Drei Mal EQ-73, bitte
In diesem Neve 1073-EQ Vergleich wollen wir drei Versionen des typisch „britischen“ EQs vorstellen. Und wohlgemerkt geht es hier ausschließlich um den EQ und nicht die Preamp-Sektion. Die Herkunft der drei Kandidaten könnte dabei nicht unterschiedlicher sein. Der Warm Audio WA73-EQ kommt aus den USA, der Heritage Audio HA-73 EQ aus Spanien und der Golden Age EQ-73 MkII wurde in Schweden erdacht. Heritage Audio HA-73 EQ und Warm Audio WA73-EQ besetzen dabei die gleiche Preisregion, der Golden Age EQ-73 MkII soll der Vertreter im unteren Preissegment sein. Obwohl sie alle den gleichen Zweck erfüllen, liegen die Unterschiede oft im Detail – und vor allem: Wie sieht es mit dem Klang aus?
Papa was a Rolling Stone
Ja, auch die Stones haben auf Neve Konsolen aufgenommen, sogar in der Karibik. Ob der Sturmgott das Studio nach nur einem Jahr vernichtete, da die Stones sich zu lästerlichem Liedgut hinreißen ließen? Wen kümmert das schon? Viel wichtiger ist, dass der originale EQ nur noch selten erhältlich ist und wenn, zu recht abenteuerlichen Preisen. Z.B. wird eine solche EQ-Kassette (denn das Original war immer Bestandteil einer Konsole und deswegen nicht „Standalone“ betriebsfähig) zum Zeitpunkt des Berichts, für schlappe 2.891,10 Euro angeboten (auf funky-junk.com). Drei, zwei, eins – meins?
Bei dieser Lage ist es nicht verwunderlich, dass es mehr als einen Hersteller gibt, der versucht, den legendären Klang des Neve 1073-EQs nachzubilden. Ich sage bewusst „legendär“ und nicht etwa „magisch“, denn die Anzahl der ikonischen Bands des letzten Jahrhunderts, die über eine Neve-Konsole auf das Tonband spielten, ist tatsächlich sehr groß. Attribute wie „magisch“ finde ich ehrlich gesagt eher kindisch (ganz ohne Anführungsstriche), obwohl von vielen Artikeln im Netz genau diese Terminologie genutzt wird um feuchte Augen und unstillbare Begehrlichkeiten zu wecken. Meine Güte, es ist lediglich ein Stück Transistortechnologie!
Äußerlichkeiten der Neve 73 Nachbauten
Ganz offensichtlich möchten der Heritage Audio HA-73 EQ und der Warm Audio WA73-EQ nicht nur den Klang des Neve-EQs nachbilden, sondern auch die Ästhetik dieses ehrwürdigen Konsolen-EQs. Dafür hat man sich für die gleichen Bedienelemente entschieden, die auch schon das Vorbild aufweist.
Aber bereits hier beginnen die Unterschiede. Während man bei beiden o. g. Produkten die Kombination aus Poti und Lorlin-Schalter sehen kann, fällt sofort auf: Der Heritage Audio HA-73 EQ ist der einzige der drei Kandidaten, der sich strikt an die Vorgabe des Originals hält. D. h. er bietet neben den beiden semi-paramtetrischen Mitten- und Höhen-Bändern einen variablen Lo-Cut und einen High-Shelf, der fest auf 12 kHz eingestellt ist.
Der Warm Audio WA73-EQ bietet hier die Option, den High-Shelf zusätzlich bei 10 kHz und 16 kHz anzusetzen. Ansonsten hält auch er sich an die Vorgaben des Originals, was die verschiedenen auswählbaren Frequenzen angeht.
Unterschied: Warm Audio WA73-EQ bietet 10 kHz, 12 kHz und 16 kHz im High-Shelf
Die Optik des Golden Age EQ-73 MkII hat so gar nichts mit dem Vorbild zu tun. Zunächst einmal ist es ein Gerät im Halb-Rack-Format (eine Wanne kann beim Hersteller bestellt werden). Hier wurden einfach pragmatisch die Potis und die Lorlin-Schalter getrennt, ein Low-Cut fehlt völlig. Dafür sind alle drei Bänder semi-parametrisch.
