Overdrive-Legende in Neuauflage
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Im Jahr 1978 erschien mit dem Boss DS-1 Distortion eines der legendärsten Boss Pedale auf dem Effektpedal-Markt und auch nach über 40 Jahren erfreut sich das gelbe Distortion-Pedal so großer Beliebtheit, dass es seit Beginn der Produktion ohne Unterbrechung hergestellt wird. Schon der Vorgänger des Boss DS-1w Distortion war und ist auf unzähligen Pedalboards zahlreicher Ikonen zu Hause. Sein Klang wird in den unterschiedlichsten Genres eingesetzt und das robuste Pedal war schon immer als erschwingliches Arbeitstier bekannt. Vom Metal über Punk und Grunge, bis hin zu Blues, Rock und Brit Pop: Es scheint keine Musik der härteren Gangart zu geben, in der das Boss DS-1 nicht bereits genutzt wurde. Bekannte Namen wie Kurt Cobain, John Frusciante, Steve Vai und auch Joe Satriani haben dieses legendäre Pedal genutzt. Und für den Klang war es egal, ob die Nutzer das Pedal im Originalzustand beließen oder eine der zahlreichen möglichen Modifikationen vornehmen ließen. Dem bekannten und bewährten Klang des Boss DS-1 hat Boss nun im Rahmen der Waza Craft-Serie im DS-1w auch noch einen zusätzlichen Custom-Mode hinzugefügt.
Gehäuse, Potis und Schalter vom Boss DS-1w
Die Optik des kompakten Distortion-Pedals dürfte jedem Gitarristen bekannt vorkommen. In knalligem Orange lackiert, besteht das robuste Gehäuse des Boss DS-1w aus Metall und ist mit den Maßen 7 x 13 x 6 cm sehr Pedalboard-freundlich. Bei einem Gewicht von 400 g wirkt es sehr solide und unzählige hart getretene Boss DS-1-Pedale haben bewiesen, dass Gehäuse dieser Bauart auch nach über 40 Jahren noch stabil sind.
Drei Potis dienen der Einstellung von Tone (Klang), Level (Lautstärke) und Distortion (Grad der Verzerrung). Die Poti-Knöpfe aus schwarzem Kunststoff sind auf die Potis aufgesteckt und haben eine reflektierende Metalloberfläche. Alle drei Potis sind mit dem Gehäuse verschraubt. Aufgrund der groben Riffelung der Potis lassen sie sich gut regeln und eine weiße Markierung vereinfacht das Erkennen der aktuellen Poti-Stellung. Während die Potis für Tone und Distortion etwas größer sind und man sie sehr gut erreichen kann, benötigt man für das mittig angeordnete und etwas kleinere Level-Poti etwas Fingerspitzengefühl. Alle drei Potis laufen butterweich. Sowohl das Tone-Poti, als auch das Distortion-Poti haben jeweils drei Markierungen in Form von kleinen schwarzen Punkten, die anzeigen, ob sich das Poti in der minimalen, der maximalen und der Mittelstellung befindet. Die Beschriftung der Potis ist in schwarzer Schrift gehalten und ist somit auf dem orangefarbenen Untergrund sehr gut zu lesen. Alle Potis sind aufgrund ihrer Anordnung und der Höhe des Fußschalters optimal gegen versehentliche Tritte geschützt.
Zwischen den Potis befindet sich ein kleiner silberner Schalter, der sich mit dem Fingernagel oder einem Plektron gut schalten lässt und aufgrund seiner Anordnung gegen ein Abbrechen definitiv gut geschützt ist. Durch ein Umlegen dieses Schalters wechselt man zwischen dem Standard-Sound eines DS-1 und einem Custom-Modus.
Eine kleine rote LED in der oberen Mitte des Gehäuses zeigt den Status des Pedals an. Wie es bei Boss-Pedalen dieser Größe üblich ist, wird auch das Boss DS-1w über einen Fußschalter unter der gummierten Trittfläche geschaltet.
Das Pedal schaltet klick- und knackfrei in den Buffered-Bypass. Oberhalb der Trittfläche befinden sich die gut sichtbaren Beschriftungen für die Anschlussbuchsen.
Auch auf kleine Details hat man bei der Neuauflage des DS-1 geachtet und so wurde in Anspielung auf die ersten Boss Pedale eine silberne Schraube verwendet, um das Batteriefach zu verschließen (andere aktuelle Boss-Pedale verfügen über schwarze Schrauben). Man sollte diese Schraube jedoch nicht zu weit herausschrauben, denn ansonsten geht die darunterliegende transparente Unterlegscheibe leicht verloren.
