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Teenage Engineering OP-Z, die Wundermaschine

16. August 2019

Prolog

Ich schreibe diesen Leserbericht durchaus nicht unvoreingenommen, denn die wenigen Produkte von Teenage Engineering, Hersteller des OP-Z, riefen bei mir immer eine gewisse Skepsis hervor. Für mich ganz unverblümt eine Hipsterbude mit frecher Preispolitik und wechselhafter Produktverfügbarkeit. Als der OP-Z jedoch als Multimedia Synthesizer mit Videofunktionen vorgestellt wurde, war ich auf der Lauer.  Audio und Video zusammenzubringen ist seit jeher mein Anliegen bei Auftritten und im Studio. Die Elektrons haben mich gelehrt, dass sich ausgezeichnete Produkte auch hinter kindischen Marketingstunts verstecken können. Nach einer Kurzbeschau auf der Superbooth 2018 bestellte ich die mysteriöse „Eierlegende Wollmilchsau“ schließlich zu Beginn des Jahres „blind“ und hatte erst jetzt etwas Zeit, mich mit dem Maschinchen zu befassen. Nun gibt es –nach langer Sendepause zu diesem Gerät  – den exzellenten Testbericht von Markus Schröder, sodass ich hier eher eine weitere Perspektive als eine Detailvorstellung der Features anbieten will.

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Objekt

OP-Z ist ein polyphoner, multitimbraler Digitalsynthesizer, Sampler und Sequenzer für Audio, MIDI, Video und DMX (Licht). Er ist erweiterungsfähig mit Hardwaremodulen (es gibt bislang das Oplab MIDI,CV, Gate & Trigger Interface) und mit der OP-Z – App für iOS.

Das Ganze steckt in einem kleinen Gehäuse, für das schon blumige Vergleiche bemüht wurden: Fernbedienung, Schokoladentafel, zwei Smartphones hintereinander, didaktische Lernspielzeuge u.v.m. Das graumelierte Plastikgehäuse ist ein scharfkantiger, flacher Quader und erscheint mir nur auf den ersten Blick robust. Gerade der hervorstehende Ein-/ Ausschalter, die spitzen Ecken und das merkliche Spiel der Bodenplatte, die von vier Legoschrauben gehalten wird, lassen mich ein wenig zweifeln, ob das Teil auch als Faustkeil taugt.

In Zahlen ausgedrückt gilt für den OP-Z:

(8+8) x 16 x 16 x 10 x 4 x 4

für Audiospuren, Steuersignalspuren,  Pattern, Schritte, Projekte, Encoder und Funktionsebenen. Logisch, oder?

Die ganze Bedienphilosophie schreit „RTFM“ (gibts Online oder inoffiziell auch als .pdf) und erinnert mich stark an die Elektrons. Ein steile, anfangs abschreckende Lernkurve, ja –  aber auch logisch durchdacht, musikalisch und gar nicht so unintuitiv. Wie beim Octatrack musste ich mich auch zuerst mit der Bedienanleitung auf dem Schoß durchhangeln und für viele der seltener benötigten Funktionen brauche ich sie immer noch. Auch Knöpfchenchaos kommt gerne mal vor –  hatte ich da nun Shift  gedrückt, oder gehalten, oder was war da jetzt los? Die grundlegenden Bedienschritte gehen jedoch schnell von der Hand, auch ohne Blick auf die heiß umstrittene App. Kritisieren möchte ich hier eher, dass die Dokumentation doch arg wortkarg gehalten ist und exotischere Funktionen oder Fragen nicht explizit behandelt werden. Dies fand ich beispielsweise bei der Beschreibung der „Track – Copy“- Funktion störend, oder auch bei der DMX – Ansteuerung.

8+8: Die Audiospuren decken Schlagwerk (Kick, Snare, Hats, Percussion)und Chromatisches ab (Bass, Lead, Arpeggio, Chord), die restlichen acht Spuren die Steuersignale (FX1,FX2,Master, Performance-Effekte, Tape-Buffer, DMX, Photomatic – Video, Erweiterungsmodul). Die Audiospuren sind samplebasiert. Das ist gut, denn man kann sie durch eigenes Material ergänzen oder ersetzen, aber auch schlecht, da die Klangformungspalette doch eher begrenzt ist. Auffällig ist, dass gleich an mehreren Stellen im Audiosignalfluss die klassisch analoge Klangformung mit Filtereckfrequenz und Resonanz implementiert ist.

