DAW oder Plugin - es geht beides
Reason Studios Reason 11 ist nun da und bringt einige interessante Veränderungen. Ist das nun der Abgesang auf die Frickel-DAW oder gelingt den ehemals unter dem Namen Propellerheads firmierenden Unternehmen der Sprung ins Profilager? Mit dem Update 9.5 öffnete sich die proprietäre DAW für VST. Nun in Version 11 wird Reason Studios Reason 11 selber zu einem VST3-Plugin, das in jeder DAW läuft, die dieses Format unterstützt. Das gilt auch für die Mac-VSTs. An einem AU-Plugin wird gearbeitet und es soll voraussichtlich bis Ende 2019 als kostenloser Download verfügbar sein.
Reason Studios Reason 11 gibt es in den Versionen Intro (79,- Euro), Standard (349,- Euro) und Suite (549,- Euro). Hier eine kleine Übersicht der Features:
Reason 11 Intro:
- enthält Reason Rack-Plugin
- enthält 31 Geräte: 11 Instrumente, 9 Effekte, 8 Utilities (z. B. Matrix Sequencer) und 3 Player (z. B. Dual Arpeggio)
Reason 11:
- enthält Reason Rack-Plugin
- enthält 55 Geräte: 15 Instrumente, 29 Effekte, 8 Utilities und 3 Player
Reason 11 Suite:
- enthält Reason Rack-Plugin
- enthält 72 Geräte: 27 Instrumente, 31 Effekte, 8 Utilities und 6 Player
- u. a. mit vielen zuvor kostenpflichtigen Rack Extensions wie Complex-1 oder Parsec
Es läuft auf aktuellen und nicht mehr ganz so aktuellen Windows und Mac Rechnern. Mac-User aufgepasst, es wird mindestens macOS 10.12 benötigt. Windows Usern reicht eine 64-Bit-Version von Windows 7 ab aufwärts. 4 GB RAM sollten es schon sein. Die Grundinstallation nimmt ungefähr 4 GB Festplattenplatz ein.
Neues Klangfutter für Reason 11
Zunächst einmal die Neuerungen in der eigentlichen Reason Studios Reason 11. Diese betreffen einen neuen Klangerzeuger, neue Effekte und einige kleine User-Interface Verbesserungen. Leider gibt es immer noch keine Unterstützung für VST3-Plugins. Auch das Verteilen von virtuellen MIDI-Daten innerhalb von Reason 11 ist auch weiterhin nicht möglich.
Nach wie vor benötigt man entweder eine aktive Internetverbindung, damit man die erworbene Software auch nutzen kann oder man aktiviert über Code Meter, einer Lizenzierungs-Software eines Drittherstellers den Rechner auch für Offline-Nutzungen. Das gilt für die Reason 11 DAW genauso wie für das Reason Rack Plugin. Beginnen wir mal mit dem neuen Klangerzeuger und den beiden neuen Effekten.
Scenic Hybrid Instrument
Das Scenic Hybrid Instrument (im Menü steht bei der Plugin-Auswahl immer noch Propellerhead Software, im Shop aber bereits Reason Studios) ist im Prinzip ein Flächenleger, der aus zwei identisch aufgebauten Granular-Engines/Sample-Player aufgebaut ist. Jede Engine besitzt noch mal eine Insert-FX Seite mit vier Insert FX (Chorus, Phaser, Saturation und der simple EQ Tone Shaper) und eine Echo-Reverb-Seite. Das Ganze läuft dann in den Master-FX zusammen. Dort gibt es noch mal einen Reverb sowie einen Master-Kompressor. Und dort definiert man auch die drei Makrofunktionen, die einem auf der Vorderseite wie ein postapokalyptischer Geigerzähler wieder begegnen.
Dabei besitzt das Scenic Hybrid Instrument eine Mod-Matrix mit 12 Slots. In diesen findet man außer allen Parametern der einzelnen Seiten noch zwei LFOs und einen Pulse-Generator. Dieser Pulse-Generator beherbergt dann Presets wie Double 8 aber auch z. B. Latin. Leider sind weder die Schwingungsformen, noch die Pulse-Presets über die Matrix erreichbar. LFO-/Pulse-Speed und Depth etc. jedoch schon. Es sind jedoch mehr als diese 12 Zuweisungen möglich. Hinter jedem essentiellen Parameter des Instruments, z. B. Pitch, Volume, Pan, Grain-Start und Grain-Rate für die Grain-Engine oder Filter-Cutoff des Multimode-Filters findet sich noch ein kleiner Slot, in dem man eine Modulationsquelle wählen kann. Diese wird dann mit einem Attenuator zur Steuerung genutzt. Das kann ein wenig Kuddelmuddel geben wenn man nicht aufpasst, aber Modulationsslots kann man eigentlich nie genug haben – oder?
