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Feature: Boutique-Pedale live & auf der Bühne

Teure Boutique-Pedale für den perfekten Live-Sound?

12. März 2023

Teure Gitarrenpedale vs günstige Gitarrenpedale

Boutique-Pedale oder Massenware? Diese Frage spaltet die Gitarristen-Gesellschaft vor allem dann, wenn es um ihren Live- Sound auf und vor allem vor der Bühne geht. Daher möchte ich diesen Artikel gleich vorab mit einem Warnhinweis versehen, denn wenn du empfindlich bist, solltest du nicht weiterlesen. Ich hätte eigentlich gerne das Explicit Content Label, denn heute geht es um den Sinn von Boutique-Pedalen live auf der Bühne.

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Aber der Reihe nach. Die Frage, ob Boutique-Pedale wirklich das Non-Plus-Ultra für den Live-Auftritt sind, kam mir während meiner Musiker-Entwicklung tatsächlich schon sehr, sehr häufig in den Kopf. Vor allem dann, wenn ich sah, wie der Gitarrist einer Band sein XXL-Pedalboard im Case auf die Bühne schleppte und beim Öffnen zahlreiche, bunte Boutique-Pedale zum Vorschein kamen.
Wie kann es sein, dass so viele berühmte Gitarristen seit Jahrzehnten mit einem kompakten Pedalboard mit Boss Pedalen durch die Welt touren, wie zum Beispiel Slash oder Joe Satriani, während andere, manchmal auch recht unbekannte „Dorfbands“ mit Pedalboards unterwegs sind, die durchaus auch als Altersvorsorge durchgehen würden? Warum also nutzt mancher also stets teure Boutique-Pedale live? Geht es ihnen um den Sound? Um das Mojo? Um die Statussymbole? Und vor allem, hört das Publikum live tatsächlich den Unterschied zwischen einem sauteuren Boutique-Pedal und einem guten Standard-Pedal? Hört das Publikum überhaupt die Nuancen deines coolen Glitch-Delays?

Boutique Pedale live on Stage: Der Sound

Vor Kurzem sah ich ein YouTube-Video, in dem das Setup eines Gitarristen vorgestellt wurde, der drei der teuersten Low-Gain-Verzerrer in seinem Rack hatte. Dazu noch vier Boutique-Delays und ein paar andere Pedale, die bei Effektfreaks zu Herzrasen und Schweißausbrüchen führen können. Im kurzen Einspieler seiner anschließenden Live-Performance spielte er eine Akustikgitarre und begleitete damit seine sehr schönen Songs. Einen Unterschied zum Beispiel in den verzerrten Sounds konnte man auch dann nicht wahrnehmen, wenn er sichtbar mit seinem MIDI-Controller zwischen den Effekten hin und her schaltete. Und da drängte sich mir die Frage auf, ob die Effekte, die er zuvor im Video gezeigt hatte, nun auch die Sounds lieferten, die das Publikum vor der Bühne beziehungsweise hörte. Merkt man einen Unterschied, wenn der Gitarrist von einem einen Low-Gain-Overdrive zum nächsten wechselt und reagiert darauf mit starkem Applaus? Ein Delay wird sicherlich klanglich als solches erkannt. Aber macht es live einen klanglichen Unterschied, ob es sich um ein günstiges Delay aus einer Serienfertigung oder ein in kleiner Stückzahl hergestelltes Boutique-Pedal handelt, das ein Vielfaches kostet? Wieviel Sinn macht das Glitch-Delay? Klingt es im Song-Kontext anders als ein normales Delay? Wie kann es sein, dass es schon immer Gitarristen gab und bis heute gibt, die immer gut klingen, egal welches Setup sie spielen. Wie wichtig sind bei ihnen viele Schönfärber und Klangexoten im Live-Setup?

