Detailreichtum in Burgunder-Schwarz!
Die Zeiten ändern sich. Eine nicht wirklich innovative Aussage, aber hin und wieder gibt es Firmen, die von der zum Teil radikalen Umstrukturierung des gesamten Musikgeschäftes mehr betroffen sind als andere. Was überhaupt noch an Firmen und deren Struktur nach der Überwindung von Covid-19 übrig bleibt, ist zusätzlich noch mal eine ganz andere Sache.
Eine dieser Firmen ist die Firma Palmer. 1980 gegründet, trat die Firma, die zum Adam Hall Verband gehört, stets zweigleisig auf. Zum einen im Pro Audio Bereich für die Belange Stage und Studio, zum anderen im Gitarrenbereich. Trotz teils hervorragender Gitarrenverstärker vom Schlag eines „Drei“ konnte sich der immer mit leichtem Exotenbonus behaftete „Made In Germany“-Bereich nicht halten und wurde bis auf ein paar wenige Übungsverstärker nahezu eingedampft, während der Audio Tools Bereich weitergepflegt wird und regelmäßig mit neuen Produkten aufwartet.
Einer der bereits länger erhältlichen „Boliden“ ist der Palmer PHDA 02, ein Kopfhörerverstärker der Referenzklasse, der Palmer-typisch mit ein paar Features der Sonderklasse aufwartet.
Die Konstruktion des Palmer PHDA 02
Wenn mir jemand vor ca. 20 – 30 Jahren prophezeit hätte, welchen Stellenwert Kopfhörerverstärker in ferner Zukunft einmal einnehmen würden und welche Grabenkämpfe sich teilweise um den „besten“ Headphone Amp zzgl. des passenden Kopfhörers entstehen, hätte ich nur den Kopf schütteln können. Kopfhörer an sich waren etwas, um sich im Consumer-Bereich an einem lauschigen Plätzchen klassische Konzerte zu kredenzen, im Pro Audio Bereich tauchten Kopfhörerverstärker nur in den Aufnahmeräumen auf und um bei Live-Aufnahmen einer Band das Monitoring gewährleisten zu können. Ein Kopfhörerverstärker in der Regie? Wozu, dafür gibt es doch entsprechende Nahfeld- und Midfield-Monitore.
So ändern sich die Zeiten; dank DAWs auf Steroiden und Rechnern mit bezahlbarer Leistung hat der nötige Raum, der zwangsweise mit der Erstellung einer erfolgreichen Aufnahme verbunden war, massiv an Bedeutung verloren, was gerade zu einer Vervielfachung der Projekt- und Budgetstudios geführt hat. Um hier jederzeit in beliebiger Lautstärke den Klang überwachen zu können, kommen immer mehr entsprechende Kopfhörer teilweise sogar als A-Abhöre zum Einsatz, was deren Stellenwert entsprechend verändert hat.
Um in diesem Markt bestehen zu können, zumal wenn man den persönlichen Anspruch hat, in der Referenzklasse mitzumischen, muss man schon ein paar Asse in der Hinterhand wissen. Aber Palmer wäre nicht Palmer, wenn man nicht wieder einmal zumindest ein Feature sein Eigen nennt, welches sich von dem Gros der Konkurrenz abheben würde. Aber alles schön der Reihe nach.
Bekanntermaßen hat die Firma Palmer ein, nun sagen wir mal, ambivalentes Verhältnis zu einer geschmackvollen Farbgebung ihrer Produkte. So wie bereits der Monicon XL, der technisch viele Kunden überzeugt, aber optisch schon eine gewisse Entspanntheit voraus setzt, könnte auch der Palmer PHDA 02 mit einer Mischung aus dunklem Burgunder als Gehäusefarbe nebst schwarzer Frontblende den einen oder anderen Ästheten in Sachen Belastbarkeit auf die Probe stellen.
