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Feature: Vintage Tremolo vs. Floyd Rose Vibratosystem

Vintage Tremolo vs. Floyd Rose Vibratosystem - Technik, Vor- und Nachteile

22. März 2022

Das „gute alte Fender Vintage Tremolo“ ist immer noch erhältlich und wird nach wie vor auf unzähligen Stratocaster-Modellen verbaut. Wer nur gelegentlich zum „Jammerhaken greift“, ist damit gut bedient, denn wenn der Sattel der Gitarre perfekt gekerbt (und geschmiert) und auch das „Tremolosystem“ perfekt eingestellt wurde, kann man damit erfolgreich arbeiten. Die Bezeichnung „Tremolo“ ist sachlich falsch, denn Tremolo umschreibt eine Modulation der Lautstärke, ein Vibratosystem beeinflusst, wie wir wissen, die Tonhöhe. Seit Eddie Van Halen (RIP) gegen Ende der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts einen neuen Stil kreierte, der eine Tonhöhenmodulation extremsten Ausmaßes  (Divebombs etc.) als ständiges Stilmittel einsetzt, hielt das Floyd Rose Vibratosystem Einzug in die Stromgitarrenwelt. Inkludiert in diesem Bericht sind auch einige Hörtipps, die euch werten Lesern einige „Whammy-Bar-Heroes“ nahebringen, sofern noch nicht bekannt.

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Vintage Tremolo vs Floyd Rose Vibratosystem, Cover

Erste Bekanntschaft mit dem Floyd Rose – System

Ich erinnere mich noch, wie ich als Jugendlicher und noch unerfahrener Gitarrist die erste Van Halen Scheibe (LP) in „heavy rotation“ hörte und gelegentlich verzweifelt und natürlich erfolglos an der Mechanik drehte, um eine Divebomb zu simulieren, diese hatte die Welt vorher noch nicht gehört. Genau wie ich noch nie von einem Floyd Rose System mit Feinstimmern gehört hatte. Im Guitar Player Magazin las ich dann ein Interview, in dem Eddie davon erzählte. Das Floyd Rose Vibratosystem hatte zunächst noch keine Feinstimmer (so, wie man sie auch von einer Violine kennt), auf Eddies Wunsch wurde das System dann perfektioniert, indem man es mit deren sechs ausstattete. Dazu später mehr, schauen wir uns zunächst aber das Fender Vintage Tremolo genauer an.

Vintage Tremolo

Beim Fender Vintage Tremolo wird die Grundplatte mit sechs Schrauben durch deren sechs Löcher in den Korpus geschraubt. Nutzt man dieses im „free floating-Modus“, ist es leicht gekippt, man kann also auch „nach hinten ziehen“, wie das Gary Moore in seinen alten Tagen tat (Corridors Of Power etc.), als er oftmals noch eine alte rote Fender Strat spielte. Später stieg er dann auch auf das Floyd Rose System um, bevor er wieder verstärkt zu seiner Les Paul griff.

Hank Marvin von den Shadows setzte im Titel „Apache“ das „Vintage Tremolo“ ein, das damals wie auch die Fender Stratocaster brandneu war und kreierte damit quasi ein neues Stilmittel. Er tat dies gleichfalls mit einer Free floating-Einstellung. Da der Song „Apache“ in Amerika Platz 1 der Charts erreichte, kam dieser neue „twangy Sound“ einer Vielzahl von Gitarristen zu Ohren, die anfingen, diesen Stil zu kopieren. Auch die Gitarristen der sogenannte Surfmusik mach(t)en gerne Gebrauch vom „Whammy-Bar“. Natürlich wäre auch David Gilmour ohne ein (Vintage)-Tremolo aufgeschmissen, denn er setzt, abgesehen von seinem Fingervibrato, auch sehr gerne seinen Hebel ein, um eine weitere Form des Vibratos aus dem Köcher zu ziehen.

Fender Vintage Tremolo 1

Das Fender Vintage Tremolo, auch gerne Standard-Tremolo genannt

Im sogenannten „Free floating“-Modus betrieben, gilt es, eine gute Balance zwischen der Federspannung und dem Saitenzug zu finden. Durch Austauschen der Stahlfedern in der Federkammer auf der Rückseite des Korpus kann man verschiedene Szenarien ausprobieren. Die Anzahl der Federn bestimmt eine leichtere oder auch steifere Handhabung bzw. schnellere Ansprache. Hier gilt mit Ausnahmen: je weniger Federn, desto höher die Verstimmungsanfälligkeit.

Manche Kandidaten, wie beispielsweise Eric Clapton, setzten das Vibratosystem mithilfe eines Holzblocks fest und nutzen dieses gar nicht. Im Allgemeinen haben die Vintage Tremolos aufgrund von mehr Kontakt zum Korpus einen minimal volleren Ton.

Fender Vintage Tremolo 2

Abgeschrägte Grundplatte mit sechs Löchern und geschraubtem Tremoloblock. Die Saiten werden durch den Block gezogen.

