Masse statt Klasse oder Masse mit Klasse?
Schon beim Auspacken offenbart sich die Menge an Daten, die mit Native Instruments neu aufgelegtem Sampler geliefert werden. Beim Anblick der 7 DVDs, welche sehr platzsparend verpackt sind, überkommt einen mittlerweile die Überlegung, warum das Paket überhaupt noch auf diesen geliefert wird. Angesichts der 43! GB Sampledaten böte sich schon fast eine Festplatte als Auslieferungsmedium an.
Wie gut die zusätzlichen 10 GB an Samples verwendbar sind und welche technischen Neuerungen Kontakt 4 bietet, wird der folgende Test zeigen. Für einen Gesamtüberblick empfiehlt es sich die Tests von Kontakt 2 und 3 zu lesen, da wir hier nur die Neuerungen besprechen werden.
Installation von Native instruments Kontakt 4
Die Installation gestaltete sich insgesamt problemlos. Jedoch ist es hier ähnlich wie bei Käse. Man muss die Samples einige Zeit vor dem Verzehr bzw. Musizieren aus der Packung nehmen. Während bei Käse meistens 15 Minuten reichen, sollte es für Kontakt schon ein Tag sein. Während die Software selbst in wenigen Sekunden installiert war, dauerte es geschlagene 6 Stunden, bis der Sample Content sich endlich in sein neues Zuhause auf der Festplatte begeben hatte. Danach war das Update auf Version 4.1 über das Service Center fällig, welches zudem eine Erweiterung der Presets mit sich bringt. Die Registrierung erfolgt wie bei NI üblich durch Eingabe der Seriennummer im Service Center.
Neuerungen in Kontakt 4
Zunächst seien die Neuerungen kurz aufgezählt:
- AET – Authentic Expression Technology
- neue Performance Views
- erweiterter Sound Browser
- erweiterte Scripting Fähigkeiten
- neues Kompressionsformat für Libraries
- erweiterte Sample Library
- Authentic Expression Technology (AET)
Die erste Neuerung, mit der NI wirbt, ist AET. Dabei handelt es sich um einen Modulationseffekt, der stufenlos zwischen verschiedenen Samples überblenden kann.
Der große Unterschied dabei ist, dass mittels FFT-Analse und diverser anderer Techniken, die ein Musiker nicht unbedingt verstehen muss, die Samples zunächst analysiert werden und dann die Charakteristiken eines Samples in das andere übernommen werden. Dies geschieht in Echtzeit und wurde mit den neuen Chor-Samples als Patch umgesetzt. Die Ergebnisse sind wirklich erstaunlich. So kann stufenlos zwischen verschiedenen Vokalen überblendet werden, was genau so klingt, als wenn ein echter Chor zwischen den Vokalen wechselt. Dieser Effekt ist jedoch nicht auf die Überblendung zwischen z.B. verschiedenen Instrumenten beschränkt. Er ist auch dazu geeignet, die Velocity-Übergänge eines Instrumentes stufenlos zu gestalten. Damit lassen sich auch realistische Velocity-Verläufe mit wenigen Samples realisieren. Beim Test fiel auf, dass der Effekt leider noch nicht ausgereift ist. Generell wird von NI empfohlen, den Effekt nicht bei Samplingfrequenzen über 48 kHz zu verwenden. Außerdem scheinen nur wenige Stimmen möglich zu sein, obwohl der Prozessor nicht überlastet ist. Spielt man zu viele Stimmen, entsteht ein konstantes Knistern, das so stark ist, dass vom gewünschten Klang nichts mehr zu hören ist. Das Erhöhen der Größe des Audio-Buffers in der Stand Alone Version lässt eine leichte Erhöhung der Stimmenzahl zu, löst das Problem aber keineswegs. Im Offline-Mixdown des Sequenzers sind aber keine Knackser zu hören. Ein Arbeiten mit dem Effekt ist daher lästig, für Live-Anwendungen ist er völlig ungeeignet. Es ist zu hoffen, dass NI hier bald nachbessert.
Sound Browser
Eine hilfreiche Erweiterung fürs Arbeiten ist der neue Kategorienfilter, der es erlaubt, wie bei NI Kore oder Steinbergs Sound Frame Klänge nach Kategorien zu suchen und zu ordnen. Mit Soundframe ist das Format selbstverständlich nicht kompatibel. Jedoch sind die Sounds auch in Kore unter den gleichen Kategorien zu finden. Möglich ist das aber nicht mit dem Kore-Player. Hierzu ist die Vollversion von Kore nötig. Jedoch dürfte niemand, der nur Kontakt besitzt, den Plan hegen, den Kore Player zum Abspielen der Kontakt Samples zu verwenden. Kontakt ist viel komfortabler in der Bedienung und bietet viel mehr Optionen, sowie Performance-Views und Einzelausgänge.
