Ein klassischer EQ stark erweitert
Nachdem ich mir in meinem letzten Test den aktuellen Neve 1073 Preamp Klon von Golden Age Premier genauer angeschaut habe, ist dieses Mal der dazu passende Equalizer dran. Mit dem EQ-73 versucht der Hersteller Golden Age Premier aber nicht unbedingt eine exakte Kopie zu liefern, sondern erweitert auch den Funktionsumfang des klassischen Konzepts.
Golden Age Premier EQ-73 – Übersicht
Wie auch der Preamp ist der EQ als 9,5“ Gehäuse mit 1 Höheneinheit ausgeführt. Mit dem Unite Premier Rack Kit bietet Golden Age ein passendes 19“ Blech für zwei Einheiten an, das auch in der Tiefe genau den 25,5 cm der Geräte entspricht. Das Blech des Gehäuses ist ausreichend dick und exakt gefertigt.
Die Front ist im für Neve typischen Grauton gehalten, auch das Aussehen der Drehpotis wurde an das Original angelehnt. Sie sind aber anders angeordnet, da der EQ-73 Premier auf die typischen Doppelpotis verzichtet. So besteht jede Einheit des dreibändigen EQs aus einem Frequenzpoti und einem Gain-Regler mit Mittenrasterung. Zusätzlich verfügt jedes Band über einen Ein-/Ausschalter, der im gedrückten Zustand das Band abschaltet.
Einen kompletten Bypass gibt es leider nicht. Die Potis laufen sauber und vermitteln ein gutes Gefühl bei der Bedienung. Leider sitzt das LF-Poti etwas schief, ein Schönheitsfehler, von vorne aber nicht zu sehen.
Links außen schaltet ein Taster die Einheit auf Betrieb, hier ist auch eine LED vorhanden.
Das Tief- und das High-Band sind als Kuhschwanz ausgelegt, das Mittenband hat eine Glockencharakteristik. Das entspricht der Originalschaltung, die erzielbaren Gain-Werte wurden allerdings anders abgestimmt. So bieten beim EQ-73 das Tiefen- und das Mittenband +/-15 dB, das High-Band kann +/-18 dB erzielen. Beim originalen Neve Design wurde oben und unten je 16 dB geboten, während das Mittenband 18 dB liefern konnte.
Die Auswahl der Festfrequenzen hat Golden Age stark erweitert bzw. auch anders gesetzt. So bietet das Low-Band mit 20, 33, 55, 100, 175 und 300 Hz fünf Frequenzen, während im Original mit 35, 60, 110 und 220 Hz vier Auswahlmöglichkeiten bereit stehen. Noch mehr hat der schwedische Hersteller die Mitten überarbeitet. Statt 360 und 700 Hz, 1,6, 3,2, 4,8 und 7,2 kHz liefert der EQ-73 hier 160, 240, 350, 500 und 700 Hz, dazu 1, 1,6, 2,4, 3,2, 4,8, 7 und 10 kHz, insgesamt also doppelt so viele Eingriffspunkte. Auch in den Höhen wurde kräftig erweitert. Hier werden zusätzlich zur originalen 12 kHz Frequenz noch 8, 10, 16, 20 und 24 kHz geboten.
Gestrichen wurde beim EQ-73 Premier hingegen der Low-Cut. Falls man nun den passenden Pre-73 DLX Premier Preamp einsetzt, ist das nicht weiter schlimm, dieses Filter hat nämlich dort Platz gefunden.
Anschlüsse des Golden Age Premier EQ-73
Schauen wir uns nun die Rückseite der Einheit an. Hier befindet sich der Anschluss für das externe 24 Volt Netzteil. Es folgt eine Neutrik XLR/Klinke Kombibuchse als Input. Der Ausgang ist doppelt vorhanden, einmal als XLR, ein zweites Mal als Klinke.
Es besteht aber auch die Option, den EQ in den Preamp einzuschleifen. Dazu werden die beiden Einheiten mit dem beiliegenden Link-Kabel verbunden und auf der Rückseite des EQ-73 der entsprechende Wahlschalter gedrückt. Der Output bleibt auch in dieser Betriebsweise alternativ erhalten.
Golden Age Premier EQ-73 – technische Werte
Der Equalizer ist ganz neu auf dem Markt. Technische Werte sind bisher weder im Handbuch, noch auf der Internetpräsenz zu finden. Im Moment ist der EQ-73 Premier übrigens nur über die schwedische Seite aufrufbar.
Also werfen wir erst mal einen Blick unter die Haube. Hier präsentiert sich der EQ aufgeräumt und sauber verarbeitet. Gut ist der vorwiegend diskrete Aufbau zu sehen.
