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Mythos Steinway und alle Steinway Pianos auf einen Blick (Piano Lounge 13)

Steinway: Vom niedersächsischen Küchentisch zum Weltkonzern in Manhattan

10. Februar 2024

Steinway Piano Logo

Steinway gilt seit über 100 Jahren als der wichtigste und für viele Pianisten und Laien als der beste Klavierbauer der Welt. Wieso eigentlich? Was ist dran am „Mythos Steinway“ oder ist alles nur geschicktes Marketing?

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Die Ursprünge der Firma Steinway and Sons liegen in Seesen, zwischen Braunschweig und Göttingen gelegen. Da lebte ein gewisser Heinrich Engelhard Steinweg, ein gelernter Möbelschreiner, der später Organist und Orgelbauer wurde. Ab Mitte der 1830er-Jahre baute er auch Flügel, den ersten der Legende nach in seiner Küche.

Der Steinway "Küchenflügel": der erste Flügel von Heinrich. E. Steinweg, gebaut in Seesen.

Der Steinway „Küchenflügel“: der erste Flügel von Heinrich. E. Steinweg, gebaut in Seesen.

Aus wirtschaftlichen Gründen wanderte er 1850 mit seiner Ehefrau und sieben Kindern in die Vereinigten Staaten aus und nannte sich fortan Henry E. Steinway. 1853 gründete er zusammen mit seinen Söhnen die Firma Steinway & Sons, während sein ältester Sohn, C.F. Theodor, in Deutschland geblieben war und den Familienbetrieb weiterführte. 1865 siedelte auch er in die USA um. Die deutsche Firma wurde an Wilhelm Grotrian verkauft, woraus die Firma Grotrian-Steinweg hervorging. In New York bauten die Steinways zu Beginn sogenannte Tafelklaviere: eine Art Flügel mit quergespannten Saiten. Drei Jahre später folgte der erste Flügel im heutigen Sinn. Die Firma wuchs, nicht zuletzt dank des Verkaufstalents der Töchter, die die Instrumente unter die Leute brachten, selbst aber von der Unternehmensführung ausgeschlossen wurden. Schon 1869 wurde bei Steinway das 20.000ste Instrument gebaut, die damalige Klavierfabrik in New York galt als die größte der Welt.

Steinway Piano Fabrik Vintage

Als Henry 1871 starb, übernahmen seine Söhne den Betrieb in New York, wobei sich Theodore um die Entwicklung kümmerte. Ein Großteil des Ruhms der Firma geht auf seine Ideen und Innovationen zurück, während sein Bruder William heute als Genie des Marketings gilt. Er nahm Musiker unter Vertrag, sponsorte USA Tourneen bekannter europäischer Pianisten und rief die Steinway Hall ins Leben, eine damals einzigartige Kombination eines Konzertsaals mit Verkaufs- und Vorführräumen, so dass das kulturinteressierte Publikum in der Konzertpause neue Instrumente anspielen und bestellen konnte. Schon damals galt Steinway als exklusiv und zählte sich selbstbewusst zur klavierbautechnischen Oberliga mit einem internationalen Handelsnetz. Prestigeträchtig belieferte man alle wichtigen Königshäuser Europas und war preußischer, sächsischer, britischer, italienischer, spanischer, norwegischer, schwedischer, osmanischer und russischer Hoflieferant.

Steinway Piano Heinrich E Steinweg

Heinrich E. Steinweg bzw. Henry E. Steinway in seiner Werkstatt

1903 wurde das 100.000ste Instrument ausgeliefert: eine Sonderanfertigung fürs Weiße Haus. Bis zum zweiten Weltkrieg festigte Steinway seinen Namen und Reputation sowohl im privaten Bereich als auch auf der Bühne. Außerdem arbeitete man eng mit Herstellern automatisierter Systeme zusammen, die mittels Lochstreifen Musik codierten. Am bekanntesten ist dabei  das Mignon-System von Welte & Söhne aus Freiburg im Breisgau. Im Krieg fertigte Steinway nebst Lastenseglern aus Holz ein spezielles Klavier für die Front: Etwa 3000 Vertical Victory Pianos wurden dazu in Kisten verpackt per Fallschirm im Kriegsgebiet abgeworfen. Gedacht als musikalischer Zeitvertreib der amerikanischen Soldaten.

