Frisch von der NAMM - die Ibanez PWM!
Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte ich das Signature-Instrument des Between the Buried and Me Gitarristen Dustie Waring in den Händen. Das Urteil damals fiel eindeutig aus: eine erstklassige E-Gitarre aus dem Hause PRS, basierend auf dem Erfolgsmodell Classic Electric24 der Truppe aus Stevensville. Nun ist es aber so, dass Dustie Waring nicht der einzige Gitarrist der US-Band ist, neben ihm sorgt Paul Waggoner für den charakteristischen Sound des Metal-Quintetts. Ihn haben die Japaner von Ibanez unter Vertrag genommen und ein Instrument nach seinen Vorgaben erschaffen, das auf den Namen Ibanez PWM20 getauft wurde und nun bei uns zum Test eingetroffen ist. Muss Paul nun neidisch zu Dustie rüberschauen oder kann man mit der PWM20 auch ordentlich abrocken? Der Test wird es zeigen!
Ibanez PWM20 – Facts & Features
Die Ibanez PWM20 basiert auf der S-Serie aus dem Hause Ibanez. Jene Serie also, die stets im Schatten der berühmten Brüdern und Schwestern der RG-Baureihe ihr Dasein fristet. Dabei sind auch die S-Klasse-Gitarren von Ibanez hervorragende Instrumente, die in Sachen Bespielbarkeit, Ergonomie und Klangvielfalt denen der RG-Serie in kaum etwas nachstehen und in vielen unterschiedlichen Variationen bezüglich Tonholz und der verbauten Elektronik zu bekommen sind. Der Korpus der Paul Waggoner Signature besteht aus offenporiger Esche, die mit einer nur ganz dünnen weißen Lackschicht überzogen wurde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich an diesem Design die Geschmäcker in zwei Lager teilen werden: Auf den einen dürfte dieses Finish wie eine Tischplatte aus dem Shop von IKEA wirken, der andere hingegen könnte an der strukturierten Oberfläche durchaus Gefallen finden. Alternativen zur Optik gibt es nicht, denn die PWM20 ist ausschließlich in diesem Design erhältlich.
Neue Ibanez Gitarre NAMM 2021 – der Wizard III Hals
Für den Hals gibt es für den Metaller ohnehin keine Alternativen, auch bei dieser Ibanez erwartet uns wieder der berühmt-berüchtigte Wizard-Neck mit seinem extrem flachen Profil, hier verstärkt durch einen Streifen Bubinga in der Mitte des Halses, der aus Ahorn gefertigt wurde und ein Griffbrett aus Palisander trägt. Eingesetzt wurden 24 Bünde im Jumbo-Format, die an ihren Ecken sauber abgerichtet und deren Oberflächen sorgfältig poliert wurden. Folgen wir dem Verlauf der Saiten weiter nach oben, so sehen wir dort eine Kopfplatte im „Matched“ Design, jedoch wurde an dieser Stelle nur ein dünnes Furnier aus Esche aufgeleimt, das die Optik des Korpus spiegelt. Dort oben sitzen natürlich auch die Mechaniken, die aus eigenem Hause stammen und einen soliden Job verrichten. Ich habe im Zuge des Tests die Verriegelung des Klemmsattels gelöst, um mich von deren guter Qualität zu überzeugen. Zwingend notwendig für eine einwandfreie Stimmstabilität sind solche guten Mechaniken bei einem verbauten Floyd-Rose-Type Vibrato zwar nicht, schaden kann es aber auch nicht und bei einem Preis von immerhin rund 1400,- Euro für das Instrument kann man ja durchaus etwas Luxus erwarten.
Edge-Zero Vibrato mit Stimmproblemen
An den Mechaniken kann es also kaum liegen, dass die Gitarre an massiven Stimmproblemen leidet. Ehrlich gesagt ist es mir schleierhaft, warum das Edge-Zero II auf der PWM20 mit dieser Unart auffällt, denn dieses System gilt als eines der zuverlässigsten am Markt. Fakt ist aber, dass selbst leichte Bewegungen mit dem Vibratohebel mit Verstimmungen quittiert werden. Abhilfe schafft nur ein ruckartiges Zurückziehen des Hebels, um die Stimmung wieder einigermaßen ins Lot zu bringen. Bei einer Gitarre zu einem Drittel des Preises und mit einem Fernost-Floyd-Rose auf der Decke ist dieses Problem kein seltenes, aber wie bereits erwähnt, haben wir es hier mit einem Instrument zu tun, dass die 1000-Euro-Marke deutlich überschreitet und da darf so etwas meiner Meinung nach einfach nicht vorkommen.