Auf der Frontseite bedient man dann die Makros und einen Crossfader, der beide Engines ineinander mischt. Schade finde ich zunächst, dass es in der Hauptansicht nur eine Handvoll Presets gibt. Das ist für ein neues Instrument ziemlich mau, oder? Allerdings bieten die beiden Engines eine Auswahl an ca. 100 Schwingungsformen. So werden aus einer Einstellung auf der Hauptseite viele mögliche Klänge durch Wahl der eigentlichen Schwingungsformen. Folgerichtig kann man die eigentlichen Schwingungsformen auch sofort auf der Hauptseite auswählen, ohne in den Edit-Modus gehen zu müssen.
Wer den Grain-Synth kennt, wird sich hier gleich daran erinnert fühlen. Es ist wie eine abgespeckte Version, die einfacher zu bedienen ist, da das Interface einfach aufgeräumter ist. Zugegeben, mir hat das Scenic Hybrid Instrument schon Spaß gemacht. Ein paar Schwingungsformen ausprobiert, einige Modulationen – schön laaaaangsam – und schon hat man eine Grundlage für einen netten Ambient-Track (siehe dazu auch die Klangbeispiele).
Was ich allerdings schmerzlich vermisst habe und weswegen das Scenic Hybrid Instrument einen Punktabzug bekommt, man kann doch tatsächlich keine eigenen Samples laden! Vielleicht kommt das ja mit einem späterem Update – war beim Europa-Synth ja auch so.
Quartet Chorus Ensemble
Gänzlich neu sind dann noch der Quartet Chorus Ensemble und der Sweeper Modulation Effect. Der Chorus wirkt auf den ersten Blick recht unscheinbar, kann aber auch in einen FFT-Modus geschaltet werden. Dann kann man den Chorus-Effekt nur auf einzelne Bänder anwenden. Das klingt mitunter interessant und erleichtert den Einsatz, denn es gibt nicht nur voll an und voll aus, bezogen auf die Frequenzen. Dabei ist die Wahl des Frequenzbandes eher sehr grob. Denn dieselbe Regler-Bandbreite, die 5 kHz bis 20 kHz abdeckt, deckt in den unteren Bändern z. B. die Frequenzen 80 Hz bis 320 Hz ab. Die Einstellung des Frequenzbandes ist, wie alles in Reason, ziemlich winzig und man muss schon genau hingucken, welche Frequenzen man wählt.
Aber natürlich darf ja heutzutage nirgendwo etwas Granulares fehlen. Im Grain-Mode werden dann die Audiosignale entsprechend atomisiert und über verschiedene Parameter wieder wabernd zusammengesetzt. Ein ungewöhnlicher Effekt für einen Chorus, aber wirklich interessant anzuhören.
Sweeper Modulation Effect in Reason
Der Sweeper Modulation Effect in Reason 11 beschäftigt sich dann eben mit Flanging, Phasing und auch modulierten Filtern. Dabei ist hervorzuheben, dass der Phaser bis zu 40 Stages haben kann – das klingt nicht nur fett, sondern auch noch fetter. Über einen LFO und einen Modulator, die sich auch gegenseitig frequenzmodulieren können, kommt Leben in die Bude. Der Modulator ist dabei als loopbare Hüllkurve ausgeführt, die bis zu 50 Hz reichen kann. Sie kann frei konfiguriert werden und ein paar Presets erleichtern das Erstellen von zyklischen Hüllkurven. Der LFO kennt nur Dreieck und Sinus und reicht ebenfalls nur bis 50 Hz.
Hier hätte es durchaus etwas mehr sein dürfen. Auch dieser Effekt erlaubt satte Manipulationen und ist eher nicht für den dezenten Einsatz gedacht, obwohl das natürlich möglich ist. Der Phaser auf der 40-Stage-Einstellung klingt echt mächtig und druckvoll. Auch das schwingende Filter kann von harten Cuts bis zu sanften Verläufen einiges abdecken. Wo ist hier eigentlich die Grain-Engine?
Channel Effects und Master Bus Compressor
Die Channel-Effekte von Reason 11, die bis jetzt nur in Subgruppen oder im Masterbus zur Verfügung standen, können jetzt auch in normalen Instrumenten- oder Audiokanälen genutzt werden – diese Einschränkung fand ich seit jeher etwas willkürlich, gut dass das jetzt besser gelöst ist.
