ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Test: Ibanez TM1730M-VWH Talman, E-Gitarre

Stratkiller?!

4. Juli 2017

Moment mal … Ibanez Talman – war da nicht mal was? Genau, die Leser älteren Semesters unter uns werden sich sicher noch an die ersten Gitarren der Talman-Serie erinnern, die der japanische Hersteller Mitte der 90er Jahre präsentierte. Vorbild für diese optisch aus der Reihe fallenden Instrumente waren damals die frühen Modelle von Danelectro, bei denen Masonit anstelle von herkömmlichem Tonholz für den Korpus verwendet wurde. Auch bei den frühen Ibanez Talman Modellen benutzte man diesen Werkstoff, der aus kleinen, geschälten Holzschnitzeln besteht und unter großem Druck zur gewünschten Form gepresst wird. Später setzte man aber auch hier wieder auf die konventionelle Bauart, in der zumeist Esche als Tonholz für den Korpus Verwendung fand.

ANZEIGE

Im Jahre 1998 endete die Produktion der Talman Baureihe auch schon wieder, zumindest die der elektrischen Modelle. Ibanez ließ jedoch den Namen in einer Serie von Akustikgitarren weiter leben, bis es Ende November 2015 zu einer Wiederauflage der elektrischen Talman-Gitarren kam. Wie meistens bei Ibanez in zwei verschiedenen Preisstufen, so gibt es die Talman aus chinesischer Produktion oder aus japanischer, unter dem Label „Prestige“, was sozusagen die Oberklasse darstellt. Für einen Test haben wir uns das japanische Modell organisiert, dessen offizielle Bezeichnung Ibanez TM1730M-VWH Talman lautet.

Facts & Features

Die Optik zur Fender Stratocaster kann unsere Ibanez TM1730M-VWH Talman nicht ganz leugnen, die Form des Korpus und die drei Singlecoils auf dem weißen Schlagbrett montiert weckt unweigerlich Assoziationen zu Fenders Evergreen. Auch bei den Hölzern setzt man auf knackig-spritzige Komponenten, so wurde Erle für den Korpus verwendet und zusammen mit einem Hals aus Ahorn verschraubt. Ein Pluspunkt ist das erfreulich niedrige Gewicht der Gitarre, hier hat man wohl beim Hersteller auf gut abgelagertes Material zurückgegriffen. Die perfekt aufgetragene, hoch deckende Lackierung des Korpus erlaubt allerdings keine Rückschlüsse darüber, wie viele Teile Holz hier verwendet wurden. Der Hals präsentiert sich jedoch eindeutig als einteilig und besitzt auf seiner Rückseite den klassischen „Skunk Stripe“, mit dem die Öffnung für den Halseinstellstab nach dessen Einsetzen verschlossen wurde.

Die Farbe unserer Ibanez TM1730M-VWH nennt sich übrigens „Vintage White“, wie es die Produktbezeichnung schon erahnen lässt. Erhältlich ist die Prestige-Talman außerdem noch in einem klassischen Sunburst-Finish, dann aber auch mit etwas geänderter Hardware, anderen Pickups und zudem noch 50,- Euro günstiger.

— Die Talman Prestige im Tri-Burst-Finish —

-- One Piece Maple Neck mit Skunk Stripe --

— Griffiger One Piece Maple Neck mit Skunk Stripe —

Hals und Kopfplatte der Ibanez TM1730M-VWH Talman

Die Verarbeitung der 21 Bünde und des schlanken, nur 41 mm breiten Knochensattels auf dem Ahorngriffbrett entspricht den Erwartungen an ein Instrument der Prestige Baureihe von Ibanez vollends. Nichts steht über oder ist scharfkantig und durch die nur satinierte Halsrückseite und das angenehm flache Halsprofil fühlt man sich vom ersten Augenblick an pudelwohl bei der Arbeit.

— Headstock der Ibanez TM1730M-VWH Talman mit den Gotoh Klemmmechaniken —

Die Kopfplatte ist Teil des einteiligen Ahornhalses und wurde entsprechend naturbelassen. Sie passt mit ihrer zierlichen Form optisch sehr gut zum vintagelastigen Gesamtkonzept der Gitarre und trägt die sechs verchromten Klemmmechaniken, die von Gotoh stammen und an deren Funktion es nichts zu bemängeln gibt. Zumindest nicht beim Stimmen, beim Halten der Stimmung sind auch sie schnell überfordert, wenn es zum Einsatz des auf der Decke montierten Vintage-Vibratos kommt. Das war zu befürchten.

