Hommage an das berühmteste Studiomikrofon der Welt
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In den vergangenen 70 Jahren haben sich Tonstudios stark verändert. Vom Tonstudio mit wenigen Mikrofonen und Aufzeichnung zu Beginn entweder live auf einen Schallplattenrohling oder Band über Stereobandaufnahmen, Mehrspuraufzeichnung bis hin zum Harddisk-Recording in der DAW. Nur eine Sache hat sich überhaupt nicht verändert: der Beginn der Signalkette. Hier sitzt nach wie vor ein Mikrofon und oftmals nicht irgendein Mikrofon, sondern ein Klassiker aus den Anfangstagen der Tonstudiotechnik. Ein Hersteller, der diese Geschichte seit 1958 begleitet, ist Universal Audio. Mit dem Universal Audio Bock 187 Großmembranmikrofon begibt man sich zurück in diese spannende Zeit.
Universal Audio
Es war im Jahr 1958. Elvis kam in Deutschland an, um hier seinen Dienst beim Militär abzuleisten. Der Rock’n’Roll wird sprichwörtlich zu Grabe getragen, weil seine Protagonisten entweder in den Knast wandern (Chuck Berry), minderjährige Kinder heiraten (Jerry Lee Lewis) oder gar die Massen mit frommen Worten anstelle von Sex, Drugs and Rock’n’Roll begeistern wollen (Little Richard). Eine Skiffle-Schülerband mit dem lustigen Namen The Quarrymen nimmt ihre ersten zwei Songs für satte fünf Pfund auf – im Hinterzimmer eines Elektronikhändlers namens Percy Phillips. Wie damals üblich, geschah das auf Band mit sofortiger Überspielung direkt auf Acetat-Platte. Bänder waren teuer und wurden danach wieder gelöscht. Diese junge Band überlebten nur drei Mitglieder und sie wurde umbenannt in The Beatles. Es war in diesem Jahr, als der mittlerweile in der Jazz, Rock’n’Roll und Big Band-Szene bekannte Toningenieur Bill Putnam Universal Audio als zusätzliche Entwicklungsabteilung zu seinen Universal Recording Tonstudios gründete, in denen sich die Stars von gestern die Klinke in die Hand gaben, unter anderem auch einige der oben genannten Protagonisten des Rock’n’Roll. Aus Universal Audio wurde UREI, eine Unterabteilung Teletronix und im Jahr 1999 schließlich wieder Universal Audio, welches von den Putnam-Söhnen James Putnam und Bill Putnam Jr. gegründet wurde. Die hier stark verkürzt wiedergegebene Geschichte ist sehr interessant und eigene Recherchen seien den Lesern ans Herz gelegt.
Zu den Mikrofonen, mit denen der „Vater des modernen Recordings“ Putnam damals arbeitete, gehörte auch der Vorläufer eines bis heute einzigartigen Studiomikrofons, das Neumann U67. Dieses Röhrenmikrofon war für den Sound vieler klassischer Recordings der 1960er-Jahre zuständig. Im Jahr 1967 ersetzte man bei Neumann die Röhre durch die nun in Mode kommenden Transistoren. Das rund um einen FET aufgebaute Neumann U87 setzte nun zu einem unvergleichlichen Siegeszug an, der bis heute ungebrochen ist. Und das war nicht nur dem Klang des U87 zuzuschreiben, sondern auch seinem Äußeren, das Neumann sich hat patentieren lassen und in der Folge jede Designkopie juristisch verfolgte. Das Neumann U87 galt (und gilt) als echter Alrounder. Ob Vocals, Piano, Drums, Gitarrenverstärker, Bläser, Streicher, das Mikrofon wurde fortan für so ziemlich alles eingesetzt. Das hatte vor allem auch mit seinem Doppelmembran-Design mit umschaltbarer Richtcharakteristik zu tun und dem guten Nebengeräuschverhalten. Mit seiner Präsenzanhebung und sehr soliden Mitten war das U87 fortan die erste Wahl für Gesang und auch für die Aufnahme von Akustikgitarren und Flügel, die sich wunderbar im Mix durchsetzten. Das U87 durchlief diverse Modifikationen und wird als Neumann U87 Ai bis heute gefertigt.
Universal Audio hat sich mit Mikrofondesigner und U87-Spezialist David Bock zusammengetan, der über mehrere Jahrzehnte Mikrofone in großen Tonstudios gewartet hat, darunter natürlich auch zahlreiche U87 unterschiedlichen Alters. Das mit ihm gemeinsam entwickelte Universal Audio Bock 187 trägt deshalb seinen Nachnamen in der Produktbezeichnung.
Universal Audio Bock 187
Reden wir nicht lange drum herum: Das Universal Audio Bock 187 ist keine Kopie eines Neumann U87. Es sieht weder so aus, noch besitzt es die gleichen Features. Alle, die gerade Schnappatem bekommen haben und schon die Finger für einen bösen Kommentar zum Thema Klonen vorgewärmt haben, können sich beruhigt zurücklehnen.