Einstellung eines Fender-Vintage-Tremolos

Ich persönlich justiere ein Standard-„Tremolosystem“ stets so, dass ich die G-Saite exakt einen Ganzton nach oben ziehen kann, bis die Grundplatte auf dem Korpus aufsetzt. Im Allgemeinen ist dies mit drei Federn gut umzusetzen. Einige berühmte Gitarristen gehen da noch weiter und justieren die „Ruheposition“ so, dass die G-Saite eine kleine Terz nach oben ermöglicht. Jeff Beck oder auch Scott Henderson empfehlen dies, wobei sich Jeff Beck seit vielen Jahren eines Tremolosystems mit Messerkantenprinzip und zwei Bolzen bedient, das gleichfalls recht stimmstabil ist und ihm seine feinfühligen und gleichfalls extremen Pitchbends ermöglicht. Man höre sich nur einmal „Where Were You“ an, dann sind alle Fragen beantwortet.

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Einige Gitarristen (Jimi Hendrix, Eddie Van Halen, Stevie Ray Vaughn …) stimmen die Saiten ihrer Strats meist einen Halbton tiefer, somit spricht das entsprechende Vibratosystem (egal ob Vintage oder Floyd Rose) noch deutlich schneller an, da die Saiten schlaffer sind.

Auch Richie Blackmore und natürlich Jimi Hendrix nahmen bzw. nehmen das Fender Tremolosystem gelegentlich sehr hart ran. Da die Saiten bei heftiger Betätigung auch immer etwas durch die Sattelkerben gezogen werden und dabei Reibung entsteht, muss man hier mit gelegentlichen Verstimmungen rechnen.

Manchmal hilft auch ein kurzes, ruckartiges „nach hinten Reißen“ des Vibratohebels, um etwaigen Verstimmungen entgegenzukommen oder die Saite(n), die sich „im Sattel verklemmt haben“, wieder exakt in ihre Ursprungslage zu bekommen. Vibratosysteme sind „Freunde“, aber auch „Biester“, die es zu bändigen gilt.

Das Aufbringen etwas käuflich zu erwerbenden Schmiergels oder auch Grafits eines gewöhnlichen Bleistifts in die Sattelkerben kann hier möglicherweise gleichfalls Abhilfe schaffen.

Wenn man Spaß am Vibratosystem hat, nimmt man die kleinen Nachteile in Kauf. Auch bei mir, als (meist) Strat-Spieler wäre beim Spiel mit einer Gitarre, die mit einer festen Brücke ausgestattet wurde, zu beobachten, dass ich ständig ins Leere greife, weil ich in der Nähe des Volume-Reglers einen Whammy-Bar vermute.

Floyd Rose System

Beim Floyd Rose System wird Reibung auf ein Minimum reduziert, da die Saiten mithilfe einer speziellen „Nuss“ am Sattel fixiert werden und folglich auch nicht mehr durch die Sattelkerben gleiten müssen. Auch aufgrund dessen spricht ein „Floyd“ gleichfalls deutlich schneller an, da auch die Saiten nicht mehr durch den Tremolo-Block, wie sie das Vintage (Standard)-Tremolo besitzt, gezogen werden.

Vintage Tremolo vs Floyd Rose Vibratosystem 3

Typische „Floyd-Nuss“, hier an einem Linkshänderhals montiert

Da die Saiten gleichfalls an den Saitenreitern (meist gegossene Blöcke) mithilfe der langen schwarzen Inbusschrauben fixiert werden, läuft das System, abgesehen von minimaler Reibung der Bodenplatte auf den zwei ins Holz des Korpus geschraubten Bolzen quasi komplett reibungsfrei. Schon kommen wir auch auf die Nachteile eines Floyd Rose Systems zu sprechen. Neuen Saiten werden zunächst die „ball ends“ mithilfe eines Seitenschneiders abgeschnitten. Dann löst man mit Gefühl die lange Inbusschraube, setzt die Saite perfekt mittig in den Saitenreiter ein und zieht die Schraube fest (aber keinesfalls zu fest). Die kleinen Metallblöcke bzw. die Saitenreiter aus Guss reagieren recht empfindlich auf zu viel Krafteinwirkung und können in Ausnahmefällen auch reißen, was das Vibratosystem und damit die Gitarre dann vorübergehend „kampfunfähig“ macht.

Ist man zum Gig mit nur einer Gitarre, die mit einem Floyd Rose Vibrato bestückt wurde, unterwegs, kann es von Nutzen sein, Ersatzreiter mitzuführen. Früher spielte ich jahrelang Strats mit Floyd Rose, nur einmal jedoch brach mir ein Saitenreiter entzwei.

Vintage Tremolo vs Floyd Rose Vibratosystem 1

Original Floyd Rose aus den 80ern

Anbei Fotos meiner selbstgebastelten Strat mit einem Original Floyd Rose Vibrato aus den 80ern, das mir ein Freund damals freundlicherweise aus Amerika mitbrachte. Dieses ist optisch bereits deutlich „runtergerockt“, funktioniert aber nach wie vor traumhaft. Die standardmäßig langen Inbusschrauben ersetzte ich aus optischen Gründen durch kürzere Madenschrauben. Sie erfüllen den gleichen Zweck, wirken aber weniger massiv und deswegen, wie ich finde, „cooler“. Das recht massige Floyd erscheint somit etwas schlanker.

