Fabrikarbeit, die Spaß macht
Sugar Bytes Factory iOS
Nach dem neuen und hervorragenden Aparillo bringen Sugar Bytes nun ihren etwas älteren, aber nicht weniger ungewöhnlichen Synthesizer auf das iPad. Die Rede ist von Factory, dem subtraktiven Zwei-Oszillatoren Vielkönner. Sehen wir und also an, was Factory zu bieten hat.
Bei der App handelt es sich um eine funktionsidentische Übertragung der Desktop-Version, die wir bei AMAZONA.de schon im Test hatten (Test: hier). Wie auch beim Aparillo für iOS (Test: hier) funktioniert hier die Umsetzung auf die Touchscreen-Oberfläche sehr gut. Kein Bedienelement ist zu klein und man hat nicht das Gefühl, vor einer Maus und Keyboard-VST zu sitzen, was bei Sugar Bytes ja nicht immer gegeben ist. Aber darüber habe ich mich schon im Test zum Aparillo zu Genüge ausgelassen und muss das nicht wiederholen.
Die App ist sowohl als standalone als auch als AUv3 in einer Host-App verwendbar.
Als Instanz in AUM auf meinen iPad Pro 2015 zieht Factory mindestens 22 % CPU-Leistung mit der ersten Instanz. Die Grundversion ist zwar kostenlos, aber der volle Funktionsumfang muss per IAP für 19,99 Euro freigeschaltet werden.
Factory Klang
Factory ist ein semimodularer Synthesizer, der aus sechs Teilen besteht: Klangerzeugung, Modulationsmatrix, Modulation, Sequencer, Arpiculation (Arpeggiator plus Artikulation) und Effekte.
Beginnen wir also mit der Klanerzeugung. Hier stehen folgenden Oszillatormodelle zur Verfügung: Pulse Sync, Saw Sync, Saw Fractal, FM Formant, Transformer, Wavetable PWM, Wavetable Sync, Wavetable Formant, Wavetable Drone, Waveguide. Für die Oszis gibt es je nach Modell bis zu vier Parameter, die entsprechend angezeigt werden. Die Wavetable/-guide-Modelle können auf eine umfangreiche integrierte Sample-Bibliothek zurückgreifen, doch eigene Samples lassen sich leider nicht laden.
Im VCA-Mischer, der vor dem Filter sitzt, lassen sich die Lautstärken von OSC1 und 2, dem Suboszillator und fünffarbiges Rauschen von weiß bis braun abmischen.
Der Mixer regelt aber nicht nur die Lautstärke, sondern auch welche Kanäle in das Filter mit Drive gehen oder nur in das Filter (Schalter), den Modulationsanteil der Matrix (Potis) und welche Schwingungsform der Suboszillator (Kanal 3) hat.
Das Filter bietet 11 verschiedene Typen, darunter ein 8-Pol-Tiefpass, ein Kamm- und ein Vowel-Filter. Für den Drive gibt es die Verzerrermodelle Tube, Diode und Sinus.
Factory Modulatoren
Das war bisher nicht einfach. Bei den Modulatoren wird es dann schon anspruchsvoller. Hier haben wir zwei ADSR-Hüllkurven, zwei LFOs bis 500 Hz und einmal Sample & Hold. Über das Keyboard-Symbol wird bei den Hüllkurven festgelegt, ob die maximale Auslenkung fix den Parametereinstellungen entspricht oder von der Anschlagsstärke der Klaviatur bestimmt wird. Neben der Möglichkeit, die Hüllkurven zu loopen, lässt sich auch in einem reichhaltigen Menü auswählen, von was die ADSRs nun ausgelöst werden sollen, z. B. vom Sequencer, vom Arpeggiator, den LFOs etc.
Das An- und Abklingverhalten lässt sich auch zwischen logarithmisch und exponential überblenden.
Bei dem LFO setzt das Uhrensymbol, ob diese synchron zur Clock laufen oder frei. Mit dem Sinussymbol wird festgelegt, ob alle Stimmen gemeinsam einen LFO benutzen oder jede Stimme ihren eigenen „Klon“ bekommt. Die Schwingungsformen der LFOs werden über ein Poti ausgewählt.
Sugar Bytes haben sich zwar bemüht, die 12 Schwingungsformen nach einem System zu ordnen, aber so richtig übersichtlich ist das nicht. Hier würde ein zusätzliches aufklappbares Fenster beim Tippen auf die Schwingungsform sehr weiterhelfen. Im Sequencer hat es ja auch funktioniert, dazu gleich mehr. Der Grund dieser Ausführung ist die Möglichkeit, die Schwingungsformen per Modulationsmatrix umschalten zu können. Auch die LFOs können von einer Auswahl an Quellen ausgelöst werden.
