Günstiges Valve-Mic
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Das Avantone Pro BV-1 MK2 ist ein preiswertes Röhren-Großmembran-Kondensatormikrofon, das den beliebten Vintage-Klang der Klassiker aus den 50er-Jahren nachempfinden soll. Wie schon bei der ersten Version, die vor rund 12 Jahren erschien, handelt es sich bei diesem gänzlich überholten Nachfolger um keinen Nachbau, sondern um ein eigenständig entwickeltes Mikrofon. Dafür nutzt Avantone Pro zum Teil namhafte und altbewährte Bauteile.
Avantone Pro BV-1 MK2 auf den ersten Blick
Die in New York ansässige Firma Avantone Pro gehört zu den zahlreichen Herstellern, die äußerst günstige Produkte in Anlehnung an klassisches Studioequipment anbieten.
Um den niedrigen Preis des BV-1 MK2 zu ermöglichen, lässt Avantone, wie auch viele seiner Mitbewerber, das Mikrofon in China fertigen. Darauf folgt eine sehr lange Lieferkette, da die Qualitätskontrolle wiederum in den USA stattfindet, bevor es weltweit verschifft wird.
Das BV-1 MK2 ist in einem großen Koffer untergebracht, den Avantone mit reichlich Zubehör gefüllt hat. Um das empfindliche Röhrenmikrofon vor Beschädigungen und Erschütterungen zu schützen, liegt es zusätzlich sicher gepolstert in einer Holzschatulle.
Rundum betrachtet wirkt seine Verarbeitung sehr solide, der zylinderförmige, beige lackierte Metallkorpus ist sorgfältig mit dem robusten Mikrofonkorb und dem Anschlussstück für das Kabel abgestimmt. Während die Flaschenform des BV-1 MK1 sich zumindest optisch grob an dem Neumann CMV3 orientierte, erinnert der Nachfolger eher an ein Shortbody-U47 mit einem etwas langgezogenen Mikrofonkorb.
Hinter dessen feinmaschigem Gitter befindet sich die 34 mm große Doppelmembran im Stil der CK-12 Kapsel des legendären AKG C12s aus den 50er-Jahren. Sie lässt sich mit neun unterschiedlichen Richtcharakteristiken nutzen, dazu zählen Niere, Kugel, Acht und je drei gemischte Formen aus Niere und Kugel oder Niere und Acht.
An der oberen Kante des Korpus sind zwei kleine, stabile Metallschalter eingelassen, die zum Aktivieren des -10 dB Pads und des Hochpassfilters bestimmt sind. Die Einsatzfrequenz des Filters liegt bei 80 Hz und hat eine Flankensteilheit von 6 dB.
Unter den Luftschlitzen auf der Gehäuserückseite verbirgt sich eine russische 6072A (bzw. 12AY7) Röhre, in dem Sockel für den Kabelanschluss sitzt wiederum ein Ausgangsübertrager der Firma Cinemag.
Vor dem Beginn des Tests muss das BV-1 MK2 mit einem 7-poligen Kabel des deutschen Herstellers Sommer an das externe Netzteil angeschlossen werden – beide Komponenten sind Teil des Lieferumfangs. Das Netzteil dient nicht zur Stromversorgung des Röhrenmikrofons, sondern beherbergt auch den Wahlschalter für die neun Richtcharakteristiken. Über eine gewöhnliche XLR-Buchse kann schließlich das Ausgangssignal an einen Mikrofonverstärker geleitet werden.
Das Zubehör des Avantone Pro BV-1 MK2
Beim Betrachten des Zubehörs werden zwangsläufig Erinnerungen an das erst kürzlich getestete Warm Audio WA-CX12 geweckt:
Der große Aluminiumkoffer hat recht weiche Außenschalen, aber eine solide innere Polsterung. Seine größten Schwachstellen sind jedoch die dünnen, biegsamen Scharniere, durch die der Kofferdeckel im geöffneten Zustand sehr wackelig und instabil ist.
Auch die mitgelieferte Spinne sieht genauso aus wie die des WA-CX12, besteht ebenfalls aus Leichtmetall und hat zum Feststellen des Gelenks ein Kunststoffrädchen. Im Gegensatz zu der Version von Warm Audio bietet sie dem Mikrofon jedoch einen sicheren Halt – was sehr beruhigend ist – und auch die Spannvorrichtungen lassen sich bequem bedienen, ohne dabei mit den Gummiaufhängungen zu kollidieren.