Steinway Piano mit Mignon System

Ein Steinwayflügel mit Mignon-System von Welte (Deutsches Museum, München)

Nach dem Krieg etablierte sich Steinway weiter international: Während die europäische Konkurrenz in Schutt und Asche lag, lieferte Steinway seine Instrumente in alle Welt und setzte sich auf den großen Bühnen als der Quasi-Standard durch. Lange war die Firma in Familienhand, doch musste sie 1972 wegen erhöhten Kapitalbedarfs an den CBS-Konzern verkauft werden. Später wurde Steinway wieder ausgegliedert, mit der großen Selmer Company fusioniert und ist seit 1996 an der New Yorker Börse unter LVB (Ludwig van Beethoven) gelistet.

Steinway Entwicklungen und Patente

Steinway galt lange Zeit als wichtiger Erneuerer des Klavierbaus mit zahlreichen Eigenentwicklungen, die von der Konkurrenz früher oder später übernommen wurden. So geht die Bassüberkreuzung der Saiten  auf Steinway zurück (1859), die längere Basssaiten und eine Verschiebung des Saitenstegs zur Mitte des Resonanzbodens ermöglichte, wodurch der Resonanzboden besser in Schwingung gebracht werden konnte, was wiederum zu höhere Lautstärken führte. 1872 präsentierte man die Duplex-Skala: genau abgemessene Saitenenden, die eine oder zwei Oktaven über den Tönen der Mittellage und des Diskants durch Resonanz mit den gespielten Tönen mitschwingen. Also ein ähnliches Prinzip wie die Resonanzsaiten einer Sitar. Der Leipziger Klavierbauer Blüthner präsentierte zur selben Zeit sein Aliquot-Patent mit einer zusätzlichen Saite, die zwar genau gestimmt, aber nicht angespielt wird und ebenfalls durch Resonanz mitschwingt. Während die Steinway-Duplex-Skala heute in den meisten Flügeln vorhanden ist, konnte sich das Aliquot-System kaum durchsetzen und wird meines Wissens nur von Blüthner selbst verbaut.

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Steinway Piano Duplex-Skala

Duplex-Skala eines Steinway Flügels von 1895

Das Sostenuto-Pedal, also das mittlere Pedal, das nur bei den gerade gespielten Tönen die Dämpfer anhebt, während die übrigen Töne trocken bleiben, gilt zwar als Steinway Entwicklung und wurde in den USA von Albert Steinway zum Patent angemeldet, wurde aber ursprünglich von Jean Louis Boisselot und Claude Montal 1862 erfunden. Steinway war aber der erste Klavierbauer, der das Sostenuto-Pedal serienmäßig verbaute. Weitere Innovationen betreffen die Ausgestaltung der Gussplatte, Vorrichtungen, um die Zarge in die passende Form zu biegen und den kreuzverleimten Stimmstock.

Bei aller Innovationskraft von Steinway gab es auch Entwicklungen, die sich langfristig negativ auswirkten und wieder verworfen wurden. Bekanntestes Beispiel dazu war das Permafree-System: Mechanikteile aus Teflon, die in den 1960er-Jahren von Steinway New-York verbaut wurden. Diese waren zwar reibungsärmer als der Filz, den sie ersetzten, jedoch gab es Probleme im Verbund mit dem Holz, da sich dieses je nach Luftfeuchtigkeit dehnt oder zusammenzieht, das Teflon aber starr blieb, so dass das Holz entweder klemmte oder zu lose saß. 1982 verabschiedete sich Steinway New York entgültig von den Teflon-Buchsen.