Zudem ist die Frequenzauswahl bei allen drei Bändern deutlich erweitert im Gegensatz zum Original. Dafür wurden aber nicht immer auch die Frequenzen genau nach dem Vorbild ausgerichtet. So gibt es im Mitten-Band z. B. keine 7,2 kHz, sondern lediglich 7 kHz. Das mag vernachlässigbar erscheinen, hat aber eine Bedeutung für Interessenten, die ganz nah am Original sein wollen.
Unterschied: Golden Age EQ-73 MkII bietet semi-parametrische Bässe, Mitte und Höhen. Frequenzen sind nicht immer identisch mit dem Original
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Alle Geräte haben eine ordentliche Verarbeitung, obwohl der Heritage Audio HA-73 EQ optisch und haptisch da die Nase vorn hat. Außerdem ist er mit seinen 18 cm Tiefe am leichtesten in ein Rack zu integrieren. Der Warm Audio WA73-EQ benötigt 24 cm, der Golden Age EQ-73 MkII gar 25 cm Platz nach hinten. Der Golden Age EQ-73 MkII lässt sich darüber hinaus auch nicht direkt in ein 19-Zoll-Rack einbauen.
Unterscheid: Der Golden Age EQ-73 MkII benötigt eine Rack-Wanne, um ihn in ein 19-Zoll-Rack einzubauen
Neve 73-EQ Vergleich: Anschlüsse
Auch bei den I/Os gibt es einige Unterschiede, die entscheidend für den Einsatz im Studio sein können. Während der Golden Age EQ-73 MkII und der Warm Audio WA73-EQ sowohl Klinken- als auch XLR-Buchsen besitzen und zudem mit einem Insert aufwarten, bietet der Heritage Audio HA-73 EQ lediglich XLR-Buchsen.
Diese sind zudem bei den Eingängen nicht mit einer Arretierung versehen. Das sollte im Studio nicht so entscheidend sein, ist aber erwähnenswert. Es gibt beim Heritage Audio HA-73 EQ zwar einen Line-Eingang, dieser ist aber eben als XLR-Buchse ausgeführt.
Unterschied: Golden Age EQ-73 MkII und Warm Audio WA73-EQ bieten XLR- und Klinken-Buchsen sowie Line-Insert-Eingänge, der Heritage Audio HA-73 EQ hat keinen Insert-Eingang
Stromversorgung der Neve 1073 Klone und die Sache mit der Masse
Auch das ist ein wichtiges Thema. Und auch hier gehen alle drei EQs verschiedene Wege. Der Warm Audio WA73-EQ besitzt als einziges Gerät des Neve 73-EQ Vergleich ein eingebautes Netzteil, so dass er ganz normal mit einem Kaltgerätestecker betrieben wird. Der Heritage Audio HA-73 EQ besitzt ein externes Schaltnetzteil und der Golden Age EQ-73 MkII bezieht lediglich 24 V Wechselspannung aus seinem Netzteil und besorgt die Gleichrichtung im Gerät. Ich konnte dabei keinerlei signifikanten Unterschiede feststellen, was Netzeinstreuungen angeht.
Unterschied: der Warm Audio WA73-EQ hat als einziger ein eingebautes Netzteil
Auch bei der Anbindung an Masse werden hier unterschiedliche Wege gegangen. Golden Age EQ-73 MkII und Warm Audio WA73-EQ bieten beide einen Ground-Lift, um die Gehäusemasse von der Platinen-Masse zu trennen, der Heritage Audio HA-73 EQ hat diese Möglichkeit nicht. Man möge mir bitte erklären, was denn überhaupt eine solche Anbindung bringen soll. Das Gehäuse soll doch als Faradayscher Käfig wirken, warum denn mit der Masse des Schaltkreises koppeln? Ein Auto ist bekanntlich auch ein solcher Käfig, und mir wäre nicht bekannt, dass Autos über die Reifen mit Erd-Masse verbunden wären. Im Gegenteil, man lädt ja quasi alle umherschwirrenden Radio-Signale förmlich ein, den Schaltkreis zu stören.