Die (de-) aktivierbaren Pfeilspitzen legen im Übrigen fest, ob die Parameter von der Mod-Matrix moduliert werden können.
Die Sample & Hold-Einheit ist komplexer als man es normal kennt. Von den mannigfaltigen Eingangssignalen, die von den ENVs, LFOs, Sequenzen oder dem Mixer kommen dürfen, können die „Samples“ abgegriffen werden. Wann das geschieht, wird über die Threshold-Grenze festgelegt. Dazu kommen noch Quantisierungs- und Rundungssparameter (Lag). Letzterer macht aus der gezackte Schwingungsform der einzelnen gesampelten Werte eine rundere und kontinuierlichere Kurve.
Diese Schwingungsform kann dann wieder einem Ziel zugeordnet werden, z. B. den ENVs, LFOs, Sequenzen, Sequenzpositionen und Gate-Zeiten, OSCs oder dem Mix. Es gibt reichlich Auswahl.
Factory Sequencer
Der vierspurige 16-Schritt-Sequencer bringt noch mehr Leben in den Klang. Wie üblich können die Steps ihre Werte einen ganzen Schritt über lang halten. Doch es können auch aus 36 Schwingungsformen die Steps in noch kleinere Modulationseinheiten unterteilt werden. Die Grundform der Schwingung wird dabei am unteren Rand des Sequencers angezeigt und die Schwingungsformen können mit der vertikalen Ziehen-Geste in ihrer Auslenkung angepasst werden. Jede Spur kann dabei uni- oder bipolar geschaltet werden und hat einen eigenen Taktteiler bis zu 1/64. Nur der Global Swing gilt für alle Spuren. Die Spuren können auch nach links oder rechts verschoben, kopiert und eingefügt oder zufällig erzeugt werden.
Factory Arpiculation
Im Arpiculator finden sich die Parameter sowohl für die Artikulations des Klanges als auch für den Arpeggiator. Die Intonationshüllkurve ist hier nochmal eine kleine Besonderheit und stellt quasi eine zusätzliche Minihüllkurve dar, die mit jeder eingehenden Note ausgelöst wird.
Beim Arp kann die Clock-Quelle fix auf die innere Uhr von Factory gesetzt sein, nur „hin und wieder“ auf die Uhr hören (Spawn) oder vom Gate eines der vier Sequencer-Tracks ausgelöst werden.
Factory Effekte
An Effekten gibt es drei identische Einheiten, die jeweils auf 17 Effekte zugreifen können.
Hat man im Übrigen gerade einen Effekt zu Perfektion eingestellt und stellt nun fest, dass einem der Chorus doch lieber wäre, lässt sich die Reihenfolge problemlos per Drag & Drop ändern.
Factory Matrix
Die Mod-Matrix ist schließlich das Highlight der Factory. Hier lassen sich 8 Quellen (links) auf 10 Ziele (unten) zuweisen. Durch ein Tippen auf den Namen öffnet sich die umfangreiche Liste der möglichen Quellen und Ziele. Die Farbe der Patch-Punkte gibt im Übrigen an, ob die Modulationsauslenkung positiv (blau) oder negative (pink) ist.
Eine Verknüpfung von Quelle und Ziel geschieht einfach durch tippen. Durch größer oder kleiner ziehen des Punktes wird die Modulationsauslenkung festgelegt. So einfach kann es gehen.
Factory Verwaltung
Die Preset-Verwaltung ist als „vorbildlich“ zu bezeichnen. Für jedes Preset gibt es bis zu vier Such-Tags, Autorenname und Bewertung und es lassen sich einfach per Drag & Drop MIDI-Programm-Change-Listen anlegen und gesondert abspeichern. Auch lassen sich sämtliche Dreh- und Schieberegler MIDI-fizieren.
In den Audiobeispielen kommt ausschließlich eine einzige Instanz von Factory zum Einsatz.
Unbedingt antesten. Alleine die Amountregelung plus Polarität in einem Pin der Matrix durch Hoch- und Runterfahren zu regeln, ist ein hervorragender Ansatz. Ich habe zwei Plugs von denen, Aparillo ist der andere. Bei den Negativpunkten würde ich den teilweise exzessiven Einsatz von Effekten anführen. Ist aber nur ein kleines Minus, ist ja regelbar.
22. Mai 19, na ja, geht wohl unter hier, aber was soll‘s, gut ists trotzdem