Heute haben andere Klavierbauer Steinway den Rang in Sachen Innovationen längst abgelaufen. Fazioli, Bösendorfer, Steingräber, aber auch Yamaha und Kawai bieten viele neue Ansätze bezüglich des Klavierbaus, während Steinway eher damit beschäftigt ist, sein reiches Erbe zu pflegen.

Steinway Piano Handarbeit

Boston und Essex: günstige Steinways?

Anfang der 1990er-Jahre präsentierte Steinway eine neue Modellreihe von Mittelklasse-Instrumenten, genannt „Boston“. Gebaut werden sie von Kawai in Japan nach Vorgaben von Steinway. So sollen Stimmstock und Resonanzboden gleich (oder zumindest ähnlich) aufgebaut sein, die Duplex-Skala kommt zur Anwendung, die Mechanik ist ähnlich etc. Dennoch kopiert sich Steinway nicht einfach selbst, was man auch daran erkennt, dass die Modelle andere Längen haben als die originalen Steinways. Die Frage ist, wieviel Steinway und wieviel Kawai in den Instrumenten steckt. Die Mechanik wird von Kawai in klassischer Bauweise aus Holz gefertigt, während die spezielle Carbon-Mechanik von Kawai den eigenen Modellen vorbehalten bleibt. Boston führt fünf Flügel zwischen 156 und 215 cm und drei Klaviere (118, 126 und 132) im Sortiment. Die Meinungen über diese Instrumente sind geteilt. Während einige Musiker durchaus einen Steinway-Charakter erkennen, halten dies andere eher für Einbildung. Gut möglich, dass der Schriftzug „Designed by Steinway and Sons“ die Wahrnehmung färbt. Preislich liegen die Bostons natürlich ein gutes Stück tiefer als Steinways, aber auch ungefähr 40 % höher als vergleichbare Instrumente von Kawai oder Yamaha. Ob sich dieser Preisunterschied auch in der Qualität niederschlägt, wird von vielen Klavierbauern und Pianisten bezweifelt.

Auf Wunsch auch in poppigen Farben! Boston bietet über 170 verschiedene Farbtöne an.

Auf Wunsch auch in poppigen Farben! Boston bietet über 170 verschiedene Farbtöne an.

2006 folgte mit Essex eine Billigreihe von Steinway, die von Pearl River in China gebaut wird. Die vier Klaviere und zwei Flügelmodelle sind beliebte Instrumente, wobei auch sie ein gutes Stück teurer sind als vergleichbare Modelle der Konkurrenz. Dank der beiden Baureihen Essex und Boston konnte Steinway seinen Absatz massiv erhöhen. Ein geschickter Schachzug. Steinway ist dadurch in allen Qualitäts- und Preisregionen präsent, ohne dass die Reputation der Hauptinstrumente darunter leiden würde.

Preise: Was kostet ein Steinway?

Offiziell veröffentlicht Steinway keine Preislisten, aus gutem Grund: die Preise werden jährlich angehoben und liegen heute bei knapp 100.000,- Euro für einen S-155 und über 200.000,- Euro für einen D-274. Das K-132 Klavier schlägt momentan mit gut 55.000,- Euro zu Buche. De facto gibt Steinway das Preisniveau in der Branche vor. Gefühlt folgen die anderen Premiumhersteller Steinways Preissteigerungen, wobei einige Konkurrenten preislich sogar etwas höher liegen. Gebrauchte Steinway Klaviere sind ab ca. 10.000,- Euro zu bekommen, gebrauchte Flügel beginnen bei 20.000,- Euro. Je nach Modell, Alter, Zustand und Revisionen können die Instrumente natürlich auch um einiges teurer sein.

New York oder Hamburg?

Steinway baut an beiden Standorten die gleichen Modelle und dennoch gibt es Präferenzen für Hamburger oder New Yorker Modelle. Die Unterschiede betreffen erstmal die Mechanik, die in New York von Steinway selbst gebaut wird, während man in Hamburg auf den Branchenprimus Renner vertraut, der nebenbei bemerkt 2019 von Steinway aufgekauft wurde, aber weiterhin praktisch alle führenden Marken Europas beliefert. Renner ist aber nicht gleich Renner: Ein Steinway spielt sich definitiv anders als ein Bösendorfer, Fazioli oder Pfeiffer. Einerseits haben wir es mit markentypischen Spezifikationen und Sonderwünschen zu tun, zudem werden die Mechaniken im Werk nach eigenen Vorstellungen reguliert.

