Semi-Hollow-Tele von Chapman
Ha, nun hat es also auch Chapman erwischt! Ein neuer Trend geht konsequent seinen Weg könnte man auch sagen, denn die Chapman Guitars ML3 Pro Modern Semi-Hollow besitzt einen Hals aus wärmebehandeltem Ahorn. Im Fachjargon nennt man das „Roasted Maple“ und das, was Music Man einst in die Wege leitete, hat wie ein Virus mittlerweile die gesamte Industrie getroffen. Überall wird also geröstet und das sieht ja auch verdammt lecker aus, abgesehen von der optischen Finesse sollen jedoch auch Stabilität und Klangverhalten der behandelten Hölzer von diesem Verfahren profitieren. Nachprüfen kann man es natürlich nicht, aber glauben sollte man es schon, wenn man nach den Herstellern geht. Wir schauen im folgenden Artikel aber natürlich nicht nur genau auf den Hals der Chapman Guitars ML3 Pro Modern Semi-Hollow E-Gitarre, sondern werden uns auch intensiv und bis ins kleinste Detail mit dem Rest der Axt beschäftigen. Dann mal los!
ML3 Pro Modern Semi-Hollow – Facts & Features
Sicherlich ist der Roasted Maple Neck der Chapman ein Hingucker, der Korpus ist aber auch nicht zu verachten. Wir haben es hier mit einem aus Mahagoni gefertigten Semi-Hollow-Body zu tun, unschwer zu erkennen am F-Loch im oberen Teil der geflammten und gewölbten Ahorndecke. Allerdings ist das mit einer massiven Decke nur eine Illusion, denn es handelt sich genauer gesagt um ein Stück Ahornfurnier, das zeigt sich unter anderem beim genauen Blick auf die Ränder dieser kleinen Resonanzöffnung, unter der sich ein etwa Handteller großer Hohlraum befindet. Das ist zwar jetzt nicht umwerfend viel Resonanzraum, der zur Verfügung steht – es beeinflusst den Klang einer elektrisch verstärkten Gitarre aber doch spürbar.
An den Rändern des Korpus deckt eine Klarlackschicht das verwendete Ahorn nur ab, was so ein natürliches Binding erzeugt. Das Finish beschreibt der Hersteller als „Obsidian Burst“, was ehrlich gesagt ein ziemlich düsteres Bild abgibt. Aber klar, Gitarren von Chapman waren schon immer nichts für Weicheier, sondern eher für das Heavy-Publikum bestimmt. Und das kommt hier zweifellos rüber. An der Qualität der Lackoberfläche gibt es nichts auszusetzen, selbst an kritischen Punkten, wie etwa dem Hals-Korpus-Übergang, wurde sehr sorgfältig gearbeitet. Zum Glück wurde die Rückseite des Halses von dieser Hochglanzschicht verschont, man will ja dem Ahorn nicht die Möglichkeit zum Atmen nehmen. Oder die Greifhand nicht zum Ankleben bringen oder etwa beides?
Der Hals
Das geröstete Stück Ahorn des Halses wurde in den Korpus eingeleimt und mit einem Übergang versehen, der kaum ergonomischer hätte ausfallen können. Erst in Höhe von Bund Nummer 22 hebt sich eine für die Greifhand nahezu unspürbare, dezente Wölbung hervor, was zusammen mit dem in seiner Innenseite bearbeiteten Cutaway eine hervorragende Bespielbarkeit der oberen Lagen ermöglicht. Ganz aus einem Stück besteht der Hals jedoch nicht, denn ein ebenfalls wärmebehandeltes Griffbrett aus Ahorn wurde zusätzlich aufgeleimt. Die Bundierung gibt keinen Anlass zur Kritik, sowohl die Bundkanten als auch die Oberflächen der 24 Jumbo-Bünde wurden allesamt sauber abgerichtet bzw. poliert.
