Der Boogie des kleinen Mannes
Als die Firma Mesa/Boogie Anfang der siebziger Jahre ihre ersten Amps vorstellte, dauerte es nicht lange, bis auch die ersten Nachbauten den Markt erreichten. Namen wie Kitty Hawk, PCL-Vintage oder die Verstärker der in Van Nuys/Kalifornien ansässigen Firma Acoustic Control Corporation brachten den bis heute so beliebten süßlich-komprimierten kalifornischen Sound damals für deutlich weniger Geld an den Mann bzw. die Frau. Das war Randall Smith als CEO von Mesa/Boogie natürlich ein Dorn im Auge, die Rede ist sogar davon, dass ein verlorener Gerichtsprozess aus Kopier- und patentrechtlichen Gründen der Firma Acoustic Control Corporation Anfang der 80er Jahre schließlich den Todesstoß versetzte. Und das trotz florierender Umsatzzahlen, die auch aus dem Verkauf von Bassverstärkern generiert wurden.
Auch der Endorser-Stall von Acoustic, zur damaligen Zeit klingt heute wie ein Who’s Who der Rock-, Jazz- und Popgeschichte mit u.a. Frank Zappa, Robby Krieger (The Doors) Pete Townsend, Pat Metheney, Chuck Berry und Albert King, war die Marke ihrer Zeit gar nicht mal so unpopulär. Gereicht bzw. genützt hat es alles nichts, in den frühen 80er Jahren war schließlich Schluss mit der Produktion in Van Nuys.
Heute sieht man die Verstärker von Acoustic nur noch sehr selten. Um so mehr freuen wir uns, euch heute einen der raren Röhrenamps in unserer Reihe Zeitmaschine präsentieren zu können. Und dazu noch einen in einem hervorragenden Zustand oder besser ausgedrückt: in „Mint Condition“, wie der Fachmann es zu sagen pflegt. Vorhang auf für den Acoustic G60T, der immer auch als „Boogie des kleinen Mannes“ durchging.
Acoustic G60T – Facts und Features
Mehr als 35 Jahre hat unser Acoustic G60T auf dem Buckel. Eine lange Zeit, die man unserem Modell aber so gut wie gar nicht ansieht. Der braune, strukturierte Tolexbezug klebt nach wie vor in jedem Winkel fest auf dem mit 28 kg Gewicht doch ziemlich schweren Gehäuse. Die Massivholzplatten machen den einen Teil des Gewichts des 47x 56 x 26,5 cm Combos aus, den anderen macht natürlich die Röhrenschaltung, die nie ohne die entsprechenden Trafos bei Laune gehalten werden kann und nicht zu vergessen natürlich der 12″ Speaker, der bei unserem Modell von Celestion stammt und die Bezeichnung Rola trägt. Es handelt sich hierbei um eine Sonderausstattung des damaligen Händlers/Importeurs, bei dem der Verstärker 1982 für 1495,- D.Mark gekauft wurde. Das alles bringt natürlich Pfunde auf die Waage, mit denen der Ledergriff auf der Oberseite aber selbst nach mehr als 35 Jahren im Dienst keine großen Probleme hat. Nur etwas spröde ist das Leder geworden, doch das fällt ja heutzutage bereits unter den Begriff „Vintage“.
Neben Kantenschonern aus Messing (!), die das Gehäuse an sechs von acht Ecken schützen, sorgt ein robuster Bespannstoff auf der Vorderseite für den Schutz des Celestion Rola Lautsprechers, den man wiederum von der Rückseite durch das nur halb geschlossene Gehäuse gut erkennen kann. Hier kann man auch den mitgelieferten Fußschalter unterbringen, der zur Not auch als Türstopper benutzt werden kann.
Auch die verbauten Röhren sind von hier aus gut zu erkennen, eingesetzt wurden drei ECC83-Typen für die Vorstufe und, wie kann es anders sein für einen Verstärker aus Kalifornien, zwei des Typs 6L6 für die Endstufe. Das reicht für 60 Watt und damit für die meisten Fälle. Es gab auch eine 100-Watt-Version des Acoustic GT, dem wird aber trotz zusätzlichem Grafik-EQ kein besonders guter Klang nachgesagt. Ich hatte bisher jedoch nicht die Möglichkeit, diesen Amp anzuspielen, von daher kann ich mir darüber kein Urteil bilden.
Rein & Raus beim Acoustic G60T
Die Anschlüsse des G60T, abgesehen von den Eingangsbuchsen für die Gitarre, sitzen ebenfalls alle hier an der Rückseite. Sehr erfreulich ist die Anwesenheit eines Effektwegs – keinesfalls eine Selbstverständlichkeit zu der damaligen Zeit und auch heute noch für viele unverzichtbar, den Autor dieses Artikels eingeschlossen. Es folgen die zwei Klinkenbuchsen zum Anschließen des „ökologisch korrekten Vollholz-Fußschalters“, der den Accutronics-Federhall hinzuschaltet oder aber für das Wechseln zwischen den beiden Kanälen sorgt. Zwei Lautsprecherausgänge gibt es auch noch, wobei einer bereits vom verbauten Celestion Speaker genutzt wird.