Ältere Steinways unterscheiden sich am Lack, der in Hamburg hochglanzpoliert und in New York etwas matter ist, auch „seidenglanzschwarz“ genannt. Außerdem ist die Tastenklappe bei Hamburger Modellen gerundet und in New York eckig, während bei den Pedalen der New Yorker Instrumente traditionell eine Messingplatte verschraubt war. Mittlerweile haben sich die Formensprachen angeglichen: Runde Tastenklappen und Pedal-Lyra ohne Messing findet man heute auch in New York.

Allgemein gelten die Hamburger als die besseren Modelle, zumindest was die Verarbeitung betrifft. Natürlich gibt es auch sehr gute New Yorker Steinways, die Streuung sei aber höher, wie immer wieder geschrieben wird. Auf dem Gebrauchtmarkt werden Hamburger Modelle deshalb meistens teurer gehandelt, was findige Restauratoren schon dazu veranlasst hat, die Tastenklappe eines New Yorkers abzurunden und die Messingplatte der Lyra zu entfernen, um es später als „Hamburger Steinway“ zu verkaufen. Am besten lässt man die Seriennummer bei Steinway überprüfen, was in der Regel unkompliziert möglich ist. Bei Restaurationen besteht Steinway darauf, dass ausschließlich „Original-Steinway“ Teile, beispielsweise Hammerköpfe oder Saiten, verbaut werden, obwohl diese nicht von Steinway hergestellt werden und auch direkt vom Hersteller bezogen werden könnten. Man bezahlt für den Namen und die (gefühlte) Exklusivität.

Steinway Piano Tower

Luxuswohnungen vom Klavierbauer: Der Steinway-Tower (links) an bester Adresse in New York wurde über dem Gebäude der Steinway-Hall errichtet.

Steinway Instrumente

Steinway in Hamburg fertigt ein Klaviermodell und sieben Flügel: drei kleinere Modelle, die eher für den Heimgebrauch gedacht sind und vier professionelle Instrumente.

Steinway K-132

Mit einer Höhe von 132 cm zählt das Steinway Klavier zu den Konzertklavieren und bietet ein beachtliches Klangvolumen. Um dieses für den Heimgebrauch besser zu dosieren, wurde kürzlich das „Dolce Pedal“ entwickelt, mit dem das Leise-Spielen leichter und präziser gelingen soll. Dazu werden wie üblich die Hammerköpfe näher an die Saiten geführt, wodurch die Auslenkung geringer wird und der Hammer somit mit weniger Schwung auf die Saiten schlägt. Das Problem bei diesem Mechanismus war jeweils, dass dadurch die Tasten etwas mehr Spiel bekamen.

Das K-132, das einzige Klavier, das derzeit von Steinway gebaut wird.

Das Steinway K-132, das einzige Klavier, das derzeit von Steinway gebaut wird

Steinways System senkt die Tasten leicht ab, der Tastenhub wird geringer, wodurch der Hammer besser und präziser über die Taste bewegt werden kann. Zudem soll die Mechanik schneller repetieren können als herkömmliche Klaviertastaturen. Ähnliche Systeme gibt es übrigens auch von anderen Klavierbauern, z. B. von Steingräber und Söhne („SFM-Mechanik“).
Wie stark sich diese Effekte bemerkbar machen, kann ich nicht beurteilen, bisher hatte ich keine Gelegenheit, das Dolce Pedal zu testen. Ältere K-132 (noch ohne Dolce Pedal) habe ich schon einige gespielt. Sie sind gewiss gute Klaviere, doch gefielen mir andere Marken klanglich meistens besser. Früher baute Steinway auch zwei kleinere Modelle (Z-114 und V-125), die regelmäßig auf dem Gebrauchtmarkt angeboten werden

Steinway S-155

Der kleinste Flügel von Steinway wurde in den 1930er-Jahren entwickelt als platzsparende Alternative für Kunden, die aufgrund der Wirtschaftskrise in eine kleinere Wohnung umziehen mussten.

