Tradition trifft Moderne
Eine Strat ist eine Strat … ist eine Strat … ist eine Strat – so könnte man meinen! Denn obwohl der amerikanische Gitarrenhersteller Fender seinem zeitlosen Klassiker seit der Ersteinführung im Jahre 1955 immer wieder Updates und unzählige Modellvarianten spendierte, blieb die grundsätzliche Konstruktion der Fender Stratocaster immer gleich. Das zum Test vorliegende Modell stammt aus der im Herbst 2020 eingeführten „American Professional II“ Serie. Diese aktuelle Modellreihe löst die bisherige ab 2016 hergestellte „American Professional“ Serie, ab. Ich bin gespannt, mit welchen Neuerungen das zu testende Instrument aufwartet.
Inhaltsverzeichnis
Fender AM Pro II Facts und Features
Die Fender AM Pro II Stratocaster RST PIN kommt in einem sehr stabil erscheinenden Case, das zum Lieferumfang gehört. Das macht schon mal einen sehr guten Eindruck, denn oft genug werden hochwertigere Instrumente nur in einem mehr oder weniger schützenden Karton versendet. Das „RST PIN“ in der Produktbezeichnung steht für „Roasted Pine“ (geröstete Kiefer). Dieses im glänzenden „Natur-Finish“ mit Urethan lackierte Holz wird als Material für den Korpus verwendet und weist eine schöne Maserung auf. Auf der Vorderseite des Korpus befindet sich das vierlagige schwarze Schlagbrett, auf dem die Tonabnehmer sowie sämtliche Schalter und Regler montiert sind. Weitere Elemente auf der Vorderseite sind das Vintage-Vibratosystem sowie die Kabel-Anschlussbuchse. Die gesamte Hardware des Instruments besteht im Übrigen aus Nickel und ist mit einem Chrom-Finish versehen. Auf der Korpusrückseite finden wir die schwarze Vibrato-Abdeckplatte sowie den ersten Hinweis auf eine der Neuerungen bei der Fender AM Pro II Stratocaster RST PIN: die unsymmetrische Halsbefestigung sowie der abgerundete Hals-Korpus-Übergang. Dazu später mehr!
Ahornhals mit Palisandergriffbrett
Der geschraubte Hals der Gitarre besteht aus Ahorn mit einem aufgeleimten Griffbrett aus Palisander. In dieses sehr schön gemaserte Griffbrett sind 22 sog. „Narrow Tall“-Bünde eingelassen, die vorbildlich eingesetzt und abgerichtet wurden, da gibt es nichts zu meckern. Zur Orientierung befinden sich auf dem Griffbrett sowie an der dem Spieler zugewandten Hals-/Griffbrettseite weiße Positionseinlagen. Das Halsprofil wird vom Hersteller als „Deep C“ angegeben, die Hals- und Headstock-Rückseite sind seidenmatt lackiert, die Vorderseite des Headstock glänzt hingegen mit dem Korpus um die Wette. Die sonstigen Features des Halses sind klassisch Fender-like: Die Mensur beträgt 648 mm, die Breite des aus Knochen bestehenden Sattels 42,8 mm. Bei den Stimmmechaniken geht es wiederum moderner zu, diese sind „staggered“ (gestaffelt). Das bedeutet, dass sie Achsschäfte aufweisen, die von vorne nach hinten niedriger werden. Dadurch ändert sich der Winkel, mit dem die Saite vom Sattelende zur Mechanik läuft, die Saite wird fester in die Sattelkerbe gedrückt.
Alnico Singlecoils mit erweiterter Schaltung
Natürlich gehören in eine klassische Stratocaster drei Singlecoil-Tonabnehmer, so auch in der Fender AM Pro II Stratocaster RST PIN. Hierbei handelt es sich um die neu entwickelten „V-Mod II Singlecoils“. Diese zur Alnico-Familie gehörenden Pickups sind auf die jeweilige Position im Instrument (Neck-Middle-Bridge) abgestimmt und sollen einen traditionellen Vintage-Strat-Klang liefern. Angewählt werden die Tonabnehmer mit einem 5-Wege-Schalter.
Durch den „Treble-Bleed“-Schaltkreis bleiben die Höhen erhalten, wenn die Lautstärke am Volume-Poti reduziert wird. Doch das ist noch nicht alles, das hintere Tone-Poti verfügt über eine „Push-Pull“-Funktion. Hierüber lässt sich der Hals-Pickup mit dem Bridge-Pickup zusammenschalten, das resultiert in einem deutlich fetteren Klang. Das wirkt sich dann natürlich auch auf die (Zwischen-) Position 2 aus, bei der Bridge- und Mittel-Pickup zusammen laufen. Dadurch hat man dann insgesamt 7 Sounds zur Verfügung – nicht schlecht! Die Pickup-, Schalter- und Poti-Kappen sind übrigens in der Farbe „Altweiß“ gehalten und reihen sich schön in das Vintage-Flair des Instruments ein.