In Sachen Verarbeitung hingegen gibt es keinerlei Beanstandungen an dem in Europa gefertigten Produkt. Der Aufbau ist massiv, die Ausführungen wertig. Selbst der On/Off-Schalter, der auf den ersten Blick auch nur in einfachem, schwarzen Kunststoff gehalten ist, bietet einen harten, geführten Schaltimpuls, der schon dem Einschalten des Produktes ein gewisses Etwas attestiert. Das Gehäuse hat die Abmessungen eines halben 19 Zoll Rackformats und kann mit etwas persönlichem Einsatz entsprechend in einem 1 HE Rackeinschub platziert werden. Entsprechende Rackflügel konnte ich nicht im Zubehör-Angebot finden, zumal das Fehlen der typischen Dreifach-Bohrungen an den Seitenteilen des Gehäuses ebenfalls darauf schliessen lassen, dass ein solches Zubehörteil nicht vorgesehen ist. Für den Regelbetrieb ruht das Gehäuse auf vier kleinen, aber vergleichsweise kräftigen Gummifüßen, die auch auf glatten Oberflächen einen exzellente Halt bieten.
Die Anschlüsse
Der erste „Hurra“-Effekt stellt sich bereits bei einem oberflächlichen Blick auf die Rückseite des Gehäuses ein. Eine echte Kaltgerätesteckerbuchse! Wer sich nun schulterzuckend zu einem „ja und?“ durchringt, hat noch nicht mitbekommen, wie selbst im Pro Audio Bereich immer mehr Produkte mit externen Netzteilen zu Gunsten der einfacheren Handhabung bzgl. der weltweit unterschiedlichen Netzspannungen ausgerüstet werden. Um diesem Problem entgegenzuwirken, hat Palmer einfach intern ein Multispannungsnetzteil verbaut, das alle gängigen Netzspannungen von 100 – 240 Volt abdeckt. Manchmal können praxisgerechte Lösungen so einfach sein. Die entsprechende Hauptsicherung ist ebenfalls von außen zugänglich.
Daneben befinden sich zwei Links/Rechts-Kombibuchsen (TRS und verriegelbare (!) XLR) mit entsprechenden Link Outputs für Daisy Chain oder aber entsprechende Staffelung weiterer PHDA 02 Einheiten. Um eventuell aufkommendem Netzbrummen, welches gerade in Projekt- und Budgetstudios häufiger als erwartet auftritt, entgegenzuwirken, verfügt das Produkt auch noch über einen Ground Lift Schalter.
Die Vorderseite
Auf der Vorderseite des Palmer PHDA 02 will schnell deutlich, dass der Verstärker für maximal 2 Kopfhörer ausgelegt wurde, die gemeinsam über eine interessante Wahlmöglichkeit bzgl. der einzelnen Kanäle verfügen. Das Gerät erlaubt drei unterschiedliche Betriebsarten: Stereo, Mono und Dual Mono. In der Betriebsart Stereo werden die Eingangssignale Links / Rechts auf die entsprechenden Hörkapseln weiter gegeben. Die Lautstärke bestimmt das linke mit Stereo Left bezeichnete Potentiometer. Im Monomodus werden die Kanäle Links / Rechts zum Monosignal summiert und identisch auf beide Kopfhörerausgänge geleitet. Die Lautstärke bestimmt wieder der Stereoregler. In der Betriebsart Dual Mono sind die Kanäle Links und Rechts unabhängig von einander nutzbar und auch getrennt in der Lautstärke für jeden Kopfhörer einstellbar.
Kommen wir nun zum großen Pluspunkt, mit dem sich der Palmer PHDA 02 auszeichnet. Wann immer es zum Test eines Kopfhörerverstärkers kommt, sind die Kommentarbereiche übervoll mit dem üblichen Für und Wider der unterschiedlichen Kopfhörerimpedanzen und den damit verbundenen Klang- und vor allem Lautstärkeunterschieden. Diesem Problem hat Palmer bei dem PHDA 02 einen Riegel vorgeschoben, indem sie mit einem eigens entwickelten Übertrager dafür sorgen, dass alle Kopfhörer mit einer Lastimpedanz zwischen 8 und 600 Ohm gleichermaßen betrieben werden können. Laut Palmer ermöglicht diese ungewöhnliche und aufwändige Lösung für alle angeschlossenen Kopfhörer eine gleich gute Dynamik und einen extrem niedrigen Störgeräuschpegel. Die Praxis wird es zeigen.