Der Steinway S-155: ein Flügel für kleine Räume.

Der Steinway S-155: ein Flügel für kleine Räume

Flügel dieser Größe sind normalerweise einem großen Klavier klanglich unterlegen; zumindest die Bässe sind durch die eher kurzen (und deshalb dickeren) Saiten und den insgesamt kleineren Resonanzboden weniger voll und kräftig als bei einem 130er Klavier. Dennoch ist der S-155 ein beliebtes Instrument, da viele Pianisten eine gute Flügelmechanik einem voluminösen Bass vorziehen. Ein S-155 spielt sich sehr leicht und präzise. Kurze Zeit besaß ich einen S-155, ehe ich mich dann doch für einen größeren Flügel (191) einer anderen Marke entschied. Klanglich war dies ein großer Sprung, doch das Spielgefühl vom kleinen Steinway ist und bleibt etwas Besonderes.

Steinway M-170

Der M-170 ist nicht gerade der beliebteste Steinway, da er aus Sicht vieler Musiker nichts Halbes und nichts Ganzes ist, will heißen: weder besonders platzsparend wie ein S-Flügel noch klanglich überzeugend. Auf meiner langjährigen Flügelsuche habe ich einige M-Flügel angespielt und dabei  die eine oder andere Perle entdeckt. Im direkten Vergleich zu einem 180er oder 190er Flügel konnten sie klanglich aber nicht bestehen. Der einzige 170er Flügel, bei dem dies anders ist, ist der A-170 von Steingräber, der als der beste Stutzflügel gilt.

Steinway O-180

Der O-180 – wobei damit der Buchstabe und nicht die Ziffer gemeint ist – ist ein beliebtes Modell für den Heimgebrauch und bietet (meistens) einen ziemlich vollen und je nach Intonierung auch warmen Klang. Er ist lediglich 10 cm länger als ein M, klingt aber hörbar größer und voluminöser, so dass ihm in den meisten Fällen der Vorzug zu geben ist.

Steinway A-188

1878 stellte Steinway den A-188 zusammen mit dem B-211 vor. Seither wird er technisch praktisch unverändert gebaut, wenn man davon absieht, dass der Tonumfang in den ersten Jahren noch 85 statt der heute üblichen 88 Tasten betrug. Er gilt als der kleinste der professionellen Steinways und verfügt über die gleiche Mechanik wie der B-Flügel, mit etwas längeren Tastenhebeln, die sich präziser spielen lassen als auf dem O-Flügel. Die Unterschiede sind subtiler Natur, aber für professionelle Pianisten können sie entscheidend sein. Im Gegensatz zum O-180 haben beinahe alle alten A-Flügel drei Pedale inklusive Sostenuto, während beim O häufig nur zwei Pedale verbaut wurden.

Steinway B-211

Der Steinway B-211: das klassische Übungsinstrument von professionellen Pianisten (sofern man es sich denn leisten kann)

Der Steinway B-211: das klassische Übungsinstrument von professionellen Pianisten (sofern man es sich denn leisten kann)

Laut vielen Pianisten sei er der „beste Flügel der Welt“: Der B-211 gilt als sehr ausgewogen mit einer großen Dynamik von Pianissimo bis Fortissimo. Ein exzellenter Flügel zum Üben, für kleinere Bühnen und im Studio. Ich persönlich ziehe aber einen A-188 dem B-211 vor, da ich als Spieler näher am Schwingungspunkt der Saiten sitze. Natürlich hat ein B-Flügel den etwas stärkeren Bass, die Frage ist bloß, wie viel ich davon beim Spielen mitkriege. Für Studioaufnahmen sieht die Sache wieder anders aus, da die längeren Basssaiten des B-Flügels weniger stark umwickelt sind und somit die Inharmonizität geringer ausfällt. Allgemein gilt: je länger der Flügel, desto sauberer lässt er sich stimmen.

