Innere Werte
Das MK4 ist sehr gut verarbeitet, blitzschnell zerlegt und besteht aus vergleichsweise wenigen Baugruppen.
Es besitzt nur eine einseitig bestückte Leiterplatte, auf die auch der XLR-Stecker gelötet ist, der durch die Unterseite des Gehäuses optimal zugentlastet wird. Auf der Platine gibt es eine mit diskreten SMD-Bauteilen aufgebaute Verstärkerschaltung.
Einen integrierten Gleichspannungswandler („DC-DC“) gibt es nicht, stattdessen wird die Kapsel-Polarisationsspannung von 65V mithilfe einer aus Dioden und Kapazitäten aufgebauten Kaskadenschaltung aus der Phantomspeisespannung von 48V +/- 4 Volt erzeugt. Diese Lösung ist rauschärmer und spart ein paar Cent ein, hat aber den Nachteil, dass die Kapselspannung ungeregelt, nämlich direkt proportional zur anliegenden Phantomspannung ist. Das MK4 ist also für den Betrieb an Vorverstärkern mit einer Phantomspeisespannung von 24 Volt oder 12 Volt ungeeignet (die es gerade im Prosumer-Bereich noch gelegentlich gibt – Tendenz abnehmend). Die Stromaufnahme ist mit 3.1mA lt. Hersteller gering und belastet auch schlecht ausgeführte Phantomspannungsquellen nur in Maßen.
Die Kapsel thront auf einem Gummisockel, der vor allem seitens des Gehäuses eindringenden Körperschall reduziert. Besser funktioniert eine interne „Mini-Spinne“, die beispielsweise die AKG-Mikrofone C414 und C214 besitzen. Die Kapsel ist mit einem achtpoligen Polyester-Flachbandkabel an die Leiterplatte des Mikrofons angebunden; gewöhnlich genügen für diesen Zweck zwei Leitungen. Sennheiser hat hier Nägel mit Köpfen gemacht und den wetterfühligen, hochohmigen Teil der Schaltung auf die Kapsel verlagert und, zum Schutze vor Feuchtigkeit, mit einem schwarzen Glob Top Verguss überzogen. Durch eine derart optimierte Signalführung wird auch das eine oder andere klassische Neumann-Modell beim Thema Rauschen deutlich „outperformed“.
Die Kapsel des MK4 ist eine Neuentwicklung und von der Kapsel des e965 „Echtkondensator“-Gesangsmikrofons abgeleitet. Echtkondensatorkapseln sind prinzipiell keineswegs besser als „Elektretkapseln, die man u.a. in den meisten Telefonen und Headsets findet; da aber weder Sennheiser noch Neumann (entgegen etwa AKG und Audio Technica) Elektretkapseln in Studiomikrofone einbauen, kann man zumindest so tun. Wahr ist aber: Alle legendären Großmembrankapseln der Menschheitsgeschichte sind Echtkondensatorkapseln und benötigen somit eine Spannungsquelle für die Polarisation.
Dabei ist die Kapsel des MK4 „randpolarisiert“, d.h. es liegt kein Kabel auf der Membranmitte auf. Historisch betrachtet ist das eine Innovation von AKG. Im U89, TLM 170, D01, BCM 104 und TLM 102 hat aber auch Neumann bereits randpolarisierte Kapseln verbaut. Randpolarisierten Kapseln gehört die Zukunft; sie sind einfach „besser“. Legt man die Membran auf Massepotential, so zieht die Kapsel keine Staubpartikel aus der Luft an. Zudem verhindert die Membran, dass Feuchtigkeit und Staub zwischen die Membran und die Gegenelektrode gelangen können. Theoretisch kann die Membran ohne Kabel in der Mitte freier schwingen (über den hörbaren Nutzen dieser Tatsache scheiden sich einige Geister), und die Montage erfordert weniger Handarbeit. Zudem verzichtet die Sennheiser Kapsel auf Sackbohrungen in der Gegenelektrode, was ebenfalls zu einer Kostenersparnis beiträgt.
Zurück zum MK4: Sein Innenleben ist frei jeglicher Esotherik, auf eine sehr pragmatische Art kompromisslos und bietet den „State of the Art“ des weltweit anerkannten deutschen Mikrofonbaus zum Kampfpreis.
Spitzen Test! Kompetent, informativ, gut zu lesen.
LOL:“Ein LEBENDER Mensch in einem schalldichten Aufnahmeraum verursacht in jedem Falle mehr Geräusche als diese beiden Mikrofone.“
….Untote bekommen da also ein Problem mit dem Rauschen! ;-)
Untote standen mir während des Testzeitraumes nicht zur Verfügung. Vor Gesangsaufnahmen in Vollmondnächten sollten Knoblauchbrote verzehrt werden.
