Allrounder Studiomikrofon
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Der relativ junge Hersteller Soyuz (gegründet 2013) hat mit seinem Portfolio eindeutig eine professionell tätige Zielgruppe anvisiert. So auch mit dem Kandidaten dieses Testes, dem Soyuz 013 FET, einem Kleinmembranmikrofon, das mit einem Ladenpreis von 599,- Euro eindeutig nicht mehr der Mittelklasse zuzuordnen ist.
Dabei verfolgt das von einem amerikanischen Musiker und einem russischen Unternehmer gegründete Unternehmen eine eindeutige Philosophie, nach der richtig gute Mikrofone nur in Handarbeit und ohne die Zuhilfenahme von computergestützten Fertigungsmethoden entstehen können. Hierbei wird der Bau von Mikrofonen mit dem Geigenbauhandwerk verglichen …
Großen Wert wird auch auf die Feststellung gelegt, so dass Soyuz ausschließlich eigene Kreationen herstellt, also keine Kopien oder Klone von berühmten Mikrofonklassikern anbietet.
Soyuz 013 FET: Aus dem Reich des Bären
Der erste Blick auf das Mikrofon Soyuz 013 FET
Die Fertigung der schmucken Audiowerkzeuge hat ihren Sitz im südlich von Moskau gelegenen Tula. Auch der Mikrofonhersteller Oktava hat hier seinen Gründungssitz.
Das Mikrofon wird in einem hübschen, mit Firmenlogo bedrucktem Recycling-Karton geliefert und kommt in einer gut verarbeiteten Eichenholzbox mit Magnetverschluss. Kleine, mit Datum, Foto und Signatur versehene Visitenkärtchen klären den Benutzer darüber auf, wer und wann welchen Arbeitsschritt von der Herstellung über die Montage bis zur Endkontrolle vorgenommen hat.
Als Zubehör wird in der Holzbox eine farblich passende Klemme und ein 10 dB Dämpfungsglied mitgeliefert.
Das Mikrofon gibt es in den zwei Farben: creme mit vergoldeter Kapsel (wie das Testmodell) sowie in dezentem Schwarz. Die Lackierung ist perfekt ausgeführt und ohne Makel.
Es sind aufeinander abgestimmte Stereo-Pärchen und eine Röhren-Variante 013 Tube erhältlich, Letzteres ausschließlich als Stereopaar.
Optik ist natürlich immer Geschmacksache, aber der Look des Testkandidaten ist zumindest eigenständig, fotogen und meiner Meinung nach ein willkommener Farbtupfer im Studioalltag.
Dazu trägt die perfekte, äußerst robust und langlebig wirkende Verarbeitung des Soyuz 013 FET bei.
Der Durchmesser des Mikrofonkorpus beträgt 25 mm bei einer Länge von 122 mm und einem Gewicht von 200 g. Damit ist es etwas größer und schwerer als beispielsweise das KM 184 von Neumann, lässt sich aber mit der mitgelieferten Klemme dennoch ähnlich gut positionieren.
Soyuz 013 FET: Innere Werte und technische Daten
Im Inneren des robusten Stahlkorpus werkelt eine komplett diskret aufgebaute Transistorschaltung, die ebenso wie der Ausgangsübertrager von Soyuz selbst entwickelt und gefertigt wird. Die wechselbare mitgelieferte Kapsel besitzt als Richtcharakteristik eine Niere, laut Hersteller sind ab Frühjahr 2022 wieder Kugel- und Achterkapseln lieferbar.
Rätsel gab mir der angegebene Durchmesser von 25 mm der goldbedampften Membran auf. Wird ja wohl nur schwerlich in einen Mikrofonkorpus mit dem gleichen Durchmesser unterzubringen sein, da hat man sich wohl vertan … Tatsächlich ergab eine Anfrage beim Vertrieb die Auskunft, dass der Durchmesser der Membran stolze 23 mm beträgt, was für ein Kleinmembran-Mikrofon beinahe schon gigantisch groß ist. Eine so große Membran kann Vorteile beim Nebengeräuschverhalten und der Empfindlichkeit bringen, reagiert aber etwas träger als kleinere und fängt möglicherweise die Transienten nicht so exakt ein.
Ein Blick auf das beigelegte Messdiagram zeigt in den tiefen Frequenzen weitgehend typisches für Kleinmembraner mit einem dezenten Roll-off im Bassbereich und einem etwas untypischen Verhalten in den Höhen ab 2 kHz. Hier zeigen sich diverse Dips statt der sonst heutzutage üblichen Anhebung im Präsenzbereich.