Das Batteriefach lässt sich gewohnt einfach und ohne Schraubenzieher öffnen und bietet Platz für die notwendige 9 V Batterie, mit der das Boss DS-1w betrieben werden kann. Der geringe Verbrauch von 15 mA garantiert eine längere Lebensdauer der Batterie, sofern man nicht vergisst, den Klinkenstecker aus der Buchse zu ziehen und die Batterie auf diese Weise vom Schaltkreis zu trennen.
An der Stirnseite befindet sich eine Hohlsteckerbuchse, die sehr fest im Gehäuse sitzt. Über ein 9 V Netzteil kann das Pedal über einen 5,5 x 2,1 mm Stecker mit innenliegendem Minuspol mit Strom versorgt werden. Ein passendes Netzteil ist nicht im Lieferumfang enthalten.
An den Seiten befinden sich die 6,3 mm Klinkenbuchsen für den Eingang beziehungsweise den Ausgang des Signals. Beide Buchsen sind aus Metall, fest mit dem Gehäuse verschraubt und die Klinkenstecker werden gut gehalten.
Die Bodenplatte des Pedals ist mit vier Schrauben verschraubt und mit einer dicken Gummifläche beklebt, so dass das Pedal stabil steht, ohne zu verrutschen. Möchte man Klettband auf der Unterseite anbringen, um das Pedal fest auf dem Pedalboard zu montieren, so kann man zwei Streifen an den Seiten der mittig aufgebrachten Gummierung aufbringen.
Das Distortion-Pedal ist analog aufgebaut und ein Blick in das Innere des Pedals zeigt, dass die durch eine Kunststoffplatte isolierte Platine recht pragmatisch von der Bodenplatte gehalten wird. Sie füllt das gesamte Gehäuse aus und ist zum Teil mit SMD-Bauteilen bestückt. Einige Kondensatoren sind jedoch, vermutlich aus klanglichen Gründen, in Form von großen THT-Bauteilen (Through Hole Technology) verbaut.
Das Boss DS-1w wird in einem schlichten schwarzen Karton geliefert, in dem sich auch noch ein Poster mit Sicherheitshinweisen und einem QR-Code für das Handbuch befinden.
Wie klingt der Boss DS-1w?
Abgesehen von einer SMD-Version aus dem Jahr 2016 und mehrfachem Wechsel der IC-Herstellerfirmen wurde das Boss DS-1 in den vergangenen 40 Jahren im Grunde nicht verändert. Der Klassiker ist in fast jedem Gitarrengeschäft erhältlich und so kann das Pedal selbst im Tour-Alltag leicht ersetzt werden, falls es doch kaputtgehen sollte. Gleichzeitig zeigt sich aber auch bei diesem Pedal der Trend, dass ältere Geräte fast immer mit Angabe des Herstellungsjahrs auf dem Gebrauchtmarkt angeboten werden. Und so, wie Weinliebhaber auf bestimmte Jahrgänge schwören, bevorzugen auch Gitarristen Pedale, die in einem bestimmten Jahr hergestellt wurden. Während meines Tests habe ich das Boss DS-1w mit einem Boss DS-1 aus den frühen 2000er-Jahren in Originalzustand verwendet.
Der Standard-Modus
Direkt nach dem Einschalten erhält der Nutzer im Standard-Mode sofort den bekannten und markanten Klang des Boss DS-1. Er ist bissig, direkt und verfügt über viel Sustain. Dreht man den Gain-Regler weiter auf, so wird der Klang noch dichter und sowohl das Sustain, als auch das Attack werden knackiger. Um zu verhindern, dass der Klang, vor allem vor einem cleanen Amp, zu bissig wird, regle ich den Tone-Regler eher etwas herunter. Aber natürlich kann auch dieser bissige Klang für den einen oder anderen im entsprechenden Bandkontext natürlich genau passend sein, denn er ist durchsetzungsfähig und garantiert alles andere als zahm. Vor einem bereits verzerrten Verstärker ist eben diese Bissigkeit von Vorteil, da das scharfe Attack den Gitarrenton formt und ihn prägnant artikuliert, während der verzerrte Verstärker aufgrund des Headroom und der Kompression die eine übertriebene Schärfe nimmt. Neben Joe Satriani haben bereits unzählige andere Gitarristen in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass der Boss DS-1 auch hervorragend mit einem High-Gain-Amp harmoniert und einen wunderbar markanten Ton erzeugt.