Ein Impedanzschalter, der die Wahl zwischen 4 und 8 Ohm Widerstand bietet, macht den Abschluss auf der Rückseite des G60T. Eines fällt auf: So wie bei den Kantenschonern des Gehäuses wurde auch bei den Klinkenbuchsen Messing verwendet. Ein Indiz dafür, dass die Amps von Acoustic trotz ihres niedrigen Preises damals keine echten „Low-Budget-Kisten“ waren.
Acoustic G60T – Frontpanel und Bedienung
Zwei Eingänge mit unterschiedlichen Impedanzen erwarten den Anschluss der Gitarre. Es folgt der Lautstärkeregler für den unverzerrten Kanal zusammen mit einer roten LED, die über die Auswahl des Cleanchannels informiert. Der zweite, verzerrte Kanal besitzt ein Doppelpoti, die äußere Achse sorgt dabei für die Lautstärke der Zerrsounds, während die innere Achse (mit dem kleineren Potiknopf) den Grad der Verzerrung regelt. Auch hier informiert eine rote LED den Benutzer. Schön wäre es natürlich gewesen, wenn auch der Fußschalter eine optische Unterstützung in Form von LEDs erhalten hätte. So bleibt also nur ein Blick hinüber zum Amp, wenn man sich und/oder seinen Ohren nicht traut.
Weiter geht es mit einem Bright-Schalter, der sich allerdings nur auf den Cleanchannel auswirkt und dem Signal einen Kick in den oberen Mitten und den Höhen verpasst. Zusammen mit dem Dreiband-EQ ergeben sich so eine Menge an strahlender Cleansounds, die mit einem ungemein satten und tiefen Headroom glänzen. So viel sei schon mal vorab verraten!
Die beiden Potis in der Mastersektion wirken sich auf beide Kanäle gleichermaßen aus, Mastervolume regelt die Gesamtlautstärke des Amps und Reverb sorgt für eine räumliche Note durch Hinzufügen eines echten Federhalls. Und der kann natürlich nur von Accutronics stammen.
Bleiben noch die vier Kippschalter ganz rechts außen am Panel zu erwähnen. Mit Vol 1 / Vol 2 lassen sich die beiden Kanäle auch ohne angeschlossenen Fußschalter auswählen, der Ground/Rev-Schalter blendet eventuell auftretendes Netzbrummen aus und die beiden übrigen, Power und Standby, dürften wohl jedem bekannt sein, der schon mal einen Röhrenverstärker angeschaltet hat.
Beim Acoustic G60T ist alles drin und alles dran, was man für einen guten Gitarrensound benötigt. Durch die Ausstattung mit den zwei per Fuß schaltbaren Kanälen und dem Effektweg ist der Verstärker zudem auch heute noch nahezu jeder Aufgabe gewachsen. Es sei denn, man möchte Heavy Metal spielen, dann ist man mit diesem Amp allerdings an der falschen Adresse. Das hier ist kein High-Gain-Monster, sondern ein Vintage-Amp mit Charakter, einer Geschichte und einem nach wie vor grandiosen Sound für alle Bereiche des Rock ’n‘ Roll. Ab der nächsten Seite werden wir es hören.
Sehr schöner Test und ein cooler Amp. Mir ist vor Jahren ein Acoustic Controll Corporation 160 Head mit einem 2×12 Celestion Greenback Cabinet unbekannter Herkunft für damals CHF 400 über den Weg gelaufen. Das breite Grinsen von damals sitzt mir immer noch im Gesicht. Der Amp hat zwei Kanäle, die in Serien geschaltet sind und noch eine Boost-Funktion (über ziehen des Bass-Reglers). Somit ein sehr ergiebiges Gainstaging und er kann so richtig laut. Wie bei Deinem ist die Verarbeitung 1A und alles hat die Zeit seit den 80ern gut überdauert.
Vor gut 15 Jahren hatte ich den Accoustic GT 100 Combo. Mir gefiel der Sound sehr gut. Es war damals ein Speaker von ElectroVoice verbaut. Der Amp klang besser als die Soundbeispiele auf dieser Seite. Er konnte allerdings kein High Gain Brett liefern.
sehr cooler Test! Danke dafür :-) auch die soundbeispiele sind gut gewählt, gibt einen tollen eindruck. vor allem der clean-sound klingt richtig gut
@bassguitar3003 Danke :)
Der brutale Headroom von dem Klotz ist aber kaum auf ne mp3 zu kriegen …
Ich hatte früher mal dieses geile Teil und denke gerade darüber nach, ihn mir wieder zu beschaffen. Die Klangbeispiele geben leider nur unzureichend die Vielseitigkeit des Acoustic Amps wieder. Er kann – zusammen mit einer guten Stratocaster – flirrenden Funk, er kann mit einer Humbucker-Gitarre und dem Bassbooster astreine Jazz-Sounds, und er kann diesen cremigen, Boogie-mäßigen High-Gain liefern. Ich kann Overdrive-Pedale nicht leiden, brauchte ich mit diesem Amp auch nicht. Ich fand und finde ihn extrem vielseitig. Im Bandgefüge hat er sich sehr gut durchgesetzt. Einziges Manko: Sauschwer. Und es braucht viel Fingerspitzengefühl, um auch die Techniker an der PA glücklich zu machen, er geht sehr schnell von sehr leise zu brüllend laut über.