Das Vintage Vibrato ITL-PRO

Ibanez nennt dieses Vintage-Vibrato, dessen Grundplatte wie bei der guten alten Strat mittels sechs Schrauben auf die Decke geschraubt wurde, ITL-PRO. Ab Werk ist das System so eingestellt, dass nur Downbendings möglich sind. Das ist auch ganz gut so, denn schon bei nur wenig Einsatz ist die Stimmung bereits futsch, so viel kann vorab schon mal verraten werden. Da helfen auch keine Qualitätsklemmmechaniken oder ein noch so gut gefeilter Knochensattel.

So eingestellt ist ein Vibrato natürlich nur die Hälfte wert, von einem frei schwebenden System ist bei diesen Voraussetzungen vollkommen abzuraten. Dann ärgert man sich auch nicht allzu sehr über den Vibratohebel, der zu locker eingeschraubt ein deutliches Spiel besitzt und zu fest eingedreht der rechten Hand nach Benutzung im Wege steht.

ANZEIGE

Also alles wie immer bei diesem Typ Vibrato. Eigentlich schade, denn hier besitzt Ibanez deutlich bessere Alternativen im Programm, die nicht zwingend auf Basis des Floyd Rose Systems konstruiert wurden und somit ohne zusätzlichen Ballast auskommen. Aber das ginge natürlich auf Kosten der charmanten Vintage-Optik, die die Ibanez TM1730M-VWH Talman zweifellos besitzt!

Pickups & Elektronik der Ibanez TM1730M-VWH Talman

Kaum zu glauben, bislang galten Pickups von DiMarzio zur Grundausstattung jeder hochwertigeren Ibanez, die beiden Hersteller bilden ja bekanntermaßen schon seit Jahrzehnten ein „Dream-Team“. Doch bei der Ibanez TM1730M-VWH Talman ist das anders: Hier haben sich tatsächlich Pickups von einem der ärgsten Konkurrenten auf dem Markt der Tonabnehmer in das dreischichtige Pickguard verirrt. Drei Singlecoil-Pickups von Seymour Duncan sorgen für die elektrische Abnahme. Und es sind dreimal die gleichen Typen, die jedoch speziell für ihre Einbauposition entwickelt wurden und die Bezeichnung Five-Two tragen. Die Anwahl erfolgt über einen knackig einrastenden Fünfwegeschalter, der folgende Schaltungsmöglichkeiten erlaubt:

Je ein Volume- und ein Tonepoti bilden den Abschluss der elektrischen Schaltung. Richtig Mühe hat man sich bei der Platzierung des Tonepotis gegeben, das zusammen mit der Klinkenbuchse auf einer separaten Chromblende sitzt. Sehr schick anzuschauen! Beide Potis laufen wie in Butter auf ihren Achsen und stehen in ihrer Qualität der des Schalters in keiner Weise nach. Hier hat der neue Besitzer ganz sicher lange Freude dran bzw. keine Probleme zu befürchten.

— Form follows function —

Zwischenzeugnis

Die Ibanez TM1730M-VWH Talman bietet, bis auf das labile Vintage-Vibrato, die erwartet gute Qualität in Sachen Verarbeitung einer Ibanez der Prestige Baureihe. Über die Optik ließe sich streiten, mir persönlich gefällt die Gitarre so, wie sie in ihrer cremefarbenen Lackierung und dem goldgelben Ahornhals aus dem Koffer kommt. Die hohe Verarbeitungsqualität spiegelt sich in vielen Dingen wieder: die Qualität der Lackierung, die der Chromteile oder der griffige Ahornhals, der so wirkt, als sei er gerade beim Gitarrenbauer um die Ecke frisch aus der Produktion gekommen. Mal hören und fühlen, was diese Mixtur für einen Klang hervorzaubert.

Sound & Praxis mit der  Ibanez TM1730M-VWH Talman

Erlenkorpus, Ahornhals und drei Singlecoils – muss das nicht zwangsläufig nach Strat klingen? Nun ja, fast. Der Sound der Ibanez TM1730M-VWH Talman geht zwar schon in diese Richtung, er ist aber deutlich weniger „Vintage“ geprägt, wie der typische Klang der guten alten Fender, der uns allen im Ohr liegt. Es geht also präziser und vor allem mit einem erfreulich niedrigen Spektrum an typischen Brummgeräuschen zu, mit denen die Einspuler ja immer schon zu kämpfen haben. Nur ganz nebenbei: Einen Riesenschritt zur Bekämpfung dieses Problems hat ja Fender mit ihren Noiseless Singlecoil Pickups der neuesten Generation vollzogen. Dort ist das Brummen so gut wie verschwunden, wie ich in unserem Test der Fender American Elite Stratocaster erfreulicherweise feststellen durfte!