Eine Sache hat mich aber schockiert – und das potentiell im wahrsten Sinne des Wortes. Beim Warm Audio WA73-EQ hebt man durch den Ground-Lift nämlich nicht die Verbindung des Gehäuses mit der Masse des Schaltkreises auf. Nein, man kappt tatsächlich die Verbindung der Erdmasse des Kaltgerätesteckers mit dem Gehäuse. Das bedeutet, sollte aus irgendeinem Grund mal die Netz-Phase mit dem Gehäuse in Verbindung kommen, steht kein Rückfluss bereit – das Gehäuse also unter 240 V Netzstrom! Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das durch eine Prüfung kommen konnte, es ist mir sogar mehr als schleierhaft. Pedantisch, ich weiß, aber ich zitiere mal kurz aus Abschnitt 543.3.1 von DIN VDE 0100-540 (VDE 0100-540)
„…Jede Verbindung (z. B. Schraub-, Klemmverbindung) zwischen Schutzleitern oder zwischen einem Schutzleiter und anderen Betriebsmitteln muss eine dauerhafte elektrische Durchgängigkeit und einen hinreichenden mechanischen Schutz und Festigkeit aufweisen.“
Ein Ground-Lift-Schalter ist für mich nun beinahe das genaue Gegenteil einer „dauerhaften elektrischen Durchgängigkeit“. Bitte verzeiht mir hier meine Empörung, bitte Finger weg vom Ground-Lift des Warm Audio WA73-EQ! Laut Vertrieb und Hersteller wird zwar bereits an einer Lösung gearbeitet, aber die aktuell im Handel erhältlichen und die bereits verkauften Geräte betrifft dies allemal!
Übertrager oder nicht Übertrager
Den letzten Unterschied, den ich erwähnen möchte, betrifft die Eingangssektion. Während der Golden Age EQ-73 MkII mit einfachen OpAmp-symmetrierten I/Os arbeitet, haben sowohl Heritage Audio HA-73 EQ als auch Warm Audio WA73-EQ trafosymmetrierte I/Os. Beide Hersteller setzen dabei auf Carnhill-Übertrager aus dem Vereinigten Königreich. Die Übertrager beider Geräte sehen sich äußerlich sehr ähnlich, tragen aber etwas unterschiedliche Kennzeichnungen. Wichtig ist einfach: Sie sind da.
Unterschied: Heritage Audio HA-73 EQ und Warm Audio WA73-EQ besitzen trafosymmetrierte I/Os
- Heritage Audio HA-73 EQ – Übertrager 2
- Heritage Audio HA-73 EQ – Übertrager
- Warm Audio WA73-EQ – Übertrager
- Warm Audio WA73-EQ – Übertrager 2
Neve 73-EQ Vergleich: Wie klingen sie?
Das bringt uns nun auch endlich zum interessantesten Unterschied, dem Klang! Dazu möchte ich kurz meinen „Versuchsaufbau“ beschreiben, damit sich jeder ein Bild machen kann.
Ich habe alle drei EQs des Vergleichstests mit identischen Kabeln an die Line-I/Os eines Fireface 802 angeschlossen. Ich habe dafür immer die Line-Eingänge der EQs genutzt, da ich den Einfluss des Mic-Preamps nicht mit einfangen wollte (wie die Schaltung der einzelnen nun exakt ist, kann ich leider nicht sagen). Dann habe ich die Testfiles auf einem Kanal mit dem gleichen Pegel auf die drei Ausgänge geschickt. Die Signale habe ich auf +/- 0,3 dB genau ausgesteuert, als Referenz diente dabei der Golden Age EQ-73 MkII – da er keinen Output-Regler besitzt. Später wurden dann die Signale nach Peak-Pegel normalisiert.
Um zunächst generell einen Eindruck von den EQ-Kurven zu bekommen, habe ich die EGS des Neve 73-EQ Vergleich mit dem Plug-in „Bertom EQ Curve Analyzer“ untersucht. Das ist natürlich kein Präzisionsmesswerkzeug, trotzdem kann man gut die Unterschiede des Kurvenverlaufs sehen. In den Bildern kann man immer den Golden Age EQ-73 MkII, den Heritage Audio HA-73 EQ und den Warm Audio WA73-EQ von oben nach unten sehen. Die Kurve des darüberliegenden EQs habe ich zudem immer noch blau unterlegt – so kann man sich besser orientieren.
