Ein weißer Vogel zum Verlieben
Das amerikanische Unternehmen Gretsch zählt ohne Zweifel zu den bekanntesten und erfolgreichsten Instrumentenherstellern weltweit. Dieser Erfolg beruht allerdings nicht nur auf der Kreation von innovativen Gitarrenmodellen, sondern mindestens genauso auf dem Entwickeln von Schlagzeugen. Eine kleine gitarrenbezogene Randnote: Die erste Gretsch Schlagzeugserie hatte den Namen „Broadcaster“. Das führte dazu, dass Leo Fender den Namen seiner ersten Solidbody-E-Gitarre in von „Broadcaster“ in „Telecaster“ änderte. Im Jahre 1939 erschien das erste Gretsch Gitarrenmodell, die „Electromatic Line“. Leider war es nicht sehr erfolgreich, so dass man noch im selben Jahr ein Nachfolgemodell, die „Synchromatic Line“, herausbrachte. Dieses Instrument in Archtop-Ausführung war dann wesentlich populärer und legte den Grundstein für den weiteren Erfolg der Gretsch Gitarren.
Der damals sehr bekannte Country-Musiker Chet Atkins sorgte in den 60er-Jahren dafür, dass Gretsch Gitarren immer populärer wurden – er war quasi der erste Endorser der Firma und bekam einige Modelle auf den Leib geschneidert. Außerdem griffen viele Rock ’n‘ Roll und Rockabilly Musiker zu diesen Instrumenten (u. a. Eddie Cochran, Cliff Gallup, Gene Vincent und…ELVIS PRESLEY). In der „Ed Sullivan Show“ Mitte der 60er-Jahre spielte George Harrison eine Gretsch „Country Gentleman“ – danach stiegen die Verkaufszahlen in die Höhe. Den werbetechnischen Clou gab es allerdings im Jahr 1966: Die Popgruppe „The Monkees“ hatte eine wöchentliche Fernsehshow und wurde komplett mit Gretsch Instrumenten.
Bis heute sind Gitarren von Gretsch sehr populär und werden immer wieder von Musikern verschiedenster Genres eingesetzt. Heute haben wir hier im Test eines der wohl populärsten Gretsch Gitarrenmodelle: die Gretsch G6136T White Falcon.
Gretsch G6136T White Falcon – Facts + Features
Ich öffne den stabilen Formkoffer und schmelze dahin: Da liegt sie in lila Flausch gebettet wie ein weißer Unschuldsengel – doch Obacht, es handelt sich hier um einen „Weißen Falken“ und das ist schließlich ein Raubvogel! Federn hat die Schönheit nicht, dafür wurde ihr eine Menge Güldenes angedeiht. Es glänzt und glitzert ganz ordentlich und man muss sich fragen: War früher wirklich mehr Lametta?
Aber Spaß und Ehrfurcht beiseite und ran an den Test!
Der Korpus des in Japan hergestellten Instruments besteht aus 3-lagig laminiertem Ahorn und ist in der „Hollowbody“-Bauform gefertigt. Wie bereits im Produkttitel ersichtlich, haben wir es mit einer Gitarre aus der sog. „Players Serie“ zu tun. Das bedeutet, dass der Korpus im Vergleich zur „Ur-Falcon“ schmaler ist und die Korpustiefe verringert wurde. Dadurch liegt das Instrument besser am Körper und es ist unempfindlicher gegen Feedbacks bei höheren Lautstärken. Korpus, Halsrückseite und die Kopfplatte wurden mit weißem Polyurethan-Lack glänzend lackiert und sind mit einer Kombination aus 2-fach (schwarz-weiß) und „Gold Sparkle“-Binding eingefasst. Diese Arbeiten sind mit höchster Sorgfalt ausgeführt worden – auch in dieser Preisklasse leider nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Im Korpus sind, typisch für ein Hollowbody-Instrument, zwei Aussparungen in Form von „F-Löchern“, deren Ränder sind ebenfalls mit dem bereits erwähnten Binding versehen.
Ahornhals mit Walnuss-Streifen
Der eingeleimte Hals der Gretsch G6136T White Falcon ist ebenfalls aus Ahorn gefertigt und hat einen eingelegten Walnussbaum-Streifen – die Mensur gleicht mit 648 mm der einer Stratocaster. Das Griffbrett besteht aus Ebenholz und hat am oberen Rand recht originelle „Neo Classic Thumbnail“-Griffbretteinlagen, die zur Orientierung dienen sollen. Die 22 Medium-Bünde wurden sauber eingesetzt, vorbildlich abgerichtet und poliert. Am Übergang zur Kopfplatte finden wir einen „Tusq XL“-Sattel von Graphtech, die Sattelbreite wird vom Hersteller mit 42,62 mm angegeben.
Direkt darüber befindet sich auf der Kopfplatte eine recht große, im „Gold Sparkle“-Finish gehaltene Abdeckplatte aus Kunststoff, hinter der sich der Zugang zum Hals-Einstellstab befindet. Das bedeutet natürlich ein bisschen Fummelei beim Einstellen der Halsneigung, aber so ist das nun mal bei einem Instrument klassischer Bauart. Des Weiteren prangt auf der Kopfplatte ein großer „Gretsch“-Schriftzug sowie zwei stilisierte Flügel – ob die wohl an den Falken erinnern sollen?
