Sound-Mythen auf dem Prüfstand!
Inhaltsverzeichnis
Es gibt viele Sound-Mythen, die in Foren heiß diskutiert werden.
Ist ein Buffer sinnvoll oder verfälscht er mein Gitarrensignal?
Soll das Effektgerät True Bypass haben, ja oder nein?
Und was ist dran am Analog-Dry-Thru? Beeinflusst es meinen Sound und mein Spielgefühl oder ist das nur Einbildung?
Alles hat seine Vor- und Nachteile und vieles von dem, was die Entwickler von Effektpedalen so umgesetzt haben, hat auch seinen Grund.
Als kann es vielleicht sein, dass es gar nicht die EINE ultimative Wahrheit gibt?
Ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit
Die ersten Effektpedale, die in den 60ern auf den Markt kamen, waren noch weit entfernt vom True-Bypass. Die Welt der Gitarren-Effektpedale hatte ja gerade erst ihren Urknall erlebt und die Evolution der Schaltkreise stand noch ganz am Anfang.
Vorher waren Effekte lediglich in Form von Hallspiralen und Tremolo-Schaltkreisen in Amps verbaut zu finden.
Durch das Aufkommen der ersten erschwinglichen Transistoren konnten diese Effekte, die sonst meist auf Röhrenschaltungen basierten, endlich auch kompakt in separaten Pedalen untergebracht werden.
So wurden Musiker deutlich flexibler und konnten die neuen Effektgeräte in Verbindung mit ihrem Lieblingsamp nutzen.
Die ersten Pedale konnten noch nicht per Fußschalter aktiviert werden und so mussten Tremolo und Booster per Hand runtergeregelt oder geschaltet werden.
Als es dann gelang, die ersten Fuzz-Pedale elegant per Fuß schaltbar zu machen und ich bin mir sicher, dass die Macher bestimmt mächtig stolz darauf waren.
Sound-Mythen die Erste: Buffer oder True Bypass?
Über einen Buffer oder True-Bypass hat man sich in den 1960ern sicherlich noch wenig Gedanken oder Sorgen gemacht. Das Pedal klang super und ausschalten wollte man es bestimmt erstmal nicht so schnell.
Das Arbiter Fuzz Face war übrigens bereits mit einem echten True-Bypass-Schalter ausgestattet.
Etwas später, als die Effektindustrie Zuwachs bekommen hatte, haben MXR, Ibanez und viele andere Hersteller jeweils unterschiedliche Interpretationen des Schaltens entwickelt.
Während MXR den Ausgang so beschaltete, dass die gesamte Schaltung immer noch am Signal hing, hatte Ibanez eine raffinierte Buffer-Schaltung entwickelt. Aber was damals als innovativ und toll galt, ist heute relativ unbeliebt, da beide Optionen den Klang doch ordentlich beeinflussen.
Buffer stellen einen aktiven Schaltkreis dar, der das Klangbild (wenn auch ungewollt) ohne Zweifel beeinflusst.
Ein Buffer hat die Aufgabe, das Signal eins zu eins zu verstärken und so ein starkes, möglichst unbeeinflusstes Signal zu erzeugen. Schaltet man mehrere Buffer in Reihe, von denen jeder zum Beispiel die Bässe im Grunde nur ganz leicht bescheidet, so bleibt am Ende davon nicht mehr viel vom ursprünglichen Sound übrig.
True-Bypass-Pedale schicken das Signal durch das Pedal hindurch, ohne den Schaltkreis zu berühren. Es wird über den Schalter direkt von der Input-Buchse zur Output-Buchse geleitet.
Wenn man allerdings ein großes Pedalboard mit vielen Effektpedalen und dazwischenliegenden Kabeln hat, kann die Strecke vom Pickup bis zum Amp schon mal um mehrere Meter anwachsen. Da alle verwendeten Kabel eine gewisse Kapazität pro Meter aufweisen, werden hier die Höhen immer weiter herausgefiltert und das Signal auf diese Weise geschwächt.
Allerdings hat das gesamte Pedalboard ja nur die geballte True-Bypass Negativwirkung, wenn alle Effektgeräte dauerhaft ausgeschaltet werden. Letztlich ist es so, dass jedes aktivierte Pedal ja ebenfalls als eine Art Buffer agiert, da es ein aktiver Schaltkreis ist, der das Signal beeinflusst.
In der Praxis ist es dann vermutlich eher die Ausnahme, dass ein Gitarrist mit zehn bis fünfzehn Effektpedalen auf seinem perfekt ausgestatteten Pedalboard sämtliche Effekte ausschaltet, um den wunderbaren True-Bypass-Sound zu genießen.