Ganz offensichtlich beziehen beide Hersteller die Netzteile für ihre Mikrofone von demselben Zulieferer, denn mal abgesehen von der Farbe und dem Potiknopf sind sie optisch identisch (siehe Foto). Losgelöst davon wirkt die Verarbeitung des Avantone Netzteils aber robust, lediglich der Regler zum Einstellen der Richtcharakteristik weicht auch hier leicht von der Skalierung ab, wodurch in der Praxis aber keine Einschränkungen entstehen.
Etwas ungewöhnlich für diese Art von Mikrofon ist der beigelegte Popfilter, bei dem es sich streng gesehen um einen Windschutz handelt. Selbstverständlich reduziert dieser überaus günstige Schaumstoffaufsatz effektiv Plosiv- und Zischlaute, allerdings wird grundsätzlich durch das Verdecken des kompletten Mikrofonkorbs auch die Höhenwiedergabe verringert.
Technische Details
Avantone rühmt sich damit, Kondensatoren von sechs verschiedenen Unternehmen wie Solen, Nichicon, Wima, Elna, Kyocera und Epcos zu nutzen. Diese großen Hersteller dürfte es sicherlich schmeicheln, wenn sie wissen würden, dass Avantone sie als Boutique-Firmen in der Artikelbeschreibung des BV-1 MK2 preist. Zweifelsohne sind das alles namhafte und gute Fabrikanten, allerdings geht es hier um Bauteile die im Durchschnitt weit weniger als 1,- Euro kosten.
Ein Blick in das Innere des BV-1 MK2 verät, dass es sich bei der selektierten russischen Röhre tatsächlich um eine Groove Tubes GT-12AY7 handelt. Vermutlich nennt Avantone diesen renommierten Hersteller nicht explizit in den technischen Details, um sich Änderungen bei der Wahl der Röhren vorzubehalten.
Der Ausgangsübertrager wird von CineMag exklusiv für das BV-1 MK2 gefertigt und soll in Verbindung mit der Kapsel klanglich für einen vollmundigen Bass und ein weiches, offenes Topend sorgen. Für die Doppelmembran der 34 mm großen Kapsel verwendet Avantone ganz klassisch eine mit Gold gesputterte Mylar Folie mit einer Stärke von 6 Mikron, was den späteren Revisionen der CK-12 Kapsel von AKG entspricht.
Das Frequenzspektrum erstreckt sich von 25 Hz bis 20 kHz, leider verzichtet Avantone in den technischen Angaben auf jegliche Messdiagramme, die den Frequenzgang der unterschiedlichen Richtungscharakteristiken zeigen.
Sehr erfreulich ist das verhältnismäßig niedrige Eigenrauschen von 17 dB (A) und auch der Grenzschalldruckpegel von 134 dB (SPL) ermöglicht eine verzerrungsfreie Aufnahme von lauten Klangquellen. Sobald das 10 dB Pad aktiviert wird, liegt er sogar bei 144 dB (SPL).
Wie bei Großmembran-Kondensatormikrofonen üblich, beträgt die Ausgangsimpedanz 200 Ohm.
Testsetup für das Avantone Pro BV-1 MK2
Da bereits die erste Version des BV-1 ein beliebtes Mikrofon für Vocals war, hat Mani Mathia für diesen Bericht wieder einmal ein paar Spuren eingesungen.
Bei fast allen Aufnahmen kam ein normaler Pop-Filter von König und Meyer zum Einsatz, der einen Abstand von ca. 6 cm zum Mikrofon hatte. Lediglich das letzte Beispiel zeigt den Unterschied zu dem beigelegten Windschutz.
Für die Vorverstärkung wurde ein TAB V376a aus den 70er-Jahren genutzt, der einen überaus klaren und brillanten Klang hat. Da der V376a ein nicht deaktivierbares Hochpassfilter besitzt, greift dieses in der niedrigsten Einstellung bei 40 Hz, wodurch aber keine nennenswerten Einschränkungen für die Gesangsaufnahmen entstehen. Das Maß der Vorverstärkung beträgt bei allen Beispielen 34 dB, die Aufnahmen wurden nicht weiter bearbeitet, lediglich die Lautstärken der Audiofiles sind aufeinander angepasst.
Alle Aufnahmen sind wahlweise im WAVE-Format (44,1 kHz, 24 Bit) oder als MP3s (320 kBit/s) aufrufbar.
Klangbeispiele des Avantone Pro BV-1 MK2
Da Avantone Pro in seiner Produktbeschreibung vor allem den guten Klang des BV-1 MK2 bei einer Nahbesprechung hervorhebt, hat Mani das erste Beispiel mit der Nieren-Charakteristik und einem Abstand von ungefähr 13 cm zum Mikrofon eingesungen.