Außerordentlich gut geschriebenes Review, schöne Vergleiche herangezogen, bodenständig aber mit professionellem Überblick.
Ein paar A/B Vergleichsklangbeispiele hätten sich hier aber noch sehr gut gemacht, z.B. Akustikgitarre, Sprache, Overhead, und mit jeweils anderen typischen Mikros in dem groben Preisrahmen wie AT 4040, NT 1000, TLM 102, Bluebird, um mal so die derzeit wohl populärsten Konkurrenten abzudecken.
Preisähnliche Alternativen für den A/B-Vergleich im Geschäft oder, noch besser, zu Hause:
Etwas teurer: Das Audio Technica AT4040;
Bereits in der Charakteristik umschaltbar und noch preiswerter: Das Rode NT2;
Umschaltbar und etwas teurer: Rode NT2000 und AKG C4000B;
Sehr innovativ und kompakt, mit neutralem Klangcharakter, aber vom „Look&Feel“ und der akustischen Abstimmung weniger „Einsteiger-Gesangsmikros“: AKG C214 und Neumann TLM102.
Als „kräftige“ und „direkt klingende Niere“ kann sich das Mk4 auch gegen deutliche teuere Mikrofone behaupten.
Dennoch: Ich rate jedem Mikrofonkäufer mit einem Budget von unter 500 Euro, in Ruhe ein paar preisähnliche Konkurrenten auszuprobieren und diese auch zu kaufen, wenn sie rein subjektiv „besser passen“.
Beim Ausprobieren sollte man unbedingt auf identische Pegelverhältnisse achten. Das MK4 ist recht laut, und klingt allein deshalb schnell einmal „besser“.
Würde man das MK4 auch für Aufnahmen von Akustikgitarren und Chören verwenden?
Für Akustikgitarre: Ja.
Für Chöre: Weniger. Ein ordentliches Paar Kleinmembranmikrofone mit Kondensatorkapsel ist besser geeignet und auch für 300 Euro schon zu haben, z.B. von Rode, MBHO, beyerdynamic etc. Mit diesen Mikrofonen kann man fast alles sehr gut aufnehmen, auch Gitarren.
Eine der besten und lesenswerteste mic-reviews, die man hier je gelesen hat.
Allein schon die grundsätzlichen vorbehalte zur laufenden qualitätskontrolle chinesischer fertigung verdienten es, auf jedes mic-gehäuse funkenerodiert zu werden. Das dilemma, das Sennheiser sich mit der einverleibung von Neumann hinsichtlich neuer produktentwicklungen eingehandelt hat, ist auch perfekt analysiert.
Das „Dilemmas“ wurde recht weise und überaus kundenfreundlich gelöst. Durch den niedrigen Preis vermeidet man die Konkurrenz mit Neumann-Produkten und erschliesst der Marke Sennheiser einen völlig neuen Kundenkreis: Den der Produzenten, „Homerecorder“ und Projektstudios.
Ich vermute, dass ein Grossmembran-Erstling aus dem Hause Sennheiser OHNE die Liaison mit Neumann höher eingepreist wäre, nämlich ähnlich wie die Produkte von AKG, beyerdynamic, Gefell, Brauner etc.
Wenn es ihn überhaupt gegeben hätte.
Vielen Dank für das tolle Review und die anschaulichen Erklärungen. Top!
Hallo,
sehr guter Test mit vielen Hintergrundinformationen/ Details!
Das mit der besseren Körperschallentkopplung durch eine „Mini-Spinne“ wage ich aber zu bezweifeln. Die besteht ja aus mehreren Teilen die selber wieder Geräusche machen können. Beim Automobilbau z.B. wird ein Cockpit am besten aus einem Stück gefertigt, da jedes weitere Teil fixiert werden muss und mit der Zeit anfängt zu „arbeiten“.
Die aufwändigerer Lösung ist also nicht immer die bessere ;)
Guter Job, falconi
Vielen Dank für diesen hervorragenden Test, der technische Sachverhalte fundiert erläutert und interessante Hintergrundinformationen bietet!
Mir gefällt das MK4 auch sehr gut. Es ist trotz fehlender technischer Flexibilität universell einsetzbar und klingt toll!
Hi für Broadcast bzw Voie overs oder gelegentliche lets plays, ist das Mikrofon empfehlenswert? Wie ist es im Vergleich zum m88tg? Oder kannst du noch andere empfehlen? Vielen Dank im Voraus!