Upgrade für Ableton Live Lite Nutzer
Ableton Live ist längst kein Geheimtipp mehr, wenn es um eine DAW geht, die gleichermaßen gut für das Produzieren im Studio wie für die Live-Performance auf der Bühne geeignet ist. Ableton haben mit Live einen Quasi-Standard geschaffen, dessen Bühnenqualitäten von allen anderen DAWs am Markt bislang unerreicht ist. Die Berliner Entwickler haben Ableton in drei Versionen in drei Versionen im Angebot: Intro, Standard und Suite. Doch es gibt noch eine vierte Version, die häufig Hardware-Produkten anderer Hersteller beigelegt ist, und für viele der Einstieg ins Live-Universum war und ist: Ableton Live Lite. Nach dem großen Update auf Version 11 zieht mit Ableton Live 11 Lite nun auch die Einstiegsvariante mit den anderen Versionen gleich.
Installation
Zunächst einmal die gute Nachricht für alle, die bereits einen Lizenzcode von Ableton Live 10 Lite oder älter besitzen: Das Update auf Ableton Live 11 Lite ist kostenlos. Etwas gewöhnungsbedürftig ist das quietschgelbe Programm-Icon, das sich mir nach dem Start präsentiert, war das der Version 10 doch in einem Grauton gehalten. Auch der Start-Screen erscheint in dieser „dezenten“ Farbe. Der Rest im Hintergrund sieht hingegen aus wie immer.
Nach dem ersten Programmstart verlangt die Software eine Autorisierung über das Internet und im Anschluss lädt Ableton Live 11 Lite zunächst einmal einige Daten aus der Ableton Bibliothek, die dem Programm beiliegen: Instrumente, Sounds und Effekte. An dieser Stelle sollte darauf geachtet werden, dass dieser Download-Vorgang auch tatsächlich gestartet wird. Bei mir war das nicht der Fall. Nach einer Rücksprache mit dem Ableton Support und dem Löschen der Ableton Datenbank auf meinem Mac Mini wurden die Daten beim nächsten Start dann wie vorgesehen geladen.
Leider ergab sich ein weiteres Problem: Der Funktionsumfang von Ableton Live 11 Lite war erheblich größer als vorgesehen und es waren Instrumente und Effekte installiert, die nicht zum eigentlichen Programmumfang gehören. Eine erneute Rücksprache mit Ableton ergab, dass ich meine Ableton Live 10 Suite vor der Installation deinstallieren muss. Für den Nutzer von Ableton Live 11 Lite wird das unerheblich sein, weil er einfach die Suite-Version 10 nicht besitzt, denn sonst würde er diese vermutlich direkt auf Version 11 upgraden und sich nicht mit der Lite-Variante auseinandersetzen.
Live Lite 11: Keine Anpassung für Apple-Prozessoren
Hinweis für Nutzer aktueller Macs mit M1-Prozessor: Auch die Version 11 von Ableton Live ist noch nicht an die modernen M-Klasse Prozessoren von Apple angepasst. Ableton Live 11 Lite startet also unter Rosetta, das einen Intel-Prozessor emuliert. Leider haben Ableton noch keinen Fahrplan veröffentlicht, wann denn Live an den M1 angepasst sein wird. Da auch die Anpassung an die letzten Apple Betriebssysteme unglaublich lange gedauert hat, ist sicherlich nicht so bald damit zu rechnen. Die Software läuft bei mir unter Rosetta stabil. Plug-ins, die bereits an M1-Prozessoren angepasst sind, können allerdings nicht genutzt werden. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn man mehrere DAWs nutzt. Logic Pro ist zum Beispiel angepasst. Sind dort M1-kompatible Plug-ins installiert, erscheinen diese nicht in Ableton Live.
Windows-Nutzer oder Musiker mit Intel-Macs sind derzeit besser dran. Hier ist lediglich Windows 10 mit 8GB RAM und einem Prozessor ab Intel i5 oder AMD Multicore vorgesehen. Ähnlich ist es bei den Intel Macs: Prozessor ab i5 und 8 GB RAM.
Ableton Live 11 Lite: Die Einstiegsklasse
Bei Ableton Live 11 Lite handelt es sich um die Einstiegsklasse und dementsprechend abgespeckt ist diese Programmversion. Acht Spuren, mehr ist nicht drin. Auch die Anzahl der Effekte und Instrumente ist stark eingeschränkt. Aber: Die wichtigsten Programmfunktionen und einiges mehr sind in die Lite-Version integriert, sodass der Interessent gut nachvollziehen kann, was Ableton Live so besonders macht. Ich möchte hier nicht alles aufzählen und für eine genauere Beschreibung der neuen Features in Version 11 verweise ich auf den Test der Vollversion. Hier aber die wichtigsten neuen Features im Überblick:
- 16 Scenes
- MIDI-Polyphonic-Expression (MPE)
- Tempo-Following
- Instrument-Racks
- MIDI-Effect-Racks
- Drum-Rack
- Groove-Pool & Extract-Groove
- Chorus-Ensemble-Effekt
- Limiter-Effekt
- Phaser-Flanger-Effekt
- Redux-Effekt
- Saturator-Effekt
- Expression-Control-MIDI-Effekt
- MIDI-Monitor
- MPE-Control
Außerdem bietet Ableton Live 11 Lite 274 fertig konfigurierte Instrument Racks (inkl. 25 MPE Presets), 78 Drum-Racks, 134 Audio-Effect-Racks und 18 MIDI-Effect-Racks. Mitgeliefert werden außerdem 101 Drum-MIDI-Clips und 242 tonale MIDI-Clips. 40 Instrument-Presets, 226 Audio-Effect-Presets, 94 MIDI-Effect-Presets, 205 Loops, 1626 Drum-Hits und 667 Multisamples/FX/One-Shot-Samples bieten eine große Spielwiese für Ableton-Einsteiger.