Ich habe versucht, einige Einstellungen so genau wie möglich für alle drei EQs zu reproduzieren. Hier fällt gleich auf, dass es mit dem Golden Age EQ-73 MkII etwas schwieriger bzw. unmöglich war, da eben nicht genau die Frequenzen des Vorbilds gewählt wurden, ebenso ist die Kurvenform flacher.
Es fällt schnell auf, dass die Kurvenform der beiden Rack-Geräte Warm Audio WA73-EQ und Heritage Audio HA-73 EQ sich ähnlicher sind als die des Golden Age EQ-73 MkII. Auch sofort ersichtlich ist der andere Verlauf des Höhenbereichs beim Warm Audio WA73-EQ. Der Heritage Audio HA-73 EQ produziert bei vergleichbaren Einstellungen mehr Präsenz.
Zu den Soundbeispielen des Neve 73-EQ Vergleich
Ich habe insgesamt zwei verschiedene Grundeinstellungen bei allen drei EQs des Neve 73-EQ Vergleich vorgenommen, wobei ich versucht habe, die Kurven so gut wie möglich in Übereinstimmung zu bringen. Dann habe ich alle Beispiele (ich hoffe für jeden ist etwas dabei …) über diese Einstellungen aufgenommen.
Klangbeispiele A
Klangbeispiele B
Ich könnte mich hier wieder in allerlei blumigen Beschreibungen ergehen, möchte aber kurz und knapp meinen Eindruck schildern. Der EQ mit der größten Transparenz und den meisten Details ist für mich der Heritage Audio HA-73 EQ, gefolgt vom Warm Audio WA73-EQ. Etwas hintenan steht der Golden Age EQ-73 MkII; er klingt gegen die beiden anderen ein wenig platter und etwas leblos – aber gewiss nicht schlecht.
Zudem gefallen mir beim Heritage Audio HA-73 EQ die Höhen besser über meine Studio-Abhöre (Quested S8). Höre ich jedoch über meine „B-Monitore“ (JBL Control One), kommen sie mir beinahe etwas zu scharf vor. Aber diese JBLs sind ja bekannt dafür, die Höhen über Gebühren zu betonen.
- Heritage Audio HA-73 EQ – Schalter
- Warm Audio WA73-EQ – Schalter
Bei Hardware und Verarbeitung geben sich die drei beteiligten Geräte auch nicht viel. Eine kleine Unsauberkeit beim Löten hier, ein etwas schief eingebautes Poti dort, machen den Braten nicht fett. Das beste haptische Gefühl hatte ich beim Heritage Audio HA-73 EQ, dessen Aluminiumrändel in Matt einfach besser aussehen und satter schalten. Dafür kann man die Gehäusemasse aber nicht vom Schaltkreis trennen.
- Warm Audio WA73-EQ – Innen Detail
- Golden Age EQ-73 MkII – Innen Detail
- Heritage Audio HA-73 EQ – Innen Detail
Über den Fauxpas beim Warm Audio WA73-EQ hatte ich ja bereits genug aufgeregt, hier muss eine Verbesserung her. Bis dahin: Erdmasse bleibt am Gehäuse!
Auch konnte ich bei keinem der Geräte Umschaltgeräusche feststellen, wenn man von einem auf das andere Band wechselt. Zudem besaßen der Warm Audio WA73-EQ und der Heritage Audio HA-73 EQ beide die Möglichkeit, den EQ nicht nur bei einzelnen Bändern, sondern auch komplett aus dem Signalweg zu nehmen – wichtig für schnelle A/B-Vergleiche.
Sehr schöner und angenehm nüchtern geschriebener Test.
Ein ähnlicher Vergleichtest für Pultec-style-Eqs, die es mittlerweile ja auch von einigen Herrstellern gibt, wäre ein Traum ;-) .
Ich hab den von Heritage mit der Version von Warm Audio vergleichen dürfen. Tatsächlich bin ich dann bei letzterem geblieben. In Kombination mit einem Wa76 eine wirköich schöne Chain um seine Vocals aufzunehmen 💪🏻