Auf der Rückseite befinden sich die vergoldeten Grover Mechaniken mit sog. „Stair Step“-Knöpfen. Vergoldet ist im Übrigen auch die gesamte restliche Hardware der Gretsch G6136T White Falcon und glitzert damit mit dem „Gold Sparkle“-Finish um die Wette.
Bigsby Tremolo und Filter’Tron Pickups
Zur Verstärkung des Gitarrentons wurden dem Instrument zwei Gretsch „Filter’Tron“-Humbucker spendiert – in Neck- bzw. Bridge-Ausführung. Diese Pickups weisen jeweils 12 voneinander unabhängig einstellbare Polschrauben auf – da steht der individuellen Soundfindung nichts im Wege. Unterhalb der Pickups ist das ebenfalls goldfarbene Schlagbrett aus Plexiglas angebracht, auf dem ein stilisierter Falke und ein weiterer “Gretsch“-Schriftzug prangt – spätestens jetzt weiß jeder, um welches Raubtier es sich hier handelt! Positiv zu erwähnen ist, dass das Schlagbrett bombenfest angeschraubt wurde und nicht, wie bei einigen anderen Gitarrenmodellen, mehr oder weniger locker vor sich hinschlackert. Auf dieses Schlagbrett kann man wirklich „schlagen“, ohne Angst zu haben, es beim nächsten Akkord abzureißen! Geschaltet und geregelt werden die beiden Tonabnehmer mit einem 3-fachen Toggle-Switch sowie jeweils einem Volume- und Tone-Regler pro Pickup. Diese, als „Jewelled G-Arrow knobs“ bezeichneten Regler, weisen ein weiteres stylisches Schmankerl auf – ebenfalls vergoldet, ist neben einem eingravierten „G“ (für Gretsch) und einem weißen Perlmuttknopf, ein kleiner roter (echter???) Edelstein eingearbeitet worden. Edel as edel can!
Die Saiten werden über den sog. „Rocking Bar“-Steg, der auf einem Stück Ebenholz angebracht ist, zum Bigsby B6 Vibratosystem geführt. Dieses Teil ist schon ein Schmuckstück und eine Augenweide für sich. Natürlich lassen sich mit diesem System keine Van Halen/Vai-mäßigen Whammy-Bar Orgien feiern, aber dafür ist es auch nicht gedacht. Sein Einsatzgebiet sind eher die leichten bis mittleren Modulationen der Saitenspannung – vor allem bei Akkorden. Dafür eignet sich das Bigsby B6 hervorragend und erweist sich während der ganzen Testphase als überragend stimmstabil.
Die Gretsch G6136T White Falcon in der Praxis
Mit ihren 3,2 kg Gewicht ist die Gitarre relativ leicht und hängt dementsprechend angenehm am Körper. Durch die gut ausbalancierte Hardware ist von Kopflastigkeit etc. nichts zu spüren. Der Hals lässt sich bis in die höheren Lagen komfortabel bespielen, das durch die lackierte Halsrückseite mögliche „Klebenbleiben“ hält sich in Grenzen bzw. ist kaum wahrnehmbar. Dazu muss man auch sagen, dass die Gretsch G6136T White Falcon nun mal keine Metal-Shredder-Gitarre ist, wer so etwas sucht, ist hier an der falschen Adresse, vor allem soundmäßig. Aber dennoch steht das Instrument virtuosem Spiel nicht im Wege.
Der akustische, unverstärkte Klang der Gitarre ist aufgrund der Hollowbody-Bauweise präsent und durchsetzungsfähig, mit einer leichten Betonung im Mittenbereich. Schön perkussiv und mit viel Attack klingen Riffs und Single-Notes.
Bei den cleanen Sounds merkt man, wie gut die Pickups aufeinander abgestimmt sind und den akustischen Grundsound des Instruments übertragen: In allen drei Positionen (bridge – both – neck) klingen zerlegte Akkorde perlig und klar, Akkordriffs profitieren vom perkussiv-holzigen Timbre der White Falcon. Dabei ist das Klangbild stets ausgewogen, schrille Höhen, aufdringliche Mitten oder mumpfige Bässe sucht man vergebens.
Diese positiven Eigenschaften spiegeln sich auch bei den verzerrten Klängen wider. Ich habe dabei bewusst keinen High-Gain-Sound gewählt, weil das meiner bescheidenen Meinung nach nicht das primäre Einsatzgebiet der Gretsch G6136T White Falcon ist. Verzerrte Medium-Gain Akkordriffs tönen schön präsent und aufgelöst aus dem Speaker, bei Sololinien unterstützt das gute Sustain der Gitarre rockig-bluesiges Spiel. Bei beiden „Spielarten“ (Rhythmus/Solo) kommt auch im verzerrten Modus der akustische Klang des Instruments sehr gut zum Vorschein und prägt das Gesamtbild.
Zur White Falcon fällt mir vor allem Billy Duffy von The Cult ein. Schöne Klangbeispiele, erhabener Sound. Liegt leider etwa 13,67 € über meinem Budget.
Meine Billigheimer-Gretsch tut es aber auch.
…jo genau Billy Duffy…
die Gitarre ist wirklich wunderschön..und teuer, ich hab mir die Version für arme gekauft, die Ibanez AF75 in weiss…natürlich kein wirklicher Vergleich.
Sehr schöner Test. Ich liebe Gretsch-Gitarren. Bis heute warte ich allerdings auf die Neuauflage einer G7594 White Falcon II. Das wäre ein Traum.