Gesang richtig bearbeitet
Willkommen zurück zum zweiten Teil unseres Kompressor Workshops. Während wir uns in Teil 1 vorwiegend um die Arbeitsweise, Parametrisierung und die verschiedenen Möglichkeiten der technischen Umsetzung eines Kompressors gekümmert haben, kommen wir nun zu einem sehr wichtigen Einsatzgebiet des Kompressors, dem Gesang.
Dazu benutzen wir weiterhin unsere vier klassischen Geräte Fairchild 660, Teletronix LA-2A, Universal Audio 1176 und dbx 160 und wie auch im ersten Teil greifen wir hierbei auf die hervorragenden Software-Emulationen von Universal Audio zurück.
Vocals umfassen meist einen recht großen Dynamikbereich, hier ist der Einsatz eines Begrenzers beinahe unabdingbar. Gleichzeitig soll der Gesang in den meisten Fällen in den Vordergrund gerückt werden. Hören wir mal, wie unsere Testgeräte sich so schlagen.
Als Gesangspassagen nutze ich zwei Files aus unseren Gesangsmikrofon-Vergleichstests. Die weibliche Stimme schenkt uns Akina Ingold. Hier wechseln sich laute und leise, hohe und tiefere Passagen sehr schön ab. Den männlichen, deutlich rockigeren, Part übernimmt Patrick Heck.
Akinas Stimme, original
Patricks Stimme, original
Fairchild 660
Starten wir mit dem Fairchild 660. wie wir aus Teil 1 des Workshops ja noch wissen, ein Variable Mu-Kompressor. Die Ratio stellt hier keinen fixen Wert dar, sondern wird variabel aus dem Input berechnet. Ich stelle Input auf einen mittleren Wert und erzeuge mit Threshold eine Gain-Reduktion von ca. 6-7 dB im Spitzenwert.
Zuerst bearbeite ich so Akinas Stimme. Das Ergebnis kann sich hören lassen, die Stimme rückt deutlich nach vorn, klingt intimer und erhält durch die Röhrenfärbung noch einen guten Schuss zusätzliche Direktheit.
Female, Fairchild 660
Diese Audiospur wird sich in einem Arrangement sehr viel besser durchsetzen können. Schön ist, dass der Pegel nun zwar viel gleichmäßiger ausfällt, trotzdem keinerlei störende Artefakte hörbar sind, eine Aufnahme wie aus einem Guss. Das ist auch optisch gut bei der Gegenüberstellung der unbearbeiteten und der bearbeiteten Spur zu sehen.
Mit denselben Vorgaben wird nun Patricks Gesang veredelt.
Male, Fairchild 660
Auch hier wirkt die Stimme natürlich deutlich lauter, allerdings klingt sie gepresst und wenig angenehm. Der Grund dafür ist, dass diese Aufnahme in seiner Ursprungsform sehr viel weniger dynamisch ist, mit der von mir eingestellten Gain-Reduktion wird die Stimme quasi durchgehend komprimiert und genau so klingt das Ganze dann auch. Also reduziere ich den Threshold, bis er maximal mit 2-3 dB Reduktion arbeitet und die Stimme kann wieder atmen.
Male, Fairchild 660 mit weniger Gain-Reduktion
Schon dieses erste Beispiel zeigt, dass bei jeder Aufnahme genau analysiert werden sollte, welche und wieviel Bearbeitung sie verträgt. Schnell ist hier zuviel des Guten getan und das Gegenteil erreicht.
Tipp: Parallele Kompression
Ein weiteres Beispiel einer wenig optimalen Bearbeitung lasse ich hier anhand unseres weiblichen Gesangs folgen. Bei gleichbleibender Gain-Reduktion habe ich nun Attack und Release auf den schnellsten Wert gebracht und die Kurve stark Richtung Hardknee gestellt.
Zu schneller Attack killt Transienten
Der Kompressor spricht nun ultraschnell an und die Spitzen werden zuverlässig gekappt. Die Stimme klingt dadurch aber recht dumpf und wenig lebendig, da die wichtigen Transienten abgeschnitten werden. Abhilfe schafft hier die parallele Kompression. Dabei wird ein Teil des Signals unbearbeitet durchgelassen, damit sind die Transienten wieder da.
Parallel komprimiert
Beim Fairchild ist dies sehr einfach zu realisieren. Mit dem Mix-Regler lässt sich stufenlos der Anteil „bearbeitet/unbearbeitet“ einstellen, schon ist die Stimme wieder präsent und klar.
Die meisten Kompressoren bieten diese Funktion zwar nicht, hier kann man sich in der DAW behelfen, indem einfach die Spur gedoppelt wird und die originale Spur wieder etwas zugemischt wird.