Der Vergleich: Boss DS-1w vs. Boss DS-1
Im Standard-Modus vergleiche ich den Boss DS-1w mit meinem Boss DS-1 und komme schnell zu dem Schluss, dass er in fast allen Einstellungen identisch klingt. Dreht man die Regler für Tone und Distortion voll auf, so klingt mein älterer Boss DS-1 in den Höhen weniger offen und das Rauschen ist dadurch etwas stärker gefiltert. Im Klang des DS-1w ist dementsprechend aufgrund der etwas klareren Höhen etwas mehr Rauschen zu hören. Drehe ich beim Boss DS-1w Distortion den Grad der Verzerrung am Distortion-Poti auf etwa 15 Uhr zurück, so entspricht der Klang wieder exakt dem des DS-1 in Maximalstellung. In der Neuauflage hat das Poti demnach einfach einen etwas größeren Regelweg und bietet somit mehr klangliche Möglichkeiten.
In Kombination mit P-90 Pickups fällt mir sofort wieder auf, was ich am Boss DS-1 Distortion so sehr mag: die harmonische Verzerrung, die mich eindeutig an einen weit aufgerissenen Marshall Amp erinnert. Hierfür stelle ich das Tone-Poti auf 10 Uhr und regle die Verzerrung auf ungefähr 13 Uhr. Trotz der vorhandenen Gain-Reserven agiert das Pedal erstaunlich dynamisch. Und auch Singlecoil-Pickups bekommen mit dem Boss DS-1 Distortion das nötige Klangvolumen.
Im Standard-Modus bietet das Level-Poti nicht viel Spielraum. Selbst voll aufgedreht verstärkt es das Signal nur minimal. Aber dieses Manko wurde ja auch beim beliebten Boss DS-1 schon moniert. Abgesehen davon gefällt mir der fokussierte und komprimierte Klang wirklich sehr gut und er kann in vielen Musikrichtungen zum Einsatz kommen.
Mit etwas weiter aufgedrehtem Tone-Poti und mehr Gain sorgt dieses Pedal für einen giftigeren Distortion-Sound, während ein leicht zurückgeregelter Tone-Regler und ein reduziertes Gain smoothere Sounds erzeugen. Durch das Volume-Poti der Gitarre lässt sich das Spielgefühl und der Klang zudem wunderbar verändern.
Wenn die beiden Pedale in einer Einstellung mal nicht identisch klingen, reicht es, die Einstellungen für den Klang und die Verzerrung bei einem der beiden etwas nachzuregeln. So entspricht der Sound des DS-1w mit einer 12 Uhr Stellung von Tone- und Distortion-Poti dem Klang des DS-1 bei dem die beiden Regler auf einer Position kurz vor 13 Uhr stehen. Es ist zu vermuten, dass die Potis schlichtweg einen leicht unterschiedlichen Regelweg haben.
Der Boss DS-1w agiert im Übrigen sehr viel besser mit meinem Netzteil. Während das DS-1 zu rauschen beginnt, wenn ich das das Volume-Poti an der Gitarre komplett herunterregele, bleibt der Sound des Boss DS-1w rauschfrei.
Der Custom-Modus
Angepriesen wird der Custom-Modus mit fetten Distortion-Sounds sowie einem fokussierten Mittenbereich und verbesserter Ansprache und dieses Versprechen hält der Hersteller aus Japan auch. Zunächst fällt mir aber die Boost-Möglichkeit im Custom-Modus auf. Insbesondere bei sehr alten Boss DS-1-Pedalen aus den 1980ern wurden häufiger die fehlenden Lautstärkereserven moniert und man versuchte, diesem Problem durch Modifikationen Herr zu werden. Custom-Modus des Boss DS-1w Distortion-Pedals eliminiert dieses Problem durch einen 6 dB Volume-Boost. Damit ist dieses Pedal doppelt so laut und eignet sich sowohl vor einem cleanen, als auch vor einem angezerrten oder verzerrten Amp hervorragend als Boost-Pedal.
Aufgrund des geänderten Mittenbereichs im Vergleich zu seinem Vorgänger, setzt sich der Sound des Boss DS-1w Distortion wunderbar im Mix durch und Klang der Gitarre erhält insgesamt mehr Fülle.
Die geänderte Eingangsempfindlichkeit führt zu einer sensibleren Ansprache. Das Distortion-Pedal lässt sich besser spielen und liegt nicht nur als Effekt auf dem Signal. Alles in allem klingt es durchweg edler und wuchtiger.
Die oberen Höhen sind ebenfalls etwas entschärft und der Ton klingt vollmundig. Während die Frequenzen runder klingen als im Standard-Setting, bleibt das Distortion-Pedal klanglich unverkennbar ein DS-1 und in Verbindung mit seinem prägnanten Attack entsteht ein angenehmer High-Gain-Sound.
