Bluesiger kleiner Schwede
Der schwedische Hersteller Hagstrom wird nicht müde, die Instrumentenpalette kontinuierlich zu erweitern. So ist seit einiger Zeit auch eine etwas kleinere Semiakustik namens Alvar im Programm. Dieser Name stammt aus der norwegischen Mythologie. Man sagt dem gleichnamigen Elfenkrieger nach, er sei ein guter und zuverlässiger Freund gewesen. Gerade dies wünschen wir Gitarristen uns natürlich. Die Semiakustik Alvar stammt aus Hagstroms Viking-Familie und wurde gleichfalls mit Ausstattungsmerkmalen der größeren Schwester versehen. Der Korpus ist vergleichsweise etwas kleiner als beispielsweise der einer Gibson 335 und ähnelt in der Form eher dem Modell ES 339. Der kleine Halbresonanzkorpus wurde mit einem durchgehenden Sustain-Block bestückt, was die Gitarre relativ unempfindlich gegenüber Feedback macht. Somit ist sie auch eine Kandidatin für eine Bühne, auf der es laut zugeht. Die rote bzw. transparente Lackierung sieht angenehm klassisch aus, das Instrument wäre alternativ auch in Schwarz oder Swedish Frost Gloss zu erstehen. Schauen wir nun etwas genauer hin.
Hagstrom Alvar – Facts & Features
Die Alvar wird in einem festen Karton ausgeliefert, auf ein Gigbag, geschweige denn Koffer müssen wir verzichten. Im Lieferumfang befindet sich lediglich ein Inbusschlüssel für die Halsjustage für den Fall, dass einmal verschiede Saitenstärken verwendet würden. Die Gitarre wurde ab Werk mit einem Satz .010-er Saiten (D’Addario EXP 110 .010 – .046) bestückt. Das Instrument bringt ca. 3,3 kg auf die Waage und bewegt sich damit noch in einem angenehm rückenfreundlichen Rahmen.
Die elektrische Ausstattung entspricht einem weitverbreiteten Standard. Ein Anzapfen der Humbucker (Coi-Split) oder ähnliche „hidden features“ sucht man vergebens. Wird der Volume-Regler zurückgedreht, bleiben die Höhen dank der von Hagstrom „R/C“ genannten Schaltung erhalten. Ich persönlich bin großer Freund des sogenannten Treble-Bleeds, der in quasi allen meinen Gitarren verbaut ist. Die Treble-Bleed-Schaltung in eine semiakustische Gitarre (Potis durch die f-Löcher herausfriemeln und mit Kondensator und Widerstand zu versehen) nachträglich einzubauen, ist verhältnismäßig aufwändig, schön, dass man hier rechtzeitig mitgedacht hat.
Die rote Schwedin besitzt einen kleinen Halbresonanzkorpus mit durchgehendem Sustainblock und ist dadurch bedeuten unempfindlicher gegenüber Feedback als eine halbakustische Gitarre ohne Sustainblock. Das Instrument wurde mit einer transparenten Lackierung versehen, man kann also noch die Maserung des Holzes sehen. Aufgrund dessen achten die Hersteller meist darauf, Tonholz mit einer schöneren Maserung zu wählen. Ist eine Gitarre vollständig deckend lackiert, bleibt Spielraum, in Sachen Qualität sich eher in den „unteren Schubladen“ zu bedienen.
Korpus
Decke, Boden und Zarge wurden aus laminiertem Ahorn hergestellt. Die Decke ist leicht gewölbt. Ein mehrlagiges cremefarbenes Binding umrahmt den Korpus, wie es sich bei einer Semiakustik gehört. Auch die Innenkanten beider f-Löcher wurden cremefarben lackiert. Das schwarze Schlagbrett besitzt eine recht individuelle Form, die gut mit dem Instrument harmoniert. Die Lackierung und Verarbeitung der Alvar ist absolut perfekt, auch bei genauem Hinsehen ist nichts zu bemängeln.