Endlich runde Hüllkurven und Crossfades
Und wie auch bei Ableton Live, kommen die gebogenen Hüllkurven nun endlich auch in Reason 11 zum Einsatz. Packt man den Verlauf zwischen zwei Automationspunkten mit der Maus, so kann man ihn nun exponentiell oder logarithmisch machen. Es kann aber immer nur ein Verlauf gleichzeitig editiert werden. Es ist allerdings schon etwas seltsam, wenn die Funktion zum Aufräumen von vielen manuell eingezeichneten Punkten keinen Gebrauch von den neuen Rundungen macht. Diese Verläufe werden nach wie vor linear approximiert. Also darf man dann alles händisch nachtragen.
Und in Reason 11 ist es nun auch möglich, zwei Audio-Clips auf der Time-Line ineinander überzublenden, sprich einen Crossfade anzulegen. Warum man darauf 20 Jahre warten musste, wird wohl ein okkultes Geheimnis bleiben.
Reason Rack Plugin
Bis hierher sind das ja ganz nette neue Plugins und längst überfällige Editiermöglichkeiten. Was jedoch die eigentliche, ja Sensation muss man fast sagen, ist: In allen Reason 11 Versionen ist das Reason Rack Plugin enthalten. Das ist ein VST3-Plugin, das eine ganze Reason-Rackeinheit enthält. Es können zwar nicht alle Plugins vollumfänglich im VST3 ausgeführt werden und auch keine andere VSTs darin, Rack-Extensions sind jedoch kompatibel.
Das ist das eigentliche Highlight an Reason 11! Die feine Ironie ist dabei nicht zu übersehen. Zunächst öffnet sich Reason nach Jahrzehnten der VST-Schnittstelle und knapp anderthalb Versionen später, wird es selbst zum VST-Plugin. Versucht man hier zu retten, was noch zu retten ist? Abseits aller Spekulationen ist diese Umsetzung unglaublich gut gelungen.
Viele Jahre hieß die Devise: ReWire, mit diesem Format haben die einstigen Propellerköpfe einen Standard erschaffen, der lange Zeit die einzige Möglichkeit war, Audio von einer DAW in die andere zu bringen. Mit der Einführung des Reason Rack Plugins stirbt aber jetzt folgerichtig auch die Rewire-Schnittstelle. Sie wird aus Sicht von Reason Studios schlicht nicht mehr benötigt. Möchte man ReWire weiter nutzen, so muss man die vorherige Version von Reason auf dem Rechner lassen; glücklicherweise wird es nicht automatisch deinstalliert.
Rack und Plugin: Zwillinge, aber nicht eineiig
Reason Rack verhält sich dabei beinahe identisch mit der eigentlichen DAW, es gibt jedoch kleine Abweichungen. Es fehlt natürlich der komplette Sequencer-Bereich und auch das gesamte Mischpult ist rausgeflogen. Übrig bleiben der Browser und das Rack sowie eine sehenswerte Einleitung.
Was heißt denn nun beinahe identisch? Vor allem ist mir aufgefallen, dass die übergeordnete Shuffle-Funktion des Racks überhaupt keine Wirkung zeigt. Redrum kann z. B. keine eigenen Samples einladen oder aufnehmen. So kommt es hier und da immer wieder zu kleinen Überraschungen.
Füttert man das Plugin mit MIDI, so leitet es die Noten an alle aktiven Instrumente im Rack weiter. So hat man im Nu fette Flächen und dicke Sequenzen. Das Reason Rack Plugin hat 4 Audioeingänge und eine Phalanx von 32 Audioausgängen, die dann natürlich in der Host-DAW weiterverarbeitet werden können.
Es können nicht nur beliebig viele Instanzen aufgerufen werden, der CPU-Verbrauch hält sich auch in Grenzen. Auf einem Win 8.1 Laptop mit 8 GHz und einem Quad i7 genehmigen sich insgesamt 10 Reason-Instrumente/Effekte in vier VST-Instanzen von Reason Rack Plugin gerade einmal ca. 7 % Rechenleistung. Scenic ist zwar ein wenig hungriger als andere Geräte, aber immer noch im grünen Bereich.
