Gute Röhre für kleines Geld
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Wenn ein Mikrofon seit nunmehr 20 Jahren unverändert auf dem Markt ist, so darf man vermuten, dass es qualitativ ja nun nicht ganz schlecht sein kann: Im September 2003 ist das Röhren-Großmembranmikrofon the t.bone SCT 700 erschienen und hält sich seitdem beharrlich in den Verkaufsregalen. Bereits 2002 hatten wir mit dem SCT 800 das preislich mittlere Modell getestet, Anfang des letzten Jahres dann mit dem SCT 2000 den größten (und teuersten) Vertreter des SCT-Trios, der ebenfalls bereits 2002 auf den Markt gekommen war.
Heute begeben wir uns mit dem SCT 700 an das untere Ende der preislichen Fahnenstange. Hört man die 60,- Euro Preisunterschied zum SCT 2000? Bekommt man für 179,- Euro tatsächlich bereits ein gutes Röhrenmikrofon? Und was hat das SCT 700, dass es sich so lange am Markt halten konnte?
Die technischen Daten des the t.bone SCT 700
Das t.bone SCT 700 ist ein Röhren-Großmembran-Kondensatormikrofon mit der Richtcharakteristik Superniere (während das SCT 2000 mit einer umschaltbaren Richtcharakteristik (Kugel, Niere, Acht) aufwarten kann). Befeuert wird das SCT 700 – wie seine beiden SCT-Kollegen, das 800er und 2000er auch, von einer 12AX7B-Röhre. Die sich hier aber nicht tauschen lässt, da fest auf der Platine verlötet. Auch die Goldmembran mit einem Durchmesser von 1,07‘‘ ist die Gleiche wie bei den beiden anderen SCT-Modellen. Insofern sollte die drei Mikrofone eigentlich recht ähnlich klingen – ich bin gespannt.
Den Frequenzbereich gibt der Hersteller mit 20 bis 20.000 Hz an, der maximale Schalldruck ist mit 115 dB etwas geringer als beim SCT 2000 (130 dB). Dafür unterbietet es das SCT 2000 mit einem Equivalent Noise Level von 10,8 dBA (SCT 2000: 16 dBA).
Röhrenmikrofone sind speziell
Röhrenmikrofone sind zwar auch heute lange nicht so weit verbreitet wie die aktuellen Mikrofone mit Transistor-Vorverstärkung, erfreuen sich aber dennoch immer größer werdender Beliebtheit. Was vor allem am weichen Übersteuerungsverhalten von Röhrenschaltungen liegt, das geeignet ist, Obertöne zu produzieren und so den Sound etwas dichter zu machen. Zudem klingen sie etwas wärmer und reagieren schnell auf Pegelspitzen, während sie bei zu hohem Pegel durch leichte Kompression dezent kratzig und harsch klingen können. Dadurch sind sie besonders bei Sprach- und Gesangsaufnahmen gefragt, weil sie so die Stimme noch mehr in den Vordergrund bringen.
Andererseits sind sie aber – aufgrund der Röhre – auch empfindlicher und etwas sensibler als ihre Transistor-Kollegen. So wie wir morgens erst einmal einen Kaffee brauchen, zeigt sich auch ein Röhrenmikro etwas unwillig, wenn es aus dem Stand direkt an die Arbeit gehen soll. Da sollte man ihnen besser ein paar Minuten Aufwärmzeit gönnen (und nach getaner Arbeit auch etwas Zeit zum Abkühlen). Auch mag es keine Erschütterungen – „Drop the Mic“ oder heftiges Reinpusten ist bei einer Röhre keine wirklich gute Idee. Ähnliches gilt für das Anschließen an ein bereits laufendes Netzteil, da eventuelle Spannungsspitzen Gift für die Röhre und die Mikrofonkapsel sein können.
Wer mehr über das Mysterium „Röhre“ erfahren möchte, dem sei unser Artikel „Alles rund um Röhrensound für Musiker und Tonstudios“ empfohlen.