Hört man als Musiker selbst einen Unterschied? Im direkten A/B-Vergleich von zwei Pedalen hört man diesen mit Sicherheit. Allerdings ist bei analogen Pedalen dieser Unterschied bauteilbedingt auch zwischen zwei anscheinend identischen Pedalen zu hören. Und, außer beim direkten Vergleichen zweier Geräte, wann und warum sollte man im Song oder beim Proben zwei Geräte einander direkt gegenüberstellen? Selbst Bandmitglieder hören das nicht und so nickt beim Live-Auftritt keiner zustimmend rüber, wenn ich vom analogen zum digitalen Delay gewechselt habe. Der Sound alleine ist es also meist gar nicht, sondern der Song und das Zusammenspiel aller seiner Komponenten.Teure Gitarrenpedale vs günstige Gitarrenpedale

Ich möchte hier explizit betonen, dass ich mich bisher nur auf den Live-Kontext bezogen habe und definitiv der Meinung bin, dass die Bedeutung Pedale beim Songwriting oder beim Jammen zum Looper schon wieder ganz anders aussehen kann. Hier inspiriert der neue Klang, das schöne Gerät oder generell die Aura des hochwertigen Pedals zu neuen Spielarten und damit zu neuen Songs. Und alles, was inspiriert, ist ja absolut sinnvoll. Ich bin dementsprechend kein Verfechter für oder gegen Boutique-Pedale. Ich habe selbst doch eine ganze Reihe von ihnen, aber manchmal ist es hilfreich, sich und seine Einstellung zu diesen wundervollen Geschöpfen zu hinterfragen und für sich selbst eine Antwort auf die Frage zu finden, was man wirklich braucht, um kreativ und zufrieden zu sein.

Teure Effektpedale vs. günstige Effektpedale

Wenn ein Gitarrist dadurch besser spielt, dass er ein bestimmtes Pedal, aus welchen Gründen auch immer, liebt, hat in meinen Augen der Erwerb dieses Pedals seinen Zweck erfüllt. Sofern also zum Beispiel der ganz individuell wahrgenommene Sound, die empfundene Anmut des Pedals, die Nutzerfreundlichkeit oder vielleicht sogar der Umstand, dass man sich dadurch, dass man es besitzt, einfach großartig fühlt und es dich dazu animiert, härter an dir zu arbeiten, um diesem Wunderwerk gerecht werden zu können, dann beflügelt dieses Gerät und man kann daran wachsen. Letztlich ist es ja so: Trotz aller ökonomischen Katastrophen, die wir momentan erleben, ist Musik ein Luxusgut und dient dem Zweck, Spaß zu machen, uns in eine besondere Stimmung zu versetzen, uns zu unterhalten, zu berühren… was auch immer. Musik ist nicht unbedingt ein Lebensbereich, den man mit Sparsamkeit verbindet. Die weithin bekannte Definition des Begriffs „Hobby“ ist ja, bei maximalem Aufwand und höchstmöglichen Kosten den minimalsten Erfolg zu erhalten.

Boutique Pedale vs Budget Pedale live

Anderseits, wenn wir hier schon über Gefühle sprechen, können die Gedanken an ein neues, noch nicht erhältliches Pedal auch vom reinen Spielen ablenken. Wenn mehr Zeit damit verbracht wird, in Internetforen nach dem aktuellen Lieferzeitplan zu suchen, als damit, Gitarre zu spielen, ist das alles andere als kreativ. Und wie in so vielen Bereichen des Lebens, infizieren sich auch Musiker gerne mit dem FOMO-Virus, sprich der Angst etwas zu verpassen. Wenn schöne Pedalboards mit sämtlichen neuen, bunten Helden im Internet gepostet werden, einzelne Pedale hiervon vielleicht noch limitiert sind oder man auf einer Warteliste stehen muss, um eins kaufen zu können, fühlt man sich mit einem Pedalboard mit den Basic-Arbeitstieren fast schon „underdressed“. Geht es manchmal letztlich gar nicht um den Sound, konkrete Features oder klangliche Inspiration, sondern darum, zu einem exklusiven Kreis von Leuten auf Wartelisten oder Besitzern von Pedal XY zu gehören?

Boutique oder Masse – was sagt das über die Konstruktion aus?