Im Folgenden möchte ich auf einige der genannten Neuheiten kurz näher eingehen.
MIDI-Polyphonic-Expressions in Live Lite 11
Seit einiger Zeit sind MIDI-Polyphonic-Expressions (kurz MPE) in aller Munde. Insbesondere das Roli Seaboard hat nicht zuletzt durch den bekannten Keyboard-Virtuosen Jordan Rudess oder Filmmusikkomponist Hans Zimmer einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Statt einer zweidimensionalen Steuerung (horizontal: Tonhöhe, vertikal: Anschlagdynamik), wie sie eine herkömmliche Klavier- oder Keyboard-Tastatur bietet, arbeitet das Roli Seaboard dreidimensional und auch per Gestensteuerung. Die gesamte Fläche der Tastatur dient als Controller. So soll möglichst ausdrucksstarkes Spiel auf Tasteninstrumenten möglich werden.
Damit ein angeschlossener Klangerzeuger diese Informationen überhaupt auswerten kann, gibt es die MIDI-Polyphonic-Expressions. Diese sind für das Auswerten einer Vielzahl an Controller-Informationen für den Klangerzeuger wichtig, darunter zum Beispiel Timbre, Slide, Pitchbend oder auch Pressure. Ableton Live 11 Lite bringt 25 MPE-Presets mit. MPE-Parameter können für jede Note direkt auf der Pianorollen-Seite per Stift eingezeichnet werden. So ist das nutzen von MPE auch ohne Roli Seaboard oder andere MPE-Controller möglich. Es können entweder einzelne Punkte gesetzt werden, die dann automatisch durch eine Gerade verbunden werden oder aber man zeichnet wilde Muster mit dem Zeichenstift.
Skalen in Ableton Live 11 Lite
Das Spielen anderer Skalen als Dur- und Moll-Skalen bereitet vielen Einsteigern große Probleme. Doch gerade für die Improvisation und das Ausbrechen aus gewohnten Mustern sind die alternativen Tonleitern extrem wichtig. Um es Einsteigern leichter zu machen, besitzt Ableton Live 11 Lite eine Scale-Funktion, die in der Piano-Rolle die Töne anzeigt, die zur gewählten Skala gehören. Um die Scale-Funktion zu nutzen, ruft man die Pianorolle durch einen Doppelclick auf einen MIDI-Clip auf (oder generiert dadurch einen neuen MIDI-Clip in einem leeren Slot in der Session-View). Die Piano-Rolle öffnet sich und ganz links werden einige Basisparameter für den MIDI-Clip angezeigt.
Unter Signature wurde ein neuer Button „Scale“ hinzugefügt. Aktiviert man diesen, lässt sich über zwei Dropdown-Menüs rechts davon die gewünschte Skala einstellen. 35 Skalen stehen pro Tonart zur Auswahl, darunter gern genutzte wie Pentatonik oder die Kirchentonarten, aber auch Skalen anderer Kulturkreise laden zum Experimentieren ein. Ist eine Skala ausgewählt, werden die dazugehörigen Töne in der Piano-Rolle eingefärbt.
Macros
Eine mächtige Funktion von Ableton Live sind die Macros. Macros erlauben den direkten Zugriff auf einen bis mehrere Parameter eines Instruments oder Effekts. Sie sind vergleichbar mit den Smart-Controls in Logic Pro. Während bis Version 10 acht Macros zur Verfügung standen, sind es nun bis zu 16 Macros, die entweder schon in den Presets fertig gepatcht sind oder aber frei vom Benutzer „verdrahtet“ werden können. Dazu klickt man auf den Button „Map“. Es öffnen sich neue Fenster mit allen Instrumenten- und/oder Effektparametern. Außerdem werden die bereits vorgenommenen Macro-Zuweisungen angezeigt, die man nun editieren kann. Natürlich können den einzelnen Macros für mehr Übersichtlichkeit auch verschiedene Farben zugewiesen werden. Besonders viel Spaß macht die Randomize-Funktion (Button „Rand“), die alle Macros mit zufälligen Werten versieht. So kommt man schnell zu neuen Sounds oder abgedrehten Effekten.
