E-Drums, warum eigentlich (nicht)?
DIGITAL-DRUMS, ein kurzer Überriss
Ich bin ja, neben meiner Tätigkeit als Live-Keyboarder und -Bassist, vor 20 Jahren auch irgendwie ins Schlagzeugunterrichten hinein gerutscht. Seit dem unterrichte komplett nach eigenem Konzept und habe auch eine passende Schlagzeugschule geschrieben.
Und im Zuge dessen werde ich immer wieder mit der Frage einiger Eltern konfrontiert, ob man dem Filius denn auch ein E-Drumset statt eines akustischem kaufen könne, „wegen der Nachbarn“ (aber meist eher wegen der eigenen Nerven). Und immer kommt von mir die gleiche Antwort: „Nein, ich habe in all den Jahren noch keinen Schüler mit E-Drums gehabt, der es länger als 2 Jahre durchgehalten hätte, das macht einfach keinen Spaß“, natürlich folgt darauf eine genauere Erklärung.
Wie auch immer, ich dachte es könnte einige von euch vielleicht interessieren, wozu ein E-Drumset meiner Meinung nach eigentlich taugt, und wozu nicht.
- Üben Anfänger: Man kann mit einem E-Drumset sehr gut die Koordination üben. Und man hört sehr präzise, ob Füße und Hände gut zusammen spielen, nicht „klappern“ und ob der Rhythmus gleichmäßig gespielt ist oder nicht, vor allem wenn man über Kopfhörer übt. Außerdem kann man sehr einfach zu Metronom und Playbacks spielen und üben, man braucht ja schließlich keine weitere, aufwändige Verstärkung.
Was man damit nicht kann ist, einen „eigenen, guten Sound entwickeln“. Wie klingt die Snare, wenn ich wie drauf haue? Wie müssen die Lautstärkeverhältnisse zwischen den Händen/Füßen sein? Und natürlich wird man nichts darüber erfahren, was Felle, Hölzer,
Becken, Stimmung etc an einem Schlagzeug ausmacht.
Ich habe eine Zeit lang auf Festivals und Straßenfesten verschiedenste Bands gemischt. Und immer wieder war ich erstaunt, wie unterschiedlich die verschiedenen Drummer über das exakt gleiche Drumset klingen können. Das ist etwas, was man mit einem digitalen Set niemals erreichen wird, einen „eigenen Sound“. Und das ist der Punkt, an dem viele Schüler die Lust verlieren, denn es fehlt einfach die „Unmittelbarkeit“ zwischen dem gespielten und dem, was man hört. Man hört ja einfach nur einen getriggerten Sound.
- Üben Fortgeschrittene: Was für den Anfänger gilt gilt für den Fortgeschrittenen erst recht. Ich mag es zum Beispiel, sich „einfach mal eben“ mit Kopfhörer an`s Set zu setzen und kurz ein paar Minuten/Viertelstunde zu üben und irgendetwas auszuprobieren ohne in den Proberaum fahren zu müssen. Einfach jeden Tag ein paar Koordinations-Defizite ein Stück weit ausmerzen. Oder mal eben einen Song heraushören und schauen, wie man ihn für sich umsetzt. Supercool. Klar, am „richtigen Set“ ist dann alles etwas anders, aber mit etwas Erfahrung kann man das gut kompensieren.