In meiner Werkstatt repariere durchaus viele ältere Pedale, die von bekannten, großen Herstellern in großer Stückzahl hergestellt wurden. Diese Pedale sind meist aber extrem robust, klingen solide und brauchen in der Regel nur mal einen neuen Fußtaster oder eine Reparatur, die – sofern die Bauteile noch zu bekommen sind – mit ein bisschen Wissen und Geschick gut machbar ist.
Wesentlich öfter liegen bei mir allerdings Boutique-Pedale auf dem OP-Tisch, die nach zwei bis drei Jahren bereits einen neuen Fußschalter benötigen und/oder kalte Lötstellen haben, da sie aufgrund der RoHS Bestimmungen mit bleifreiem Lötzinn gebaut werden müssen und der Fluss des Lötzinns nicht so gut ist. Anders als viele Hersteller uns glauben machen wollen, werden leider auch viele Boutique-Pedale oft nicht mehr in liebevoller Handarbeit von drei Musiknerds in einer Garage hergestellt. Auch hier gibt es vorgefertigte Platinen und maschinelle Verarbeitung. Selektierte Bauteile findet man nur noch selten.

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Und auch teure Boutique-Pedale können ihre Schwächen haben. Ein erhöhtes Rauschen, eine wahrnehmbare Latenz, eine unvollständige MIDI-Implementierung oder mein gefürchteter Gegner: einen Volume-Drop, also das starke Abfallen der Lautstärke beim Aktivieren des Pedals. All diese hässlichen Begleiterscheinungen sind auch bei den teuren und exklusiven Pedalen schon vorgekommen. Häufig leiden vor allem ganz treue Fans einer Marke unter dem sogenannten „First-Batch-Problem“. Sie jagen den Pedalen aus der ersten Charge hinterher, deren gesamte Umsetzung aber noch nicht unbedingt ganz ausgefeilt ist. Wenn das neue Pedal dann aufgrund der konstruktiven Kritik der ersten User kurze Zeit später durch eine verbesserte Version 2 ersetzt wird, fühlt sich diese nicht selten etwas über den Tisch gezogen und schnell entwickelt sich der Wunsch, das erste unperfekte Gerät durch eines der optimierten Charge zu ersetzen. Es ist natürlich schön, wenn der Hersteller auf das Feedback der Gitarristen hört und sein Pedal verbessert, aber als Beta-Tester sollte der Gitarrist, der ja auch immer noch Kunde ist, nicht unfreiwillig herhalten. Sicherlich, niemand wird zum Kauf gezwungen. Aber man geht bei einem fertigen Produkt doch von einer vollkommenen Funktionsfähigkeit aus.

Bei großen Herstellern wird hier anscheinend weniger riskiert. Es werden nicht ganz so ausgefallene Pedale entwickelt – oft Neuinterpretationen von Klassikern und es wird vielleicht mehr getestet. Die Gehäuse sind bei Zeiten vielleicht eher schlicht und pragmatisch, aber die Pedale sind grundsolide. Sicherlich, auch hier gibt es, gerade bei digitalen Geräten ebenfalls häufig noch Updates und nicht alle Wünsche werden erfüllt. Aber ganz extreme Ausreißer gibt es gefühlt nicht.

Teure Pedale vs. günstige Pedale

Der Trend der bunten One-Trick-Ponys, also Pedalen, die nur einen einzigen ganz bestimmten Sound oder Effekt erzeugen, nimmt ständig zu. Und damit meine ich keine Verzerrer oder bekannte Modulationspedale, sondern Glitch-Granular-Reverse-Pitch-Pedale. Also eine Kategorie von Pedalen, die man besser nur in sehr geringen Dosen in einem Song einsetzen sollte. Dabei habe ich im Radio, auf YouTube oder TikTok noch keinen Song gehört, bei denen man ein Super-Fancy-One-Trick-Pony deutlich heraushört. Falls jemand einen kennt, würde ich mich über Hinweise sehr freuen. Pedale dieser Kategorie sind meist eher etwas für Sound-Enthusiasten, kreative Köpfe und experimentierfreudige Gitarristen.