Die Messkurve bei 180 Grad sieht im Bezug auf das Off-Axis-Verhalten (also das, was außerhalb der Richtcharakteristik noch mit eingefangen wird) recht vielversprechend aus, folgt dieser Frequenzgang doch weitestgehend dem der Null-Grad-Kurve. So kann man davon ausgehen, dass die Signale, die hier noch mit aufgenommen werden, einigermaßen ähnlich zu den Hauptsignalen klingen und so im Gesamtsound beim Mix keine großen Probleme bereiten.
Der Grenzschalldruck wird mit imposanten 143 dB angegeben, das A-gewichtete Grundrauschen mit doch für diese Membrangröße recht hohen 16 dB. Letzteres könnte natürlich an der vintageartigen Schaltung mit Transistoren und Übertrager liegen. Die Empfindlichkeit von 20 mV/Pa wiederum ist ein sehr guter Wert für diese Bauart.
Soyuz 013 FET: Sound und Praxis
Zum Vergleich habe ich einen Kleinmembran-Klassiker hinzugezogen: das Neumann KM-184. Es befindet sich in einer vergleichbaren Preisklasse, kosten etwa 100,- Euro mehr und ist weit verbreitet, sein typisches Klangverhalten dürfte also dem einen oder anderen vertraut sein. Jede Quelle wurde von beiden Mikros gleichzeitig über identische Preamps und Wandler aufgenommen, damit keine Unterschiede in der Performance das Ergebnis verfälschen. Klar ist, dass nicht beide Kapseln zu einhundert Prozent auf den gleichen Punkt gerichtet sein können, aber dennoch kann man so die beiden Kandidaten recht gut vergleichen.
Zu erwarten ist, dass sich die beiden Kandidaten deutlich unterscheiden, ist die Membran des Neumanns doch mit einem 18 mm Durchmesser signifikant kleiner und auch das moderne Konzept ohne Ausgangsübertrager spricht für ein gänzlich unterschiedliches Klangbild.
Die ersten Klangbeispiele gehören Sprachaufnahmen mit verschiedenen Einsprechabständen:
Hier zeigen sich deutliche Klangunterschiede. Das Soyuz 013 FET klingt größer, weniger kantig und vollmundiger. Ein recht deutlicher Nahbesprechungseffekt tritt bei geringen Abständen zur Signalquelle ein, während sich das Neumann kaum verändert und insgesamt etwas „zickig“ klingt. Mein Favorit bei dieser Anwendung ist hier klar das 013 FET.
Ein typisches Anwendungsgebiet für Kleinmembran-Kondensatormikrofone ist die Akustikgitarre:
Auch hier punktet der Testkandidat durch ein „fertiger“ klingendes Signal mit angenehm brillanten Höhen und wuchtigen Tiefmitten. Das Neumann hingegen überzeugt mit einem etwas direkteren und in den Mitten mit mehr Details und Dynamik ausgestatteten Sound.
Hier zeigt sich bereits, dass meine weiter oben beschriebenen Befürchtungen bezüglich der relativ großen und damit trägen Membran des Soyuz 013 FET unbegründet sind. Das Mikro reagiert Kleinmembran-typisch sehr flink auf die Transienten und zeichnet diese naturgetreu auf.
Hier gibt es für mich keinen eindeutigen „Sieger“, beide Signale sind sehr gut und überzeugend.
Ebenfalls werden Mikrofone dieser Bauart gerne vor Streichinstrumenten platziert, hier über mein Cello:
Auch hier können beide Mikrofone glänzen, die bereits bei den anderen Beispielen feststellenden Unterschiede zeigen sich auch hier: Das Soyuz Mikrofon klingt hier wärmer und vollmundiger, das Neumann eher analytisch-detailliert. Qualitativ ist da kein Unterschied hörbar.
Gerne gesehen werden Kleinmembraner auch vor gezupften Kontrabässen:
Das bereits Geschriebene kann auch an dieser Stelle wiederholt werden: Zum Einen ein gewisser „Schönklang“, der auch mal eine Unsauberkeit in der Performance etwas beschönigt. In diesem Fall sind das kleine Klack – und Schnarrgeräusche, die das Neumann KM-184 wesentlich gnadenloser einfängt. Dafür kommen bei Letzterem das „Singen“ und die Modulationen der höheren Töne besser zur Geltung. Welches der beiden sehr guten Signale man dann bevorzugt, hängt letztlich vom Einzelfall ab …
Zu guter Letzt kann man sich noch ein paar perkussive Sounds anhören, Bongos und eine Snare:
Hier verleiht der Testkandidat den Signalen etwas mehr Grip und Durchsetzungsvermögen im Vergleich zu den eher nüchternen Signalen des Neumann Mikrofons.
Zusammenfassend würde ich dem Soyuz 013 FET absolute Augenhöhe mit dem Neumann KM 184 bescheinigen. Auch wenn eine minimale „Schönfärberei“, eine dezente „Verschleifung“ der Transienten und ein im direkten Vergleich etwas weniger dynamischer Mittenbereich festzustellen ist, werden keine Details unterschlagen und die Quellsignale in voller Struktur erfasst.
