Budget Kompressor von BAE
Der UK Sound 276 ist ein Dual-FET-Kompressor des bekannten Boutique-Herstellers BAE Audio, der nun auch unter einem neuen Label preisgünstige Versionen berühmter Studiogeräte anbietet. Wie der Produktname schon erahnen lässt, handelt es sich um eine zweikanalige Anlehnung an den Urei 1176, einen Kompressor und Limiter mit einer überaus schnellen Regelzeit, der 1967 auf den Markt kam und seitdem den Sound unzähliger Aufnahmen prägt.
Die Kompressorschaltung des 276 wird übrigens auch für den UK Sound 1173 verwendet, der zusätzlich über einen Neve-Style Preamp verfügt und erst im letzten Jahr von Jörg Hoffmann für AMAZONA.de getestet wurde.
UK Sound 276 auf den ersten Blick
Das Format des UK Sound 276 orientiert sich im Gegensatz zu den meisten 1176 Nachbauten optisch nicht an dem Original, denn sein 19 Zoll breites Stahlblechgehäuse kommt mit nur einer Höheneinheit aus und das schlichte, funktionale Design ist vollkommen eigenständig.
Rundum macht der Kompressor zunächst einen soliden Eindruck.
Auf der schwarzen Vorderseite befinden sich alle Bedienelemente, die fest mit der Frontplatte verschraubt sind. Sämtliche Regler und Schalter sitzen straff, wackeln in keiner Weise und auch die ergonomisch geformten Kunststoffkappen der Potentiometer lassen sich gut greifen.
Die beiden Kanäle des 276 sind identisch aufgebaut, per Input-Regler wird nicht nur die Eingangslautstärke, sondern auch das Maß der Pegelreduktion festgelegt, da der Threshold wie bei dem Vorbild fixiert ist.
Darauf folgen vier wählbare Ratio-Einstellungen (4:1, 8:1, 12:1, 20:1) und der berühmte All-Buttons-in-Modus, den man über einen separaten, mit einem Ausrufezeichen gekennzeichneten Schalter aktiviert. Dieses Setting erzeugt einen für den 1176 charakteristischen Sound, der sich durch veränderte Regelzeiten und eine hohe Dynamikreduktion auszeichnet.
Leider fällt die Dokumentation seitens des Herstellers recht spärlich aus, daher gibt es auch keine Angaben zu den Regelzeiten der Attack- und Release-Zeiten. Bei der Neuauflage von Universal Audio liegt die Spanne der Attack-Zeit zwischen 20 und 800 Mikrosekunden, die Release-Zeit reicht von 50 Millisekunden bis 1,1 Sekunden – irgendwo in diesem Bereich werden sich wohl auch die Regelzeiten des 276 ansiedeln.
Sehr praktisch ist das Sidechain-Filter, mit dem sich eine Bearbeitung des Signalanteils unterhalb von 100 Hz verhindern lässt. Darüber hinaus gibt es eine Bypass-Funktion und einen Regler für den Output.
In der Mitte der Frontplatte werden beide Kanäle durch zwei runde VU-Meter mit nikotingelben Skalen getrennt, die Pegelreduktionen bis zu -20 dB anzeigen. Bei genauerem Betrachten fällt auf, dass das rechte VU-Meter etwas schief sitzt. Dadurch wird natürlich nicht die Funktion beeinträchtigt, dennoch sollte so etwas bei einem Gerät mit einem Preis von 1.500,- Euro nicht vorkommen.
Auf der Rückseite befinden sich neben dem Ein- und Ausschalter noch die üblichen Anschlüsse, die Kaltgerätebuchse für die Stromversorgung des internen Netzteils und pro Kanal ein In- und Output im XLR-Format.
Technik
Auch wenn in den Artikelbeschreibungen einiger Online-Stores und in diversen Foren das Gegenteil behauptet wird, handelt es sich bei dem UK Sound 276 leider nicht um einen Stereokompressor. BAE Audio hat auf eine Link-Funktion verzichtet, wodurch normalerweise der Kanal mit der stärksten Pegelspitze die Intensität der Kompression beider Kanäle bestimmt. Natürlich können grundsätzlich auch Stereo-Signale mit zwei unabhängig von einander tätigen Kompressoren bearbeitet werden, in der Praxis ist das aber eher selten der Fall.