Aber man sollte sich von bunt produzierten YouTube-Demos nicht blenden lassen, denn wenn außer wild glitchenden Random-Samples keine Songs produziert werden, ist die Verwendung doch recht einseitig. Daher sind diese Pedale eher etwas für fortgeschrittene Musiker, die genau wissen, wo sie hinwollen und was sie tun. Es gibt auch sogenannte Instant-Cinematic-Pedals, die jedoch mit einem Akkord oder einer komplexeren Melodie komplett überfordert sind und den Gitarristen eher dazu erziehen wollen, einen einzelnen Ton zu spielen und den folgenden Modulationen und zufälligen Patterns zu lauschen. Sicherlich, so kommt man schnell zu einem schön klingenden Ergebnis. Aber klingt dieses Ergebnis dann auch noch individuell oder wiederholt sich dieser Sound in jedem Demo-Video und Song und man kann das Pedal eigentlich gar nicht zu seinem eigenen machen?

Boutique Pedale live on Stage: Keep it simple

Boutique Pedale vs Budget Pedale liveIch erinnere mich noch gut an meinen ersten Verzerrer, einen Ibanez Power Lead aus der unschönen Soundtank-Serie. Für einen schmalen Taler hat der mir in den 1990er-Jahren eine ordentliche Zerre geliefert und ich hatte einen Mordsspaß damit. Mit einem Delay dazu hatte ich eigentlich alles auf dem Pedalboard, was ich brauchte. Probleme, wie eine passende Stromversorgung eines großen Pedalboards, Soundverlust durch lange Kabelwege oder Konzertunterbrechungen wegen defekter Pedale oder Patch-Kabel hatte ich in meinen Anfängen also nicht. Mein Sound war gut und ich konnte mich ohne Stepptanz auf die Songs konzentrieren. Wenn ich schlecht gespielt habe, lag das an meinen damaligen Fähigkeiten.

In einer späteren Band hatte ich ein großes Case mit einer Pedalauswahl nach dem Motto „einmal mit alles, bitte“. Brummengeräusche und ein Totalausfall (als ein Konzertbesucher beim Stage-Diven, statt nach vorne zu springen, eher nach hinten auf mein Board gefallen ist), waren alles andere als schön. Und wenn mal auf Tour ein Pedal komplett ausfallen sollte, ist es doch toll, wenn man in den nächsten lokalen Laden fahren und von der Stange einen Ersatz bekommen kann.
Bei extrem teuren Pedalen, wie zum Beispiel goldene Verzerrer mit aufgedruckten Tieren, darf man außerdem sein Pedalboard keine Sekunde aus den Augen lassen. Ein paar sachkundige Augen im Publikum und schon reitet das Pedal in eine neue Heimat. Und bei Pedalen, die den finanziellen Gegenwert eines Kleinwagens haben, ist das schon mehr als ärgerlich. Meinen Ibanez Power Lead wollte nie jemand klauen. Warum eigentlich nicht!?

Merkt man den Unterschied zwischen Boutique-Pedalen und günstigen?

Also bleibt die Frage: Was bewegt uns eigentlich, diese wertvollen Kunstobjekte auf unserem Pedalboard durch die Welt kutschieren zu wollen? Ist es Neugier, sind wir Soundsnobs oder möchte man vor anderen Gitarristen gut dastehen? Klanglich, über eine mittelmäßige PA und von einem Hausmixer, der mit der gespielten Musik vielleicht nicht so viel anfangen kann, klingt auch das teuerste Boutique-Pedal live eher mittelmäßig. Im Bandkontext in einer größeren Halle kann ein Ambient-Space-Hall durchaus ganz bedauerlich untergehen und für einen Klangbrei sorgen. Also das Gegenteil vom gewünschten Effekt erzeugen. Und auch hier sind manchmal die etwas steril klingenden Pedale aus großer Massenproduktion klanglich vielleicht besser geeignet, da sie, manchmal auch ungewollt, die Bässe etwas kappen und die Mitten boosten und dadurch live einfach großartig klingen können. Während die vollmundigen Boutique-Gesellen vielleicht eher zu sehr wummern und dem Bassisten keinen Platz mehr lassen.

Und sind Multi-Effekte wirklich so schlimm? Klanglich vielleicht nicht so ausgearbeitet wie Einzelpedale, aber dafür ist die Stromversorgung und die Preset-Schaltmöglichkeit bereits integriert. Damit kann man sich komplett auf die Live-Performance konzentrieren.