Die Komponenten lassen sich aus dem Handbuch herauslesen. So werden hochwertige Carnhill Spulen im Mittenband eingesetzt. Tantalum- und Polystrol-Kondensatoren stehen auf dem Speiseplan. Im Ausgang sitzt ein Burr Brown Operationsverstärker. Das hört sich alles ganz ordentlich an, also beginnen wir mit dem Soundcheck.
Der EQ-73 Premier in der Tonstudio-Praxis
Für den Praxistest bietet es sich natürlich an den EQ-73 mit dem Pre-73 zu verbinden und mit meinem Warm Audio WA-73 EQ zu vergleichen. Das werden wir auch machen, aber zuerst möchte ich den grundsätzlichen Sound des Klassikers testen. Also nehme ich einen anderen Equalizer zum Vergleich, der auch den Klassik-Status besitzt, der SSL 4000 E Series Equalizer, hier in der Ausführung für das X-Rack als XR425. Als Preamps setze ich meine Craneborne Audio Camden 500 ein.
Als Frequenzen nutze ich 300 Hz für das Tiefenband, 1 kHz in den Mitten und 10 kHz in den Höhen. Es wird jeweils eine Erhöhung von ca. 6 dB vorgenommen.
Ganz identisch werde ich die Einstellungen sicher nicht hingekriegt haben, aber es ist doch ganz deutlich die jeweilige Charakteristik der beiden EQs zu hören.
Der Golden Age EQ-73 Premier ist eindeutig der rauere Geselle. Er färbt das Signal ziemlich und bringt ordentlich Druck in das Klangbild mit ein. Der SSL XR425 bietet dagegen viel neutraler an. Die Gitarre klingt feingezeichneter, gerade die Höhen sind hier schöner aufgelöst. Im Grunde machen also beide EQs genau das, wofür sie bekannt sind.
Kehren wir also wieder zum Vergleich mit dem Warm Audio WA73-EQ zurück. Preamp und Equalizer bilden beim Golden Age nun wieder eine Einheit und sind hintereinander geschaltet. Die gewählten Frequenzen sind dieses Mal 100 Hz beim GAP bzw. 110 Hz beim WA sowie 1,6 kHz und 12 kHz. Die tiefe Frequenz wird etwas abgesenkt, die beiden anderen mit 9 dB und 7 dB ganz ordentlich gepusht.
Natürlich ist das nun keine gut aufgenommene Gesangsspur, ich wollte hier eher durch die starke Beeinflussung die EQs aus der Reserve locken. So ist auch durchaus ein Unterschied zu hören. Der Golden Age ist in den Höhen ein wenig offener, der Warm Audio klingt in den Mitten etwas kerniger.
Für den nächsten Vergleich bemühe ich das Low-Cut-Filter bei 160 Hz. Dieses ist nicht, wie beim Original von Neve im EQ zu finden, sondern hat im Preamp seinen Platz gefunden.
Die Bässe werden auf neutral gestellt und beim Einsingen wird im Takt auf dem Stativteller mit geklopft. Zum Schluss noch eine kleine Sequenz ohne die Filter.
Beide Low-Cuts arbeiten mit einer Steilheit von 18 dB/Oktave und unterdrücken die Rumpelgeräusche hervorragend.
Ebenfalls im Pre-73 DLX Premier sitzt der Air-Schalter, der bei 30 Hz liegt und hier entweder 3 dB oder 6 dB hinzufügen kann. Die ersten vier Takte kommen neutral, bei den folgenden vier ist Air mit 6 dB zugeschaltet.
Nun, all zu viel kann ich nicht vernehmen, bei mehrmaligen Durchhören scheint sich im zweiten Teil tatsächlich eine gewisse Luftigkeit mit einzufügen. Also wenn überhaupt, dann ist der Effekt sehr dezent wahrzunehmen.
Nun können Pre-73 und EQ-73 ja auf zwei Arten miteinander verbunden werden. Entweder die Einheiten werden hintereinander geschaltet oder der Equalizer wird per Insert in den Preamp eingeschleift. Ob sich da Klangunterschiede ergeben, werden wir nun überprüfen. Zuerst die Geräte klassisch hintereinander, dann mit der Insert-Methode.
Übrigens habe ich hier auch Folgendes noch ausprobiert. Die Bässe bei 55 Hz etwas angehoben, dafür den Low-Cut bei 50 Hz gesetzt. Funktioniert wunderbar, die Bassspur kann so schön hervorgeholt werden, ohne zu viel Tiefbass zu erzeugen.
Tatsächlich ist ein Unterschied zu hören. Die erste Spur klingt direkter und offener, die Bläser schmettern mehr. Bei der Insert Geschichte wirkt das File etwas intimer und runder. Beide Varianten haben ihre Vorzüge, schön, dass es diese Option gibt. Übrigens gibt es sogar noch eine dritte Möglichkeit. Beim Inserten des EQs sind seine Outputs nicht abgeschaltet und können zusätzlich abgegriffen werden.
So zeigt sich auch hier der EQ unerwartet flexibel.