Was kann das DIY Amp-in-a-Box-Pedal?
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Öffnet man erstmalig den Karton vom Korg Nu:Tekt TR-S, so bekommt man das Gefühl, das man hatte, als man sein gut gewähltes Überraschungsei öffnete. Was zum Zusammenbauen. Bisher kannte man dieses Gefühl aber nur selten im Zusammenhang mit Gitarreneffekten. Korg setzt schon seit einiger Zeit auf das Erlebnis, sein Gerät selbst zu finalisieren und schon andere Nu:Tekt Geräte, wie das NTS-1, luden zum Basteln ein. Mit dem TR-S Power Tube Reactor aus der Nutube Serie ist dies nun auch in der Gitarrenwelt angekommen. Der Korg Power Tube Reactor ist ein Verzerrer mit einer Nutube, einer von Korg entwickelten Technologie, der das Spielgefühl und die Reaktionsfähigkeit eines Röhren-Gitarrenverstärkers nachbilden soll und ist komplett analog aufgebaut. Mit den zahlreichen Einstellmöglichkeiten kann man sich das Verhalten seines nachgebildeten Amps feinjustieren. Ob es einen größeren Röhrenamp mit mehr Headroom nachbilden soll oder einen kleinen und komprimierten Bedroom-Amp, der fast an seiner Leistungsgrenze spielt, ist mit den Trim-Potis sehr schön einzustellen. Zunächst kümmern wir uns aber mal um die Fakten.
Die Montage des Korg DIY-Pedals
Zugegeben, so richtig viel muss man eigentlich nicht mehr montieren. In einer mitgelieferten Schablone findet man einen Schraubenzieher, mit dem man die Bodenplatte mit vier Schrauben anschraubt. Dann noch die vier Potiknöpfe in der richtigen Stellung auf die Potis gedrückt und fertig ist man schon. Ach ja, die Klebefüße natürlich nicht vergessen.
Sehr schön ist dabei aber, dass man so mal einen Blick in das Innere eines Pedals wirft. Diesen Moment nimmt man sich ja eher selten, wenn den man den Batteriewechsel vornimmt. Ganz egal, bei welchem Pedal: Ein Blick auf eine umfangreich bestückte Platine vermittelt Ehrfurcht und ist beeindruckend. Ich bin froh, dass die Mini-SMD-Widerstände nicht vom Nutzer angelötet werden müssen, denn SMD-Technik macht bei DIY nur selten Spaß. Die vier Schrauben der Bodenplatte sind übrigens Schlitzschrauben. Während andere Pedale, die auch per Batterie betrieben werden, meist mit Kreuzschlitzschrauben bestückt sind, finde ich die Schlitzvariante für Gitarristen sehr praktikabel. Wenn man sie nicht ganz so fest anzieht, kann man sie jederzeit mit dem allzeit griffbereiten Plektrum aufschrauben, um die Batterie zu wechseln. Der eigentliche Grund für diese Wahl ist wohl eher, dass das mitgelieferte Werkzeug als Schablone so schneller herzustellen ist, aber es ist ein praktischer Nebeneffekt.
Gehäuse, Potis und Schalter des Korg Nu:Tekt TR-S
Das Effektpedal hat ein kompaktes Format und entspricht in der Größe einem Hammond BB Gehäuse. Es hat eine Lackierung in Graumetallic und macht einen robusten Eindruck. Der Fußschalter schaltet das Pedal in den Bypass, er knackt merklich beim Betätigen. Die Position ist etwas nah an den Potis, aber das ist einerseits dem kompakten Gehäuse, andererseits der Tatsache geschuldet, dass unterhalb des Schalter noch Platz für die Batterie sein soll. Neben dem Fußschalter zeigt eine rote LED den Status des Pedals an.
Vier Potis mit schwarzen Potiknöpfen und weißer Markierung dienen der Einstellung des Sounds und sind in ihrer Stellung gut ablesbar. Neben den bekannten Regelmöglichkeiten für Volume und Tube-Gain findet man noch die etwas ungewöhnlichen Regler für Power-SAG und Mix. Alle vier Potis sind fest mit dem Gehäuse verschraubt und haben einen angenehmen Regelweg.
Unter einer schmalen Gummiabdeckung, die leicht per Lasche herauszuziehen und einseitig fest montiert ist, findet man noch Trimpotis für Tone, Sustain und Threshold des Power-SAGs. Diese Trimpotis sind also aufgrund ihrer Position eher für die gelegentliche Feinjustierung gedacht. Sie haben zum Einstellen einen Schlitz und können so ebenfalls mit dem mitgelieferten Werkzeug geregelt werden. Sollte man hierfür einen Metallschraubenzieher nutzen, kann es zu einem Blinken im Nutube Sichtfenster kommen (darauf wird im Handbuch noch mal extra hingewiesen). Anschließend drückt man die Gummiabdeckung wieder in das Gehäuse. Das passt sehr gut.