Tempo Follower
Viel Wirbel gab es im Vorfeld von Ableton Live 11 um die Tempo-Follower-Funktion. Ableton Live war schon immer sehr gut im Zusammenspiel mit einer Band, da das Arrangement flexibel gestaltet werden kann und sich Clips per Warping an das gewählte Tempo anpassen lassen. Mit dem Tempo-Follower kommt nun eine neue Funktion hinzu: Live 11 richtet sich dabei zum Beispiel nach dem Tempo eines Live-Drummers. Die Einrichtung ist dabei sehr simpel: Ein Audioeingang des Interfaces wird für den Tempo-Follower reserviert. Dieser wird in den Voreinstellungen von Ableton Live unter dem Menüpunkt „Tempo“ angegeben. Ist dort der Tempo-Follower aktiviert, erscheint im Ableton Fenster zwischen den Buttons „Link“ und „Tap“ der Button nun „Follow“. Ein Druck auf Follow und Ableton Live 11 Lite richtet sich nach dem aus dem Eingangssignal errechneten Tempo. Damit das gut funktioniert, sollte aber das ungefähre Songtempo bekannt sein. Alternativ gibt man es zu Beginn einmal per „Tap“-Taste ein und überlässt den Rest dem Tempo-Follower. Im Test funktionierte das bis auf Ausnahmen sehr gut. Je abgedrehter das Eingangssignal ist, desto schwieriger wird es für Ableton, das Tempo sicher zu erkennen. Diese Funktion eignet sich deshalb sehr gut für Songs mit einfach gehaltenen Drum-Tracks. Pausen oder komplizierte Fills bringen Ableton Live schnell aus dem Takt. Bei einer einfachen Viertel-Bassdrum hingegen lockt sich Ableton Live präzise auf das Tempo, selbst dann, wenn es in gewissen Grenzen schwankt, zum Beispiel bei einem Ritardando. Dieses darf aber wiederum nicht zu ausgeprägt sein, sonst läuft es auseinander.
Ableton Live Lite 11: Scene
Endlich können auch Szenen Follow-Actions zugeordnet werden. Bislang ging das nur mit Clips. Überarbeitet wurde auch die Angabe von Taktart und Tempo. Hat man diese bislang über den Scene-Namen übergeben, gibt es nun dafür gesonderte Eingabefelder. Lädt man ein mit Ableton Live 10 Lite erstelltes Projekt, werden die entsprechenden Werte aus dem Szenennamen automatisch übertragen. Leider funktioniert die gewohnte Arbeitsweise mit den durch ein Semikolon vom Namen getrennten Eingaben von Tempo und Taktart nicht mehr. Ebenfalls ärgerlich: Das bislang benötigte Semikolon wird aus dem Szenennamen nicht automatisch entfernt. Bei einem sehr umfangreichen Set ist also viel Handarbeit angesagt.
Ableton Live 11 Lite – für wen?
Die kleine Ableton Live 11 Lite Version eignet sich für all diejenigen, die die Ableton-Plattform noch nicht kennen und einmal kennenlernen möchten. Für Nutzer älterer Live Lite Versionen ist das Upgrade ohnehin kostenlos und damit Pflicht. Für große Produktionen eignet sich die Lite-Version aber nicht. Die Beschränkung auf acht Spuren und sechzehn Szenen stellt dabei den größten Stolperstein dar. Mit einer unbeschränkten Szenenanzahl würde sich Ableton Live 11 Lite zumindest für die Wiedergabe von Backing-Tracks im Zusammenspiel mit einer Band auf der Bühne eignen, für die man selten mehr als acht Spuren benötigt. Interessant ist aber, dass sich Ableton Live 11 Lite beim Laden eines Sets, das mit Ableton Live 10 Intro, Standard oder Suite erstellt wurde, verhält wie eine vollwertige Ableton Live 11 Version. So ließ sich mein sehr umfangreiches Live-Set ohne Probleme laden und benutzen. Selbst die neuen Features stehen alle zur Verfügung.
Nur speichern oder Spuren exportieren kann man nicht. So können Interessenten aber in Ruhe mit ihren bestehenden Projekten die neuen Features wie den Tempo-Follower ausprobieren und dann überlegen, ob sich das Upgrade auf eine der größeren Live 11 Versionen für sie rentiert.
Eine Alternative für den Test stellt Ableton Live 11 Intro dar. Für günstige 79 Euro erhält man alle Funktionen von Ableton Live 11 Lite plus mehr Sound-Material, die neue Comping-Funktion und einige Effekte mehr. Leider ist auch hier die Spuren- und Szenenanzahl eingeschränkt. Möchte man Live lediglich zum Abfeuern vorproduzierter Backing-Tracks auf der Bühne einsetzen, wählt man die Standard-Version. Möchte man hingegen mit Live-Musik produzieren, greift man sofort zur Suite, denn der Standard-Version fehlen im Vergleich zu Suite wichtige Effekte und Instrumente.
Mir reicht Lite bisher, aber irgendwann wird die Osmose ja dann doch mal geliefert und spätestens dann wäre ich allein wegen MPE wohl auf Standard gewechselt.
Aber so? Feiner Zug von Ableton MPE auch für die Lite Version zur Verfügung zu stellen!