Möglich, dass vielleicht beim Einstellen unserer Testgitarre im Werk oder aber beim Händler die Messerkanten des Vibratoblocks beschädigt wurden oder die Gängigkeit des Systems durch andere Einflüsse behindert wird. Hier sollte man also beim Kauf genau drauf achten und gegebenenfalls ein anderes Modell der Serie auf diese Unart prüfen. Denn was nutzt ein Vibrato, wenn man permanent mit dem Nachstimmen beschäftigt ist? Um das Problem zu verdeutlichen, habe ich in den Klangbeispielen einen eigenen Track („Vibrato Bug“) dazu erstellt, in dem man das Problem genau hören kann. Da fällt der geschraubte Vibratohebel schon kaum noch ins Gewicht.
Die Ibanez Pickups – Mojotone PW Hornet
Wie sein Bandkollege Dustie Waring mit seiner PRS schwört wohl auch Paul Waggoner auf Tonabnehmer aus dem Hause Mojotone. Auf der PWM20 befinden sich zwei Humbucker des US-Herstellers in Steg- und Halsposition, die auf die Bedürfnisse von Mr. Waggoner zugeschnitten wurden. Geschaltet bzw. geregelt wird über einen Dreiwegeschalter und einen Volume-Regler, auf ein Tone-Poti wurde gänzlich verzichtet. Dafür aber sitzt ein kleiner Minischalter in der Decke, der ein Coil-Splitting ermöglicht und somit den Klangumfang deutlich erweitert. Sämtliche Bedienelemente hinterlassen einen soliden Eindruck, nichts wackelt oder weist auch nur einen Hauch von Spiel auf. Schön wäre es jedoch, wenn das Volume-Poti etwas leichtgängiger arbeiten würde, um Volume-Swells leichter von der Hand gehen zu lassen.
Das ist der Sound der Ibanez PWM20
Akustischer Grundsound/Handling
Der akustische Grundsound der Esche-Ahorn-Konstruktion bietet keine besonderen Merkmale. Die Gitarre klingt trocken relativ ausgewogen mit einer leichten Betonung des Höhenspektrums, das Sustain bewegt sich in soliden Grenzen. Dafür ist das Attack, also die Anschlagsdynamik, sehr gut ausgefallen: Jede noch so leicht angepickte Saite wird sofort in einen Ton umgesetzt und das ist ja im Prinzip genau das, was Metal-Gitarristen für moderne Spieltechniken benötigen bzw. lieben. Die Bespielbarkeit ab Werk geht in Ordnung – wenn man denn auf den extrem flachen Radius der Wizard-Hälse steht. Mir fällt es zugegebenermaßen etwas schwer, bin ich doch „mehr Fleisch“ an den Hälsen meiner Instrumente gewöhnt. Aber das ist letztendlich Geschmackssache und soll hier auf die Wertung keinen Einfluss nehmen.
Elektrischer Sound
So wie die Mojotone-Pickups an der PRS von Dustie Waring überzeugen, so können auch die beiden Signature-Pickups von Paul Waggoner sehr gefallen. Sie verfügen ebenso über einen hohen Output, sind extrem differenziert bei hoher Verzerrung und gefallen durch sehr niedrige Nebengeräusche. Wie die Tomahawks von DW büßen auch die Mojotone Hornets kaum Verluste bei Zurücknahme des Volume-Potis ein, was zusammen mit der Singlecoil-Option eine enorm breite Soundvielfalt ermöglicht. Einzig und allein im Höhenbereich könnten sie etwas ausgeprägter sein, dafür bilden sie aber ein feines Mittenspektrum ab, was für einen Metal-Gitarristen ohnehin viel wichtiger als kristallklare Cleansounds sein dürfte. Hier geht es viel mehr um ein echtes Brett für Metalcore und dafür sind die Mojotone Hornets perfekt geeignet und eine mehr als würdige Alternative zu den üblicherweise verwendeten DiMarzios auf den Gitarren von Ibanez.
Ibanez PWM20 Klangbeispiele
Für die Klangbeispiele habe ich die Ibanez PWM20 zusammen mit einem Mesa/Boogie Studio 22+ Combo eingesetzt. Vor dem Combo wurde ein AKG C3000 Mikrofon in Stellung gebracht, ehe das Signal in Logic Audio ohne weitere Effekte aufgezeichnet wurde. Im ersten Beispiel ist gleich der Bug mit dem Edge II Vibrato zu hören. Hoffentlich nur ein Einzelfall bzw. ein Problem unseres Testinstruments.