Das wäre wohl eher bei einem Drei-Effekte-Board und der Spielweise damit der Fall. Und dann wären die Kabelwege wiederum nicht so lang.
Beide Varianten beeinflussen also das Gitarrensignal.
Sicherlich, wenn man nur ein Effektpedal (egal, ob nun mit True-Bypass oder mit Buffer-Schaltkreis) verwendet, wird man diesen Unterschied nur gering oder vielleicht gar nicht wahrnehmen.
Und wenn man seinen Gitarrenton gerne etwas dunkler haben möchte, bevorzugt der eine oder andere Gitarrist vielleicht lange Kabelwege mit True-Bypass-Pedalen sogar.
Aber wie geht man mit einem großen Pedalboard mit langen Kabelwegen am besten um?
Die ideale Lösung wäre ein Pedal, das einen guten und relativ klangneutralen Buffer besitzt, an den Anfang der Signalkette zu platzieren. Dann kann man getrost das restliche Pedalboard mit Pedalen mit True-Bypass bestücken und hat durch den Buffer ein starkes Signal, das im weiteren Streckenverlauf weniger Höhen verliert und so lebendiger und frischer klingt als ohne Buffer.
Wer bisher keinen Buffer verwendet hat, wird sich vielleicht erstmal an das klare Signal gewöhnen müssen. Denn alle Sounds sind ja auch immer Geschmackssache und Gewohnheit.
Ein Richtig oder Falsch gibt es hier gar nicht, da das Ergebnis ja den eigenen Klangvorstellungen entsprechen muss. Jedes Pedal auf dem Pedalboard ist nun mal ein Werkzeug zur Klangformung.
Es gibt so viele Lösungen wie Meinungen.
Ich bin gespannt, ob du Team Buffer bist oder auf True-Bypass schwörst. Du kannst es mir gerne unten in den Kommentaren schreiben.
Sound-Mythen die Zweite: Analog-Dry-Thru
Da wir gerade beim Philosophieren sind, können wir das aktuell so heiß diskutierte Analog-Dry-Thru auch gleich ansprechen.
Digitale Effektgeräte wandeln das Gitarrensignal entweder digital um und mischen es mit dem digitalen Effekt oder sie leiten das analoge Gitarrensignal durch und mischen beide. Beides sind bewusste Entscheidungen, die der Hersteller in der Regel aus triftigem Grund trifft.
Sowohl in meinem Studio als auch in meiner Werkstatt habe ich viele digitale Effektpedale und was das Design ihrer Schaltkreise betrifft, denke ich, dass es keine einfache Lösung gibt.
Wird das Gitarrensignal analog hindurchgeführt, kann es zu Phasenproblemen kommen. Gerade wenn das Effektpedal eine große Anzahl verschiedener Effekte hat, müssen hier viele Parameter beachtet werden. Wenn man nun aber das analog durchgeleitete Gitarrensignal in einer bestimmten Effektkategorie verändern will, kann dieses Vorhaben deutlich erschwert werden.
Möchte man in einem Multi-Effektgerät zum Beispiel den Klang eines konkreten Preamps emulieren, den ein bestimmtes Vintage-Effektpedal aufweist, wäre eine analoge Umsetzung sehr aufwändig, da pro Effekt ein entsprechender Schaltkreis in dem Multi-Effektgerät verbaut werden müsste. In diesem Fall wäre eine digitale Emulation sinnvoll, da sämtliche Preamp-Emulationen hier digital programmiert werden können.
Die Sache mit der Latenz
Aber warum sträuben sich Gitarristen dann so sehr gegen die digitalen Wandler, die das Original Signal verändern?
Weil jeder Wandler eine gewisse Zeit braucht, um das Gitarrensignal vom analogen Sound in den digitalen umzuwandeln. Dies sind meist nur wenige Millisekunden, können aber das Gefühl, das ein Gitarrist beim Spielen hat, durchaus beeinflussen.
Wenn man es gewohnt ist, einen Ton zu spielen, hört man ihn normalerweise sofort aus den Lautsprechern. Da kann eine Verzögerung des Gehörten und wenn es auch nur Millisekunden sind, schon ungewohnt sein. In der Fachsprache wird diese verzögerte Zeit zwischen einem Ereignis, also dem Anschlagen der Gitarrensaite und dem Eintreten einer Reaktion, also der Wahrnehmung des Klangs aus dem Amp, Latenz genannt.