Während das Suchen im Kategorie-Browser problemlos und schnell vonstatten geht, wird Kontakt beim Verwalten der Patches immer langsamer, je mehr Änderungen man in der Datenbank vornimmt. Auch das Suchen verlangsamt sich drastisch. Mitunter muss man mehr als 20 Sekunden auf eine Reaktion warten. Nach einem Neustart läuft aber wieder alles flüssig.
Die Bearbeitung der Tags kann auf zweierlei weise erfolgen: Zum einen kann man ein einzelnes Patch auswählen und auf den Edit-Schalter klicken. Damit ist eine vielseitige Kategorisierung möglich, die auch das Umbenennen des Patches erlaubt. Auch Kommentare sind möglich. Eine schnellere Methode ist es jedoch, z.B. mehrere Trompeten-Patches (oder was auch immer) gleichzeitig auszuwählen und auf die entsprechende(n) Kategorie(n) zu ziehen.
Erweiterte Scripting Fähigkeiten
Die wichtigste Erweiterung in diesem Bereich dürften die Multi-Scripts sein. Bisher konnten Scripts nur innerhalb von Instrumenten verwendet werden. Die Multi-Scripts ermöglichen es, Instrumenten-Multis (Racks aus verschiedenen Kontakt Instrumenten) zu beeinflussen. Dies ist ähnlich vielfältig möglich, wie bei den Instrumenten selbst. Im Kontakt Handbuch werden einige Möglichkeiten aufgezeigt. So kann man z.B. MIDI-Noten filtern und je nach Tonhöhe an verschiedene Instrumente leiten, neue Instrumente per MIDI-Befehl ins Rack laden usw.
Neues Kompressionsformat
Die Kontakt Monolith-Instrumente lassen sich jetzt in einem komprimierten Format speichern, welches die Audiodaten ähnlich wie FLAC verlustfrei komprimiert. Dabei sind die bei solchen Codecs üblichen Kompressionsraten von 30-50 Prozent abhängig von Audiomaterial möglich. Die Dekompression soll dabei kaum Rechenleistung benötigen. Die Vorteile der Kompression sind weniger Speicher- und vor allem Arbeitsspeicherbedarf. Somit können mehr Instrumente gleichzeitig geladen werden. Auch das Streaming der Samples geht somit schneller vonstatten. Ein Nachteil besteht darin, dass man keinen externen Editor mehr für die Bearbeitung verwenden kann. Im Test funktionierte das Abspielen problemlos. Ein Anstieg im Leistungsbedarf war, wenn überhaupt im einstelligen Prozentbereich festzustellen. Die Ladezeiten der Patches haben sich durch die Kompression in etwa halbiert.
Weitere neue Features
Mit Version 4 ist Kontakt nun endlich als 64 Bit Plug-in für den PC verfügbar, wodurch nun endlich bis zu 16 Exabyte Arbeitsspeicher für Kontakt bereitstehen, sofern der PC das unterstützt. Vorausgesetzt wird natürlich ein 64 Bit Host. Unter Mac OS X übernimmt der Memory Server diese Aufgabe.
Mit Version 4.1 ist nun auch die freie Skalierbarkeit des Interfaces hinzugekommen. Vorher konnte man nur über einen Schalter zwischen drei festen Größen wählen. Unter Windows in Cubase 4 war es jedoch nicht möglich, die Größe zu verändern. Die Stand Alone Version funktionierte jedoch einwandfrei. Unter OS X funktionierte die Skalierung in beiden Modi.
Die Sample Library
Ein Hauptargument, das für Kontakt als Sampler der Wahl spricht, ist natürlich die große Sample Library, die nun nochmals um rund 10 GB erweitert wurde. Dazu gekommen sind:
- Orchestral
- Solo Streicher
- Kirchenorgel
- Choir
- komplett neu
- Band
- Elektrik Piano
- Jazz Upright Bass
- 2 Drumkits (Kore Pop Drums)
- World
- Content aus dem „North India Kore Instrument“:
- Sitar
- Harmonium
- Tabla
- Vintage
- Mellotron
- Synth
- Samples aus der „Urban Arsenal“-Serie
- Urban Beats
Der erweiterte Performance View wurde bei der Library umgesetzt. Jede Sektion hat nun ihr eigenes Aussehen. Sehr positiv fällt auch auf, dass alle Patches auch auf einem betagteren Rechner mit wenig RAM (512 MB) ohne Knackser oder große Latenz spielbar sind (bis auf die AET-Patches). Bei Multis hört der Spaß mit einem solchen Computer natürlich auf.