Als Beispiel auch noch der Tubescreamer. Dieser war nie besonders teuer und klanglich muss man in der Beziehung zu ihm durchaus auch Kompromisse eingehen. Boutique-Varianten können mit mehr Bässen aufwarten, aber diese sind im Bandkontext dann auch oft wieder zu viel. Der alte Tubescreamer hat sich also trotzdem auf unzähligen Pedalboards durchgesetzt. Selbst Joe Bonamassa spielt einen. Die Point-to-Point-Variante, mit der auch Ibanez versuchte, die Boutique-Käufer abzuholen, hat sich nie durchgesetzt. Aber es gibt wohl keinen Gitarristen, der noch keinen Standard Tubescreamer gespielt hat.Boutique Pedale vs Budget Pedale live

Was ich damit sagen möchte ist, dass ein guter Gitarrist, egal mit welchem Setup, auch immer gut ist. Authentische Gefühle und eine gute Spieltechnik geben der Musik meist mehr als jedes Boutique-Pedal, das live auf der Bühne versucht, dem Song die Show zu stehlen. Ein mittelmäßiger Gitarrist wird mit super Pedalen auch nicht viel kaschieren können. Machen wir uns also viel zu viele Gedanken um unseren Sound? Das Publikum hört vermutlich auch keinen Unterschied zwischen einer ’56er Les Paul und einer Epiphone Kopie. Im Idealfall lässt uns Gitarristen vielleicht die Ehrfurcht vor einem guten Instrument besser spielen. Aber auch damit bekommen wir kein Riff hin, das wir auch vorher nicht spielen konnten. Und es ist fraglich, ob das Publikum diesen Unterschied hört und denkt: Wow, diese Gitarre klingt wirklich gut. Oder geht es da nicht eher um den Song, um die Performance und die Atmosphäre? Sicher spielen Emotionen in der Musik eine große Rolle. Aber Können und Technik können diese meist besser transportieren als wenn ich zwar teure Boutique-Pedale live mit einer mäßigen Technik und recht wenig Können darbiete. Ich höre mir lieber einen guten Straßenmusiker an, der voller Leidenschaft spielt, als ein Video von einem gelangweilten Gitarristen mit einem Traum-Setup zu sehen.

Als Beispiel könnte man auch Nirvana anführen. Mit gebrauchten Squier Gitarren und damals unbeliebten und günstigen Second-.Hand-Pedalen hat Kurt Cobain eine ganz neue Soundsparte geprägt. Viele Posts mit neuen angeblich so innovativen Pedalen erinnert mich eher an Fahrstuhlmusik. Sie ist für mich also eher uninteressant.

Wenn ich ein günstiges Pedal von der Stange anteste, habe ich nicht weniger Spaß als mit einem teuren Effektpedal. Und ich bin oft überrascht, wie gut die Qualität dieser Pedale ist. Ich meine, es gibt einen Tubescreamer Clone für ca. 30 Euro und analoge Delays im gleichen Preisspektrum. Sie haben vielleicht weniger Features, aber sie machen nicht weniger Spaß. Und statt Presets kann ich mir ja auch zwei dieser Pedale auf das Board stellen. Wichtig ist, dass das Konzept stimmt und dass das Pedal für meine Musik sinnvoll ist. Das Pedal, egal ob von der Stange oder aus der Boutique, also zum Teil von meinem kreativen Prozess werden kann. Wenn ich meinen Fokus auf die zahlreichen Funktionen eines Fancy-Pedals legen muss, hindert es mich eher am Musizieren. Manuals durchlesen ist halt weniger sexy, als einfach loszuspielen und sich auf die Melodien und Akkorde zu konzentrieren.

 

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Fazit

Meine eingangs gestellte Frage, ob Boutique-Pedale live wirklich das Non-Plus-Ultra sind, soll dementsprechend keinesfalls ein abschließendes Statement sein, sondern vielmehr ein Denkanstoß. Es war zunächst eine Frage, die ich mir selbst stellte und mich würde einfach interessieren, wie andere das sehen. Was denkst du über den Sinn von teuren Effektpedalen, Nischenprodukten, Marketing und Forendynamik. Macht mich ein Pedal oder doch etwas anderes zu einem besseren Gitarristen? Was inspiriert mich?