- Aufnehmen: Wer im Proberaum ein komplett mikrofoniertes Drumset stehen hat, ist mit Luxus gesegnet, man kann jederzeit sein eigenes Schlagzeugspiel für sich oder die Band aufzunehmen. Aber Mikros sind teuer, müssen vernünftig ausgerichtet werden und letztlich spielt auch der Raum (und die eventuellen Nebengeräusche) eine große Rolle beim professionellen Sound. Beim E-Drum nimmt man entweder die Stereosumme oder die Einzelausgänge einfach in die DAW auf. Der Aufwand ist verhältnismäßig gering. Dummerweise sind meiner Meinung nach die Sounds der allermeisten führenden Hersteller immer noch nicht im neuen Jahrtausend angekommen. Oft klingen die Toms nach Pappe, egal wie viele Auswahl- oder Editiermöglichkeiten man hat. Das ganze Set klingt „maschinell“ und „irgendwie digital“ . So richtig Freude will da, zumindest bei mir, nicht aufkommen. Die Lösung: wenn ich eh schon in die DAW aufnehme, dann kann ich ja auch ein paar supersexy- Drumsounds aus amtlichen Sample-Libraries für´s Set benutzen. Über USB oder MIDI. Die Sennheiser-Library kostet zb keinen Cent und bietet z.B. genug Snare- und Hihatsounds auf die Anschlagsstärken verteilt, dass das spielen plötzlich eine neue Dimension gewinnt. Und dann kann man plötzlich doch geile Drums mit oberamtlichem Sound aufnehmen ohne dafür in´s Studio zu müssen. Und auf einmal macht das Üben auch mehr Spaß, es inspiriert einfach auf einem völlig neuem Level. Ein Bekannter von mir nimmt so die Drums für seine ProgRock-Alben auf, ohne das jemand auf die Idee käme, dass es „nur digital“ wäre. Und, was nicht zu unterschätzen ist: Man kann seine eigenen Drums problemlos editieren! Ok, ich weiß, das tut man nicht. Kann aber sehr praktisch sein ;)
- Live: Ein E-Drumset hat meiner Meinung vier große Vorteile: 1. ist es sehr leicht und man kann es zur Not auch mal im Smart transportieren. 2. man hat sofort „gute“, aufgeräumte Sounds (eine passende PA vorausgesetzt), der Soundcheck ist damit schnell erledigt. 3. kein Lärm auf und von der Bühne. Man kann so leise spielen wie man will/ gewünscht wird. 4. man hat auf Knopfdruck verschiedene Sounds parat, mal ne fette 6 1/2“-Snare, im nächsten Stück ne Piccolo, im übernächsten eine mit dickem Balladen-Hall. Die Nachteile sind, dass der Sound schnell statisch wirkt und sich nicht für alle Stilistiken eignet. Ich persönlich tue mich etwas schwer damit, auf einem E-Set so richtig zu „rocken“, den Emotionen freien Lauf zu lassen. Das ist einfach was völlig anderes, selbst auf Highend-Mesh_Fellen. Manche kombinieren ja ein E-Set mir „richtigen“ Becken, aber dann hätte sich Vorteil Nr. 3 (kein Lärm auf/von der Bühne) schon mal erledigt. Ich sitze als Keyboarder oft genug neben einem Ride-Becken, das ist ohne Gehörschutz nicht lustig.
- Sonstiges: Um elektronische Musik adäquat mit live gespieltem Schlagzeug zu präsentieren, sind E-Drums naturgemäß echt im Vorteil. 808/909-Sounds sind ja fast schon standardisiert in jedem Digitaldrumset implementiert, aber auch andere elektronische Sounds sind leicht machbar, und sei es zur Not als Samples getriggert.
Zitat:
„Dummerweise sind meiner Meinung nach die Sounds der allermeisten führenden Hersteller immer noch nicht im neuen Jahrtausend angekommen. Oft klingen die Toms nach Pappe, egal wie viele Auswahl- oder Editiermöglichkeiten man hat. Das ganze Set klingt „maschinell“ und „irgendwie digital“ . So richtig Freude will da, zumindest bei mir, nicht aufkommen.“
Richtig erkannt: Auch im Jahr 2019 bedeutet die Nutzung von E-Drum Technologien immer noch sich mit Produkten abfinden zu müssen, welche etwa dem technologischen Stand Mitte der 90er Jahre entsprechen werden.
In Sachen Drumsound Klangerzeugung gibt es schon längst adäquate Alternativen in Form von leistungsfähigen VST-Instrumenten wie etwa Toontrack Superior Drummer usw.
Auf Grund der rückständigen E-Drum Technologien in Form von den fehlenden modernen „Drum To VSTi“ Konvertern, der rückständigen Midi Technologie, den ungenügenden Trigger Eigenschaften, den fehlenden Alternativen zu den Gummi Cymbal Pads, wird man das ganze Potential der heutigen VST-Instrumenten wohl kaum im vollen Umfang ausschöpfen können.
Und das ist sicherlich von den führenden E-Drum Herstellern auch genau so gewollt. Schließlich gilt es althergebrachte und simple Synthesizer Technologien aus den 90er Jahren, fälschlicher Weise als „hochmoderne“ E-Drum Technologien verkaufen zu können.
@DerSchlagzeuger So toll sind die Latenzen auf dem PC auch nicht, auch wenn MIDI über USB schnell genug ist.