Unterhalb dieser Power SAG Kontroll-Einheit befindet sich ein kleines Display mit der Beschriftung Nutube. Hinter dem dunklen Display dann die Nutube, die mit zwei grünlichen Streifen optisch gut darstellt, wenn die Röhrennachbildung einsackt, also den SAG-Effekt entwickelt. Das ist beim Spielen ein interessantes optisches Feedback. An der Stirnseite befinden sich der 6,3 mm Mono-Klinkeneingang und der Ausgang, die beide auch mit dem Gehäuse verschraubt sind. Dazwischen findet man den 9 V Netzteilanschluss, der direkt auf die Platine gelötet ist und nicht verschraubt wurde. Das Pedal kann auch über eine 9 V Batterie betrieben werden, hierfür muss die Bodenplatte abgeschraubt werden. Das Pedal benötigt 85 mA und eine Batterie hält ca. 5 Stunden. Ein Netzteil wird nicht mitgeliefert. Das Pedal findet einen festen Stand durch die zuvor selbst geklebten Gummifüßchen.
Neben den einzelnen Bauteilen und Werkzeugen, gibt es noch Plektren, eine Gebrauchsanweisung und Aufkleber mit zum Pedal hinzu. Geliefert wird das Pedal in einem Pappkarton.
Die Gebrauchsanweisung zeigt auch gleich ein paar empfohlene Einstellmöglichkeiten. Interessant ist, dass die verwendeten Bauteile, also Kondensatoren, Widerstände und Transistoren hier ebenfalls aufgelistet sind. Ob nun für mutige SMD-Modifizierer oder für Technik Nerds, bleibt offen.
So klingt der Korg Nu:Tekt TR-S
In der empfohlenen Grundeinstellung ergibt sich eine satte Verzerrung, die mit dem Volume-Poti in der Lautstärke angepasst werden kann. Die Gebrauchsanweisung gibt auch eine sehr schöne Einführung, wie man sich in die verschiedenen Einstellmöglichkeiten reinarbeitet.
SAG beim Korg Pedal
Für alle, denen der Begriff SAG nichts sagt, kommt hier eine ganz kurze Erläuterung: Es beschreibt das Einsacken der Lautstärke eines Röhrenamps, wenn das Eingangssignal zu Kompressionen führt. Also in der Spielweise und Funktion agiert es wie eine Art Kompressor. Gerade kleine Röhrenamps sind ein Paradebeispiel für diesen Effekt und sind daher bei Blues-Gitarristen derart beliebt.
Zunächst schließe ich das Pedal aber mal an. Der Bypass des Pedals ist etwas merkwürdig umgesetzt. Denn wenn man das Pedal ausschaltet, so ist das Gitarrensignal dumpf. Da der Bypass auch ohne Stromversorgung funktioniert, scheint das Signal zwar direkt durch den Korg Nu:Tekt Po TR-S durchgeführt zu werden, aber anscheinend liegen Teile des Schaltkreises permanent an. Das ist wirklich schade. Mit einem vorgeschalteten Buffer klingt der Bypass dann neutral. Mich würde die Eingangsimpedanz des Power Tube Reactors interessieren. Im Handbuch ist die Effektreihenfolge für Singlecoils mit einem Overdrive-Pedal vor dem Korg Nu:Tekt TR-S angegeben. Vielleicht aus genau diesem Grund. Am besten ist es, man schaltet das Pedal gar nicht aus, denn klanglich finde ich das Pedal großartig.
Es ist beeindruckend, wie dynamisch das Pedal mit dem Gitarrensignal umgeht und wie gut man es spielen kann. Einzelne Töne können komplett clean sein, Zweiklänge dann leichte Obertöne hinzufügen. Beim Anschlagen eines ganzen Akkords gerät das Pedal in die Sättigung, verzerrt mit einem ordentlichen Overdrive und komprimiert. Gerade Low-Gain-Verzerrer sind oft schwierig aufzubauen, denn oft klingen sie bröselig oder unnatürlich. Der Nu:Tekt Power Tube Reactor interagiert mit dem Gitarrenspiel und belohnt das dynamische Spiel mit den unterschiedlichsten Nuancen.
Einzustellen ist der Power Tube Reactor fast wie ein Kompressor und im Spiel verhält er sich auch so. Alle Regelmöglichkeiten sind sinnvoll gewählt und bereichern das Pedal. Trotzdem habe ich den für meine Gitarre passenden Sweetspot schnell gefunden.