Orchestral
Zunächst gibt es gute Nachrichten für alle, die die Scriptsprache benutzen: die Scripte der Orchestral Library sind jetzt endlich frei zugänglich und können somit verändert und wiederverwendet werden.
Doch nun zu den eigentlichen Samples.
Die neuen Solo Strings sind Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass. Außerdem gibt es ein Patch, das alle Instrumente integriert, d.h. je nach Lage ertönt das passende Instrument. Dafür sind die Instrumente dann nicht mit ihrem vollen Tonumfang vertreten.
Klanglich sind die Samples hochwertig. Jedoch sind die Instrumente nur mit drei, der Bass sogar nur mit zwei Velocity-Stufen gesampelt. Daher sind die Übergänge nicht fließend. Bei der „Standardeinstellung“ Sustain scheinen zwei Spielweisen kombiniert zu sein, da bei leisem Spiel eine langsame Attack-Phase erfolgt, während diese bei lautem Spiel kurz ist. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Spielweisen sind nur mit viel Mühe und nicht in allen Fällen realistisch hinzubekommen. Man muss seine Musik somit auf die Möglichkeiten der Samples ausrichten. Jedoch sind die Samples an sich keineswegs unrealistisch und für viele Zwecke zu gebrauchen. Auch sind realistische Sätze durchaus möglich.
Die Orgel ist in verschiedenen Registerkombinationen gesampelt. An der Orgel ist nichts auszusetzen. Auch an das Pedal wurde gedacht, welches in einem extra Patch verewigt wurde. Sehr schön ist auch, dass die Samples trocken ohne Hall vorliegen.
Choir
Die größte Neuerung in der Library ist ein Kammerchor, der exklusiv für NI gesampelt wurde. Der Klang ist sehr authentisch und von hoher Qualität. Mit einigem Aufwand und (funktionierendem) AET könnte man den Chor vermutlich auch einfache Texte singen lassen, wenn Konsonanten vorhanden wären.
Band
Bemerkenswert ist, dass nun die Samples von Elektrik Piano integriert wurden. Natürlich fehlt hier die Funktionalität der Elektrik Piano Software. Für einen Überblick ist der Test von Andreas Stadelmann empfehlenswert.
Außerdem wurde ein akustischer Jazz Bass und zwei Drum Kits hinzugefügt. Der Jazz Bass ist durchaus zu gebrauchen und erweitert die akustischen Bässe um eine Klangfarbe. Für Drums gilt immer noch, dass diese nicht die Stärke der Library sind.
World
Die Ethno-Sektion wurde durch drei indische Instrumente ergänzt: Sitar, Tabla und Harmonium. Insbesondere die Tabla beeindruckt dadurch, dass sie mit allen verschiedenen Klängen, die das Instrument erzeugen kann, eingefangen wurde. Damit ist es tatsächlich möglich, echte Kompositionen nachzubasteln (nicht live nachzuspielen). Mich, der ein Jahr Tablaunterricht genießen durfte, könnte man jedenfalls damit täuschen. Ob man einen indischen Tablavirtuosen oder Musikkenner damit beeindrucken kann, vermag ich leider nicht zu beurteilen.
Vintage
Mellotron-Fans können das Instrument jetzt auch in Kontakt spielen. Im Gegensatz zum Originalinstrument sind die Samples geloopt und hören nicht nach einigen Sekunden auf zu spielen. Auch das Rauschen ist authentisch.
Urban Beats
Die Urban Beats Sektion zeigt die Möglichkeiten der Kontakt Scriptsprache. Die Beats sind geslicet und folgen dem Tempo des Sequenzers. Unter der Haube steckt jedoch noch viel mehr. In der Scriptsprache wurde ein Step-Sequenzer und Effekte wie z.B. ein Humanizer für den Groove und eine Remixfunktion, welche das Pattern nach bestimmten Regeln ändert, programmiert, die man auch in eigenen Patches verwenden kann, sofern man sich mit der Scriptsprache auskennt.
Das neue Kompressionsformat ist wirklich klasse!
Für den geringen Aufpreis ist wirklich die KOMPLETE-Version zu empfehlen.
Schöner Test, aber er hat die geilen Gitarren-Loops gar nicht erwähnt! Hier kann man Ruckzuck aus einer Auswahl von Riffs Gitarrenbegleitungen spielen. Und klanglich natürlich über jeden Zweifel erhaben…
Ich bin jedenfalls von dem Paket begeistert.