Geliefert wird das Mikrofon in einer stabilen Pappschachtel, in deren Inneren sich eine sehr schicke Holzkiste verbirgt, in der das Mikrofon und seine Halterung verstaut sind. Schon die Kiste ist eine Augenweide und ich schaue doch noch einmal verwundert auf das Preisschild im Thomann Store, denn in dieser Preisklasse bekommt man bei vielen anderen Herstellern nur einen schnöden Pappkarton oder jede Menge Plastik.
Das Universal Audio besitzt einen zylindrischen Korpus und mit seinem Retro-Design sieht es wirklich schick aus. Mit dem etwas abgedroschenen Design eines Neumann U87 hat es jedenfalls nichts zu tun.
Anders als das Neumann U87, besitzt das Universal Audio Bock 187 keine umschaltbare Richtcharakteristik. Sein Ein-Kapsel-Design ist auf eine Nierencharakteristik festgelegt. Diese Kapsel soll den klassischen U87-Sound mit seiner Präsenzanhebung bieten, ohne allerdings bei hohen Lautstärken schrill zu wirken.
Neben einem -10 dB Pad und einem Low-Cut bei 120 Hz springt mir ein kleiner mit „Mode“ beschrifteter Schalter ins Auge. Dieser besitzt die zwei Positionen „fat“ und „normal“. Im Modus „normal“ soll sich das Universal Audio Bock 187 wie ein Neumann U87 verhalten. Im Modus „fat“ hingegen werden Frequenzen zwischen 10 Hz und 400 Hz deutlich angehoben.
Kommen wir zu den weiteren Daten:
Der Frequenzgang reicht von 20 Hz bis 16 kHz (± 2 dB) und gleicht damit eher dem klassischen Neumann U87 als dem modernisierten U87 Ai, das bis 20 kHz überträgt. Die Empfindlichkeit ist mit -42 dB bei 1 kHz, 1 V/Pa angegeben, was 8 mV/Pa entspricht und damit auch den Daten des klassischen U87. Gleiches gilt für den Klirrfaktor von 122 dB bei 1 kHz und 0,5 % THD. Auch dieser entspricht dem eines Neumann U87i aus den 1980er-Jahren. Vergrößert hat man laut Universal Audio den Cinemag Transformator, um mehr Headroom bei niedrigen Frequenzen zu erreichen und eine verbesserte Basswiedergabe.
Messungen zum Universal Audio Bock 187
Schauen wir mal genauer hin, was das Universal Audio Bock 187 so zu bieten hat. Einige schnelle Messungen zeigen sofort, wo es lang geht. Deutlich sichtbar ist die Präsenzanhebung, die auch das klassische Neumann U87 besitzt. Aktivieren wir den Fat-Modus, kommt eine kräftige Bassanhebung hinzu. Universal Audio empfehlen, bei Stimmen zusätzlich das Low-Cut-Filter zu aktivieren, das unterhalb von 120 Hz für einen Bass-Roll-off sorgt.
Ist das nicht widersprüchlich? Überhaupt nicht. Man erinnere sich nur an die berühmten Pultec EQs mit gleichzeitiger Anhebung und Absenkung. Aktiviert man den Low-Cut gleichzeitig mit dem Fat-Modus, bleibt eine deutliche Anhebung der Bässe, die allerdings zu den Frequenzen unterhalb von 100 Hz hin moderater ausfällt. Statt also am Mischpult-EQ oder in der DAW irgendwo zwischen 100 Hz und 200 Hz zu boosten und unterhalb von 100 Hz per Low-Cut sanft abzuschneiden, kann ein ähnlicher Effekt gleich mit dem Mikrofon selbst erzeugt werden.
Wie klingt das Universal Audio Großmembranmikrofon?
Wie klingt das Universal Audio Bock 187 nun? Es klingt ausgewogen. Der Klang ist dem U87 entlehnt, ohne es aber einfach zu kopieren. Es gibt auf YouTube bereits zahlreiche Hörbeispiele, vor allem von Sprache und Gesang. Ich habe das Universal Audio Bock 187 deshalb vor meinen Engl Retro 50 Combo positioniert, mit Ausrichtung zur Speaker-Mitte hin und einem Abstand von 10 cm. Es wurden zwei Aufnahmen gemacht: Normal-Modus und Fat-Modus.
Im Anschluss habe ich noch eine kurze Aufnahme mit meiner Taylor Akustikgitarre gemacht. Die Ausrichtung erfolgte auf den 12. Bund im Abstand von circa 30 cm.
Beide Klangbeispiele sind ohne EQs, Kompressoren oder sonstige Bearbeitungen gemacht. In beiden Fällen ist es das pure Signal, nur das Signal der Akustikgitarrenaufnahme habe ich leicht im Pegel angehoben.
Bewertung
Es ist immer schwierig, ein Mikrofon zu bewerten. Und auch Klangbeispiele sind nur bedingt geeignet, ein Mikrofon ins richtige Licht zu rücken. Für den Hörer bleiben die Begleitumstände der Aufnahme wie Ausrichtung, Abstand, Instrument, Klang des Instruments im Raum und so weiter die großen Unbekannten. Um Mikrofone vernünftig zu bewerten, muss man eine lange Zeit mit ihnen arbeiten, sie im Recording-Kontext einsetzen, vor verschiedenen Klangquellen und in unterschiedlichen Räumen. Das ist im Rahmen eines Produkttests nicht möglich. Vor allem müssten Vergleiche mit anderen Mikrofonen angestellt werden.