In Sachen Zubehör gibt sich der Palmer PHDA 02 äußerst spartanisch. Neben einem Netzkabel gibt es noch eine beidseitig, in Englisch und Deutsch bedruckte Bedienungsanleitung auf einem einzelnen DIN A4 Blatt, welche über eine extrem kleine Buchstabengröße verfügt. Das Schöne an diese Anleitung ist die Reduzierung auf das Wesentliche und die Vermeidung ganzer zum Teil esoterisch anmutenden Erläuterungen anderer Hersteller. Eine halbe Seite Sicherheitshinweise, eine achtel Seite Anwendungsbereich, eine Achtel Seite Spezifikationen und eine Viertel Seite Aufbau und Betrieb. Ehrlich gesagt, eine echte Wohltat.
Der Palmer PHDA 02 in der Praxis
Zunächst habe ich das oft geäußerte Brummproblem im Zusammenspiel mit Kopfhörerverstärkern überprüft. Hier taten sich in meinem Studio „leider“ keinerlei Probleme auf, so dass ich den Ground Lift auch nicht auf seinen Einsatzbereich testen konnte. Zum Einsatz kamen ein Beyerdynamic DT 990 mit 250 Ohm, ein Beyerdynamic T1 mit 600 Ohm und ein minderwertiger iPhone Kopfhörer unbekannter Herkunft, wahrscheinliche Impedanz etwas um die 10 Ohm herum.
Es ist in der Tat beeindruckend, wie die automatische Impedanz-Erkennung vom Verstärker gehandhabt wird und wie vergleichsweise „rund“ alle Kopfhörer auf die unterschiedlichen Lautstärken reagieren. Der Palmer PHDA 02 bietet mit seinen 400 mW eine sehr hohe Lautstärke an, welche die meisten hochwertigen Kopfhörer ohnehin niemals ausreizen können. Der Beyerdynamic T1 beispielsweise hat eine maximale Auslenkung bei 200 mW, von daher wird man den Verstärker wohl hauptsächlich im unteren Bereich betreiben. Als Klangmaterial kamen verschiedene, aufgenommene Instrumente wie Drums, Gitarren (Clean und High Gain), Funkloops, mehrere klassische Klavierkonzerte sowie einige aktuelle Rock / Pop Produktionen über Spotify Premium in HD Qualität zum Einsatz.
Erwartungsgemäß kam der Palmer PHDA 02 mit jeglichem Klangmaterial hervorragend zurecht. Impulsverhalten, Headroom und eine durchweg entspannte Wiedergabe des Klangmaterials machten das Arbeiten mit dem Verstärker zu einer echten Freude.
Danke für den Test Axel!:)
Palmer vs Lake People?
Ich fänd einen Vergleich sehr spannend (wenngleich es sowieso auch immer subjektive Eindrücke sind), aber ein KHV als sehr gut zu bewerten ohne konkret auf „Konkurrenzprodukte“ einzugehen, macht es für mich immer schwer die Qualität des entsprechenden Produkts wirklich einzuordnen.
Ich persönlich kenne viele der neueren Lake People Headphone Amps, sowie den Lehmann Audio Studio Cube oder auch den Beyerdynamic A20. Diese sind meiner Meinung nach alle als „sehr gut“ zu bewerten, jedoch unterscheiden sie sich eben auch klanglich nicht unwesentlich voneinander, weshalb ich z.B. im Studio-Betrieb immer einen Lake People dem Lehmann Audio oder Beyerdynamic vorziehen würde, da letztere ehr eine Hi-Fi typische „Schönfärbung“ vornehmen. Sowas wird aber eben auch erst bei einem direkten Vergleich mit Referenz-Tracks hörbar.
@NO_MELANIN Du hast dir die passende Antwort eigentlich schon selber gegeben, jegliche Einschätzung, auch bei Konkurrenzprodukten ist komplett subjektiv und somit nicht allgemeingültig.
Ich empfehle immer, die Produkte selber im direkten Vergleich zu testen und sich dann für das Produkt seiner Wahl zu entscheiden. Ein Testbericht kann immer nur eine Hilfestellung sein.
