Konstanzer Kopfhörerverstärker
Der Kopfhörerverstärker-Markt boomt wie selten zuvor. War es vor einigen Jahren im Homerecording-Bereich noch Usus, für gelegentliche Sessions nach 22:00 Uhr in der Mietswohnung für den Abhörbereich den eingebauten Kopfhörerverstärker des Mischpultes oder des Interfaces zu nutzen, hat sich auch im Budget-Bereich der Status etabliert, dass ein hochwertiger Kopfhörer ohne den qualitativ passenden Kopfhörerverstärker letztendlich nutzlos ist. Besserer Headroom, geringere Clippings und eine allgemeine Entspanntheit des Klangs ermöglichen einen deutlich besseren Eindruck über das abzuhörende Material und garantieren bessere Ergebnisse bei zusätzlich längeren Sessions ohne Ermüdungserscheinungen. Einer der seit Jahren stärksten Namen in diesem Segment ist die am Bodensee ansässige Firma Lake People, die mit ihrem Lake People G111 einen Verstärker in der stark umkämpften 500,- Euro Liga auf den Markt gebracht haben, was auch zugleich ihr bisher teuerstes Modell darstellt.
Konzept der Lake People Kopfhörerverstärker
Als einer von wenigen Herstellern fertigt Lake People seine Produkte nicht nur komplett in Deutschland, sondern man versucht ebenfalls im Bereich der Zulieferfirmen im deutschen Territorium zu bleiben, wenn möglich sogar regional einzukaufen. Damit einhergehend zieht sich einmal mehr das Konzept „Hohe Qualität, hoher Abgabepreis“ durch den Katalog des Herstellers.
Wenngleich der Lake People G111 verglichen mit den Platzhirschen zum Beispiel von SPL noch vergleichsweise moderat daher kommt, so wird der eine oder andere bei einem Abgabepreis von 488,- Euro eventuell etwas zucken. Im Gegenzug sollte man sich aber immer vor Augen halten, dass die Firma ihre Wertschöpfungskette konsequent innerhalb von Deutschland verfolgt und man mit dem Erwerb eines Lake People Produktes auch immer die heimische Wirtschaft stärkt, ein in meinen Augen immens wichtiger Faktor.
Der Aufbau des G111
Mit der G-Serie verfügt Lake People schon seit Längerem über ein festes Standbein im Headphone-Bereich. So haben Produktbezeichnungen wie G93, G95, G97 oder G100 sowohl im HiFi- als auch im Pro-Bereich ihre Duftmarken hinterlassen. Mit dem G111 setzt das Unternehmen seinen Weg konsequent fort, sowohl im Positiven als auch in meinen Augen mit teils „ungewöhnlichen“ Detaillösungen.
Der erste Eindruck, nachdem ich das Produkt aus der Verpackung geschält habe, ist hervorragend. Das Produkt ist aus Aluminium gefertigt und befindet sich optisch in der gleichen Liga wie MacBook und Co. Das Gehäuse ruht auf vier exzellenten Gummifüßen, deren Mischung die perfekte Haftung auf glatten Flächen ermöglicht. Selbst auf der Glasplatte meines Schreibtisches stand der Verstärker wie festgeklebt! Ausgezeichnet.
Das Gehäuse an sich besteht aus insgesamt vier Elementen: einem Oberteil, einem Unterteil und einer Frontblende zzgl. Rückseite, die beide mit jeweils vier Inbus-Schrauben am Ober- und Unterteil verschraubt sind. Ein möglichst leichter und schneller Zugang zum Innenleben des Lake People G111 wird sich später noch als wichtiger Bestandteil des Praxisbetriebes herausstellen. Der Verstärker ist für 230 Volt Netzspannung ausgelegt, wobei Lake People darauf hinweist, dass das Produkt selbst in einem Bereich von 190 – 240 Volt einwandfrei funktionieren sollte. Möchte man das Produkt auf einem anderen Kontinent betreiben, kann man durch internes Umlöten das Produkt auch bei einer Netzspannung von 115 Volt betreiben.
Die Frontseite des Lake People G111 ist sehr spartanisch gehalten. Neben dem On/Off-Schalter befinden sich zwei parallel geschaltete Kopfhörerbuchsen und ein Alps RK 27 Potentiometer als Volume-Regler auf dem Panel. Das etablierte Potentiometer hinterlässt mit seiner schwergängigen Rasterung einmal mehr einen hervorragenden Eindruck und gewährleistet eine gleichmäßige Regelung. Angenehm ist ebenfalls die Platzierung des On/Off-Schalters auf der Vorderseite des Gehäuses, so entkommt man dem verrenkten Herumfummeln auf der Rückseite, sofern man den Verstärker straff in seinen Studioaufbau integriert hat.
Auf der Rückseite zeigt der Lake People G111 seine Kompatibilität zum Consumer-Bereich, indem neben zwei verriegelbaren, symmetrischen XLR-Buchsen auch zwei unsymmetrische RCA-Buchsen verbaut wurden. Der jeweilige Input wird mit einem kleinen Druckschalter gewählt. Der Verstärker ist komplett kanalgetrennt aufgebaut, um Übersprechungen jeglicher Art zu eliminieren.