Die technischen Angaben des Herstellers fallen nicht nur bezüglich der Funktionsweise, sondern auch in Hinblick auf die Beschaffenheit des 276 sehr kurz aus:
Er besitzt einen diskreten Class-A-Signalpfad, während der Kompressor auf einem Sperrschicht-Feldeffekttransistor (JFet) basiert, einer Schaltung, die in den siebziger Jahren häufig wegen ihres warmen, satten Sounds in D.I.-Boxen zum Einsatz kam.
Für den Ein- und Ausgang verwendet BAE Audio Übertrager von OEP aus Asien. Dieses Unternehmen ist eine Schwesterfirma von Carnhill, dem britischen Hersteller, dessen Transformatoren in vielen Neve 1073 Kopien zu finden sind.
Praxis
Während dieses Tests gab es leider viele technische Probleme. Der erste Proband war die einkanalige Ausführung 176, die gleich zu Beginn starke Störgeräusche von sich gab. Als Austauschgerät wurde daraufhin die hier getestete 276 Version geliefert. Auch bei dieser bereitete der Kompressor des ersten Kanals nach kurzer Zeit Probleme, da er erst sporadisch und dann gänzlich die Arbeit verweigerte.
Somit blieb für das Erstellen der Klangbeispiele nur der zweite Kanal übrig. Bedauerlicherweise hatte wiederum das Sidechain-Filter von diesem einen Defekt. Wenn es aktiv war entstanden Verzerrungen im Bassbereich – auch wenn der Kompressor sich im Bypass-Modus befand. Darüber hinaus erzeugten die Potentiometer des Attack- und Output-Reglers in manchen Positionen kratzende Störgeräusche, die das Signal zusätzlich verzerrten.
Mit den übrig geblieben Funktionen ließen sich dann schließlich doch noch ein paar Aufnahmen bearbeiten.
UK Sound 276 – Vocal
Zu Beginn soll die unbearbeitete Aufnahme einer Sängerin komprimiert werden.
Bei jedem der Klangbeispiele steht der Attack-Regler in der 10-Uhr-Position und die Release auf 2 Uhr, wobei es sich um eine häufig genutzte Standardeinstellung für Vocals handelt, von der aus sich die Regelzeiten des 1176 gut an das Quellmaterial anpassen lassen.
Die Ratio und das Maß der Pegelreduktion werden von Mal zu Mal erhöht, um die Unterschiede in der Intensität der Kompression zu demonstrieren.
Bei einer Ratio von 4:1 und 8:1 wirken die Ergebnisse sehr organisch, die Dynamikverringerung ist im Vergleich zu der unbearbeiteten Version klar wahrnehmbar, aber hat einen natürlichen, ausgewogenen Charakter. Darüber hinaus erzeugt der 276 eine angenehme Färbung mit einer leichten Betonung in den unteren Mitten.
Wenn die Ratio für Limiting-Anwendungen weiter auf 12:1 und 20:1 erhöht und die Pegelreduktion verstärkt wird, klingen die Ergebnisse schon deutlich flacher. Außerdem ist das Eingreifen des 276 deutlich zu hören, was nicht so musikalisch wirkt.
Gänzlich anders ist das Verhalten des All-Buttons-in Modus, der ganz offensichtlich die Regelzeiten verändert und für ein kräftiges, präsentes Resultat sorgt, das einem regelrecht ins Gesicht springt.
UK Sound 276 – Snare
Weiter geht es mit einer Snare Aufnahme, die das Verhalten von unterschiedlichen Attack- und Release-Einstellungen zeigen soll. Die Ratio steht dabei immer auf 4:1 und die maximale Pegelreduktion liegt bei -5 dB.