Ich habe hier viele Fragen aufgeworfen, die ich mir selbst auch beantworten muss. Mich interessiert brennend, wie du darüber denkst. Gibt es ein Boutique-Pedal, auf das du nicht verzichten kannst? Ist eine Horde One-Trick-Ponys in deinen Augen sinnvoll oder stressig? Könntest du mit deinen schlichten ersten Effektpedalen, die du jemals besessen hast, heute noch ein Konzert spielen oder einen Song schreiben? Oder sind Boutique-Pedale richtig inspirierend für dich und helfen dir beim Songwriting? Oder ist der Hype ein Selbstläufer und eine Eintrittskarte in die Instagram-Community? Oder kann man mit der ganzen Hysterie vielleicht auch ein wenig entspannter umgehen?

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Forum
  1. Profilbild
    ctrotzkowski

    Hi Christoph,

    sehr gut ausbalancierter Artikel.

    Ich kann dem nur zustimmen, daß es einerseits schon den Bandkollegen recht egal ist, was auf den bunten Tretminen so als Label prangt – und vom Publikum ganz zu schweigen – andererseits darf ja jeder Musiker das Equipment wählen, das ihn am meisten inspiriert – so man es sich leisten kann/will. Ob es dabei nun ein geschicktes Marketing des Herstellers war, ein geliebter Endorser oder Influencer, oder tatsächlich die „einzigartigen“ Klangeigenschaften des Effektes, welche Dir neue Ideen oder ein gutes Gefühl vermitteln, ist schon fast unerheblich.

    Schönes Beispiel „Pink Floyd“: Die Gitarrensounds waren nicht nur wegen der Musik „progressiv“, sondern auch wegen der experimentellen und teils selbst spezifizierten Effekte. Jeder von uns kennt deren geniale Einheit aus Solospiel und Effektsound. Aber wohl nur Gitarristen der heute omnipräsenten Tribute-Bands haben exakt auf dem Zettel, welche Effekte denn nun konkret zum Einsatz kamen. Und nur letztere bauchen dann auch genau diese oder ihre Re-Issues, um dem Original möglichst nahe zu kommen.

    Ich spiele null Boutique.

  2. Profilbild
    RainerJTM

    Ich zitiere aus Deinem Text:

    „ Wesentlich öfter liegen bei mir allerdings Boutique-Pedale auf dem OP-Tisch, die nach zwei bis drei Jahren bereits einen neuen Fußschalter benötigen und/oder kalte Lötstellen haben, da sie aufgrund der RoHS Bestimmungen mit bleifreiem Lötzinn gebaut werden müssen und der Fluss des Lötzinns nicht so gut ist. Anders als viele Hersteller uns glauben machen wollen, werden leider auch viele Boutique-Pedale oft nicht mehr in liebevoller Handarbeit von drei Musiknerds in einer Garage hergestellt. Auch hier gibt es vorgefertigte Platinen und maschinelle Verarbeitung. Selektierte Bauteile findet man nur noch selten.“

    „Boutique“ ist für mich immer öfter eine betrügerische Marketing-Floskel, die dem Kunden eine gnadenlos besondere Qualität suggerieren soll …. des öfteren aber arglistige Täuschung darstellt.

    Gleiches gilt für den nervigen Trend, durchschnittliche Instrumenten-Ware durch Aufdrucken irgendeines Namens zu ultimativen „Custom-Shop“ Produkten hochzupushen.

    Das ist natürlich nicht allgemeingültig, aber es fällt auf.

    • Profilbild
      harrymudd AHU

      @RainerJTM …oder dieses affige Gitarren auf alt trimmen kann ich nicht verstehen. Vielleicht noch bei teuren Custom Shop Instrumenten von Fender und Gibson. Aber geagte Gitarren von z. B. Friedmann empfinde ich als albern🙄

      • Profilbild
        roseblood11

        @harrymudd Aging verstehe ich bei Leuten, wie Keith Richards, die ihre alten Originale nicht mehr bei jedem Mistwetter mit auf die Bühne nehmen wollen und deshalb geklonte neue Instrumente haben.
        Sonst ist es nur affig.