Nicht ganz so sauber dagegen ist die Verarbeitung des 42 mm breiten Sattels gelungen. Er ist bei unserem Testmodell schlicht ein Stück zu klein ausgefallen, sodass an beiden Seiten ein Versatz spürbar ist. Einlagen jedweder Form auf dem Brett gibt es keine, lediglich in der Oktavlage am 12. Bund schmückt das Chapman-typische Infinity-Logo die kaffeebraune Farbe des Ahorngriffbretts.
Das C-Profil ist sehr sanft ausgefallen und dürfte vielen Spielern gut liegen – nicht zu flach, wie etwa „die insgeheime Referenz“ auf diesem Gebiet, der berühmt-berüchtigte Ibanez Wizard Neck, aber auch nicht zu dick, um die angepeilte Zielgruppe der Heavy-Musiker nicht aus den Augen zu verlieren. Hinzu kommt der flache Griffbrettradius von 350 mm, der moderne Spieltechniken bestmöglich unterstützt.
Ebenso dazu wie das Infinity-Logo am 12. Bund gehört bei Gitarren aus dem Hause Chapman der Reversed Headstock, der im Falle der Chapman Guitars ML3 Pro Modern Semi-Hollow E-Gitarre noch einmal extra verstärkt wurde. Oder besser gesagt: An dieser extrem sollbruchgefährdeten Stelle wurde einfach etwas weniger Holz abgenommen, was der doch kräftig nach hinten gewinkelten Kopfplatte etwas mehr Stabilität verleiht. Drauftreten sollte man natürlich trotzdem nicht, man sollte überhaupt niemals auf eine Gitarre treten!
An der Kopfplatte sitzen natürlich auch die Mechaniken, was uns zur Hardware und den Pickups der Chapman Guitars ML3 Pro Modern Semi-Hollow E-Gitarre kommen lässt.
Die Hardware
Mechaniken von Hipshot verrichten dort oben ihren Dienst. Es sind offen liegende Typen mit integriertem Klemmmechanismus, deren Funktion man als zufriedenstellend bezeichnen kann. Ein bisschen wie in Gummi drehen sie sich schon, dafür aber zeigen sie sich recht zäh, wenn es um das Halten der Stimmung insgesamt geht. Ehrlich gesagt habe ich bei dieser Art Mechanik mit ihrer komplett offenen Bauweise ja so meine Bedenken. Im jetzigen Neuzustand funktionieren sie noch recht gut, wie sich allerdings deren Zuverlässigkeit nach einer Dekade rauen Einsatz zwischen Proberaum und Bühne verhält, wird sich zeigen.
Am anderen Ende nimmt ein Chapman Hardtail Steg die Saiten auf und führt sie durch den Korpus hindurch: Wir haben es hier also mit einer echten String-through-Body-Konstruktion zu tun, was dem Klang und vor allem dem Resonanzverhalten des Instruments insgesamt betrachtet nur guttun kann.
Pickups & Elektronik
Bei den Tonabnehmern setzt Chapman auf eigene Typen, so befinden sich zwei „Madrigal“ Humbucker an Hals- und Stegposition. Die Tonabnehmer sind splitbar, ein Fünfwegeschalter ermöglicht die entsprechenden klanglichen Optionen. Ein Poti für Lautstärke und ein weiteres für Tone runden das schlichte, aber durchaus bewährte Bild der elektrischen Schaltung ab. Die Regler besitzen griffige Knöpfe aus Kunststoff und laufen mit einem idealen Widerstand auf ihren Achsen, dagegen gibt der Schalter ein eher fragiles Bild ab und dürfte dem neuen Besitzer vermutlich nicht lange Freude bereiten: Die Schaltvorgänge wirken schwammig und alles andere als präzise. Nur gut, dass es im Zubehör entsprechenden hochwertigen Ersatz für nicht viel Kohle gibt!
Ab in die Praxis!