Das ewige Problem der Kopfhörerimpedanz
Kommen wir nun zu einer Besonderheit des Lake People G111. Jeder professionelle Kopfhöreranwender kennt das Problem und jeder hat eine Meinung dazu. Die Rede ist von dem leidlichen Thema der Impedanzen von Kopfhörern, wobei sich die Grabenkämpfe der letzten Jahre zum großen Teil gelegt haben, allein schon weil verschiedene Hersteller wie zum Beispiel Beyerdynamic ihr Referenzprodukt T1 mit verschiedenen Impedanzwerten ausliefern. Ich möchte mich über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Konzeptionen hier gar nicht weiter auslassen, Fakt ist jedoch, dass eine professioneller Kopfhörerverstärker immer vor dem Problem steht, alle Produkte möglichst gleichmäßig mit der nötigen Lautstärke beschicken zu können.
Hier hat Lake People eine Lösung parat, die sowohl positiv als auch negativ gesehen werden kann. Zunächst das Positive. Um dem Problem der unterschiedlichen Kopfhörerimpedanzen zu begegnen, besitzt der Lake People G111 ein so genanntes Pre-Gain, das es ermöglicht, die Verstärkungsleistung an den jeweiligen Kopfhörer anzupassen. Das Eingangssignal wird in 6 dB Schritten in fünf Stufen (-12 dB, -6 dB, 0 dB, +6 dB, +12 dB) gedämpft, respektive verstärkt und ermöglicht so eine Auswahl im Vorfeld, so dass der Volume-Regler des Verstärkers bei extremen Impedanzwerten nicht ständig im Anschlagsbereich links oder rechts betrieben werden muss.
Wer hingegen jetzt die jeweiligen Schalter zum Beispiel in Form von DIP-Schaltern am Gehäuse sucht, wird leider enttäuscht und muss sich mit dem negativen Teil der Pre-Gain Schaltung beschäftigen. Die entsprechende Pre-Gain Schaltung kann nur im Inneren des Gehäuses mittels des Versetzens eines Jumpers getätigt werden, bei dem fünf verschiedene Settings zur Verfügung stehen. Hat man das Gehäuse einmal geöffnet, kann man sich auch direkt überlegen, ob man den Ground-Lift deaktivieren möchte, das ebenfalls mit dem Versetzen eines Jumpers bewerkstelligt wird und nebenbei die sehr saubere Verarbeitung nebst dem voluminösen und strahlungsarmen Ringkerntrafo offenlegt.
Um das Gehäuse zu öffnen, benötigt man einen TORX T10 oder einen 2,5 mm Inbus-Schlüssel, der dem Produkt nicht beigefügt wurde. P. S.: Eigentlich selbsterklärend, aber hier noch mal zur Sicherheit, bevor das Gehäuse geöffnet wird, UNBEDINGT das Netzkabel abziehen, es herrscht LEBENSGEFAHR!
Bei aller Verständlichkeit gegenüber mechanischer Sicherheit und verschiedenen Ingenieurs-technischen Überlegungen, eine Öffnung des Gehäuses zwecks Umstellen der Kopfhörerimpedanz wird mit Sicherheit den einen oder anderen User vor dem Kauf zurückschrecken lassen. Auch wenn man nicht täglich seinen Referenzkopfhörer wechselt, so kann man doch davon ausgehen, dass der eine oder andere Co-Produzent eventuell einmal seinen eigenen Favoriten zwecks abhören mitbringt oder man eventuell auch selber zwischen verschiedenen Hörern wechselt. Es gibt bestimmt einen handfesten Grund, warum handwerklich perfekte Ingenieure, wie sie zweifelsohne bei Lake People arbeiten, sich auf eine solche Lösung festgelegt haben, aber eine anwenderfreundliche Lösung, wie man sie zum Beispiel mit Druckknöpfen oder DIP-Schaltern umsetzen könnte, sieht anders aus.
Für die Technikfreunde, hier ein paar Messwerte des Produktes:
- Übertragungsbereich: 0 Hz – 150 kHz (-3 dB)
- Eingangsempfindlichkeit: +6 dBu
- Eingangsempfindlichkeit: 10 kOhm
- Max. Ausgangspegel: 600 Ohm – 600 mW – 18,9 V / 300 Ohm – 1050 mW – 17,8 V / 100 Ohm – 1760 mW – 13,2 V / 32 Ohm – 1400 mW – 6,7 V
- Dynamik (SNR): > 129 dBA
- THD+N (@ -1 dBFs): < -102 dB
- Crosstalk: < -110 dB
Der Lake People G111 in der Praxis
Zunächst einmal galt es ein Referenz-Setup zu erstellen, das verschiedene Abhörsituationen im Studio abbildet. Als Referenzkopfhörer kam erneut mein Beyerdynamics T1 2nd Generation (600 Ohm) zum Einsatz, der bereits seit vielen Jahren einen hervorragenden Job absolviert und auf den ich eingehört bin. Als Zweithörer kam ein von In Ear angepasstes Live Pro 4 System mit neuen Cerumen-Filtern zum Einsatz, das sich ebenfalls bei mir seit Jahren im Einsatz befindet. Als Dritthörer kam noch mit dem AKG K-240 ein sehr einfacher Kopfhörer aus dem Consumer-Bereich zum Einsatz.