16 Patterns kann ein Projekt (=Song) enthalten. Die Patterns können auch aneinandergereiht werden zu einer maximal 32-gliedrigen „Pattern Chain“. So erstellt man auf eher rudimentäre Weise Songs.

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16 Schritte hat ein Pattern im Sequenzer, dem strahlenden Glanzstück des OP-Z! Denn da ist alles im Fluss – die Schrittzahl pro Spur ist einstellbar, über einen Multiplikator ist auch die Zahl der Events pro Schritt einstellbar, Parameterlocks pro Step und Spur, Punch – in Effekte und und…

die STEP COMPONENTS: So etwas Ähnliches wie altbackene MIDI – Effekte, also Modulatoren für das Abspielverhalten der einzelnen Steps. Sie können zum Beispiel die Notenlänge, Tonhöhe oder Notenübergänge und das Filter beeinflussen. Sogenannte „Sparks“ bestimmen dagegen die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Sequenzerereignis eintritt (z.B. ein Trigger, ein Parameterwechsel oder eben ein Step Component). Ihr seht also, WOW, da steckt viel Spaß drin!

10 Projekte sind gespeichert und können über USB im Rechner gesichert werden. Hier kann man auch kurze Audioclips rendern und im Gerät speichern. Soweit, so unspektakulär.

4 Endlosdrehregler stehen für die wilde Kurbelei zur Verfügung. Sie sind ungerastert, zeigen aber durch LED Farbe und Leuchtkraft *irgendwas* über ihren Zustand aus ;) Pro Spur stehen zwischen einer und drei Parameterebenen zur Verfügung und man hört zum Glück recht schnell, an was man dreht! Diese berühmten „Parameterfahrten“ können natürlich aufgenommen werden (live und per Step) und stellen dann die ebenso berühmten „Parameter Locks“ dar – so nannte Elektron das, was Korg so ähnlich schon früher als „Motion Track“ bezeichnete.

4 Funktionsebenen werden durch „Schultertaster“ oben links am Gerät erreicht. Da ist „Projekt“, für alles rund um Songs und Patterns und so. Dann „Mixer“ zum …en, genau. Und zum Stummschalten der Tracks. Hier können auch die „Mute Groups“ erstellt und gespeichert werden, die bei Komposition und Darbietung elektronischer Tanzmusik nicht wegzudenken sind. Es folgt „Metronom“, also alles rund um Tempo und Swing. Man kann übrigens auch zwischen *lustigen* Sprachsamples fürs Einzählen wählen. Der letzte Taster ist „Screen“ und bringt uns auf eine Art „Utility-Ebene“: Zeigt beispielsweise den Ladezustand des Geräts an, schaltet aber auch (Screen-) Funktionen in der App.

Ökosystem

Der OP-Z fühlt sich am wohlsten in einer hochmobilen Umgebung von BL und USB-Peripheriegeräten (bevorzugt der Marke Apple) und unterscheidet sich hier ein weiteres Mal doch sehr deutlich von allen (?) anderen „Tischhupen“. Konsequent akkubetrieben steckt in dem grauen Klotz genug Strom für stundenlanges Spielen – ich musste den OP-Z noch nie wegen leerer Batterie aus der Hand legen. Der Kontakt zur Außenwelt wird durch USB-C und TRRS – Klinke hergestellt und das ist auf den zweiten Blick auch durchaus genug! Ein tiefer Griff in die Kabelkiste und wir verbinden den OP-Z mit Mischpulten für Audio I/O (über ein Splitterkabel), USB-A (USB C-A ist enthalten), USB –B für Keyboards,PC, DMX – Interfaces  und Controller. Teilweise benötigt man dabei einen Powered Hub, da die Stromversorgung aus dem Akku des OP-Z für manche Peripheriegeräte nicht ausreicht. Seit dem letzten Firmwareupdate überträgt der OP-Z neben MIDI auch Audio zweikanalig (I/O) über USB.

Für DMX brauchen wir USB – DMX Adapter wie die von Enttec, damit konnte ich schon „out of the box“ ganz nette Ergebnisse erzielen. Hier wäre zu bemerken, dass man zwischen zehn „Lichtmustern“ auswählt und diese dann mit Notensteps und Encodereinstellungen modifiziert – ich kam dabei eher durch rumprobieren auf gefällige Resultate, aber Profis werden sicherlich mit dem .json File, indem die DMX – Parameter hinterlegt sind, die volle Kontrolle erlangen.

