Analoges Fuzz für krassen Sound
Lange tot geglaubt und verschmäht, erlebt das Fuzz-Pedal in den letzten Jahren eine regelrechte Renaissance. Vor allem im Stoner- und Alternative-Bereich gehören diese Zerren mittlerweile wieder zum festen Bestandteil auf vielen Pedalboards, doch auch Fans von Classic-Rock im Stile der sechziger und Siebzigerjahre entdecken das Fuzz ganz neu und binden es in ihren Stil mit ein, ob nun als purer Effekt oder zum „Aufblasen“ bzw. Andicken des Sounds des guten alten Röhrenamps. Mit dem MXR Octavio erreicht unsere Redaktion nun ein weiterer Kandidat dieser Kategorie, vollkommen analog aufgebaut und in seiner Zwei-Knopf-Bedienung zudem sehr einfach gestaltet. Wollen wir doch mal schauen, ob und wie dieses Fuzz-Pedal den Klang unserer Amps in ein böses Monster verwandeln kann.
MXR Octavio Fuzz-Pedal – Facts & Features
Leicht und kompakt ist die mausgraue Kiste ausgefallen, lediglich 110 x 65 x 50 mm betragen die Maße des robusten Gehäuses, bei einem Gewicht von rund 250 Gramm. Die Freude darüber währt aber nur kurz, denn der Vorteil dieser schlanken Form wird von den seitlich angebrachten Anschlüssen zunichtegemacht. Sowohl die Eingangsbuchse, als auch die für den Ausgang und das Netzteil wurden an den Seiten des Gehäuses angebracht, was bei dem einen oder anderen User wohl für ein Gerangel auf die besten Plätze des Pedalboards sorgen könnte.
Neben dem Betrieb mit einem Netzteil ist es weiterhin möglich, das Pedal mit einer 9-Volt-Batterie zu nutzen. Ein Schnellverschluss auf der Unterseite existiert jedoch nicht, sodass man hier nicht drum herum kommt, die Bodenplatte mit den vier Schrauben zu lösen, um den Block dort einzusetzen. Im Auslieferungszustand ist diese Bodenplatte natürlich sehr rutschig, im Lieferumfang befinden sich jedoch vier Gummifüße, die man bei Bedarf dort aufkleben kann. Weiterhin finden sich im Karton neben einem sehr rudimentären aber immerhin lokalisierten Quick-Guide noch zwei Gummitüllen, die auf die beiden Regler aufgesteckt werden können. Ehrlich gesagt sehe ich da keinen wirklichen Sinn drin, denn die Potis bzw. die aufgesteckten Knöpfe sind auch so schon groß und griffig genug.
Die Bedienung des Octavio Fuzz-Pedal bedarf keiner großen Erklärungen: Mit „Output“ wird die Signalstärke bestimmt, während „Fuzz“ die Stärke der Verzerrung regelt. Die beiden Regler wurden fest mit dem Gehäuse verschraubt und laufen butterweich auf ihren Achsen, zudem sind die Markierungen fluoreszierend, d.h. nach kurzem Lichteinfall leuchten die weißen Striche auf den Reglern in einem hellen Grün auf, was auf dunklen Bühnen natürlich nur von Vorteil sein kann. Dazu passt, dass die LED wiederum nur in einem schwachen Blau leuchtet und man somit nicht übermäßig geblendet wird bzw. die Stellung der beiden Regler auch noch sicher erkennen kann.
Etwas enttäuscht bin ich von der Tatsache, dass hier wieder nur ein gewöhnlicher Metallschalter Verwendung findet. Sicher, er macht einen sehr robusten Eindruck und dürfte vermutlich Tausende, wenn nicht Millionen von Schaltvorgängen überstehen, allerdings kracht es doch ganz gewaltig, wenn man auf ihn tritt. Ein Softklick-Typ wäre bestimmt schöner gewesen, obwohl: Die Benutzer eines solchen Pedals sind ja sicherlich keine Softies, oder? Nein, wahrlich nicht, wie man am Sound erkennen kann.
MXR Octavio Fuzz-Pedal – In der Praxis!
So, wie es sich gehört, habe ich das MXR Octavio Fuzz-Pedal zwischen meiner Gitarre, einer Music Man Silhouette Special und dem Amp, einem Orange Micro Dark mit angeschlossener 1×12″ Celestion Vintage 30 Box betrieben. Die Ergebnisse sind sehr durchwachsen, pur genutzt, also ohne zusätzlichen Gain des Amps, ist der Klang relativ rau, körnig und mir zumindest kommen echte Zweifel nach dem praktischen Nutzen in diesem Zustand. Grundsätzlich aber überzeugt das Pedal durch ein sehr geringes Eigenrauschen und auch hier schon bemerkt man die gute Dynamik des analogen Innenlebens.
Ganz anders, oder zumindest wesentlich besser, sieht es mit zusätzlichem Gain des Amps aus, dann spielt das Octavio seine Stärken aus und kann mit einem enormen Druck und seinem aggressiven Klang den Verstärker in ein wildes Monster verwandeln. Die Zerrung ist aber dennoch als chaotisch zu bezeichnen und man sollte besser nicht auf die Idee kommen, hier Akkorde oder mehrstimmige Voicings zu spielen, denn das führt nur zu einem noch chaotischerem Ergebnis. Einzelne Töne, oder auch einfache Powerchords, glänzen dann aber durch eine seidenweiche Dynamik und ein fettes Sustain, das jederzeit gut zu beherrschen ist und nicht durch übermäßig viele Nebengeräusche die Stimmung trübt.
Zusammen mit dem angeschlossenen Amp und dessen Verzerrer/Booster, oder etwa einem zusätzlichen Overdrive-Pedal, kann man das Octavio so richtig aus der Reserve locken und Sounds erzeugen, die weit über das hinausreichen, was man im Allgemeinen unter einem Fuzz-Effekt versteht. Nämlich mehr, als nur Sounds, die wie nach Rasierapparat klingen und auf Dauer die Trommelfelle malträtieren.
Um das zu verdeutlichen, habe ich in den Klangbeispielen jeweils zwei Sounds mit halb aufgedrehtem Fuzz-Regler ohne Gain des angeschlossenen Micro Dark, sowie zwei weitere mit halb aufgedrehter Verzerrung des Orange aufgenommen. Weitere Effekte kamen keine zum Einsatz, lediglich die Pegel wurden in Logic mit einem Limiter auf der Summe angeglichen.
FYI: Es handelt sich bei dem Octavio um ein Octave-Up-Fuzz. Um das bestmögliche harmonische Ergebnis zu erzielen, verwendet man den Halspickup mit evtl zugedrehtem Toneregler und spielt Single-Note Lines. Bei mehrstimmingem Spiel verlässt die Oktavverdopplung systembedingt den harmonischen Bereich und das klangliche Ergebnis erinnert eher an einen Ringmodulator.
Bekanntes Beispiel für diesen Effekt ist das Gitarrensolo in Purple Haze.
@harrymudd hier noch mal ein schönes Video, dass zeigt was mit dem Octavio wirklich geht:
https://www.youtube.com/watch?v=W-OVVXCTDfI