Das alles gehört zum Lieferumfang des the t.bone SCT 700
Eben weil Röhrenmikrofone so empfindlich sind, kommt das SCT 700 in einem stabilem, mit viel Schaumstoff ausgekleideten Alukoffer, in dem man das gute Stück sicher transportieren und aufbewahren kann. Allerdings ohne die Zahlenschlösser des SCT 2000-Koffers, aber das ist ohnehin nur eine Spielerei. Was ebenfalls fehlt, ist die stabile Holzkiste, in der das Mikrofon liegt. Hier beim SCT 700 muss eine simple, dezent gepolsterte Tasche reichen, aber das ist völlig ok.
Ebenfalls mit dabei: Das für den Betrieb notwendige externe Netzteil aus massivem schwarzen Stahlblech samt Netzkabel (+48 V reichen hier nicht), eine stabile Spinne, ein einfacher Windschutz sowie ein Verbindungskabel Mikrofon (Buchse, XLR, 7-polig) zum Netzteil (Stecker, XLR, 7-polig), das mit seiner Länge von fast 10 m mit Sicherheit das längste Kabel ist, das ich in den letzten 25 Jahren im Testzubehör hatte. Da macht es dann auch nichts aus, dass da durch die vielen Knicke etwa 1 m wegfällt. Das reicht in jedem Fall aus, um damit auch noch im Nebenraum aufzunehmen. Und das alles ist im Preis von 179,- Euro inbegriffen. Allein das Kabel kostet einzeln bereits etwa 20,- Euro, dazu das Netzteil, der Koffer, die Spinne – da bleibt für das Mikrofon selber ja eigentlich nicht mehr so viel übrig, schon erstaunlich.
Auch etwas Papier ist schließlich noch dabei: Ein zweisprachiges Datenblatt, eine kleine Broschüre mit den Basics zu Studiomikrofonen sowie ein 14-sprachiger Zettel, der davor warnt, dass die enthaltenen Weichmacher in den Gummifüßchen des Netzteils unter Umständen dunkle Schatten auf dem Parkett hinterlassen könnten. Insgesamt also ein rundes, umfassendes Paket also.
Welchen Lieferumfang bietet das the t.bone SCT 700?
Röhrenmikrofone gehören schon bauartbedingt zu den etwas größeren und schwereren Mikrofonen – eine Röhre braucht nun mal mehr Platz als ein Transistor. So liegt das SCT 700 dann auch mit seinen 700 g Eigengewicht im guten Mittelfeld. Das zylindrische, massive Stahlgehäuse mit dem mattsilbernen Finish wirkt dann auch mit seinen 59 x 180 mm entsprechend wuchtig, ist damit aber immer noch einen Ticken kleiner und leichter als SCT-Topmodell SCT 2000 (730 g, 60 x 205 mm groß). Rein äußerlich sehen sich die beiden Mikrofone aber recht ähnlich: Stabiles Drahtgitter im oberen Bereich, das so ziemlich unkaputtbar scheint und durch das sich bei Gegenlicht die Mikrofonkapsel abzeichnet, auf dem Gehäuse darunter vorne das the t.bone-Logo plus Typenbezeichnung, auf der Rückseite groß „Pure Condenser Microphone“ und etwas kleiner darunter „Made in China“. Der Rahmen des Korbs ist hier – im Gegensatz zum abgerundeten SCT-2000-Rahmen – schnurgerade, die XLR-Pin7-Buchse endet bereits mit dem Schraubgewinde für die Spinne und ist nicht verlängert wie beim 2000er, wodurch das 700er dann auch etwas kürzer ist.
Die Mikrofonkapsel ist übrigens auch hier nicht mittig hinter dem Korb angebracht, sondern ein ganzes Stück weiter oben, teilweise noch hinter der oberen Querstrebe. Ob sich die Klangqualität verbessern ließe, wenn die Kapsel mittig und unverdeckt untergebracht wäre? Darüber ließe sich trefflich spekulieren.