Steinway C-227

Der kleine Konzertflügel C-227 wird nur in Hamburg gefertigt und stand stets im Schatten des D-274. Nach dem Motto „wenn schon, denn schon“ wird meistens dem großen Bruder der Vorzug gegeben. Dabei ist ein C-Flügel ein wunderbares Instrument: Weniger dominant, aber ebenso präzise und klangschön wie ein D-Flügel und – so lange man nicht neben einem Symphonieorchester bestehen muss – ist der C-227 eine valable Alternative.

Steinway D-274

Steinway D-274 Konzertflügel

Steinway D-274 Konzertflügel

Der Steinway Konzertflügel ist so etwas wie der Industriestandard und hat sich auf den großen Konzertbühnen weltweit durchgesetzt. Und wenn mal ein anderer großer Name wie Bösendorfer, Fazioli, Steingräber oder Bechstein vorkommt, dann meistens zusätzlich zu einem Steinway.

Der typische Steinway Klang

Die alles entscheidende Frage bleibt der Klang: Wie klingt denn ein Steinway? Und weshalb findet man Steinway-Samples in praktisch jedem Digitalpiano, selbst von Kawai und Yamaha, obwohl diese ja selbst auch sehr gute Konzertflügel bauen?

Steinways tendieren zu einem hellen, präsenten und brillanten Klang. Je nach Intonierung gelingen auch warme, dunklere Töne. Sie können sehr laut sein und bestehen problemlos neben einem vollbesetzten Symphonieorchester, wobei extremes Pianissimo trotzdem möglich bleibt. Meine Erfahrung mit Steinways ist, dass die Bandbreite sehr groß ist: Viele Instrumente ließen mich kalt, während ich von anderen begeistert war. Für mich ist Steinway eine der Topmarken, aber nicht per se besser als Bösendorfer, Fazioli, Bechstein, Steingräber, Yamaha, Shigeru Kawai, Pfeiffer und viele andere. Wenn es so etwas wie einen „Mythos Steinway“ überhaupt gibt, dann aus meiner Sicht eher bezüglich der Mechanik, die sich sehr angenehm, präzise und nuancenreich spielen lässt und gleichzeitig kleinere Fehler verzeiht.

Steinway Piano geöffneter Saitenkasten

Steinway Marketing

In Sachen Marketing war Steinway immer innovativ, engagiert und leider auch etwas aggressiv. Schon früh nahm man Pianisten unter Vertrag,  unterstützte Tourneen und belieferte die wichtigsten Musikhochschulen. Zuweilen reagiert man etwas dünnhäutig: Als die bekannte Julliard School in New York entschied, nebst auf Steinway in Zukunft auch auf Fazioli-Flügeln zu unterrichten, fühlte sich der damalige Chef von Steinway berufen, beim Schulleiter zu protestieren. Bekannt ist auch die Geschichte des amerikanischen Pianisten und Steinway-Artist Garrick Ohlsson, der es „wagte“, den Konkurrenten Bösendorfer in einem Zeitungsinterview zu loben. Dies kam einer Blasphemie gleich, Steinway beendete die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung und ließ den bereitgestellten Flügel wenige Stunden vor Konzertbeginn wieder abtransportieren.

Man fragt sich, weshalb Steinway ein solches Verhalten nötig hat. Sympathie-Punkte gewinnt man so bestimmt nicht. Auf der anderen Seite scheint die Strategie aufzugehen: Unter interessierten Laien gilt Steinway weiterhin als das absolut Beste. Andere Marken wie Bösendorfer, Fazioli, Steingräber oder Bechstein werden geflissentlich ignoriert, wenn man sie denn überhaupt kennt.