Teletronix LA-2A
Als nächster Kandidat ist wieder der Opto-Kompressor aus dem Hause Teletronix dran. Die Einstellung ist simpel, mit Peak Reduktion wird der gewünschte Kompressionsgrad eingestellt, Gain passt dann den Pegel wieder an. Bei der Ratio gibt es nicht viel Auswahl, mit dem Limit/Comp-Kippschalter wird bei Comp eine Ratio von 3:1 gewählt.
Meine zuvor gefundenen Reduktionswerte für die beiden Stimmen behalte ich hier bei um einen direkten Vergleich zu ermöglichen.
Female, Teletronix LA-2A
Male, Teletronix LA-2A
Der Klang des LA-2A gerät bei beiden Aufnahmen etwas schlanker und luftiger als beim vorhergehenden Beispiel, der Fairchild prägte die Mitten mehr.
Somit dürfte sich der Teletronix-Sound eher in weniger dichten Arrangements gut durchsetzen, hier glänzt er mit einer schönen Natürlichkeit.
Tipp: Emphasis
Eine Geschichte gefällt mir an unserer Akina-Gesangsspur noch nicht. Die hoch gesungene Schlusspassage wird arg schneidend. Auch hier kann der LA-2A weiterhelfen, mit dem unscheinbaren Poti „Emphasis“ lässt sich der Kompressionsgrad frequenzabhängig verändern. Während bei Rechtsanschlag alle Frequenzen gleichmäßig komprimiert werden, verschiebt sich bei Linksdrehung das Kompressionsverhältnis Höhen zu Tiefen. Im Grunde eine stark vereinfachte Zweiband-Kompression. Ich stelle also Emphasis ganz nach links, um die Höhen maximal zu bearbeiten.
Die Höhen durch Emphasis gezähmt
Das klappt gut, die entsprechenden Passagen werden im Pegel reduziert und stechen nicht mehr so hervor. Sehr schön ist das auch im optischen Vergleich der beiden Spuren zu sehen.
Universal Audio 1176
Weiter geht es nun mit dem Klassiker 1176. Der FET-Kompressor wird gerne für Vocals eingesetzt, mal sehen, wie er sich schlägt.
Als Ratio wähle ich die kleinste Einstellung, 4:1, die Threshold interagiert mit dem Input-Regler. Für Attack wähle ich einen mittleren Wert, die Release wird recht kurz eingestellt.
Die Bearbeitung bei Akina klingt weniger offen als bei unseren bisherigen Beispielen, der Kompressor kappt beim Arbeiten deutlich die Höhen und lässt so ein etwas gepresstes Klangbild entstehen.
Female, UA 1176
Versuchsweise stelle ich den Attack auf einen langsameren Wert, aber auch hier bleibt die Charakteristik so erhalten. Hier gefallen mir unsere beiden ersten Probanden besser.
Ganz anders arbeitet der 1176 bei Patrick. Mit der geringen Gain-Reduktion, die sich beim 660 und dem LA-2A bewährt hat, fällt das Ergebnis zu schwach aus.
Male, UA 1176
Der 1176 möchte wohl etwas härter angegangen werden, also erlaube ich eine Reduktion von bis zu 8 dB.
Male, UA 1176, stärker komprimiert
Der Sound lebt förmlich auf, ist präsent und drückt nach vorn. Auf Patricks rockiger Stimme gefällt mir der Universal Audio-Kompressor bisher am besten.
dbx 160
Als letzter Kandidat darf nun der dbx 160 antreten. Er wird vorwiegend mit Bass und Drums in Verbindung gebracht, um diese Signale ordentlich anzudicken. Aber seine Chance soll er auch hier mit Vocals kriegen.
Die Ratio stelle ich mit 3:1 recht gemäßigt ein, nun noch mit Threshold die gewünschte Kompression gewählt, Pegel angepasst und los geht’s.
Der dbx macht seine Arbeit bei Akina ganz ordentlich und bringt das Signal sauber nach vorn. Wie auch bei der Aufgabe Limiting im letzten Workshop bleibt die Grundcharakteristik weitgehend erhalten.
Female, dbx 160
Andererseits klingt die Gesangsspur etwas zu leblos und analytisch, hier haben die anderen Kandidaten dem dbx 160 eine musikalische Komponente voraus. Schön gelöst ist die Schlusspassage, hier nimmt der Kompressor erfolgreich die schrillen Höhen zurück.
Bei Patrick muss wieder die Gain-Reduktion etwas hoch gestellt werden, bei 5-6 dB arbeitet der dbx ganz gut.
Male, dbx 160
Auch hier gerät das Ergebnis etwas zu klinisch, zusätzlich fällt bei Patrick der Höhenabfall bei Gain-Reduktion im Gegensatz zu Akina störend auf.