— Geschwungene Formen und Linien auch auf der Rückseite der Talman —

Der knackige und drahtige Grundsound unserer Talman wird also bestens von den Pickups an den Verstärker portiert. Die beiden Seymour Duncan Five-Two Singlecoils am Hals und in der Mittelposition liefern einen beachtlichen Druck und ein sehr homogenes Klangbild mit einer leichten Überbetonung der Bässe.

Dem hingegen fällt der Duncan Singlecoil am Steg etwas zurück und wirkt nicht nur in der Lautstärke zurückgenommen, sondern auch in seinen Frequenzen etwas ausgedünnt. Kurz und knapp: Je weiter man mit dem Fünfwegeschalter Richtung Brücke wandert, desto mehr verliert der Klang insgesamt an Fülle und Druck, leider.

Die Stärken der Ibanez TM1730M-VWH Talman liegen eindeutig im Clean- und im Crunchbereich. Dort kann sie ihren resonanten und strahlenden Ton vollends ausspielen. Wie zu erwarten sind die drei Pickups allerdings weniger für rüde Metalsounds geeignet – das berühmt berüchtigte „Glas schneiden“ mit dem Steg-Singlecoil bei verzerrtem Betrieb ist auch hier unvermeidbar.

ANZEIGE
Fazit

Ich weiß gar nicht, wie viele coole Gitarren ich bisher getestet habe, die das gleiche Problem wie die Ibanez TM1730M-VWH Talman mit sich herumschleppen. Und das Problem heißt mal wieder Vintage-Vibrato, das auch hier wieder das Haar in der Suppe ausmacht und eine noch bessere Platzierung der Gitarre verhindert. Alles andere, angefangen von der Verarbeitung, der Bespielbarkeit und nicht zuletzt der Klang entsprechen den hohen Erwartungen an eine Ibanez der Prestige Baureihe. Auch wenn die TM1730M-VWH Talman es im Gegensatz zum Großteil ihrer Schwestern aus gleichem Hause nicht ganz so gerne zu wild und verzerrt mag.

Plus

  • flexibler Klang
  • hochwertige Verarbeitung
  • stimmige Optik
  • gute Bespielbarkeit
  • Leichtgewicht
  • Formcase mit dabei

Minus

  • Vibratosystem

Preis

  • Ladenpreis: 1298,- Euro
ANZEIGE
Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Atarikid AHU

    Ohhhh ist das ein schönes Instrument. Die Klangbeispiele sind toll und aussagekräftig.
    Kann man denn das Vibrato nicht irgendwie feststellen/fixieren?
    Diese Korpusform, genau mein Ding…

    • Profilbild
      Stephan Güte RED

      @Atarikid Hey :)

      Sorry, das hab ich vergessen, zu erwähnen: Das Vibrato liegt fest auf der Decke auf ab Werk. Und da sollte man es auch besser lassen. Obergeile Klampfe, aber das mit dem Vibrato … keine Ahnung, wie für so etwas nach dem finalen Check grünes Licht für die Massenproduktion gegeben werden kann. Hab momentan wieder so einen Kandidaten in der Mache – eine Chapman. Im Prinzip sehr geil, aber exakt das gleiche Problem, wie an der Talman. Vibratosystem bitte nur anschauen, möglichst nicht benutzen …

      • Profilbild
        AMAZONA Archiv

        @Stephan Güte Ja, wirklich seltsam. Wenn man an den Saiten zerrt und sie dehnt, ändert sich plötzlich die Stimmung. Oh Wunder, oh Wunder …

Kommentar erstellen

Die AMAZONA.de-Kommentarfunktion ist Ihr Forum, um sich persönlich zu den Inhalten der Artikel auszutauschen. Sich daraus ergebende Diskussionen sollten höflich und sachlich geführt werden. Politische Inhalte und Statements werden durch die Redaktion gelöscht.

Haben Sie eigene Erfahrungen mit einem Produkt gemacht, stellen Sie diese bitte über die Funktion Leser-Story erstellen ein. Für persönliche Nachrichten verwenden Sie bitte die Nachrichtenfunktion im Profil.

X
ANZEIGE X