Der eingeleimte Hals und die Saitenführung durch den Korpus machen sich auch hier erneut positiv bemerkbar und verpassen der Chapman Guitars ML3 Pro Modern Semi-Hollow einen knackigen Grundsound, der jedoch nicht unbedingt mit einem besonders kräftigen Sustain ausgerüstet ist. Diese Schwäche macht sich insbesondere beim Solieren in den oberen Lagen am Hals bemerkbar, bei der die angeschlagenen Töne nicht besonders gut im Futter stehen und daher relativ schnell ausklingen. Der Hals zeigt eine gute Bespielbarkeit, auch wenn hier erneut bei der Saitenlage wohl etwas geschlampt wurde, dabei lässt sich aufgrund der guten Verarbeitung der Bünde und des Halses sowie der festen Brücke recht schnell ein wirklich gutes Setting erzielen.
Positiv überraschen die beiden Chapman-eigenen Madrigal-Humbucker, die dem Grundsound der Gitarre um einen fast schon als cremig zu bezeichnenden Ton ergänzen. Sie arbeiten zwar nicht ganz frei von Nebengeräuschen, was man naturgemäß bei höherer Verzerrung deutlich hört, dafür aber mit einem gut aufgelösten und differenzierten Klang, der sowohl die Heavy-Schiene als auch den Blueser gleichermaßen zufriedenstellen dürfte. Als Humbucker betrieben überzeugen sie dabei mehr als im Singlecoil-Modus, der an manchen Stellen übertrieben dünn klingt.
Die Klangbeispiele
Kommen wir nun zu den Hörproben, für die ich die Chapman Guitars ML3 Pro Modern Semi-Hollow E-Gitarre in meinen Referenz-Amp Orange Micro Dark mit angeschlossener 1×12″ Celestion Vintage 30 Box eingeklinkt habe. Vor der Box wurde ein AKG C3000 Mikrofon platziert, ehe das Signal in Logic Audio ohne weitere Effekte aufgenommen wurde.
„Nachprüfen kann man es natürlich nicht, aber glauben sollte man es schon, wenn man nach den Herstellern geht. “
Natürlich könnte man das nachprüfen, schließlich lassen sich Schwingungsverhalten, Frequenzgang und Sustain messen. Verschiedene Hälse and den gleichen Korpus schrauben, definiert die Seiten anschlagen und durchmessen. Außerdem noch Schwingungen/Schall einleiten und ebenfalls messen.
Interessant wäre auch der Vergleich verschieden lackierter Hälse (glänzend/matt).
Die Industrie macht sich die Mühe nicht, weil dann nämlich klar würde, dass sie hier nicht nur Schlangenöl verscherbeln, sondern im Gegenteil Einsparungen bei den Produktionskosten als gewinnbringend verhökern wollen. So wie seidenmatte Lackierungen Gitarrenhälse auf Kosten der Haltbarkeit billiger in der Herstellung gemacht haben, so soll jetzt thermisch behandeltes Holz als Ersatz für lange gelagertes Holz herhalten.
Ich empfehle außerdem, mal ein paar Biegeprüfungen durchzuführen und den E-Modul zu messen. Für die thermisch behandelt Variante wird das nicht so gut ausgehen.
Klasse, spendierst Du mir die Werkzeuge? :) Dann teste ich auf Biegen und Brechen!
@Stephan Güte Sowas kann man bei Ingenieursbüros in Auftrag geben oder in Materialprüfungsanstalten. Ich habe da unter anderem auch mal Biegeprüfungen mit Skateboardbrettern aus Bambus gemacht (die Dinger sind echt stabil!).
Kostet halt ein bischen, für die Hersteller sollte das aber kein Problem sein. Das sie das vermeiden, hat wohl andere Gründe (siehe Schlangenöl), sonst würden sie sich doch nicht darauf verzichten, bessere Stabilitätswerte oder nachweislich günstigeres Schwingungsverhalten zu vermarkten.