Oft nutze ich auf meinem Pedalboard lediglich einen Kompressor anstelle eines Overdrive Pedals, da ich wirkliches super Low-Gain- Sounds mit etwas Kompression bevorzuge. Dieser hier ist wohl der erste Verzerrer, der diesen Bereich mit Bravour abdecken kann. Den Tube-Gain-Bereich kann man hier ruhig ein wenig höher einstellen, da man ihn ja stufenlos zum direkten Signal mit dem Mix-Regler hinzuregeln kann. Man erhält so den Attack der Gitarrensaite und mischt die Verzerrung einfach nach Belieben hinzu.
Eine Frage der Einstellung: Power SAG, Sustain und Tone
Der Power SAG regelt den Anteil des Einsackens, wie bei einem Kompressor. Mit dem Threshold muss der Arbeitspunkt der Kompression unbedingt eingestellt werden. Mit P-90 Pickups habe ich den Threshold auf ca. 11 Uhr eingestellt, damit das Signal nicht komplett wegsackt. Stellt man den Power SAG nun ebenfalls auf 11 Uhr, so bekommt man eine dynamische Kompression für das Rhythmusspiel. Für Lead-Lines würde ich den Power SAG höherstellen, damit die Kompression das Gitarrenspiel trägt.
Das Sustain regelt die Dauer des Einsackens des Signals. Dieses Poti hat einen etwas geringeren Regelweg, von 9 Uhr bis 3 Uhr. Aber um einen dezenten und brauchbaren Effekt zu erhalten, würde ich das Poti auch gar nicht so weit von der 12 Uhr Stellung wegdrehen. Leicht reduziertes Sustain ermöglicht eine schnellere Ansprache. Wer in sein Solo mehr Ausdruck und Kraft legen möchte, kann natürlich auch weiter aufdrehen.
Das Tone-Poti hat einen wirklich weiten Regelweg und geht, nach rechts gedreht, fast schon in die Treble-Booster-Richtung. Er kann also ganz schön giftig werden, was natürlich die Bässe kappt und für eine bessere Durchsetzungsfähigkeit sorgt. Nach links gedreht, gelangt man in etwas sanftere Gewässer und der Woman-Tone ist greifbar nahe. Diese Settings laden Blues-Fans genauso ein wie die Freunde eines druckvollen Rhythmus Spiels.
Die Nutube im Sichtfenster gibt eine gute Rückmeldung und hilft optisch bei der Einstellung des Settings. Die Potis arbeiten sehr interaktiv und dreht man das Gain, Tone oder den Mix auf, muss man am Volume-Poti die Lautstärke nachregeln. Hat man seinen Grundsound gefunden, ist es ein „set and forget“ Pedal. Lediglich beim Gitarrenwechsel mit andern Pickups muss man definitiv wieder nachregeln.
Das klingt ja super spannend. Werde ich auf jeden Fall antreten. Danke für den Test.
@Keppe Wenn die NuTube im Fenster so ein toller Indikator ist … hätte ich doch versucht bei vier möglichen Fotos den Effekt auch mal abzubilden . Die versteckten Trimmpotis fände ich als direkt oben montiert viel sinnvoller , da möchte man doch auch mal fix zugreifen. Der vermurkste Bypass macht den Bausatz dann zu einem „all time on“ Effekt . Oder man baut ihn schaltbar in seine Kette ein . Der Preis ist auch ganz schön hoch, sobald NuTube draufsteht wird es gleich teurer . Und dann steht noch nicht mal groß KORG drauf !
Das „Favorite Setting“ klingt wirklich am besten, leider habe ich nicht gefunden welche Einstellung sich dahinter verbirgt. Die meisten anderen Aufnahmen machen mir aber Bauchweh zwischen den Ohren .
Den Preis hat Korg wohl geträumt?
Die Nutube Dinger kosten bei der Konkurrenz 100€ weniger.
Vielen Dank für den Test! 👍
Ich persönlich finde die Soundfiles schon ziemlich geil🎸!
@Killnoizer: Im Kit sind übrigens auch reichlich KORG-Sticker drin, mit denen du dir den Firmennamen dann x-mal auf dein Pedal kleben kannst. Und was die Trimm-Potis angeht: wie will man die bei der Pedalgröße dann auch noch direkt oben drauf montieren (zumal man ja auch noch einige von den Stickern draufkleben will – bis hin zu dem Konterfei des Entwicklers? Ich mit meinen Altherren-Pranken komme dann auf alle Fälle nicht mehr dazwischen😅. Dementsprechend finde ich die Lösung, die sie bei dem Pedal gefunden haben, ganz praktikabel.
So oder so: für den Bypass wird ja hier gleich die Buffer-Lösung empfohlen, schalten tu ich eh nicht viel und klanglich finde ich das Ding echt stark! 🤟
Klingt wirklich interessant, und wenn man selber was zusammenschrauben kann, finde ich persönlich es eh‘ immer spannend. Aber der Preis ist dann schon heftig!