Das Netzteil ist ein echter Klotz (im positiven Sinn), 1,2 kg schwer, 16,5 x 10 x 5,5 cm groß und dezent mattschwarz lackiert. Das reißt so schnell nichts vom Studiotisch. Auf der Vorderseite die beiden XLR-7-Pin-Buchsen, eine zum Mixer/Amp, die andere zum Mikrofon. Letztere ist verriegelbar, was definitiv eine gute Idee ist, hat doch so ein 10 m langes Kabel zum einen unter Umständen ein recht hohes Eigengewicht und lädt zum anderen aufgrund der Länge schon mal zum Darüber-Stolpern ein. Dazu kommt vorne noch eine kleine LED, die den Betriebszustand des Netzteils anzeigt. Auf der Rückseite dann der Anschluss für den Netzstecker, der dazugehörige (beleuchtete) Kippschalter und – durch eine transparente Abdeckung gesichert – ein Umschalter für die Spannung; 230 V sind da voreingestellt, also keine Sorge.
Bei der Wahl des Mikrofonarms sollte man unbedingt berücksichtigen, dass auch die Spinne noch einmal mit 350 g ins Spielgeschehen eingreift, macht also mit dem Mikrofon zusammen mehr als 1 kg. Eine Last, die nicht jeder Arm (ver)trägt. Die Spinne selber ist stabil, ein Standardmodell, das das Mikrofon gut hält und optisch ein wenig an die EA1 von Neumann erinnert.
Einsatz des Röhrenmikrofons the t.bone SCT 700 im Homestudio
Für den Praxistest habe ich das SCT 700 samt Spinne auf den PSA-1 Mikrofonarm von Rode befestigt (Tragkraft bis 1,1 kg), der gut damit klar kam. Das Signal des SCT lief über das mitgelieferte Netzteil weiter zu einem 802-VLZ3-Mixer von Mackie (mit neutralen Einstellungen) und dann über das MOTU M4-Interface in einen Windows 10 Rechner, wo es mit Soundforge aufgezeichnet wurde. Bei allen Aufnahmen hatte ich dem SCT 700 den beigelegten Windschutz übergestülpt. Was ich allerdings schon kurze Zeit später bereute, weil das Teil wirklich extrem unangenehme Ausdünstungen von sich gab. Die 15 Minuten Aufnahmen in unmittelbarer Nähe zu dem Windschutz wurden mit anschließenden Kopfschmerzen belohnt – und ich bin da sonst wirklich nicht empfindlich. Also: Am besten entweder ein paar Tage in den Garten legen zum Lüften oder gleich entsorgen und einen neuen kaufen.
Genug genörgelt, widmen wir uns endlich der Frage, wie das SCT 700 denn nun klingt. Dafür habe ich einige Sätze aus einer unserer News aus unterschiedlichen Entfernungen und Winkeln eingelesen und zum Vergleich „Röhre/Transistor“ auch noch ein paar Sätze mit dem Rode Broadcaster produziert. Auch, weil viele/die meisten von uns vermutlich mit einem Nicht-Röhren-Kondensatormikrofon produzieren werden und ja eventuell daran interessiert sind, was denn nun an einer Röhre anders klingt bzw. ob es denn überhaupt anders klingt.
Beim Einpegeln des the t.bone SCT 700 fiel mir direkt auf, wie gut das Mikrofon anspricht: Ich musste meinen (auf meine Rode-Mikrofone eingestellten Mixer) erheblich runterdrehen, um die Aufnahmen vom Rotlichtbezirk fernzuhalten. Starten wir mit einer Frontalaufnahme aus 20 cm Entfernung.
Hier machen sich sowohl die große Empfindlichkeit, aber vor alle auch die Richtcharakteristik Hyperniere deutlich bemerkbar: Da ist kaum Raum mit auf der Aufnahme, die angenehm ausgewogen und absolut rauscharm klingt, auch die röhrentypische Wärme ist hörbar. Die Weichheit des Sounds im oberen Bereich ist vermutlich auch gut dazu geeignet, in den Höhen leicht harsch klingende Instrumente wie z. B. eine Solo-Violine etwas einzufangen. Nur so ein Gedanke, den ich aber mangels Violine nicht belegen kann.
Zum direkten Vergleich hier eine Aufnahme mit dem Rode Broadcaster (Niere) unter denselben Voraussetzungen.
Deutlich zu hören: Da ist viel mehr Raum mit dabei, auch klingt das etwas mittiger, das Fundament fehlt ein wenig. Wie sieht das beim SCT 700 bei einer Entfernung von 10 cm aus?