Steinway Piano Store in Paris

Der Steinway Store in Paris

Dabei bestehen keine qualitativen Unterschiede zwischen den Top-Marken, ästhetische natürlich schon. Und Steinway setzt alles daran, dass sich das eigene Klangideal durchsetzt. Der ungarisch-britische Pianist Andràs Schiff, der als einer der besten lebenden Pianisten gilt, beklagt schon lange eine „Monotonie in den Konzertsälen“: „Das Problem ist, dass die meisten Pianisten überhaupt nicht neugierig sind. Sie nehmen oft lieber einen mittelmäßigen Steinway als einen guten Bösendorfer, weil sie auf Letzterem gar nicht spielen können.“ (Zitat gefunden auf diepresse.com). Dies trifft die Sache ziemlich gut: Die meisten Pianisten wollen auf Steinway spielen, weil sie sie am besten kennen, während ein Bösendorfer oder Fazioli ihren eigenen Charakter haben, mit dem man sich erstmal beschäftigen muss. Zudem wurde Steinway oft kopiert. Viele Pianisten üben auf einem Yamaha oder Kawai, weil diese dem Steinway sehr ähnlich sind. Dann fällt es umso schwerer, ein Konzert auf einem anderen Flügel zu spielen. So wird Steinway immer dominanter. Ein marketing-technisches Perpetuum-Mobile, das die Anleger erfreuen wird, aber musikalisch zweifelhaft bleibt.

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Fazit

Der Ruhm von Steinway fußt auf Qualität, Innovationen, einer vorbildlichen Produktpflege und einem – diplomatisch ausgedrückt – engagierten Marketing. Außerdem spielte auch die Weltpolitik eine Rolle, die dem Hause Steinway in der Nachkriegszeit einen Vorsprung gegenüber der europäischen Konkurrenz verschaffte. Steinway gehört weiterhin zu den besten Klavierbauern, ist aber sicher nicht der einzige, der diese Qualität und Langlebigkeit bietet. Klanglich gelten Steinways als eher hell, Liebhaber eines dunkleren Klanges tendieren zu anderen Marken.

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Forum
  1. Profilbild
    janschneider

    Das ist ja mal ganz untypisch, dass in einem Artikel keine Links zu dem Produkt auf thomann zu finden sind 😁
    Aber interessanter Artikel, gerne weitere davon auch zu den genanntem Steinway-Konkurrenten.

  2. Profilbild
    Autarkus

    Vielen Dank für den tollen Artikel.
    Anfang Januar bekam ich eine knapp 2-stündige private Führung durch das Steinwaywerk in Hamburg. Das war nach einer telefonischen Anfrage am Vortag möglich. Die Jungs sind echt auf „Zack“ und die Führung war mehr als beeindruckend.
    Ich habe mich jahrelang mit meinem Flügelkauf beschäftigt, war markenoffen, da es mir nur um Klang und Spielbarkeit ging und bin am Ende bei einem B-Modell von Steinway „gelandet“. Eine Wertanlage, die mich jeden Tag erfreut.

  3. Profilbild
    TomH

    Vielen, vielen Dank für den schönen Artikel.
    Besonders der letzte Absatz brachte mich zum schmunzeln.

    Ja, Marken Hörigkeit oder Bevorzugung engt die Vielfalt / Varianz ein.

    Das gilt für vieles, ob nun Fast Food (z.B. McDonald), Hotelketten oder hier schön herraus gearbeitet, auch bei Flügel.
    Ich will zumindest nicht immer das identische, sondern mag auch die schöne Überraschung, einmal etwas Gutes, nur halt doch anders.