Schaltet man vom Custom-Modus zurück in den Standard-Modus, klingt dieser sehr kompakt, fast schon komprimiert und fade im Vergleich zum offenen und dynamischen Custom-Modus. Der Custom-Modus klingt immer etwas edler, feiner und moderner als der Standard-Modus. Trotzdem würde ich auf den Standard-Modus nicht verzichten wollen, da ich mir vorstellen kann, dass er in bestimmten Setups und Bandkonstellationen weiterhin perfekt funktioniert. Daher ist es einfach und genial, dass beide Modi in einem Pedal zur Verfügung stehen. Dadurch erhält man, je nach Stellung des Schalters, das Beste aus beiden Welten.
Dreht man beim DS-1w im Custom-Modus das Distortion-Poti vollständig zurück und gleichzeitig das Volume-Poti komplett auf, wird das Signal verstärkt und es wird zudem noch ein wenig Schmutz mit in das Signal gezaubert. Es entsteht ein wunderbarer Klang, der sich perfekt eignet, um seinen angezerrten Verstärker zu übersteuern. Wie bereits erwähnt, kann das Boss DS-1 das Signal nur minimal verstärken und im direkten Vergleich mit dem Custom-Modus des DS-1w klingt das alte DS-1 Distortion-Pedal eindeutig mehr nach einem Effektpedal, während das Boss DS-1w Distortion fast schon wie ein verzerrter Verstärker klingt. Auch der Custom-Modus bietet reichlich Höhen, aber diese klingen immer lebendiger und musikalischer und der, in meinen Ohren bisweilen anstrengende Fuzz-Charakter DS-1 fehlt hier. Der Custom-Modus verzerrt eher in den oberen Mitten und klingt nach einer übersteuerten Röhre, während das DS-1 im Vergleich eher wie ein Transistor-Amp mit verzerrten Höhen klingt. Aber je weiter man das Tone-Poti zudreht, umso mehr relativiert sich der klangliche Unterschied. Allerdings bleibt der Lautstärkeunterschied natürlich immer präsent. Vor allem Singlecoil-Pickups profitieren natürlich enorm von den zusätzlichen Mitten. Sie klingen voller und selbst der Klang eines sonst eher ein dünn klingenden Bridge-Pickup kann zum durchsetzungsfähigen Rhythmussound mutieren.
Das Attack ist auch im Low-Gain-Setting wunderbar direkt und fast cleane Sounds machen richtig Spaß. Aufgrund des Hard-Clippings sind Distortion-Pedale eigentlich die schöneren Overdrive-Effekte. Im Low-Gain-Setting fällt mir auf, dass der Custom-Modus direkter und unnachgiebiger reagiert und man muss mehr Spielgefühl investieren, um einen flüssigen Sound zu erzeugen. Im Standard-Modus fließen die Töne etwas geschmeidiger ineinander und die Kompression trägt das Gitarrensignal.
Das Boss DS-1w mit Humbucker-Pickups
Mit Humbucker-Pickups perlen im Custom-Modus die Akkorde aus dem Lautsprecher und kippen wunderbar in ihre Obertöne. Die Akkorde bleiben klar und differenziert. Der Custom-Modus gefällt mir daher vor allem für die Rhythmus-Gitarre. Für den Lead-Ton wechsle ich gerne zum Standard-Modus, da mir im Custom-Modus etwas das Sustain fehlt. Allerdings gilt das auch nur dann, wenn man das Boss DS-1w Distortion-Pedal vor einem clean eingestellten Amp im Marshall-Style spielt. Vor einem angezerrten Verstärker ändert sich der Klang natürlich. Der Distortion-Sound im Standard-Modus erinnert mich prompt an frühere Guns n‘ Roses Sounds mit bissigen Höhen im Bridge-Humbucker-Setting. Bei einem aktivierten Neck-Pickup erklingen die cremigen Lead-Töne, mit denen ich aufgewachsen bin. Einfach toll. Könnte man per Fußschalter zwischen diesen beiden Modi hin- und herschalten, wäre das wunderbar.
Vielen Dank für den sehr schönen Test, der bei mir eine kleine Zeitreise ausgelöst hat! Der BOSS DS-1 hatte mich zusammen mit meinem Marshall JMP 50 “Plexi” die 80er und frühen 90er begleitet, bis der DS-1 leider das Zeitliche gesegnet hat. Für mich damals ein perfekt klingendes Gespann mit dem ich immer zufrieden war. Es wurde dann von mir gegen einen Ibanez Powerlead ersetzt. Aber ich denke, ich sollte mir nach so langer Zeit mal wieder ein DS-1 gönnen und ihn an meinen „Plexi“ hängen.
@SynthUndMetal WIe hast du denn den DS-1 kaputt gekriegt? Der ist doch eigentlich unzerstörbar ^^…