Das letzte Quäntchen Raum ist nun auch verschwunden, außerdem sind die Bässe noch ein wenig mehr betont, wodurch die Aufnahme einen Hauch dumpf klingt, was aber je nach Stimme auch ganz anders klingen mag. Das „Smoothige“ im Sound ist aber erhalten geblieben. Das Broadcast scheint mir da etwas neutraler zu sein. Nicht besser, eben anders.
Hier mal eben eine Aufnahme mit dem SCT 2000 in der Einstellung „Niere“, ebenfalls aus 10 cm Entfernung:
Das geht mehr in Richtung Rode denn in Richtung SCT 700: Etwas offener und breiter, weniger Bass, etwas mehr Raum. Eine identische Hardware macht also nicht gleich automatisch auch einen identischen Sound.
Wie sieht es mit dem Nahbesprechungseffekt aus? Kommt der auch beim SCT 700 zum Tragen? Also mal noch näher ran ans Mikro, die Entfernung liegt jetzt bei 5 cm:
Je näher ich an das t.bone SCT 700 heranrücke, desto basslastiger, aber auch desto dumpfer wird der Klang. Auch der Windschutz kapituliert hier und da, da muss also auf jeden Fall dann ein richtiger Popschutz eingesetzt werden. Die Nahdistanz scheint nicht zu den Stärken des SCT 700 zu gehören, da klingt das Broadcaster schon etwas aufgeräumter:
Was dann in der absoluten Nahdistanz – also: Mund direkt an den Windschutz – noch deutlicher wird:
Da würde ich dem Broadcast dann klar den Vorzug geben, kommt hier doch der Nahbesprechungseffekt zur Geltung, ohne Raubbau bei der Klarheit und bei den Höhen zu betreiben.
Das the t.bone SCT 700 arbeitet mit der Richtcharakteristik Hyperniere (was, wie gehört, mit erfreulich wenig Raumanteil in den Aufnahmen belohnt wird), doch zeigt es sich trotzdem erstaunlich gelassen bei Aufnahmen, die nicht direkt frontal von vorne erfolgen. Hier mal zwei Aufnahmen von der Seite, einmal in einem Winkel von 45 Grad und einmal von 90 Grad (Entfernung etwa 10 cm):
Die Entfernung aus der direkten Achse hat hier in erster Linie nur eine Verminderung des Bassanteils zur Folge, klingt aber erstaunlicherweise ansonsten absolut brauchbar. Das hätte ich nun nicht erwartet. Allerdings sollte man dann hier einen besseren Popschutz installieren, da der mitgelieferte Windschutz bei Aufnahmen von der Seite noch durchlässiger zu sein scheint als sonst.
Erst bei der Besprechung von der Rückseite her wird der Sound nicht mehr sendefähig: Dumpf, viel Raum, weniger Pegel.
Zum Schluss noch eine Aufnahme mit einer Akustikgitarre. Und siehe da (oder höre da): Das SCT 700 kann auch Instrumente, das klingt doch schön differenziert und transparent.
Bei all dem sollte man aber stets daran denken, dass ein Mikrofon bei jeder Stimme und bei jedem Anwendungszweck ein wenig anders klingt. So sollte man beim Mikrofonkauf stets verschiedene Modelle antesten und schauen, welches am besten zur eigenen Stimme (oder zum Instrument) passt. Und sich nicht darauf verlassen, dass das betreffende Modell in einem Test eine gute Note bekommen hat – das ist zwar ein Anhaltspunkt, aber kein Dogma. Denn es ist durchaus möglich, dass ein Mikrofon, das bei der einen Stimme noch recht rund und weich klingt, bei einer anderen Stimme, die von Natur aus vielleicht schon etwas höhenreicher ist, wiederum recht harsch klingen mag. Das nur nebenbei, fiel mir gerade so ein.
Der Weichmacherhinweis ist auf jeden Fall ernstzunehmen. Ich habe mir mal durch achtloses Liegenlassen eines Seitenschneiders (Markenware Xcelite/Weller) innerhalb weniger Tage ein richtiges Loch in den Lack auf dem Holzbrett der Harfe eines Rhodes Piano „gebrannt“.
ich denke eine nicht bzw. nur mit erheblichem Aufwand wechselbare Röhre sollte doch einen Minus-Punkt wert sein:)