    Auch deshalb mag ich den Marken Hype immer weniger, engt er doch meine Sichtweise ein.
    (und oft kostet das auch einen eher nicht gerechtfertigten Hype Aufpreis)

  4. Profilbild
    falconi RED

    Sehr interessant, danke.
    ich (und sicher Tausende anderer) habe im „Grotrian-Steinweg“ in der Zimmerstraße 24 einige meiner Vordiploms-Klausuren geschrieben, darunter sechs Schulstunden „Maschinenelemente“. Rückwirkend betrachtet also ein belasteter Ort. Eine Zeichentischlampe von dort benutze ich bis heute. Und tatsächlich einen uralten, ehemals total maroden, Klavierhocker, der dort immer rumschlumpste…

  5. Profilbild
    Macadeo

    Toller, sehr informativer Artikel. Das Marketing von Steinway doch einfach Ausdruck eines höchst brutalen amerikanischen Kapitalismus. Wenn ein Lang Lang nur dort konzertiert wo ein 274er steht, der nicht älter ist als 10 Jahre, dann zwingt man klamme Städte zu völlig sinnlosen Investitionen, nur damit sich mit Auftritten von Weltstars schmücken kann. Wie oft wird so ein Flügel denn im Jahr eingesetzt? Auch Steinway hat die Wertschöpfungskette bis auf den letzten Cent ausgequetscht. Die Streubreite bei der Klangqualität der Instrumente ist gewaltig. Natürlich gibt es göttlich klingende Steinways. Ich habe nur leider keinen gefunden und mich dann für einen Fazioli entschieden. In Sacile konnte ich unter 5 gerade fertig gestellten Flügeln meinen auswählen, alle klangen unterschiedlich, aber alle waren überragend.

  6. Profilbild
    hejasa AHU

    Sehr informativer Artikel, danke! Auf Arte wird die Restauration eines alten Steinways gezeigt, kenne leider den Link nicht mehr, habe aber begriffen wieviel verschiedene Arbeiten nötig sind, um einen Flügel aufzubauen. Ich habe seither sehr großen Respekt vor den Klavierbauern egal welcher Firma.
    Von Steinway kenne ich persönlich nur einen B 211 gebaut 1966, mit dem ich ein kurzes Intermezzo hatte. Ich hätte gern ein Original, habe aber weder Raum noch das nötige Kleingeld. Ich bin trotzdem nicht neidisch, weil mein elektronisches MP 11 mir all das liefert, was ich brauche.

  7. Profilbild
    Garfield Modular AHU

    Hallo Martin,

    Herzlichen Dank für Dein Artikel. Sehr interessant und ich fand es sehr gut zum lesen. Vielleicht mal ein ähnliches Artikel über Bösendorfer und Fazioli? :-) (oder halt noch andere Marken)

    Vielen Dank auch für die Arbeit/Aufwand das Du in diesen Artikel herein gesteckt hast, großes Lob!

    Viele Grüße, Garfield.

  8. Profilbild
    Nik Elektrik

    Vielen Dank für den ausführlichen und informativen Artikel. Tolle Instrumente, man muss sie mal gespielt haben. Ich durfte mal beim NDR deren D-Flügel spielen. Tastatur spielte sich quasi von alleine. Unglaublich gut. Dennoch natürlich preislich und räumlich für zuhause nicht darstellbar.
    Als Alternative bin ich glücklich mit einem Yamaha S-400e, aktuelles Modell heißt S4. Mit 190cm lautstärkenmäßig ausreichend bei großartigem Klang. Mein alter Klavierstimmer war 35 Jahre Meister bei Steinway in Hamburg und sagte zum Yamaha: „Könnte auch von uns sein.“

  9. Profilbild
    Trance-Ference

    Danke für den Artikel. Bei Steinway wurde ich gleich hellhörig. Ich lebe mittlerweile in Seesen, hier gibt es auch einen kleinen gepflegten Steinway Park der selbstverständlich an die Herkunft erinnert.
    Als ich vorher in der Nähe von Braunschweig gewohnt habe war ich aus beruflichen Gründen hin und wieder im Grotrian-Steinweg zu Gange.
    Irgendwie begleitet mich das schon ne Weile 😄
    Schön dann so einen Artikel zu lesen!

  10. Profilbild
    ronv AHU

    Hallo Martin, herzlichen Dank auch von mir für diesen Artikel und die gesamte Piano Lounge! Ich finde die Artikel sehr informativ, fundiert, gut strukturiert und sehr angenehm zu lesen. Hoffentlich kommen noch viele weitere!

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