Hals
Der eingeleimte Hals besteht aus kanadischem Ahorn, auf den ein Griffbrett aus sogenanntem Resinator Wood geleimt wurde. Dieser ist ein Verbundstoff aus Holz, der laut Hersteller in seiner tonalen Eigenschaft hochwertigem Ebenholz gleichkommt und dabei stabiler als jedes andere Holzprodukt sein soll. In Kombination mit dem Hagstrom H-Expander Halsstab soll dieses Material laut Angaben des Herstellers den charakteristischen Hagstrom-Sound mitbestimmen. Die Mensur von 628 mm (24,75″) ist dieselbe wie bei einer gewöhnlichen Gibson Gitarre, auch die Sattelbreite von 43 mm macht da keine Ausnahme. Für eine bessere Stimmstabilität kommt ein schwarzer Graph Tech Black Tusq Xl Sattel zum Einsatz. Auch der Hals wurde perfekt verarbeitet. Die 22 Bünde sind recht hoch und fett. Diese wurden absolut perfekt in das Griffbrett eingelassen und anschließend einwandfrei weiterverarbeitet, also entgratet, abgerichtet und poliert. Der Griffbrettradius von 15″ begünstigt vor allem ein leichtes Stringbending. Natürlich besitzt die abgewinkelte Kopfplatte die firmentypischen Umrisse, auch eine „Hagstrom-Lilie“ ist auf dem Kopf zu finden.
An den üblichen Koordinaten wurden Blockeinlagen in das Griffbrett eingelassen und entsprechend kleine schwarze Punkte an der Griffbrettkante in einem cremefarbenen Binding platziert. Im 12. Bund wurden zwecks einer guten Übersicht zwei schmalere Block-Inlays eingelassen. Die Bundierung ist tadellos vorgenommen worden. Scharfe Stellen, Grate etc. sind nicht zu finden, auch das Polieren erfolgte sehr sauber, sodass sich der Hals perfekt anfühlt. Die Rückseite des Halses erhielt dieselbe Farbgebung wie der Korpus.
Elektrik und Hardware
Die Gitarre wurde mit zwei HJ50-Alnico 5-Humbucker-Tonabnehmern bestückt. Diese kennt man bereits aus der bekannten Wiking-Serie. Der Stegtonabnehmer ist mit seinen 8,1 Kiloohm etwas „heißer“ gewickelt als der Halstonabnehmer, der 7,2 Kiloohm Widerstand besitzt.
Wie man es von zahlreichen halbakustischen Gitarren kennt, besitzt auch bei der Alvar jeder Tonabnehmer jeweils einen Volume- und Tone-Regler. Ein 3-Wege-Schalter (Toggle-Switch) übernimmt die Anwahl der Tonabnehmer. Dieser wurde aber am linken (oberen) Cutaway angebracht. Die Ausgangsbuchse sitzt an der Zarge in einer ovalen, verchromten Platte.
Die Hagstrom Design Mechaniken (Stimmflügel im Art Déco Design) sprechen wunderbar an, sitzen straff, ermöglichen ein präzises Stimmen und machen auch optisch etwas her. Das gilt auch für den „Long Travel“ Tune-O-Matic Steg und das schön geformte „Trapez Tailpiece“, das optisch wunderbar mit dem Design des Instruments harmoniert. Beim Aufziehen der Saiten werden diese mit dem Ball-End im Trapez-Saitenhalter eingehängt und über die Brücke an die Mechaniken geführt.
Handling
Leider wurde das Instrument in Sachen Werkseinstellung vernachlässigt. Das scheint mittlerweile leider die Regel und nicht die Ausnahme zu sein, da meine Autoren-Kollegen und ich dies in großer Regelmäßigkeit immer wieder erwähnen bzw. bemängeln müssen.
Die Gitarre ist aufgrund des kleineren Korpus und natürlich auch der halbakustischen Bauweise angenehm leicht (3,1 kg). Die Bespielbarkeit war erst nach dem Nachbessern der Saitenlage (durch Drehen der Rändelschrauben des Steges) wirklich komfortabel.