Stöbert man ein wenig im Netz, wird das Soyuz 013 FET nicht selten mit dem gesuchten und zu mittlerweile exorbitanten Preisen gehandelten KM 84, dem Vorgänger des KM 184, das ebenfalls mit einem Übertrager ausgestattet ist, verglichen. Auch das mitgelieferte Dämpfungsglied wird jeder zu schätzen wissen, der schon mal ohne ein solches einen lauten Drummer oder auch einen Flügel aus Nahdistanz mikrofoniert und trotz minimalem Gain samt Pad am Preamp bei jedem Peak Blut und Wasser geschwitzt hat.
Ist man in dieser Preisklasse auf der Suche nach einem Kleinmembran-Kondensatormikrofon, sollte das Soyuz 013 FET auf jeden Fall angetestet werden!
In meinen Augen schon ein gewagter Twist, Ukraine Banner auf der Seite und dann Russische Mikrofone.
(As with all Soyuz products, the 013 Series mics are completely handmade. Each body and capsule are manually machined and our transformers are wound in-house in Tula, Russia.)
Zumindest für mich nicht wirklich passend, eher schon heuchlerisch.
@TomH Käme das nicht einer Pauschalverurteilung gleich? Wir haben lange diskutiert ob wir den Test bringen sollen und haben ihn immer wieder verschoben. Am Ende hat sich bei uns aber aber die Meinung durchgesetzt, dass wir diesen Hersteller ausschließlich nach seinem Produkt beurteilen wollen.
@Tyrell Ich kann mir den Spagat gut vorstellen.
Nur für mich passt es im Moment nicht.
Ich werde mir auch auf absehbare Zeit keine Ergänzung für mein Oktava zulegen, das ich mir allerdings schon lange vor dem Krieg mir zugelegt habe.
Eins was man auch nicht vernachlässigen sollte, ist die Ersatzteile oder auch Ersatz Beschaffung. Oktava ist praktisch vom Markt genommen und nicht mehr erhältlich.
Wie lange wird es dauern bis das gleiche Schicksal droht?
@TomH Danke für die differenzierte Antwort. Ist ein Eiertanz, ich weiß. Auf der anderen Seite wollen wir nicht grundsätzlich pauschal ein ganzes Land für die Aktionen seiner Führungsspitze verantwortlich machen.
Das sind sicher richtig gute Mikrofone
und es ist auf jeden Fall
momentan eine grandios gute Idee
Mikrofone aus Russland zu kaufen…
Wenn es das Ding wenigstens als „Sorry, not our war“-Variante in Blau-Gelb gäbe… Russische Waren auch nur zu besprechen halte ich derzeit für wenigstens unanständig.
Das Mikro sieht übrigens aus wie die berüchtigten Belamor- oder Kasbek-Zigaretten aus der Sowjetzeit. Alles mir Hammer und Sichel gebaut ;)
@Aljen s.o.
Wie sieht das mit dem Service aus? Bei OKTAVA hatte ich großen Ärger. Ein Mikrofonset hatte statt zwei unterschiedlicher Kapseln, zwei gleiche. Der Service hat überhaupt nicht reagiert, so das ich eine Kapsel zusätzlich kaufen musste.
Hallo Christian,
„Das Soyuz 013 FET klingt größer, weniger kantig und vollmundiger“.
Leider typisches „Weinverkostungsvokabular“ mit dem man wenig anfangen kann. Und was ist bitteschön ein „zickiger Klang“ ?
Sind die Zicklein durchs Studio getrieben worden ?
Ein ordentliches Polardiagramm wäre auch nicht schlecht.
Ein Dämpfungsglied am Mikrofon verändert auch immer den Geräuschsspannungsabstand, daher ist es besser, z.B. am Mischpult zu dämpfen. Hier soll wohl ein Produkt mit besonderen Outfit und „Handmade“ in die Oberliga gepusht werden.
Viele Grüße von Vati
@Vati „Zickiger Klang“ ist immer dann, wenn Transienten nicht angenehm verrundet werden. Steht doch so im Text!
Nee warte, „zickiger Klang“ ist, wenn eine dezente „Verschleifung“ der Transienten nicht stattfindet. So muss es richtig lauten.
Oder halt, jetzt hab ich’s: „Zickiger Klang“ ist immer, wenn die Signale zu wenig Grip haben.
So isses jetzt aber richtig!
Ok, das Neumann mag weniger Grip haben, gefällt mir klanglich aber trotzdem wesentlich besser. Auch halte ich es für ziemlich fragwürdig, die Optik als Pluspunkt in die Bewertung mit einfliessen zu lassen. Immerhin handelt es sich hier um einen Testbericht, und da sollte der persönliche Geschmack des Autors eigentlich keine Rolle spielen.