Wie schon zuvor bei dem Vocal, ist das Ergebnis recht ausgeglichen, wenn Attack auf 10 und Release auf 2 Uhr steht. Der Dynamikunterschied zwischen den kräftigen Schlägen und den rollenden Ghost-Notes wird angenehm kompensiert.
Bei einer längeren Attack-Zeit (8 Uhr) und einer kürzeren Release-Zeit (4 Uhr) werden die Transienten der starken Anschläge noch betont, aber ihr vollmundiger Nachklang verringert, während die Ghost-Notes wiederum deutlich hervortreten. Dabei ist schon eine leichte Verzerrung wahrnehmbar, die – ja nach Geschmack – aber auch durchaus Charme hat.
In die gleiche Richtung geht das Resultat der dritten Einstellung, jedoch klingt es behutsamer und ausgewogener. Attack befindet sich in der 2-Uhr- und Release in der 3-Uhr-Position, abermals werden die Ghost-Notes hervorgehoben, aber das Zusammenspiel mit den kräftigen Schlägen wirkt homogener.
UK Sound 276 – Synthesizer
Als drittes Beispiel wird eine Aufnahme von dem Moog Mother-32 verwendet, um zu veranschaulichen, wie verschiedene Ratio-Einstellungen bei gleichbleibender Pegelreduktion klingen. Die Ausrichtung von Attack (8 Uhr) und Release (4 Uhr) bleiben immer gleich, ebenso beträgt die maximale Reduktion stets -7 dB.
Der Unterschied zwischen einer Ratio von 8 und 12 wird anhand des Bassanteils deutlich, der bei einer höheren Einstellung stärker komprimiert klingt, dadurch aber auch ein bisschen kräftiger und kompakter erscheint.
Im All-Buttons-in-Modus verändert sich abermals das Regelverhalten des UK Sound 276,
die Transienten werden stark hervorgehoben und der Tiefbass wirkt reduzierter als zuvor.
Das Ergebnis hat wieder einen sehr schönen eigenen Charakter, der dem Signal in einem Mix deutlich mehr Präsenz verleihen würde.
Klangbeispiele
Vocal:
Sängerin: Eva Werner
Mikrofon: Neumann U87
Vorverstärker: TritonAudio D2O Mono
Snare:
Schlagzeuger: Christoph Eggener
Snare: Sonor Special Edition
Mikrofone: Shure SM 57
Vorverstärker: UnderToneAudio MPDI-4
Synthesizer:
Synthesizer: Moog Mother-32
Vorverstärker: AMS Neve 1073DPA
Kompressor: UK Sound 276
Audiointerface: Lucid 88192
DAW: Logic Pro
Die Klangbeispiele sind unbearbeitet, nur die Lautstärken wurden angepasst.
Tausendfünfhundert Steine für ein Gerät, bei dem man offenbar zittern muss, dass es überhaupt wie versprochen funktioniert und dann noch – wenn auch leichte – Verarbeitungsmängel besitzt? Na, vielen lieben Dank! Was denken die sich?
Danke an Chris für den Testbericht mit den vielen Soundbeispielen. Das ist soweit alles in Ordnung. Allein das Urteil (2 Sterne) will mir nicht in den Kopf. Selbst wenn der Sound über jeden Zweifel erhaben wäre, so sind die Verarbeitungsmängel als auch die angegebenen Defekte so eklatant mangelhaft, dass man nicht ernsthaft eine derartige Empfehlung herausgeben kann – finde ich….
Der Preis geht vollkommen in Ordnung, sofern alles funktionieren würde und die Mängel beseitigt wären.
Gut geschriebener und ausführlicher Test!
Auch nen Daumen hoch dafür, dass die Soundbeispiele lautheitsmäßig aneinander angeglichen sind, dadurch kann man unbeeinflusst von Lautstärkeunterschieden urteilen.
Ich finde die Soundbeispiele allerdings etwas sehr leise – 6 bis 9 dB mehr hätten es doch auch getan…
Und ja, ich muss meinen Vorrednern da zustimmen: Für 0% Defektfreiheit sind zwei Sterne zu viel!