Der Hals liegt angenehm in den Händen, ist weder ein flaches Flitzehälschen noch ein „dicker Prügel“. Eine passende Kategorie wäre nach meinem Empfinden beispielsweise ein „flaches D“. Die Halsrückseite ist glänzend lackiert, dennoch hat man beim Lagenwechsel nicht das Gefühl, am Lack „kleben zu bleiben“.
Die fetten und hohen Bünde begünstigen ein leichtes Greifen und auch das Stringbending. Durch den verhältnismäßig leichten Korpus neigt die Alvar jedoch zu Kopflastigkeit. Diese ist zwar nicht stark ausgeprägt, aber nicht zu ignorieren. Durch die Wahl eines breiten Gurts könnte man dieser Problematik Linderung bzw. Abhilfe verschaffen.
Hagstrom Alvar – Sound
Die Alvar klingt bereits akustisch angespielt recht laut und spricht direkt an. Dann am Verstärker angeschlossen, erledigen die HJ50-Alnico-5-Humbucker, die auch in den Viking-Modellen verbaut sind, ihren Job sehr ordentlich, ohne durch irgendwelche außergewöhnlichen Auffälligkeiten wie eine Überbetonung gewisser Frequenzen etc. herauszustechen. Der Sound der Tonabnehmer ist weitestgehend mit einem Gibson P.A.F. zu vergleichen. Die Pickups besitzen eher moderaten Output und erzeugen einen klassischen „vintage-orientierten“ Sound.
Der Grundsound der Hagstrom Alvar lässt sich aufgrund des kleineren Korpus zwischen einer Les Paul Style Gitarre und einer ES335 einordnen. Das Instrument entwickelt ein gutes Sustain und reichlich Mitten, um sich gut durchzusetzen.
Wird der Volume-Regler zurückgedreht, bleiben die Höhen dank der von Hagstrom als „R/C“ bezeichneten Schaltung (letztendlich ein gewöhnlicher Treble-Bleed) erfreulicherweise erhalten. Hören wir nun zunächst die klaren Sounds und beginnen mit dem Halstonabnehmer, der sich wunderbar für Blues, Jazz und Pop eignet:
In der Parallelschaltung beider Tonabnehmer (mittlere Stellung des Toggle-Switches) erhalten wir einen „frechen“ Sound, der etwas „ausgehöhlt“ klingt und für Rockabilly oder auch klare funky Rhythmusgitarrenriffs etc. prädestiniert ist. Auch hier ist die semiakustische Bauweise klar herauszuhören:
Auch der Stegtonabnehmer macht einen überzeugenden, lebendigen Eindruck und setzt sich gut durch:
Nun hören wir den verzerrten Kanal meines Peavey Classic Miniheads. Der Gain-Regler steht etwa auf 12 h, die Verzerrung hält sich also noch in einem moderaten Rahmen, trotzdem ist der Sound kräftig, fest und vielseitig einsetzbar:
Der Halstonabnehmer liefert verzerrt einen schön cremigen bluesigen Ton, der von Blues bis Rock alles abdeckt, eine gute Saitentrennung besitzt und nicht unkonkret oder matschig wird:
Die Semiakustik-Bauweise ist in den Klangbeispielen eindeutlich wahrzunehmen. Die Mitten werden aufgrund dessen ein wenig mehr in den Vordergrund gerückt. Der Sound ist recht „vintagemäßig“ bzw. klassisch. Die kleine Alvar wird sicherlich für Blues- und Jazz-Gitarristen interessant sein, die ein klanglich flexibles Instrument bei leichtem Gewicht bevorzugen.
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Hagstrom Alvar – Peavey Classic 20 MH – MESA/Boogie 1 x 12″ Thiele Box mit Creamback Celestion Lautsprecher – Shure SM57 – Apogee Duett – Mac mit Logic (etwas Hall bzw. Delay hinzugefügt).