VG
@NO_MELANIN Scheinbar heuer zwei oder drei People mehr im ELP Modus. Bei meiner gerade grassierenden ELP Phase neige ich vor allem zu den Lake Peoples und wünsche mir, man hätte dem seligen Emerson hier und da mal auf das zarte Pianistenhändchen kloppen dürfen. Der leider auch selige Lake hat so geile Kompositionen an den Start gebracht, fantastisch gesungen, doch die Emerson Arrangements und technisch brillianten – aber seelenlosen – Kabinettstückchen haben einige ganz große Songs an die Wand gefahren…. soooo schade. So, musste ich mal loswerden.
Vorbeigehen und weiter zum Testobjekt.
Wo Du Recht hast, hast Du Recht.
…zwischen Lake People und Kalle Palmer stört der Emerson manchmal.
Vermutlich auch weil er im Gegensatz zu den anderen beiden keine Kopfhörerverstärker gebaut hat.
hahaha, sehe gerade, dass es wirklich Lake (People) Kopfhörerverstärker gibt…. hielt das für ’nen Witz und eine Anspielung auf ELP.
Mein Fehler.
hahaha, herrlich….jo, das ELP Hören macht bei mir da gerade einen Tunnelblick.
Deshalb hast Du auch gleich den „Lucky Man“ rausgehört :)
@costello Hehehe, jau. Wobei derzeit vor allem „Take a pebble“, „Knife Edge“ und „From the Beginning“ hier in Schleife laufen. Wunderbare Songs von Lake, mit zum Teil genialen Anteilen von Emerson (höre Intro von „Take a Pebble“ oder „From the Beginning“ komplett – da hält er sich songdienlich zurück)… aber oft gingen mit dem guten Keith einfach die klassischen und jazzigen Gäule durch – oder er erging sich im Bombast-Rausch und in Effekthascherei.
ELPs Erstling ist für mich immer noch ihr absoluter Klassiker. Ich hatte ein ganz gutes Songbook, wo das Klaviersolo zu „Take a Pebble“ wenigstens teilweise ausnotiert war. Ich habe es voller Stolz meiner Klavierlehrerin vorgelegt. Die schaute kurz über die Noten, nahm einen Bleistift, strich einen Abschnitt an und schrieb dazu „Bach, 1. Invention, C-Dur“. Dann sah sie mich an und sagte: „Dann spielen wir doch besser gleich das Original“ und legte die ELP-Noten beiseite.
@costello Hehehe, das hat deine Klavierlehrerin schneller realisiert als Lake und Palmer.
Hallo Willemstrohm,
als Gitarrist müsste ich ja eigentlich die Ehre von Greg Lake hochhalten, aber wenn Keith Emerson seine C3 auspackt, dann haut mich das weg!
Z.B. bei der Scheibe „Trilogy“, auf der auch das von Dir erwähnte „From the Beginning“ drauf ist: das ist zwar ansprechend, aber „Livin‘ Sin“ rockt schon noch heftiger.
Naja, da hat eben jeder doch seinen eigenen Geschmack…
Gruß
Fredi
@Fredi Jo, bin eher der zartgliedrige, anämisch-sensible Balladen-Popper.
Hallo Willemstrohm,
soso; das merke ich mir für die nächste Diskussion, wenn mal wieder die Messer gewetzt werden…
Gruß
Fredi
@Fredi Da bringste jetzt aber was durcheinander. Messer wetzen tun Andere, ich werfe mit pinken Wattebäuschchen der Liebe.
@NO_MELANIN Mahlzeit!
Also ich besitze den Palmer schon ein paar Jahre und nutze ebenso Lake People ( im Studio nen 103 und zuhause einen G 111) .
Meine Einschätzung: LP ist “ mehr nach vorne “ ; der Sound ist irgendwie näher dran . Ich würde Palmer auch eher HiFi mäßig einschätzen . Ist halt alles subjektiv….(; ….. blabla, egal.
Der Palmer ist ein richtig guter Amp der mit jedem Kopfhörer klar kommt. Nicht zu unterschätzen ist die Möglichkeit das Signal durchzuschleifen, plus Punkt.
Aber das beste ist halt das interne Netzteil. Hat LP auch . Und wenn ich die beiden nicht schon hätte würde ich den LP G 103 vorziehen was den Sound angeht und den Palmer im Studio fürs Monitoring weil er so flexibel ist.