Kleinvieh macht auch DAW
Vorwort
Als Ergänzung zur Vollversion von Bitwig Studio 5 bietet die Berliner Firma mit der Producer- und Essentials-Variante mittlerweile auch günstigere Versionen der DAW an. Hier findet ihr alle Informationen dazu.
Inhaltsverzeichnis
Die Digital Audio Workstation Bitwig 5.0 wartet mit vielen Neuerungen auf. Ob die vielen kleinen Erweiterungen ein Upgrade zwingend erforderlich machen, versuchen wir in diesem Artikel zu ergründen. Nutzer mit einem aktiven Upgrade-Plan zur Zeit der Ankündigung (11. April, 2023) bekommen das Upgrade kostenfrei.
Die neuen MSEG-Modulatoren in Bitwig Studio 5.0
Gleich eine ganze Reihe an neuen Möglichkeiten bildet die Familie der MSEG-Modulatoren. MSEG steht dabei für Multi-Segment-Envelope-Generators. Sie lassen sich wie die vorherigen Modulatoren einfach in den Modulator-Slots auswählen oder als Element in einem Grid platzieren. Dazu gehören
- Segments (Envelope, Modulator + Grid),
- Curves (LFO, Modulator + Grid),
- Scrawl (Oscillator, Grid),
- Slopes (Data/Sequenzer, Grid),
- Transfer (Wave-Shaper, Grid).
Der Clou ist hier: Alle fünf greifen für ihre MSEGs auf ein Datenformat zurück, dem BWCURVE-Format. So kann eine im Curves (LFO) erstellte Schwingungsform auch im Scrawl Oszillator oder als Grundlage einer Sequenz genutzt werden.
Allen gemeinsam ist damit auch der Curve-Editor. Mit diesem erstellt man die Hüllkurven/Verläufe und kann sie entsprechend abspeichern. Diese landen in der Kategorie, in der sie erstellt wurden, also „Periodic“ für den LFO oder „Lookup“ für den Wave-Shaper. Geladen werden können sie aber von allen anderen MSEG-Modulatoren.
Der Curve-Editor
Dieser bietet nun alles, um eine nutzerdefinierte Schwingungsform zu erstellen. Es kann ein Grid in X- und Y-Richtung aktiviert oder auch Freihand gezeichnet werden. Das Grid lässt sich unabhängig in beiden Achsen mit einer Schrittweite von 1 bis 99 skalieren. Zur einfachen Erstellung komplexer Verläufe stehen verschiedene Tools zur Verfügung, wie z. B. eine Rechteck- oder eine Dreiecksform. Ist ein Teilabschnitt festgelegt worden, können die Segmente zwischen zwei festgelegten Punkten auch logarithmisch oder exponentiell verbogen werden – damit sollte man eigentlich jede beliebige Form erstellen können.
In der Praxis lässt sich das recht gut bedienen und auch eine UNDO-Funktion hilft gerade am Anfang, ungewollte Verläufe zu korrigieren. Mit den verschiedenen Grid-Quantisierungen kann beliebig detailliert gearbeitet werden. Es können mehrere Punkte ausgewählt und auch verschoben, kopiert und eingefügt werden. Leider können die Kurvenverläufe nur einzeln manipuliert werden.
Alles in allem ein guter Editor. Ich hätte mir aber einen Fundus an vorgegebenen Schwingungsformen gewünscht, denn in meiner Installation waren außer den Default-Formen keine anderen zu finden.
Eigenheiten der einzelnen Module in Bitwig Studio 5
Jedes der neuen Bitwig Studio 5.0 Module hat natürlich seine Eigenheiten und so unterscheiden sich auch die Einstellungsmöglichkeiten. Der Transfer Wave-Shaper kommt mit nur einem zusätzlichem Regler aus, der LFO hat eben noch Einstellungen für Rate, Retrigger und BPM-Sync.
Da der Wave-Shaper auch als „normales“ Filter konfiguriert werden kann, ist es im Grid also durchaus möglich, nur mit den neuen MSEG-Modulen einen kompletten Synth aufzubauen.
Die Idee finde ich gelungen. Man hat eine Reihe neuer Modulatoren, bzw. Grid-Komponenten und kann deren Daten frei untereinander austauschen. Für Experimente sicherlich gut zu gebrauchen, z.B. wie klingt ein Waveshaper, wenn man eine LFO-Form nutzt? Ob da jetzt aber so ein großer Mehrwert drin liegt, wird sich zeigen bzw. müssen wohl die Nutzer für sich selbst entscheiden.
Projektweite Modulatoren in Bitwig Studio 5.0
Neu sind nun Modulatoren auf Spur- oder gar Projektebene. Damit lassen sich über einen Modulator-Panel (ganz links in der Device-Kette, versehen mit einer Krone) auch Mixer-Parameter wie Volume oder Panorama steuern. Außerdem kann man von hier aus auf alle Modulationsziele in dieser Spur zugreifen. Das ist sehr praktisch, wenn man nur ein paar Modulationen nutzt und diese übersichtlich editieren möchte.