Das Ergebnis erfüllt durchaus die gepriesenen Eigenschaften: Der Bassbereich und die unteren Mitten sind straff und kräftig, aber in keiner Weise überbetont, während in den oberen Mitten eine angenehme, unaufdringliche Präsenz entsteht. Auch die Höhen haben einen sehr schönen, weichen Charakter mit einem wohlklingenden Rolloff durch den Nahbesprechungseffekt. Plosiv- und Zischlaute werden natürlich und unscheinbar eingebettet, darüber hinaus wirkt die Aufnahme sehr kompakt und gesättigt, jedoch ohne hervorstechende Verzerrungsspitzen:
Im nächsten Schritt hat Mani den Abstand zum Mikrofon auf ca. 25 cm vergrößert, nach wie vor war die Nieren-Charakteristik aktiv.
Wie erwartet, nimmt nun der Nahbesprechungseffekt ab, wodurch die unteren Frequenzen zurückhaltender ausfallen, das Topend sich weiter öffnet und die Aufnahme insgesamt mehr Dynamik hat:
Bei dem dritten Beispiel behält Mani den Abstand von rund 25 cm zum Mikrofon ein, allerdings wird nun die Kugel-Charakteristik angewählt. Erfreulicherweise erzeugt das Umschalten keine Nebengeräusche im Audiopfad.
Die Kugel fängt wie üblich mehr vom Raumsignal ein, die Höhen erscheinen wesentlich offener, wogegen die tieferen Frequenzen abnehmen.
Leider sind in dieser Einstellung leicht flirrende Resonanzbildungen in den oberen Mitten wahrnehmbar, wodurch sich die Aufnahme etwas metallisch anhört. Dieses Klangverhalten kann bei Bedarf als Effekt ganz charmant sein, für einen universellen Einsatz eignet es sich jedoch nicht so gut:
Noch spezieller ist schließlich die Acht-Charakteristik, deren Klang nicht nur deutlich weniger Höhen und Bässe hat, sondern auch die Mittenfrequenzen stark verändert wiedergibt. Wie zuvor bei der Kugel-Charakteristik, bilden sich ebenfalls flirrende Resonanzen in den oberen Mitten, darüber hinaus treten plötzlich Verzerrungen in den Pegelspitzen auf, obwohl der Abstand zum Mikrofon bei diesem Beispiel auch bei 25 cm lag.
Wieder kann das Ergebnis als spezieller Effekt seinen Reiz haben, für den professionellen, alltäglichen Bedarf ist dieser Klang jedoch zu unausgereift:
Das letzte Beispiel soll noch den Unterschied zwischen dem Popfilter von König & Meyer und dem zum Lieferumfang gehörenden Schaumstoffaufsatz demonstrieren. Grundsätzlich sollte der Einsatz eines Windschutzes in geschlossenen Räumlichkeiten immer die letzte Wahl sein, wenn die Zisch- und Plosivlaute einer Sängerin oder eines Sängers sehr stark ausgeprägt sind und sich gar nicht anders bändigen lassen.
Gerade das geschätzte Topend von Röhrenmikrofonen wird mit diesem extremen Hilfsmittel leider ziemlich reduziert.
Da Mani die beiden Beispiele nicht unmittelbar hintereinander eingesungen hat, weichen die Aufnahmen leicht voneinander ab, dennoch ist der Unterschied in den oberen Frequenzen deutlich zu hören:
Aufnahme
Sänger: Mani Mathia
Mikrofon: Avantone Pro BV-1 MK2
Preamp: TAB V376a / 34 dB Verstärkung / Hochpassfilter bei 40 Hz
Audiointerface: RME Fireface 800
DAW: Logic
„ Preis
ca. 1.300,- €”
Das soll günstig sein ? Sorry,aber jemand spinnt hier,oder ?
Vom Klang her (inkl. der Stimme) finde ich das Mikrophon besser als das Neumann 102, wobei bei Gesang ich die Niere bevorzugen würde.
https://www.amazona.de/test-neumann-tlm-102-grossmembran-kondensatormikrofon
@MidiDino Günstig? Sogar das Neumann TLM 103 ist noch günstiger, dann gibt es jede Menge andere günstige Mikrofone mit deutluch besserer Bewertung (Warm Audio, the t.bone?)
@AQ Mir gings um speziell um eine Sprachverständlichkeit, um Höhen (übermittelte) zu betonen, die Worte nicht in einem dumpfen Nebel verschwinden lassen. Als Digitalproduzent benötige ich kein Mikrophon ;-)