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass eigentlich kaum schlechte Mikrofone im Handel erhältlich sind. Selbst sehr günstige Mikrofone machen in bestimmten Situationen einen sehr guten Job. Das Universal Audio Bock 187 möchte ein Allrounder wie das Vorbild Neuman U87 sein. Hier kann eine Bewertung ansetzen, denn ein Allrounder ist es meines Erachtens nicht. Warum nicht?
Im Vergleich zum U87 fehlen ihm die weiteren Richtcharakteristiken. Aus diesem Grund ist so manches Einsatzgebiet des U87 gar nicht möglich. Zu nennen wäre hier zum Beispiel die Saxophonaufnahme, für die das U87 in der Regel auf die Achtercharakteristik geschaltet wird. Auch verschiedene Stereomikrofonierungsverfahren, die eine andere Richtcharakteristik als Niere erfordern, sind mit zwei U87 nicht möglich. Zu nennen wäre zum Beispiel das M/S-Verfahren aus Kugel und Acht.
Vom Fat-Modus profitieren vor allem bassstarke Instrumente. Das integrierte Low-Cut-Filter empfinde ich als eher ineffektiv (siehe Messergebnisse). Ich würde es ausgeschaltet lassen und lieber den Low-Cut am Preamp oder in der DAW setzen.
Bleibt noch die Verarbeitung. Die grundlegende Verarbeitung ist sehr gut und das Mikrofon fühlt sich hochwertig an. Weniger gut gelungen sind die drei Miniaturschalter. Sie lassen sich nur mit einem spitzen Gegenstand oder einem Miniaturschraubendreher betätigen und beim ersten Anblick des Kunststoffs der Schalter meines Testobjekts prophezeie ich hier einen Reparaturfall innerhalb der ersten drei Jahre, betätigt man diese Schalter regelmäßig. Doch dazu sind sie doch schließlich da, oder?
Unterm Strich sehe ich das Universal Audio Bock 187 als einen Ausschnitt aus den vielen Möglichkeiten eines Neumann U87. Es ist kein Ersatz für ein U87 und will das vermutlich auch nicht sein. Es spiegelt die häufigsten Anwendungsbereiche eines U87 wider: Gesangsaufnahmen sowie alle Instrumentalaufnahmen im Nahbereich mit Nierencharakteristik. Wie auch das Original ist das Universal Audio Bock 187 ein Mikrofon, dessen Signale sich gut bearbeiten lassen. Das pure Signal ist relativ unaufregend, lässt sich aber sehr gut bearbeiten und in einen Mix einbetten. Es sind eben alle Frequenzen ziemlich gleichmäßig vertreten. Bis auf die leichte Präsenzanhebung gibt es keine großen Ausreißer. Hier zeigt sich die Ähnlichkeit zum U87, das ähnlich abgestimmt ist und dessen Signale sich ebenfalls sehr gut formen lassen. Hier noch einmal die Aufnahmen von oben mit leichter Bearbeitung:
Bei der E-Gitarrenaufnahme habe ich den Fat-Modus gewählt und in der DAW einen Low-Cut gesetzt sowie ganz leicht die eine breite Anhebung im Höhenbereich vorgenommen. Die Akustikgitarre wurde stark komprimiert und das komprimierte Signal dem Originalsignal beigemischt (parallele Kompression). Das Gesamtergebnis wurde dann in Ableton Live durch ein Hall-Plugin geschickt.
Nun ist das größte Argument für das Universal Audio Bock 187 sein Verkaufspreis. Der Straßenpreis liegt gerade einmal bei der Hälfte von dem eines Universal Audio U87, das zudem noch ohne Stativhalterung ausgeliefert wird. Diese muss noch gesondert gekauft werden.
„Alle, die gerade Schnappatem bekommen haben und schon die Finger für einen bösen Kommentar zum Thema Klonen vorgewärmt haben, können sich beruhigt zurücklehnen.“
Keine Angst, das passiert nur, wenn der Kopist mit B anfängt (wie BPM?), ich glaube die haben damals was vor den Bug bekommen. Aber nicht durch Leser eines Musikerportals. Das dürfte Neumann gewesen sein
Also es it keine Kopie and will es auch gar nicht sein, wie oft soll ich das denn noch wiederholen ;-) Sehr ähnlich halt aber nicht wirklich – jetzt weiss ich gar nicht was ich von halten soll.
@kinsast Ich würde es als einen Ausschnitt sehen. Denk an eine Vier-Jahreszeiten-Pizza: Das ist ein Viertel davon und auf dieses Viertel hast du noch etwas zusätzlich drauf gelegt.
Gibt es Hinweise auf Aufnahmen, die mit diesem großartigen Werkzeug gemacht wurden?