Metal-Bassist sucht neues Betätigungsfeld
Was würde Leo Fender, der alte Republikaner und Blues-Hasser wohl sagen, wenn er sehen könnte, was es heutzutage für Abwandlungen und Weiterentwicklungen von seiner größten Cash-Cow käuflich zu erwerben gibt? Zugegeben, sowohl 8-Saiter als auch Fanned Frets sind nicht erst seit gestern auf dem Markt erhältlich, aber ich würde lügen, wenn man als Autor nicht einen gewissen Grundrespekt vor einem solchen Monstrum an den Tag legt. Jackson legt mit seiner in Indonesien gefertigten Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst nunmehr auch einen Variation vor, die preislich deutlich unter 1.000 Euro angesiedelt ist.
Warum eine 8-Saiter?
Abgesehen von altertümlichen Instrumenten der lauten Gattung, bei denen es zuweilen abenteuerliche Saitenkombinationen gab, ist die Erweiterung des Tonumfangs auch im E-Gitarrenbereich mittlerweile ein alter Hut. Im Custom-Bereich schon länger verfügbar, war es aber Steve Vai, der mit der Ibanez Universe in den Achtzigern auf dem Höhepunkt seiner Popularität eine siebensaitige Version der JEM mit tiefer H-Saite forcierte. Eigentlich sollte es eine zusätzliche hohe A-Saite werden, da ihm diese allerdings aufgrund des geringen Durchmessers ständig riss, erweiterte er das Spektrum nach unten. Den endgültigen Durchbruch erreichte das Instrument dann mit den Nu-Metal-1-Ton-Protagonisten von Korn.
Ist der Geist erst einmal aus der Flasche, bekommt man ihn nicht mehr zurück, d. h. es war nur eine Frage der Zeit, bis der Mainstream sich auch einer tiefen Fis-Saite widmete und sich somit einem Tumor gleich ganz fest in den Innereien des E-Basses einnistete. Und wie ein Tumor verhält sich das Tuning auch gegenüber dem Bandkollegen. Um es direkt vorneweg zu sagen, wer 8-Saiter spielt, braucht keinen Bassisten mehr! Das sonst übliche „Eine-Oktave-darunter“-Tuning des Bassisten ist bei diesem Tuning tonal nicht mehr umsetzbar und die armselige Messuggah Variante, in der der Bassist die gleiche Stimmung wie die Gitarren hat, wirkt eher wie eine ABM-Maßnahme für Metal-Bassisten als eine echte tonale Bereicherung. Der Zenit im Bezug auf intelligentes, wenn auch für den Zuhörer zuweilen anstrengendes Integrieren einer achtsaitigen Gitarre stellt die Formation „Animals as Leaders“ dar, in der zwei „Saitenspieler“ mit 2 Achtsaitern abwechselnd den Gitarren- und Bassbereich mit sehr hohem handwerklichen Können abdecken.
Die Konstruktion der Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst
Die Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst greift einmal mehr das Grundprinzip der klassischen Powerstrat auf, sprich Leos Hypererfolgskorpus, gepaart mit allerlei Hochleistungs-Hardware und outputstarken Pickups. Allerdings verfügt das Instrument über so viele Sonderausstattungen, dass es sich schon fast auf der Stufe zu einer eigenen Klasse befindet. Um einen Ladenpreis von 985,- Euro aufrufen zu können, muss ein Unternehmen zum einen in einem Billiglohnland produzieren und zum anderen handwerklich aufwändige Detaillösungen vermeiden, ohne dass die Qualität des Instruments darunter leidet. Zudem muss mit einkalkuliert werden, dass die abverkauften Stückzahlen sich deutlich unter denen der 6-saitigen Variationen befinden.
Fangen wir zunächst mit den Standards an, wobei das Wort „Standard“ hier bereits zu relativieren ist. Schon bei dem verwendeten Korpusholz Pappel geht es los. Nicht umsonst ist „Pappel“ phonetisch nicht allzu weit von „Pappe“ entfernt. Allerdings relativiert sich der klangliche Aspekt immens, wenn man um die Tatsache weiß, dass die Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst über einen durchgehenden Hals aus Ahorn verfügt. Aus optischen Gründen wurde eine hübsche Decke aus Wölkchenahorn aufgeleimt, die allerdings nur Furnierstärke besitzt und somit nicht in das Schwingungsverhalten des Instrumentes eingreift. Ebenfalls sehr ungewöhnlich ist das Griffbrett aus Lorbeer, das zumindest optisch einem sehr hellen Palisander gleicht.
Bzgl. der Pickups wurden 2 Hausmarken mit dem Namen „8-String Blade Humbucker“ verbaut, die mit ihren massiven Klingenmagneten schon beeindruckend wiirken und aufgrund der Fanned Fret Anordnung diagonal eingesetzt wurden. Ein etwas ungleichmäßiges Magnetfeld zu den äußeren Saiten hin lässt sich so nicht ganz vermeiden, ob dies hingegen klanglich überhaupt wahrnehmbar ist, wird der Praxistest zeigen. Als Regler kommt eine einfache Volume-Regler, Ton-Regler, 3-Wege-Schalter Kombination ohne Singlecoil-Schaltungsoption o. ä. zum Einsatz.
Das Griffbrett der Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst
Erwartungsgemäß ist das Griffbrett der Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst und die verbundene Sattel- und Stegkonstruktion das auffälligste Merkmal des Instruments. Noch einmal kurz für den interessierten Nachwuchs, ein Fanned Fret Fretboard ermöglicht verschiedene Mensuren innerhalb eines Instruments und gleicht dadurch das Problem der ungleichmäßigen Saitenspannung aus. Genügen den Diskantsaiten teilweise schon die kurze Mensur von 625 mm für eine praxisgerechte Saitenspannung, so benötigen die Basssaiten für eine knackiges Ein- und Ausschwingverhalten eine längere Mensur. Über einen ausgewogenen Saitensatz kann man dies zu einem Teil ausgleichen, jedoch leidet die Gleichmäßigkeit der Saitenspannung darunter.