Etwas mit einer komplett anderen Technik nachzumachen, ist eben nicht ganz einfach. Aber während die Digital-Kits mit Natursounds wenigstens halbwegs gut klingen, kenne ich kein einziges Analog-Kit mit 808-Sounds ;-)
@bluebell Zitat:
„So toll sind die Latenzen auf dem PC auch nicht, auch wenn MIDI über USB schnell genug ist.“
Man sollte bei diesem speziellen Themenfeld nicht vergessen, dass mittlerweile der Löwenanteil der Latenzen weit vor der PC Technologie stattfinden wird. Alleine schon die im Jahre 2019 primitiv anmutenden Piezo-Trigger Technologien sorgen gerade auch bei größeren Trommelkesseln mit Meshgewebefellen (Meshheads) für die maßgeblichen Latenzen im System. Um das entsprechende Piezoelement halbwegs vernünftig „auslesen“ zu können, bedarf es nämlich mindestens 2,5 ms Verzögerungen in Form der „Scantime“ Funktion in dem entsprechenden Drums To Midi Konverter. (Synthesizer Soundmodul)
Moderne VST Instrumente hätten in Sachen Drumset Klangsimulationen am digitalen Schlagzeug Gerät schon seit etwa 10-15 Jahren diese unsäglichen Klangsynthesen der Synthesizer Klangwelt erfolgreich abgelöst, wenn es parallel dazu eine adäquate und leistungsfähige Trigger-Technologie geben würde. Inklusive einem modernen Drum To VST Konverter. So etwas gibt es nämlich noch gar nicht am Markt. Und das ist ein ziemlich trauriger Umstand.
@DerSchlagzeuger …ich muss gestehen. dass ich das thema „latenz“ dabei gar nicht sooo wichtig finde, zumindest für mich zum üben. denn ich habe ja immer den fühlbaren impact,
bei aufnahmen kann ich schieben, aber live wird das natürlich schwierig….
@DerSchlagzeuger Von pearl und gewa gibt es module mit sehr großem flashspeicher.
https://www.thomann.de/at/pearl_mimic_pro.htm
https://www.sticks.de/equipment/gewa-stellt-drumsets-der-g9-drum-workstation-vor/
Die sind halt noch recht teuer.
Aber in ein paar jahren sicher interessant vom preis her.
@Numitron Zitat:
„Von pearl und gewa gibt es module mit sehr großem flashspeicher.“
Ich möchte hierzu noch einmal darauf hinweisen, dass die bisweilen riesigen (Drum) Sample-Libraries mit Größenordnungen von weit über 200 GB Platzbedarf nicht alleine dazu in der Lage sein werden ein gutes Spielgefühl bei dem jeweiligen (E-) Drummer hervorrufen zu können. Einer der wesentlichen Faktoren hierzu sollte die intelligente Umsetzung der massenhaften Samples in Echtzeit beim performen an dem (E)-Drumset darstellen. Die mitunter komplexen Vorgaben eines Schlagzeugers mit den dazugehörigen Spieltechniken, können bis dahin nur mit Hilfe der entsprechenden Applikationen wie etwa Toontrack Superior Drummer 3 und Konsorten einigermaßen korrekt in die digitale Welt umgesetzt werden.
Solange die herkömmlichen (Synthesizer) Technologien in den jetzigen Soundmodulen noch nicht dazu in der Lage sind, die modernen PC/Mac VST-Programme innerhalb der Geräte in Realtime auszuführen, ist das alles noch für die Katze! Das ist quasi immer noch Schnee von Gestern zu Verkaufspreisen von Heute.
Die Alternative war für mich der Nord Drum 3P von Clavia. Als Synthesizer braucht er keine Sample-Libraries, hat eine vergleichsweise geringe Latenz und passt in den Rucksack.
Mein Erster Kontakt mit E-Drums war als Kind der 80er natürlich das SIMMONS! Das SDS-8 würde ich jetzt mal als unterste Katastrophe an Spielbarkeit bezeichnen. ALLES was danach kam war definitiv besser. Massive Handgelenksprobleme waren bei intensivem Spiel nicht selten.
Pearl und Sonor waren pioniere bei Pads mit echten Remo-Fellen. Und dann gabs da noch dieses einhorngleiche, nie erreichbare, weil teure Clavia ddrum.
Die letzte evolutionsstufe, das ddrum4 durfte ich auf der Messe damals anspielen. Der gigantische Unterschied war im gegensatz zu JEDEM anderen System definitiv die interne Dynamikauflösung (1000 statt 128 Stufen bei MIDI) in Verbindung mit aufwendig programmierten Samples, die sogar ein „echtes“ Snaredrumfeeling aufkommen ließen. Und selbst die Becken und HiHats klangen hervorragend – inklusive Rockfeeling ;-). Nach clavias Verkauf der ddrum-Sparte kam nie wieder etwas derartig innovatives und professionelles nach.
Als Roland mit den Meshs kam war mein Eindruck etwas zwiegespalten. Durch optische Abtastung über die gesamte Fläche und die virtuelle Klangerzeugung konnte man realistisch dynamische Klänge reproduzieren. Mir war das Spielgefühl aber immer etwas zu labbrig. Und günstig war das erste V-Drum auch nicht wirklich.