MIDI, CV und Audio in Reason 11
Man kann keine MIDI-Daten aus dem Reason Rack Plugin herausführen. Ebenso wenig ist eine Verteilung der virtuellen CV-Signale über Plugin-Instanzen hinweg vorgesehen. Was ich schade finde, ich hätte gerne auf 16 Audioausgänge verzichtet, wenn man dafür die Möglichkeit bekommen hätte, CV-Signale zu verteilen. So wäre nämlich auch eine Anbindung an VCV-Rack möglich z. B. – ganz klar eine vertane Chance. Aber wer weiß, vielleicht kommt da ja noch was.
Ich gestehe, mit diesem Reason Rack Plugin finde ich zum ersten Mal richtig Gefallen an den Reason-Sachen. Obwohl die meisten Synths für mich immer noch so klingen, als seien sie aus identischen Komponenten zusammengesetzt, die einfach ein anderes GUI haben, sind die granularen Gerätschaften schon interessant und ergiebig. Was mich immer am meisten an Reason gestört hat, war die DAW mir ihrem Sequencer und dem grausigen Mischpult. Das war einfach nicht auf der Höhe mit anderen DAWs und das jahrelang nicht. Jetzt wo uns Reason Studios davon „befreit“ hat, kann ich mir Reason tatsächlich fürs Arbeiten vorstellen. Ich weiß, dass das eine rege Diskussion auslösen wird (immer fair bleiben, Leute) Aber genau so inspiriert mich das Reason-Konzept wieder.
Leider sind die GUIs immer noch zu winzig und ehrlich gesagt, in meinen Augen eine Katastrophe (wer den Kalauer findet, darf ihn behalten, übrigens). Und ich lasse auch keine Argumente für mich gelten, die in die Richtung gehen – „Ja, du musst da nur einen 4K Bildschirm in 50, ach was, 64 Zoll dranhängen, dann kann man das super lesen!“ – mag sein, aber schlauer wäre es doch, man könnte das Software-GUI skalieren, bevor man sein Real-Life skalieren muss? Mit dem Reason Rack Plugin hätte man das endlich implementieren können. Leider ist auch dieses nicht skalierbar.
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Automation ist König in der DAW
Ein solch mächtiges Plugin steht und fällt mit der Automation – und hier hat man sich keine Blöße erlaubt. Jeder, aber wirklich jeder Parameter ist automatisierbar. Vor allem wurde an eine Automation für die Einstellung der Patterns gedacht, wenn das Instrument diese unterstützt. Man kann also Patterns innerhalb des Racks bauen und diese dann über die Automation der DAW abfeuern. Top. Die Automationsdaten sind dabei persistent, selbst wenn man das eigentliche Instrument löscht (z. B. Scenic) und ein anderes einsetzt (z. B. Grain), bleibt diese erhalten, nimmt aber keinen Einfluss auf das neue Instrument. Nimmt man stattdessen wieder Scenic, so ist die vorige Automation immer noch aktiv und funktioniert. Vorbildlich gelöst und ein Segen für den Arbeitsfluss.
Scenic Hybrid Instrument kann eigene Samples laden ;)
@Tom Aka SYNTH ANATOMY Hi Tom,
dann ist die Funktion, für mich als Noob, so gut in der klitzekleinen GUI versteckt, dass ich sie einfach nicht gefunden habe. Wo denn genau?
@t.goldschmitz einfach nur das Sample in die Waveform GUI des Instrumentes reinziehen
@Tom Aka SYNTH ANATOMY Habe ich versucht, funktioniert bei mir weder im PlugIn, noch in Reason selber (beides auf WIN).
Einen tollen Notebook mit 8GHz CPU hast du da ;-)
Wahrscheinlich meintest du 8GB RAM.
Für knapp 80€ (Intro Version) kriegt man also 10 oder 11 (je nach Quelle) Instrumente als VST3 Plugin. Das muss ich mir mal überlegen.
@sonicbits Oh zut alors!
Jetzt habe ich doch glatt verraten, dass ich aus der Zukunft komme….
Du hast natürlich recht! Addiere ich aber die Taktung aller Cores zusammen, komme ich auf….?
Das PlugIn macht wirklich Spass (bis auf die GUI), lohnt sich!
Ich finde das Update ziemlich mau für mich als Reason 10 user
Der ganze Test klingt ja fast so, als ob es bevorsteht, das Reason verschwindet! Warum gibt es eigentlich ein „sehr gut“, obwohl es so viele negative Punkte gibt? Wobei ich gerade lese, das die meisten negativen Punkte mich überhaupt nicht betreffen. Bin ja schon froh das man die Automationskurven jetzt besser bearbeiten kann, wobei ich mir das Update noch nicht gegönnt habe.