Also wurde das Prinzip, das zunächst im Bassbau auf große Resonanz stieß, nun auch teilweise in den Gitarrenbau übernommen. Merke, wir wildern im Bassbereich! Von daher verfügt die Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst demnach über acht verschiedene Mensuren, die bei 660 mm anfangen und bei 711 mm aufhören. Dies bedeutet allerdings, dass sich die kleinste Mensur immer noch deutlich über der langen Mensur einer regulären E-Gitarre befindet (648 mm), während die Bassmensur sich noch deutlich unterhalb einer Medium E-Bass Mensur (ca. 760 mm) bewegt. Diese Maße wurden wohl gewählt, um den Spielkomfort des Instruments nicht zu stark zu belasten, das sonst die Diagonalstellung der Bünde gerade an den Enden des Griffbretts zu stark wäre. Man sollte sich also schon mal mit dem Thema Saitensätze beschäftigen, um auch hier ggf. die Saitenstärke für den persönlichen Einsatz hin zu optimieren.
Der Scheitelpunkt des Griffbretts befindet sich im achten Bund und nicht wie von vielen erwartet im 12. Bund. Diese Praxis ist durchaus sinnvoll, da das Akkordspiel, das sich gerade im Bereich von Barreakkorden bei diagonal liegenden Bünden als deutlich schwerer erweist, primär in den tiefen Lagen praktiziert wird, während das Solospiel mit dem Versatz in den hohen Lagen deutlich besser klarkommt. Passend zum Griffbrett ist natürlich auch der Sattel diagonal versetzt zzgl. einer aus 8 Einzelreitern bestehenden Brückeneinheit. Beeindruckend, aber auch eine weitere Herausforderung, wenn es um Palm Muted im Bereich String-Skipping geht.
In der Praxis
Wer von der regulären Solidbody E-Gitarre kommt und sich das erste Mal eine Vollresonanz E-Gitarre z. B. im Gretsch Style umhängt, wird unmittelbar von dem ausufernden Korpus in seine Schranken verwiesen. Bei der Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst ist es nicht der Korpus, sondern das als Hals getarnte Surfbrett. Obwohl der Saitenabstand schon auf das Minimum zusammengestaucht wurde, sind die Griffbrettabmessungen mit einer Sattelbreite von 476 mm mehr als nur eine Herausforderung, abgesehen davon, dass es sich hier um eine eigenständige Instrumentengattung handelt, bei der man zu Anfang natürlich ständig die Saiten verwechselt.
Nicht nur das Akkord- und Solospiel muss von Grund auf neu gelernt werden, auch Spieltechniken wie z. B. Bending lassen sich auf breiten Hals nur mit einer massiven „Krallenhaltung“ umsetzen. Aber sind wir ehrlich, ein solches Instrument wird bei der lokalen Alte-Herren-Bluesband“ ohnehin niemals Einzug halten und der ambitionierte Shredder wird schon aus spieltechnischen Gründen bei der Sechssaitigen bleiben. Bleibt als Haupteinsatzgebiet die Flucht in den Bassbereich und genau der gestaltet sich mit dem ausgelieferten Saitensatz 009 – 065 als tonal nicht zu kontrollieren.
Trotz der verlängerten Mensur ist die tiefe Fis Saite so schlabberig, dass man geneigt ist nachzusehen, ob sie einer Wäscheleine gleich durchhängt. Stellt euch die D-Saite eines regulären E-Bass Satzes vor, stimmt diese 8 Halbtöne tiefer und verkürzt die Mensur eines Medium Scale Basses um nochmals 5 cm. Das Ergebnis ist unspielbar. Die Fis-Saite der Jackson SLATX8Q MS Soloist Tr.Bk.Burst schnarrt aufgrund der Auslenkung bei jedem Ton, schon ein leichter Anschlag lässt die Saite so stark aufschwingen, dass sie mindestens einen Viertelton zu hoch ist und egal wie vorsichtig man drückt, der anvisierte Ton ist ebenfalls immer zu hoch. Zudem klingt die Saite unglaublich stumpf ohne jegliches Leben.
Doch es ist Abhilfe in Sicht. Mit einem entsprechend dickeren Saitensatz kann man dem Instrument entsprechend helfen. Denn bei aller Kritik, die Gitarre an sich klingt sehr ordentlich, insbesondere im Heavy-Bereich. Das Sustain ist aufgrund der Halskonstruktion sehr gut, die Verarbeitung tadellos. Wie immer sind die Pickups Geschmackssache, ich für meinen Teil empfinde den Gain-Bereich als gelungen, wenngleich die Pickups zu keiner Zeit die Qualität der Marktführer wie z. B. EMG erreichen. Für den cleanen Bereich fehlt es mir persönlich ein wenig an Charakter, aber wie gesagt, das ist reine Geschmackssache.
Die Klangbeispiele wurden mit einem H&K Triamp MKIII, einer Marshall 412 mit Celestion G75-T Speakern und 2 Stck. SM57 aufgenommen.
Ziemlich fette Keule. Mit sowas hat man früher Mammuts erschlagen.
Ist so eine Axt nicht zwangsläufig kopflastig?
nicht unbedingt, ich konnte bei diesem Modell keine Kopflastigkeit fest stellen.