Selbst auf dem Master-Track existiert diese neue Modulationsquelle in Bitwig Studio 5.0. Von hier aus lässt sich beinahe jeder Parameter im gesamten Projekt fernsteuern. So kann man auch bequem Makros definieren, die mit nur einem Modulator gleich Dutzende Einstellungen auf mehreren Spuren gleichzeitig verstellen.
Zusätzlich zu den Modulatoren gibt es auch noch Track- bzw. Project-Remotes, die ebenfalls eine größere „Reichweite“ haben und zur einfachen Zuweisung von Controllern dienen. Man kann hier also von manuellen Modulatoren sprechen. Diese werden dann auch in der Mixer-Ansicht angezeigt.
Popout Editoren
Die MSEG-Kurven wären schwer editierterbar in der reicht kleinen Device-Lane, deswegen gibt es eben den speziellen Popout-Editor. Diese Idee hat man dann auch gleich konsequenterweise für schon bestehende Modulationsquellen umgesetzt. Z.B. für den „probabilities“-Sequencer, der sich im Grid auswählen lässt.
Erweiterter Browser
Bei den Hunderten und Aberhunderten Presets, Sequenzen, Clips und teilweise auch Plug-ins ist ein guter Datei-Browser immens wichtig. Deswegen wurde dieser in Bitwig Studio 5.0 erweitert, so dass er sich jetzt auch besser an die Bedürfnisse des jeweiligen Benutzers anpassen lässt.
Persönlich kann ich mich noch nicht ganz entscheiden, ob ich den neuen Browser besser finden soll. Auf den ersten Blick sieht er viel aufgeräumter aus. Der alte Browser erschlägt einen da förmlich mit einer Flut an Informationen – was wiederum den Vorteil hat, alles auf einem Blick sehen zu können. Ich denke aber, der neue Browser macht einen sehr guten Job, schnell zu einem Ziel gelangen zu können.
Neue Clip-Aktionen in Bitwig Studio 5.0
Um eine Performance besser kontrollieren zu können, wurden die Aktionen rund ums Clip-Launching erweitert. Man kennt ja den herkömmlichen Weg, mit einem Launchpad z.B. einen bestimmten Clip oder eine Clip-Gruppe zu starten. Das konnte seit jeher quantisiert werden, so dass der nächste Clip z.B. auf der nächsten Zählzeit „Eins“ startet.
In Bitwig Studio 5.0 wurden hier einige zusätzliche Funktionen eingebracht. Da wären zunächst die „on Release-Actions“. Diese weisen dem Clip eine Aktion nach dem Loslassen des Pads/der Taste zu. Zur Verfügung stehen
- Continue,
- Stop,
- Return,
- Next Action.
Wobei Letzteres eine von mehr als 20 Aktionen sein kann.
Die neuen Launch-Modes wurden teilweise einfach umbenannt, es gibt aber auch zwei neue:
- Trigger from Start,
- neu: Legato from Clip (or Start), übernimmt die Zählzeitposition vom laufenden Clip oder startet den Clip neu,
- neu: Legato from Clip (or Project), übernimmt die Zählzeitposition vom laufenden Clip oder startet den Clip von der aktuellen Transport-Position neu,
- Legato from Project, startet relativ zur globalen Transport-Position.
Die Alt-Trigger in Bitwig Studio 5.0 ermöglichen es, einen Clip auf eine alternative Weise zu starten, wenn bei seiner Aktivierung entweder die Alt-Taste gehalten wird oder eine dem benutzten Controller zugewiesene Shift-Taste gehalten wird. Bei meinem Launchpad-X ist das z.B. die „Capture-MIDI“-Taste.
All diese erweiterten Möglichkeiten in Bitwig Studio machen ein Set im wahrsten Sinne spielbarer, aber eine gut durchdachte Vorbereitung ist das A und O, möchte man sich nicht in der Hitze des Momentes selber verwirren. Ich sehe da einen tatsächlichen Mehrwert. Alleine zur Fehlerkorrektur wäre die alternative Start-Methode recht hilfreich. Man hat gerade mit einem dicken Finger den falschen Clip gestartet, der auch noch 4 Takte lang ist. Anstatt den „Clip-of-Shame“ abzuwarten, kann man den eigentlichen Clip, den man alternativ als Legato angelegt hat, schnell hinterherschieben und den Fauxpas auf die gern strapazierte künstlerische Freiheit schieben. Wenn man ganz clever ist, macht man das beim nächsten Mal genauso, denn Wiederholung legitimiert.
Andere neue Modulator- und Grid-Module in Bitwig Studio 5.0
Es wurden noch einige weitere Module zur Modulation und für das Grid hinzugefügt. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Helfer-Module, die eine ganz spezifische Funktion haben.
Das Keytrack+ Modul nutzt die BWCURVE, um eine frei editierbare Keytrack-Kurve erstellen zu können.