gefummel schnell und einfach nachjustieren.
Fender AV II 75 Tele Deluxe – in der Praxis
Mit dem Shaping auf der Rückseite des Korpus und der ausgeglichenen Balance ruht die Fender AV II 75 Tele Deluxe wahlweise bequem auf dem Schoß oder sie pendelt sich für ein komfortables Spielgefühl bei um die Schultern angelegtem Gurt ein. Der akustische Grundsound lässt kaum etwas zu Wünschen übrig und bereits erahnen, wie es später an der Strippe wohl klingen mag. Als Garant für diesen voluminösen Grundklang stellt sich auch hier wieder die Saitenführung durch den Korpus dar, die den Grundklang sowohl mit Wärme als auch mit einer schnellen und direkten Tonansprache versorgt.
Neben einem guten Klang trägt natürlich die Bespielbarkeit einer Gitarre maßgeblich zu ihrer Performance bei. Hier habe ich ja weiter oben bereits ausführlich darüber berichtet, dass der lackierte Hals und im Speziellen das ebenfalls lackierte Griffbrett den Spielfluss für den einen oder anderen Spieler bremsen könnten. Und das speziell dann, wenn die Greifhand etwas an Fahrt über das gesamte Griffbrett aufnimmt und dann erfahrungsgemäß mehr oder weniger Feuchtigkeit entsteht. Das sollte aber jeder bei einem Test für sich selbst entscheiden, mir persönlich als Fan von Halsprofilen mit hauchdünnem Matt-Finish jedoch ist die ganze Sache ehrlich gesagt etwas „zu klebrig“ ausgefallen.
Am Verstärker angeschlossen, entfaltet die Fender AV II 75 Tele Deluxe ein Klangspektrum, das so gar nicht nach dem berühmten „Twang“ klingt, wie man es im Allgemeinen mit der Fender Tele assoziiert. Die beiden Authentic CuNiFe Wide-Range Humbucker ergänzen den warmen, vintage-orientierten und Grundsound der Gitarre ausgesprochen gut. Die hohe Ausgangsleistung der Pickups liefert eine breite Basis für druckvolle Rock-Sounds, die mit einer feinen Dynamik glänzen und von fetten Blues-Linien auf dem vorderen Humbucker über ausgeglichene Crunch-Sounds mit beiden Vertretern bis hin zu kernigen und durchsetzungsfreudigen Riff-Sounds mit dem Humbucker am Steg reichen. Glockig und klar hingegen zeigt sich die AV II 75 Tele Deluxe bei unverzerrten Sounds, hier gefällt das ausgeglichene Frequenzspektrum der Pickups, die ganz Humbucker-untypisch nicht mit einem zu überbetonten Mittenbild auffallen. Und ganz wichtig: Auch bei Zurücknahme des Volume-Potis fällt das Signal nicht in sich zusammen, somit kann das Instrument wunderbar mit dem angeschlossenen Amp ein schlagkräftiges Duo für Classic-Rock oder Blues bilden.
Fender AV II 75 Tele Deluxe – Klangbeispiele
Für die folgenden Klangbeispiele habe ich die Fender AV II 75 Tele Deluxe zusammen mit einem Mesa/Boogie Studio 22* Combo eingesetzt. Vor dem Verstärker wurde ein AKG C3000 Mikrofon platziert, Effekte wurden nicht verwendet.
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Vielen Dank für den Test, Stephan. Auch, wenn ich eigentlich kein Pfennigfuchser bin, wenn es um Instrumente geht, teile ich die von dir vorgebrachte Anmerkung hinsichtlich des Preises.
Unabhängig davon, scheint es aber ein feines Gerät zu sein.
Ein Freund hat eine original 1972er Tele Deluxe. Klingt phantastisch.
Aber ich finde und fand immer, das es die hässlichste Tele war und ist.
Die klobigen Übergröße-Pickups, die viel zu großen Regler in der Gibson-Anordnung …
Fender-Design ist ja immer eher geschwungen, elegant und sehr ausbalanciert. Auch eine Tele.
Nur die hier nicht.
Da sträuben sich berufsbedingt bei mir als Designer die Nackenhaare.