Somit ist bei dieser Übung der dbx eher als der brave Arbeiter zu sehen, der sauber und ohne zu murren seinen Job erledigt. Ob die Bearbeitung passt, hängt stark von Material, Stimme und Verwendungszweck ab.
Zusammenfassung
Erstaunlich, wie unterschiedlich die vier Geräte arbeiten und auf verschiedene Stimmen reagieren.
Der Fairchild 660 macht schön fett und bringt das Signal nach vorn. Hier sollte aber ganz genau gelauscht werden, wieviel Gain-Reduktion die jeweilige Stimme verträgt. Die Einstellungen gelingen recht zügig, trotzdem sind mit der Abhängigkeit Input Gain/Threshold, dem D.C. Threshold, dem Time Constant-Regler und dem Mixpoti viele Variationen abrufbar. Der 660 macht deutlich, wieso die raren Hardwaregeräte trotz hohem Wartungsaufwand immer noch überaus beliebt sind.
Unschlagbar schnell einzustellen ist der Teletronix LA-2A. Das Klangresultat bleibt immer natürlich und klingt sehr musikalisch. Gerade in luftigen Arrangements und akustischen Produktionen dürfte der LA-2A erste Wahl sein. Öfters eine große Hilfe ist auch der Emphasis-Regler, der eine simple Zweifach-Kompression erlaubt.
Der Universal Audio 1176 zeigt sich in diesem Test eher als Gerät für den härteren Einsatz. Mit Rockstimmen kommt er prima zurecht und schiebt sie vehement in den Vordergrund. Dabei darf er auch ruhig mit höheren Kompressionraten gefahren werden, ohne dass der Sound dabei flach wird.
Der dbx 160 wird landläufig eher als Spezialist für tieffrequente Signale wie Bass und Drums gesehen. So liefert er bei Vocals zwar eine solide Performance ab, ist aber wenig klangbildend. Er ist durch seine einfache Parametrisierung schnell einzustellen, vermisst werden aber das Fehlen von Attack und Release. So werden bei stärkerer Kompression die Höhen weggezogen, was in den meisten Fällen störend wirkt.
Hiermit wären wir mit unserem zweiten Teil – der Stimmenveredelung – am Ende. Im abschließenden Teil 3 des Workshops kümmern wir uns um die Komprimierung verschiedener Instrumente. Bis dann …
Lieber Armin, wie ich finde, hast Du den Kompressionsvorgang sehr gut erläutert.
In der Praxis es jedoch komplexer, wie die Plop-Geräusche erahnen lassen. Zudem findet eine Kompression zumeist relation zu weiteren Spuren statt. Aber eine grundlegende Einführung in die Arbeit mit Kompressoren zu geben, ist Dir gelungen – auch wenn ich persönlich eine andere Musik und auch andere PlugIns bevorzuge.
@MidiDino Hi Helge,
erstmal danke für das Lob.
Die Plopp-Geräusche sind vorhanden, da ich, wie beschrieben, auf Material aus unserem Gesangsmikro-Vergleichstest zurück gegriffen habe. Die Aufnahmen sind also nicht unter Studiobedingungen mit Poppschutz entstanden. Benutzt wurden dabei die Aufnahmen mit den AKG C535.
Auf die musikalische Ausrichtung habe ich weniger Wert gelegt, mir ging es darum aufzuzeigen, dass derselbe Kompressor und dieselbe Einstellung bei verschiedenen Stimmen zu ganz anderen Ergebnissen führen kann.
Natürlich gibt es unzählige Kompressoren, zur besseren Illustration habe ich für diese Workshop-Reihe die Emulationen von vier klassischen Hardware-Geräten ausgewählt.
Wenn du für unsere Leser gute Tipps hast, lass hören.
Ich gehe da mal mit gutem Beispiel voran: Wer hochwertige PlugIns mit unglaublichem Preis/Leistungsverhältnis haben möchte, sollte sich mal die Sachen von Jeroen Breebart auf Toneboosters.com anschauen.
Ich persönlich suchte über Jahre nach einem akzeptablen Allrounder, der in der Summe einsetzbar ist. Nur relativ selten nutze ich einen Kompressor auf Einzelspuren. Ich betreibe freilich kein Studio für andere, lediglich für mich ;-) Der Allrounder ist das Modell 670 (Smooth!) von IK-Multimedia, das ich mal als Single erwarb, nun im Custom-Shop separat erhältlich ist, auf die eine oder andere Einzelspur kommt manchmal der Bombardier RMS Bus mit 2:1 von Stillwell-Audio. Ich hatte sehr große Probleme Geeignetes für mein Material zu finden. – Nach dem Modell 670 folgt in der Summe noch ein soft betreibbarer Limiter, ebenfalls von Stillwell-Audio: Event Horizon.
Toller Workshop ! Welcher kompressor in Logic „entspricht“ denn welchem Vorbild ?