Am besten versteht sich der Kleine allerdings mit iOS Geräten – also iPhone oder iPad. Hier läuft die Kommunikation über Bluetooth LE, wofür sich auch ein Schalter auf der Unterseite des OP-Z befindet. Einmal verbunden, können wir die OP-Z App nutzen. Wir brauchen sie für Konfigurationseinstellungen und vor allem für die Videofunktionalität des OP-Z. Hier ist zu unterscheiden zwischen Photomatic, einer sequenzergesteuerten Diashow mit bis zu 24 Einzelbildern, und „Motion“.  Dabei steuert der Sequenzer des OP-Z Elemente in Animationen, die in Unity erstellt wurden und als sogenannte „Videopaks“ in die App (nicht in den OP-Z!) importiert werden können. Unity ist kostenlos, aber wie bereits vielfach betont wurde, erfordert es natürlich eine ausführliche Einarbeitung, um überhaupt eigenen „Content“ erstellen zu können. Mitgeliefert werden zwei ganz nette Videopaks, die recht retromäßig im EGA/VGA Graphikstil daherkommen. Um die Bilder zum Beispiel in einer Livesituation auf einen Projektor zu kriegen, brauchen wir natürlich Airplay oder das *originale* Apple Lightning–HDMI Adapter.  Nicht zu vergessen ist jedoch auch, dass über Bluetooth MIDI auch Klangerzeuger auf dem iOS – Gerät angesteuert werden können – bekennende Klangschrauber können sich hier also eher austoben als mit den mageren OP-Z „Synth Engines“.  Die App ist meiner Meinung nach nicht unbedingt zur Bedienung notwendig, aber sie ist schon eine Erleichterung und erweitert den Funktionsumfang enorm – wie bereits von Markus Schröder bemerkt, geht die Videofunktionalität gar nicht ohne! Das ist ein klarer, schwerwiegender Kritikpunkt: Ohne Apple iOS kein voller Funktionsumfang. Basta.

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Mehr Informationen

Nun saß ich also wieder ganz dem Klischee entsprechend im Flugzeug und begann irgendwo über Sibirien, einen Track mit dem OP-Z zu basteln. Da es ostwärts ging, nenne ich das Liedchen „Cyberian Sunrise“. Ich beginne mit der Akkordspur, dann die Rhythmussektion, die Leadspur und dann ein Arpeggio. Live oder per Step eingegeben geht sowas sehr schnell und dank beleuchteter Tasten sieht man auch, was gerade gespielt wird. Die Presets, die ich hier ausschließlich verwende, sind eher begrenzt und passen in die großen Schubladen „Vintage – Analog“, „Digital-Modern“ und „Pseudoakustisch“.  Durch „Parametersweeps“, natürlich auch die klassischen Filterfahrten, werden die Patterns schnell etwas organischer und lebendiger. Bei der Arpeggiospur kann man mit Veränderungen im Arpeggiotyp schöne Variationen erzielen. Eifriges kurbeln am gelben Encoder bei gedrückter Track – Taste quetscht alles schön tight ins Raster und quantisiert die gespielten Noten. Als letzter Schliff kommen dann die Step Components und Sparks. Die habe ich nur behutsam eingesetzt, um den Track nicht zu experimentell werden zu lassen. Hier ist zu bemerken, dass  Glide und Velocity auch zu den Step Components zählen. Durch recht detaillierte Einstellungen (z.B. Tonumfang & Dauer des Portamento) lassen sich recht schnell wieder durchaus feine Variationen erzeugen. Ganz zum Schluß erst habe ich die Bass – Spur programmiert und die Percussion Spur benutze ich gar nicht – ebenso wie die Tapespur und die Effektsektion. Relativ schnell und geradlinig hatte ich so sechzehn Pattern – ein Projekt voll – programmiert, der Flieger war allerdings zwischenzeitlich längst gelandet;). Diese Patterns habe ich dann in einer 19-schrittigen Pattern Chain verknüpft und fertig! Die Arrangements sind eher auf Pattern und Mute Groups (die ich hier nicht genutzt habe) fokussiert – durchaus legitim, aber nicht ganz meine bevorzugte Arbeitsweise. Das Ergebnis ist natürlich eher wenig abwechslungsreich und auch kurz, aber es war für mich ein Lernprozess, der mir die Stärken und Schwächen des OP-Z aufgezeigt hat.