  3. Profilbild
    murmichel

    Warum live mit Boutique-Pedalen spielen? Wie wäre es mit der einfachsten Erklärung: Die Leute haben nur das eine Pedalboard.

  4. Profilbild
    mofateam

    Schöner Artikel.

    Ich muss manchmal wirklich den Kopf schütteln über die schiere Masse der Pedalneuerscheinungen und auch oft über die aufgerufenen Preise.

    Da ist sicher viel Esoterik und GAS im Spiel – gerade gutverdienende mittelalte Hobbygitarrenhelden (ich kenn da einige) sind für gutes Marketing dieser Boutiquehersteller sehr empfänglich.
    Des einen Golfschläger ist halt des anden Boutiquepedal…

    Andererseits – ich habe mir kürzlich auch Boutiquepedale zugelegt, die absolut der Hammer sind : ein Surfybear Spring Reverb und ein Origin Effects Revival Trem. An einen etwas schlapp klingenden Amp ging plötzlich die Sonne auf.

    Auch das ein oder andere Strymon-Pedal hat den Weg auf mein Board gefunden. Zwar hat mir neulich ein Freund das Behringer Fuzz als absoluten Geheimtipp empfohlen, allerdings kann man ja auch Fuzzpedale für 300 € kaufen (und wieder verkaufen) und trotzdem scheisse spielen.

    Denn in einem hat der Autor 100% Recht :
    guter Sound kommt nicht aus Pedalen, sondern in erster Linie aus den Fingern.
    Ich habe mal John Scofield gesehen. Ohne Worte.
    Er spielte auf einem Yamaha Transistorverstärker und sonst nix.

  5. Profilbild
    I-0000-BassSolo

    Liegt es nicht in der Natur von Hobbys (und im Beruf noch mehr), dass man in dem Feld einfach zum Nerd wird? Man hat Spaß daran, sich damit auseinanderzusetzen und je mehr man das macht, desto mehr steigt auch die Versuchung, sich das Zeug zu kaufen. Solange man nicht zum Snob wird und es raushängen lässt, dass man ach so teure/seltene/tolle Effekte auf dem Pedalboard hat, finde ich das ok.
    Und die Pragmatischen, die nur einen Bruchteil für Gear ausgeben, können doch souverän zu ihren Lösungen stehen. Wenn die dann in Richtung der Boutique Fraktion sticheln, ist dann nicht doch Unsicherheit oder Neid im Spiel?
    Und ja, das Wichtigste, was jede/n Einzelne begreifen sollte, steht im Artikel: Gute Musiker und Musikerinnen klingen auch mit 08/15 Gear gut.
    Von daher denke ich: Lasst uns entspannt bleiben und mit unserer jeweiligen Herangehensweise bzgl Gear ins Reine kommen und dazu stehen.

  6. Profilbild
    roseblood11

    Ich bin vom Stepptanz weitgehend weg, nachdem ich über die Jahre über hundert Effekte selbst gebaut hatte, auch ganz eigenständige.
    Jetzt macht ein Line6 HX Effects den Job, und zwar besser und mit intuitiverer Bedienung – zB ein Delay mit 15 Parametern, die man auf einen Blick überschauen kann, sowas gibt es als Einzeltreter nicht.
    Ich ergänze noch zwei bis drei selbstgebaute Verzerrer, aber nur, weil ich dran gewöhnt bin, klanglich deckt das Line6 alles ab. Da ich dort nur einen Anschluss für ein Expressionpedal frei habe, sorgt ein günstiges Hotone Soulpress II für Volume und manchmal Wah. Einziger Exot, den das Line6 nicht ganz ersetzen kann, ist gelegentlich ein Digitech Freq Out.
    Durch meine DIY-Phase habe ich viele Boutique-Effekte von innen gesehen und die Schaltpläne studiert. Und ich muss sagen, weder Originalität noch Qualität stehen in festem Verhältnis zum Preis. Es gibt sehr eigenständige, gut gebaute Effekte für relativ wenig Geld, auch aus europäischer Produktion, es gibt aber auch extrem überteuerte Geräte, die intern völlig schrottig aufgebaut sind und nur ein Brot-und-Butter Pedal mit in DIY-Kreisen bekannten Mods sind – zu Apothekenpreisen.

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