Um einen direkten Vergleich zu einem weiteren Kopfhörerverstärker zu haben, mussten sich der Lake People G111 gegen einen SPL Phonitor Mini (ausgeschaltete Matrix) behaupten, der sich zwar nicht mehr im Portfolio des Herstellers befindet, vom Ladenpreis her aber seiner Zeit in der gleichen Liga angesiedelt war und somit einen adäquaten Konkurrenten darstellte. Als Klangmaterial kamen verschiedene Instrumente wie Drums, Gitarren (Clean und High-Gain), Funk-Loops, mehrere klassische Klavierkonzerte sowie einige aktuelle Rock/Pop-Produktionen über Spotify Premium in HD-Qualität zum Einsatz.
Der Lake People G111 für sich genommen klingt bereits bei den ersten Tönen ganz hervorragend. Die Wiedergabe ist sehr dynamisch, sehr trocken und ausgesprochen „knackig“. Der Grundklang ist sehr ausgewogen, einen Hauch schönfärbend, aber immer noch neutral genug, um als echte Referenz durchzugehen. Starke Dynamiksprünge kompensiert der Verstärker mit einem sehr großen Headroom, so dass es zu keiner Zeit zu einer „gepressten“ Wiedergabe kam.
Im direkten Vergleich zum SPL Phonitor Mini taten sich erwartungsgemäß nur sehr geringe Unterschiede auf, bei zwei Geräten dieser Qualitätsstufe nicht wirklich eine Überraschung. Klanglich liegen die beiden Produkte sehr nahe beieinander, wobei der SPL die Hochmitten etwas stärker wiedergibt. Ob einem die eine oder die andere Wiedergabe mehr zusagt, ist reine Geschmacksache, einen klanglichen Vor- oder Nachteil gibt es diesbezüglich nicht.
Ich habe einen G103-P und kann alles nachvollziehen, auch das leider nötige Öffnen des Gehäuses zur Anpassung.
Trotzdem ist es ein Produkt, wie es mir gefällt: Druckvoller Klang, funktionales Design und dank symmetrischen Anschlüssen kein Problem mit Erdschleifen wie bei meinem Beyerdynamic A 20, die sich nicht nur in Brummen äußern, sondern auch in hochfrequentem Zirpen – sogar abhängig von der Mausbewegung und in sehr geringem Maße trotz Trenntrafo.
In der Violectric-Serie, die sich mit güldenen Füßchen an die rein konsumierenden HiFi-Goldöhrchen richtet, sind die Mäuseklaviere außen. Nicht schlecht, wie ich finde. Ich hoffe trotzdem, die Lake People-Serie bleibt uns erhalten, denn die Reise der Goldöhrchen-Produkte nimmt designmäßig oft kein gutes Ende und läuft stets, Gefahr, in skuriller Lächerlichkeit zu versinken.
Die „Bodensee-Leute“ sind mir ja immer irgendwie sympatisch, auch wenn die Geräte idR meine finanziellen Möglichkeiten übersteigen ;-)
Die schauen sich die Problemstellung an, sehen zu wie man auf direktestem Wege zur Lösung kommt und wer als Erstes das Wort „Firlefanz“ sagt, fliegt aus dem Entwicklerteam. prima.
Den SPL-mini gibt es ja nicht mehr. Aber er wurde seinerzeit ja schon öfters geadelt. Ob man die Lautsprechermatrixgedöhnsdingens möchte (da ist mMn wieder der Firlefanz) steht auf nem andern Blatt.
Da wäre ich wohl eher dankbar für den zusätzlichen Kopfhöreranschluss. Schließlich will man nacht um 4 vielleicht mal zu zweit in die Aufnahmen reinhören. Das kann nicht der Riesenaufwand sein, wird aber bei weit teureren Verstärkern auch nicht geboten.
Im Vergleich wäre es interessant zu wissne, ob der Kopfhörerteil eines SPL 2control in der Liga überhaupt mitspielen darf. Den „Firlefanz“ dieses Gerätes finde ich zu dem PReis wiederum ganz nett. Weiß das jemand zu berichten hier???
@dAS hEIKO Vergleichstest Monitor Controller für Tonstudios & Homerecording:
https://www.amazona.de/vergleichstest-monitor-controller-fuer-tonstudios-homerecording/
@Franz Walsch Schön :-)
Der 2Control war in dem alten Vergleich noch nicht dabei – vermutlich weil es ihn noch nicht gab. Und meine Frage, ob jemand aus Praxiserfahrung den Kopfhörerverstärkerteil dieses „eigentlich Monitormanagers“ ins Verhältnis zu einem Nobelteil wie dem Lake People setzen kann bleibt ja davon unberührt.
;-)