Vintage Tremolo vs Floyd Rose Vibratosystem 2

Die langen schwarzen Inbusschrauben wurden durch kürzere Madenschrauben ersetzt, das Floyd wurde „unterfräst“

Das Original Floyd Rose Vibratosystem wurde später lizenziert und war vor allen in den 80ern extrem beliebt und in unzähligen optischen Varianten auf vielen Gitarren zu finden. Vor allem Firmen wie Schaller und Ibanez durften ihre Kopien gegen eine Lizenzgebühr verkaufen bzw. auf ihren Instrumenten montieren. Abgesehen von Eddie Van Halen, hatten dann kurze Zeit später auch Steve Vai, Steve Lukather, Dan Huff, Michael Landau und etliche weitere „Studiocracks“ ihre Gitarren mit dem neuartigen Vibratosystem bestückt, um am Puls der Zeit zu bleiben.

Alternativen zum „Floyd“ und seinen Kopien

Inzwischen ist „das Floyd“ wieder etwas aus der Mode gekommen, da viele Gitarristen mittlerweile Vibratosysteme bevorzugen, die kein weiteres Werkzeug erforderlich machen und trotzdem recht stimmstabil sind. Ein gutes System von Wilkinson etc. leistet sicherlich auch hervorragende Dienste, aber nur das Floyd und seine „Brüder“ sind letztlich komplett verstimmungsfrei. Selbst extremste Pitchbend-Effekte steckt „ein Floyd“ mit einem Lächeln weg, ohne aus der Stimmung zu geraten. Aufgrund seiner absoluten Zuverlässigkeit ist es gerade unter Metal- und experimentierfreudigen Gitarristen heute immer noch sehr beliebt.

Gitarre mit „Floyd“ stimmen – Tipps

Etwas nerviger als beim Vintage Tremolo gestaltet sich das Stimmen einer Gitarre mit einem „Floyd Rose„. Man stimmt das Instrument zunächst möglichst perfekt mit gelockerten Inbusschrauben (am Sattel). Sind die Saiten einige Minuten eingespielt und nun etwas gedehnt, bringt man die sechs Feinstimmer ungefähr auf ihre Mittelposition, um genügend „headroom“ zu haben, diese noch anzuziehen bzw. etwas zu lockern (rein- bzw. rausdrehen). Erst anschließend zieht man die drei Inbusschrauben des Sattels moderat an (keinesfalls „anknallen“). Da dies wiederum durch den entstehenden Druck insbesondere auf die zwei „tiefen“ Saiten Letztere minimal nach oben stimmt, muss anschließend wieder fein korrigiert werden. Hat man das einige Male gemacht, kennt man das System und weiß bereits vorher, wie die unterschiedlichen Saiten nach Anziehen der Inbusschrauben reagieren werden.

Stay tuned!

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Forum
  1. Profilbild
    Django07

    Der Umbau mit den Madenschrauben ist ja genial!

    Die detaillierten Erläuterungen sind sehr hilfreich – bislang hatte ich mich noch nicht an ein Vibrato herangewagt. Bin schon gut gefordert, beim Abdämpfen auf der Hardtail die Stimmung zu halten 😀

    • Profilbild
      Johannes Krayer RED

      @Django07 Freut mich, wenn die Tipps Anklang finden. Meines Wissens hat das vor mir auch noch keiner so gemacht, scheint meine Erfindung zu sein. Viel Erfolg beim Stimmung halten!

  2. Profilbild
    ctrotzkowski

    Hi Johannes,
    guter Vergleich mit vielen Musik-Referenzen und Praxistipps, exzellent!

    Meintest Du mit dem „Wilkinson“ Stystem das Bixby-Style Tremolo?
    Dieses Funktionsprinzip arbeitet ja noch einmal anders (Dreh statt Kipp) und mit einer Floating Bridge mitunter recht stimmstabil.

    Gruß, Carsten

    • Profilbild
      OscSync AHU

      @ctrotzkowski Das Wilkinson-System ist ein modernisiertes und optimiertes Vintage-System, aber kein grundsätzlich anderer Mechanismus. Vor allem im Zusammenhang mit Lockingtuners kann man damit aber schon eine deutlich verbesserte Stimmstabilität erreichen.

  3. Profilbild
    random17cgn

    Weiß jemand, um welche Gitarre es sich im 1. Bild – also direkt unter dem Beitragstitel – handelt.

    Vielen Dank!

  4. Profilbild
    OscSync AHU

    Schöner Artikel! Erwähnenswert für die Floyd Rose-Historie wäre noch die enge Verknüpfung mit der deutschen Firma Rockinger, die im Wettlauf um das beste System und die Gunst Eddie van Halens kurze Zeit die Nase vorn hatten mit dem Rockinger Tru-Tone-Vibrato (bereits mit Feinstimmern, in den USA als EVH-Vibrato vermarket), einem Deal mit Kramer Guitars und dem EVH-Endorsement. Der Kramer-Deal platzte dann kurze Zeit später zugunsten Floyd Roses.
    Und dann gab es da noch Gary Kahler…..

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