Den fertigen Track habe ich dann mit einigen Mühen dank  neuester Firmware 1.25 digital in meinen W10 Laptop aufgenommen: mit Bitwig 3.0 ging schonmal gar nichts, da Bitwig den OP-Z nicht als Audioinput erkannt hat. Über den Windows-eigenen Voicerecorder ging es dann, der Opi wurde als Mikrofon erkannt.

Krönender Abschluss sollte eine Photomatic-Spur zum Track werden: Dazu habe ich eine Burst-Aufnahme mit 24 Einzelbildern gemacht, die dann wieder eher umständlich ins iPad transferiert wurden (Danke dafür, Apple…)und in der OP-Z App *einzeln* einer „Filmrolle“ zugewiesen wurden. Und das dauert solange wie es sich anhört. Hier ist zu erwähnen, dass man die Einzelbilder über die Kamera des iOS Geräts auch direkt vom OP-Z aus aufnehmen kann – bei Liveauftritten womöglich eine nette Sache! In der Anleitung wollte ich aber nun den „Pro Tip“ ausprobieren, in dem es heißt, dass durch „Track link“ der Photomatic Track mit einem Instrumententrack verknüpft werden kann, um Ruckzuck audiosynchrones Video zu haben. Naja, nicht ganz… Track link verknüpft nur die OP-Z Tastatureingabe mit mehreren Tracks, doch aufgenommen wird immer nur ein Track – in diesem Anwendungsfall der Audiotrack. Weiterhin ist es – entgegen der Anleitung- nicht möglich, Trackinhalte innerhalb eines Patterns zu kopieren – einfach die Hihats in den Videotrack kopieren geht also auch nicht. Große Enttäuschung;(

Also auf zum letzten Feature: Sampling! Das geht weniger kompliziert als gedacht, ich habe allerdings auch nur schnell eine Metal-Shredding-Orgie aus YT über das Mikrophon gesampelt, und zwar in die Percussion – Spur. Hier hat mir gefallen, wie der OP-Z sinnvolle Oneshots gleich auf die Tasten „sliced“, sodass man ohne weiteres gleich damit spielen kann.

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Fazit
Genug schwadroniert – für mich ist der OP-Z ein inspirierendes, interessantes und auch innovatives Gerät, das einen enormen Funktionsumfang aufweist und deshalb mit knapp 600€ nicht überteuert ist – im Eurorackbereich wird für manches „One Trick Pony“ mehr aufgerufen. Das Produktkonzept finde ich klasse, trotz oder gerade wegen des Formfaktors, und natürlich ist die Videointegration für mich ein Highlight. Der Sequenzer ist eine weitere Stärke des OP-Z.
Auf der „dunklen Seite“ steht leider die alternativlose Verknüpfung mit Apple iOS und die doch zahlreichen Lücken im Konzept, die nicht durchdacht wirken und immer wieder für Stirnrunzeln sorgen. Sicherlich kann hier Einiges mit Updates gerade gebogen werden. Leider ist auch die Hardware für mich ein Negativpunkt, denn deren Langlebigkeit scheint mir fragwürdig. Ich habe bei TE schon den Eindruck, dass bei allem Respekt für ein mutiges und innovatives Produktkonzept die Industrieerfahrung, so etwas auch souverän umzusetzen, noch fehlt.
Der OP-Z ist *gut* – aber er wäre sehr gut, wenn er von Korg oder Roland gebaut würde;)

Plus

  • Sequenzer
  • Step Components
  • Videofunktionen
  • Spontan und mobil

Minus

  • Nur mit iOS voller Funktionsumfang
  • Vielschichtige Tastenbelegung
  • Begrenzte Klangformungsmöglichkeiten
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Forum
  1. Profilbild
    Markus Schroeder RED

    Hallo Kybernaughty ,

    erstmal Danke für die Blumen und Danke für diesen wunderbaren und ausgewogenen Erfahrungsbericht!

    Ich kann alles wovon Du schreibst absolut nachfühlen.

    greetz,
    Markus :)

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