Beim Vibratosystem mischen sich Tradition und Moderne. Den Hang zum Letztgenannten erkennt man in der Anbringung des Systems, es handelt sich um ein 2-Punkt-synchronisiertes Vibratosystem. Dabei wird das System an zwei im Korpus versenkten Schrauben lose angebracht. Die Balance entsteht durch den Saitenzug und die Federn, die mit dem Vibratoblock verbunden sind. Dieser Block besteht bei der Fender AM Pro II Stratocaster RST PIN aus kaltgewälztem Stahl und steht, ebenso wie die gebogenen Stahl-Saitenreiter des Vibratosystems, für die traditionelle Zutat.
Praxistest der Fender American Professional II
Das Instrument hat ein Gewicht von 3,4 kg und ist damit etwas leichter als z. B. eine American Standard Stratocaster (3,7 kg) – da hat sich das Rösten des ohnehin recht leichten Korpusholzes (Kiefer) doch schon mal bezahlt gemacht!
Gut ausbalanciert liegt die Gitarre am Körper, sowohl beim Spielen im Sitzen als auch stehend mit Gurt. Der Hals der Fender AM Pro II Stratocaster RST PIN liegt angenehm in der Hand und fördert flüssiges Spiel über das gesamte Griffbrett. In den höheren Lagen sorgt der abgerundete Hals-Korpus-Übergang für zusätzlichen Komfort. Die seidenmatte Lackierung der Halsrückseite erweckt den Eindruck einer gewissen „Eingespieltheit“, man fühlt sich direkt zuhause. Unverstärkt klingt die Gitarre drahtig, mit einer knackig perkussiven Direktheit, in den unteren Frequenzbereichen ein wenig dünn, aber insgesamt durchaus ausgewogen. Bevor es zu den verstärkten Sounds geht, noch ein paar Worte zum Vibratosystem: Dieses arbeitet butterweich und weitestgehend verstimmungsfrei! Natürlich kann man bei einem System dieser Bauart keine 100%ige Stimmstabilität erwarten. Fans von Steve Vai und Konsorten sollten sich auf Dauer nach einem Vibratosystem mit Klemmsattel und Feinstimmern (z. B. Floyd Rose) umsehen. Dennoch, das auf der Testgitarre verwendete System macht einen sehr guten Eindruck, nicht zuletzt durch den nicht schraub-, sondern steckbaren Vibratohebel. Das verhindert das nervige Herumschlackern des Hebels, wenn er nicht im Einsatz ist. Für meinen Geschmack könnte allerdings der steckbare Teil des Hebels etwas kürzer sein, dann könnte man das Vibrato noch mehr in sein Spiel einbinden. Der Hebel steht leider so weit ab, sodass das nur eingeschränkt möglich ist.
Die cleanen Sounds der Fender AM Pro II Stratocaster RST PIN klingen, wie man es von einer guten Stratocaster erwartet: drahtig und transparent, mit einer gewissen „Glockigkeit“ in den höheren Frequenzbereichen. Die „V-Mod II Singlecoils“ leisten gute Arbeit und liefern charakterstarke Sounds in allen Pickup-Positionen. Als Plus erweist sich die Push-Pull-Funktion zum Zusammenschalten von Hals- und Bridge-Pickup, dadurch stehen einem zwei weitere gut einsetzbare Sounds zur Verfügung.
Der bisher gute Eindruck setzt sich im verzerrten Betrieb fort. Der Sound bleibt klar und fein aufgelöst, mit straffen Bässen und der schon beschriebenen „Glocke“ im oberen Register. Ein klassischer Strat-Sound, dessen Zerrgrad sich obendrein feinfühlig mit dem Volume-Poti regeln lässt. Das Nebengeräuschverhalten der Single-Coils ist für Stratocaster-Verhältnisse als „normal“ zu bezeichnen: Es brummt nun mal, gerade bei stärkerer Verzerrung. Da es bauartbedingt ist, kann das von meiner Seite aus nicht als Minuspunkt gewertet werden.
Ich verstehe den Sinn des Testes nicht wirklich. Die gleiche Gitarre mit etwas anderer Tonabnehmer-Bestückung wurde doch erst vor wenigen Tagen getestet.
Die Dinger werden wie Blei in den Regalen liegen, nicht viele Gitarren mögen Kiefer als Baumaterial, schon gar nicht zu diesem Preis, roasted hin oder her.