Digital kann man sich dieses Phänomen mit einem solchen Schaubild ganz gut verdeutlichen:
Ja, wir Gitarristen, die auf ein gutes Timing geschult sind, können so etwas wahrnehmen.
Und gerade, wenn auf dem Pedalboard mehrere Pedale ohne Analog-Dry-Thru verbaut sind und am Signalende noch ein digitaler Amp hängt, können sich diese Latenzen addieren und wirklich unangenehm wahrnehmbar werden.
Allerdings entsteht diese Latenz auch auf größeren Bühnen und wenn wir nur den kleinen Proberaum oder das Wohnzimmer als Klangraum gewohnt sind, kann dies auch schon ungewohnt sein.
Da der Schall 2,9 Millisekunden benötigt, um 1 m zurückzulegen, kann man also das gleiche Phänomen wahrnehmen, wenn der Amp dann mal vier bis 5 m weit am Bühnenrand entfernt aufgestellt wird.
Dann ist man Live also gar nicht so schlecht, weil man aufgeregt ist, sondern weil man sich verzögert hört.
Das soll nicht die Ausrede für das nächste Konzert sein, sondern helfen, die Latenz besser zu verstehen.
Man muss kein Soundsnob sein, um Analog-Dry-Thru klanglich zu bevorzugen.
Aber der tourende Gitarrist wird nur müde schmunzeln und weiterspielen. Dazu kommt, dass hin und wieder bei Konzerten ja auch Alkohol im Spiel sein soll und der vermindert ebenfalls die akustische Wahrnehmung und die Reaktionszeit.
Aber Spaß beiseite.
Auch beim Analog-Dry-Thru bin ich persönlich der Meinung, dass der Klang entscheidet. Wenn der Hersteller den perfekten Preamp eines alten Delays emuliert und in einem anderen Preset weitere tolle Sounds bereithält, kann ich mit einem digital gewandelten Signal leben. Das Source Audio Nemesis bietet zum Beispiel pro Preset tolle Klang-Shaping-Möglichkeiten.
Gerade wenn ein Effektpedal aktiviert ist, hört man ohnehin eine Kombination aus dem Originalsignal und dem Effekt.
Dann ist es eher Gefühlssache, ob man die Latenz wahrnimmt oder nicht. Und wenn man es mit der Anzahl der aktivierten Wandler nicht übertreibt und unnötige Effekte mit True-Bypass aus dem Signalweg nimmt, sind Latenzen in der heutigen Zeit der Wandler durchaus zu verschmerzen.
Den eigenen, richtigen Sound findet man nur durch Ausprobieren.
Auch hier würde mich deine Meinung interessieren. Hast du schon mal einen Song verpatzt, weil die digitalen Wandler dich rausgebracht haben?
Und welche Vorliebe hast du beim Analog-Dry-Thru?
Hallo DelayDude,
danke für Deine Analysen, die ich weitgehend teile! Trotzdem habe ich dazu einige Anmerkungen:
Dass viele Buffer den Sound massiv beeinträchtigen, halte ich für einen Mythos. Bei einer Transistorschaltung aus den 80ern mag das vielleicht noch gegolten haben, heute ist das nicht mehr zutreffend. Denn bei reinen Analoggeräten sind das heute Operationsverstärker, die bei einer geringen Verstärkung (und ein Buffer hat Verstärkung 1!) einen fast linearen Frequenzgang haben bis zu einer Signalfrequenz von 1MHz. Selbst wenn Du 10 davon hintereinander schaltest, hörst Du das nicht.
Für die Latenzen gilt Ahnliches. Ich habe es selbst nicht gemessen, aber bei einem Roland GT-1000-Multieffekt soll die Latenz bei circa 0,5ms liegen, wenn man nicht exzessiv viele Effekte nutzt. Nehmen wir mal unfreundlicherweise eine Pufferlänge von 64 Samples an, die verarbeitet werden, und eine Samplefrequenz von 44,1kHz: dann ist die Latenz 1,5ms pro Verarbeitungsknoten (wobei man ja mehrere Effekte schnell hintereinander anwenden kann, das hängt von der Leistung des DSP ab).
Deine Distanzfaustregel lautet abgewandelt: jede Millisekunde Verzögerung entspricht einem Fuß (30cm) Abstand zur Signalquelle, also hast Du den Kopf 45cm neben dem Lautsprecher. Ich würde das z.B. bei einem Marshall nicht machen wollen, mir reichen da 2m Abstand ohne Probleme im Spielgefühl 😉
Gruß
Fredi